Grenzen setzen ohne Meideverhalten

  • @ welsh aussie:


    Ich denke schon, dass das pöbeln den Hund in dem Moment erleichert und daher positiv empfunden werden kann.
    Warum? Der Hund hat Stress den er übers pöbeln kompensiert bzw. rauslässt. So wie manche Hunde kläffen wenn sie gestresst sind.
    Und natürlich ist das Frust/Stress rauslassen können angenehm.


    Also der Stress, Angst, Aggression, was auch immer ursächlich ist, ist nicht angenehm, aber das Pöbeln als Kompensator dann schon.



    Muemmel, bei dir klingt es so, als hättet ihr euch echt festgefahren und wenn es so ist, dann kann es durchaus sein, dass man das Verhalten nur noch durch Meideverhalten in den Griff kriegt. Insbesondere wenn der Hund dadurch auch zu einer Gefahrenquelle mutiert und man sich dem nicht mehr gewachsen fühlt.
    Allerdings führe ich das entstanden Problem nicht auf positive Arbeit zurück, sondern auf falsche Umsetzung derselben. Ich weiß, das wird gerne gesagt, der Vollständigkeit halber: auch falsch aufgebautes Meideverhalten kann nach hinten losgehen.


    Das Problem ist, das positive Erziehungstechniken oft mit antiautoritärer Führung gleichgesetzt werden.
    Dabei muss man nicht weniger konsequent und klar sein und nicht weniger seinen Führungsanspruch verdeutlichen. Nur auf eine andere Art.
    Positiv zu erziehen hat nichts damit zu tun den Hund zu einem gleichberechtigten Partner zu machen! Man muss seinen Führungsanspruch nur anders verkaufen.
    Die Fehleranfälligkeit dürfte daher bei positiven Mitteln relativ hoch sein weil viele HH das im Kopf nicht klar differenzieren und entsprechend lauwarm vermitteln. Und natürlich, wenn ich mehr Trainingsschritte habe, habe ich automatisch mehr potentielle Fehlerquellen.
    Nein, es ist tatsächlich nicht alles Gold was glänzt und man kann mit positiven Techniken auch jede Menge verkorksen- das ist kein Mittel bei dem keine unerwünschten Nebenwirkungen auftreten können und alles nur rosarot ist! Auch wenn das hier oft so klingt.
    Und weil es so klingt passieren noch mehr Fehler.
    Du sagst es ja selbst: Einflüsse von aussen, besonders das Internet. Bitte, wenn man sowas machen möchte, dann sollte man sich einen qualifizierten Trainer suchen der das kann und auch um mögliche Schwierigkeiten weiß.
    Weil eines muss schon jedem klar sein, ein vernünftig aufgebautes Meideverhalten ist garantiert um Längen besser als jedes lauwarme, nicht funktionierende oder gar gegenteilig wirkende Positiv-Training.
    Und das sage ich, obwohl ich es ablehne über Meideverhalten zu arbeiten.

  • Ich glaube, die vielen "Misserfolge" bei Leinenaggression entstehen dadurch, dass eben nicht positiv verstärkt wird.


    Viele Hunde empfinden Leckerchen bei Hundebegegnungen höchst aversiv...kein Wunder, dass sich dann nichts bessert und das "Schönfüttern" nicht funktioniert. Das liegt aber nicht daran, dass positive Verstärkung nicht funktioniert und Leckerchen grundsätzlich doof sind.

  • Zitat

    Ich glaube, die vielen "Misserfolge" bei Leinenaggression entstehen dadurch, dass eben nicht positiv verstärkt wird.


    Dann sag dochmal wann man positiv verstärkt. Einfach einen Satz einwerfen ohne Beispiel sagt nix aus. Schöngefüttert habe ich nie. Ich habe durchaus positiv verstärkt und nach kurzzeitiger Besserung, wurde alles weider wie vorher und noch ne Schippe obendrauf ... also eher eine weitere Verschlimmerung.


    Ich finde es auch zu einfach zu sagen, dass die Misserfolge dadurch entstehen, dass nicht positiv verstärkt wird ;) . Vielleicht ist es einfach so, dass es nicht bei jedem Hund klappt und vor allem, dass es auch vom Grad der Aggressionen abhängt, dann von dem Hund selber, wie spricht er überhaupt an.


    Nach meinen Erfahrungen kann ich jedoch einfach nur sagen, dass ich heute nie wieder so vorgehen würde, weil ich eine andere Einstellung zur Hundeerziehung gewonnen habe und weil es heute bei mir Sachen gibt, wo ich nicht bereit bin monatelang rumzudoktorn, wenn ich dem Hund und mir eine zeitnahe Lösung des Problems anbieten kann, ohne hier zu "rüdesten Methoden" greifen zu müssen.

  • Zitat

    Also der Stress, Angst, Aggression, was auch immer ursächlich ist, ist nicht angenehm, aber das Pöbeln als Kompensator dann schon.


    Einleuchtendes Argument!


    Übrigens weiß ich, dass wir Frauen u. eben auch Hündinnen Testosteron haben, wobei die Östrogene z. Glück überwiegen.


    Zitat

    Ich glaube, die vielen "Misserfolge" bei Leinenaggression entstehen dadurch, dass eben nicht positiv verstärkt wird.


    Richtig, weil viele HH selbst gestresst sind, emotional überreagieren u. sich dabei kaum noch auf das Wesentliche konzentrieren können.

  • Man sollte den Zusammenhang mit dem Testosteron bei einigen Rüden nicht verkennen.
    Wenn 2 Rüden eine Aueinandersetzung haben, dann hat der Verlierer danach einen niedrigeren Spiegel als vor dem Aufeinandertreffen, der Gewinnder einen höheren. Das hält einige Tage an. Und es beeinflusst das verhalten der beiden Herren in den nächsten Tagen. Der Verlierer tritt weniger selbstbewusst auf, der Gewinner dagegen deutlich selbstsicherer. Bei manchem Hund braucht man dazu keinen Bluttest, reine Inaugenscheinnahme reicht.
    Ich nehme mal als Beispiel meinen Spinner. :D
    Wenn seine Hündin im Anöstrus ist, er seit einigen Wochen keine irgendwie geartete Auseinandersetzung mit einem Rüden hatte, dann geht der Spazieren wie jeder andere Hund auch. Daheim ist er dann sehr gelassen, schläft viel, meldet nur wirklich wichtiges. Alles in allem ein umgänglicher Hund. Zu Beginn der Runde lässt er den Urin auslaufen, danach markiert er durchschnittlich oft und mit wenig Brimborium für seine Verhältnisse.
    Trifft er nun auf einen Rüden und gewinnt, bei einer Leinenpöbelei gewinnt er logischerweise immer, der andere geht ja, dann bekommt man einen "neuen" Hund. Der läuft jetzt größer und irgendwie breiter, aufgeplustert trifft es. Er markiert deutlich mehr, er macht viel mehr Terror ums Markieren, es wird lauter, es werden wieder Büsche niedergewalzt, Bäume mit Kratzer versehen, quadratmeterweise der Boden vom Bewuchs freigescharrt. Noch eben relativ gemäßigt, aber man merkt deutlich, dass er sich erheblich wichtiger nimmt.
    Bei der nächsten Rüdenbegegnung ist er schwerer zu kontrollieren, mehr auf Krawall gebürstet. Kommt es zum Krach und gewinnt er, dann verstärkt sich das beschriebene Verhalten. Man befindet sich in einer Aufwärtsspirale, der Hund wird sichtbar immer mehr zum Platzhirsch und duldet gleichgeschlechtliche Artgenossen immer weniger.
    Hat er dann einige Zeit keinerlei Auseinandersetzung mit einem Rüden, normalisiert sich sein Verhalten wieder. Trifft er die Jagdterrier meines Jagdpächters, dann ist es sofort wieder weg, die wirken wie ein Eimer Wasser, da würde er nämlich verlieren und backt sofort kleine Brötchen. Auch das senkt sofort seinen Hormonspiegel.
    Bis zum nächsten Anstieg wegen "einer gewonnen Schlacht" oder seiner Hündin, die läufig wird.


    LG
    das Schnauzermädel

  • Zitat

    Dann sag dochmal wann man positiv verstärkt. Einfach einen Satz einwerfen ohne Beispiel sagt nix aus. Schöngefüttert habe ich nie. Ich habe durchaus positiv verstärkt und nach kurzzeitiger Besserung, wurde alles weider wie vorher und noch ne Schippe obendrauf ... also eher eine weitere Verschlimmerung.


    Positiv verstärkt wird dann, wenn die Belohnung ein momentanes Bedürfnis befriedigt und der momentanen Motivation entspricht.
    Ansonsten belohnt man nur. Belohnung führt nicht zu einer Verhaltensänderung...


    Verstärkung kann folgendes sein: Distanzvergrößerung zum anderen Hund, Distanzverringerung zum anderen Hund, Bewegung, Pöbeln für die Testosteronexemplare....

  • Und genau dieses Pöbeln meines Rüden habe ich, und das tue ich auch noch heute, mit Meideverhalten gedeckelt.


    Dazu hole ich jetzt etwas aus.
    Als der Hund zu uns kam, war er seit einem Jahr nicht mehr Spazieren gewesen. Er pöbelte draußen Hunde und manchmal Menschen an, geriet in höchsten Stress und biss dann ernsthaft seinen Menschen am anderen Ende der Leine.
    Begonnen hat es mit einfacherer Pöbelei beim Junghund, "Experten" meinten das dann mit massivem Einsatz von Stachel und Tele regeln zu können. Hat super funktioniert, der Hund hat in seiner Verzweiflung gebissen und als er damit Erfolg hatte, das Beißen etabliert. Der biss auch für ein ausgesprochenes Kommando, weil er einem nicht dreist die Taschen leeren durfte.
    Die Arbeit mit ihm war vielschichtig.
    Wir haben lange mit 2 Langleinen und Helfern gearbeitet und ihn so in die Situation gebracht. Er konnte toben, wie er wollte, er kam nicht aus der Situation heraus und auch nicht an mich heran. Beruhigen und gelassen bleiben konnte ich dabei gefahrlos bestätigen. Das hat gut geklappt.
    Es bleiben aber an der Leine 2 Knackpunkte: Einerseits wenn er völlig überraschend in seine Paniksituation kam, also man biegt um die Ecke und da ist ein Hund, wenn man eben keine Möglichkeit hatte ihn auf die Situation einzustellen und Rüden. Und da sieht man deutliche Unterschiede, einerseits bei der Art des Pöbelns und auch beim Verhalten danach.
    Und als wir so weit gekommen waren, da habe ich mich entschlossen, dass über Meideverhalten zu regeln, also den Rüdenteil. Ohne Hilfmittel, nur mit meiner Präsenz. Und dass man mich besser nicht beißt, das hat er bereits vorher logischerweise lernen müssen, denn ich behalte mein Essen auf dem Teller und ich lasse mir auch keine Tasche von der Jacke, die ich anhabe, pflücken.


    LG
    das Schnauzermädel

  • Zitat


    Positiv verstärkt wird dann, wenn die Belohnung ein momentanes Bedürfnis befriedigt und der momentanen Motivation entspricht.
    Ansonsten belohnt man nur. Belohnung führt nicht zu einer Verhaltensänderung...


    Und in dem Fall bestärkt sich der Hund durchaus die ganze Zeit selbst wenn er pöbeln kann ;)


    Tucker
    ich versteh was Du meinst, aber es liest sich für mich so, wie jeder der (am Ende) über Meideverhalten arbeitet einfach schlicht zu dumm ist um den rein positiven Weg zu arbeiten.
    Ich empfehl mittlerweile jedem mit solchem Problem sich direkt an nen Trainer zu wenden. Ob das Canis oder Wattebauschiwurf-Trainer ist bleibt dem Mensch selbst überlassen. Aber mit rumprobiererei und einleserei und "hunderten guter Tipps von aussen" kann das nix werden.

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