Sozialisation

  • Hallo ihr Lieben!


    Da wir in einem anderen Thread diese Frage angeschnitten haben, sie aber nicht wirklich zum Thema passte, würde ich gerne hier eine Diskussion darüber eröffnen.



    Was versteht ihr unter Sozialisation? Was macht einen sozialisierten Hund aus? Welchen Beitrag können Züchter dazu leisten, oder sind Straßenhunde genauso sozialisiert oder sogar noch besser?


    Ist Sozialisation nur in den ersten Wochen möglich, oder kann man verpasstes auch noch nachholen?


    Welchen Einfluss haben die Gene, können diese eine mangelhafte Sozialisation kompensieren?



    Für mich gehört zur Sozialisation nicht nur der Umgang mit Artgenossen (findet das nicht vor allem in der Prägungsphase statt?), sondern vor allem auch mit anderen Tieren, fremden Menschen und überhaupt jeglichen Umwelteinflüssen, denen der Hund in seinem späteren Leben ausgesetzt sein wird.


    Ich denke auch, dass es sehr wichtig ist, dem Welpen gerade in dieser sensiblen Phase (man sagt ja etwa bis zur 12. Woche) so viel wie möglich von dem zu zeigen, was das Leben mit Menschen in einer Gesellschaft mit sich bringt. Später ist dies zwar nicht unmöglich, aber ungleich schwerer.



    Meine Erfahrung mit meinem TH-Hund: Ich halte sie zwar für sehr sozial im Umgang mit anderen Hunden, ansonsten kannte sie aber gar nichts: Autofahren, Staubsauger, fremde Menschen, laute Geräusche, Tierarzt, Rollstühle etc - alles machte ihr Angst; mit einigen Dingen haben wir auch jetzt, nach 6 Jahren, immernoch Probleme.


    Anzeichen für eine schlechte Sozialisation ist für mich nicht nur Aggressivität oder "soziale Inkompetenz" gegenüber Artgenossen, sondern vor allem Unsicherheit und Angst gegenüber (für uns) alltäglichen Situationen, die der Hund in dieser Phase jedoch nicht kennengelernt hat.



    Bin gespannt auf eure Meinungen!



    Schöne Grüße, Caro

    • Neu

    Hi


    hast du hier Sozialisation* schon mal geschaut? Dort wird jeder fündig!


    • Hallo Caro!


      Ich habe jetzt drei verschiedene Hunde hier.


      Pebbles: Aufgewachsen mit ganz vielen anderen Hunden auf einem Bauernhof mit Innenhof. Viel Menschenkontakt, Kontakt mit anderen Tieren. Alles prima. Krach machte ihr nichts aus. Aber: Da sie es nciht kannte, ihr angestammtes Territorium zu verlassen, brach für sie eine Welt zusammen, als ich das erste Mal mit ihr spazieren gehen wollte.


      Face: Aufgewachsen - keine Ahnung. Wir haben sie aus einer Tötungsstation in Irland. Sozialisierung in puncto andere Hunde - super. Menschen? Hilfe unheimlich. Verkehr? Kein Thema, war ja Straßenhund.


      Aoibheann: Aufgewachsen bei einer super Züchterin, die irre viel mit den Welpis unternommen hat (Einkaufszentrum, Strand, Behindertenheim, fremde Hunde, viele Menschen, Agi-Turnier usw. usw.) Diesen Hund kann NICHTS schocken. Ein wenig blöd geguckt hat sie beim Zusammentreffen mit ihrer ersten dt. Mülltonne - und das wars. Alles andere scheint für diesen Hund das selbstverständlichste auf der Welt zu sein. Es gibt NICHTS wo man sie vorsichtig ran führen müsste. Rollstuhlfahrer, Autos, laute Geräusche drinnen wie draußen, Wasser - alles ist völlig normal, weil vom ersten Tag an da (zum Teil per Geräusch CD in der Wurfkiste).


      Jetzt sehe ich, was die Prägung in den ersten Wochen ausmacht, es macht ein leichtes Hundeleben. Natürlich ist die Prägung damit nicht abgeschlossen und ich mußte diese sehr verantwortungsvolle Aufgabe weiter übernehmen. Aber es ist SO leicht mit ihr.


      Bisher, da ich noch nie einen wirklich vom Züchter stammenden Hund hatte, war Angst, Zurückhaltung usw. für mich normal. Erst jetzt merke ich, daß das gar nicht sein muß, wenn gute Vorarbeit geleistet wird.


      Nachholen kann man sicher einiges, aber nie wirklich alles. Aus Pebbles ist ein sehr souveräner Hund geworden. Face hingegen, die ja mit 7 Monaten erst zu uns kam, hat bis heute Defizite, die wir wahrscheinlich nie aufholen werden. Das Größte ist eigentlich ihr Mißtrauen in Menschen. Sogar bei uns beschwichtigt sie IMMER, wenn wir mit ihr kraulen. Selbst da ist kein 100 %iges Vertrauen.

    • hi caro,


      gute Frage: also ich geh das mal von Menschensicht an.
      Wann ist ein Mensch sozialisiert? Wenn er sich verhält wie ein durchschnittlicher Mensch, der mit anderen Menschen zusammenkommt, dem nichts fremd ist und der keine traumatischen Erlebnisse in der Kindheit hatte.
      Dasselbe sollte für den Hund auch gelten, nur ist das Problem dass hundi sich in unserer Welt (nicht in den Weiten Kanadas) zurechtfinden muss.
      Den Kontakt mit seinesgleichen, den Kontakt mit der menschlichen Úmwelt und den Menschen selber. Eigendlich ganz schön viel wenn man einem Hund zumutet in einer Großstadt immer ruhig zu bleiben :???:
      Aber ist heute großteils notwendig. Inwieweit diese Situationen für den Hund Stress bedeuten wäre interessant zu messen.


      Also sozialisiert ist mein Hund, wenn er ohne Angst zu haben mit anderen Tieren und Menschen sich abgibt und bei üblichen Umwelteinflüssen (Autos, Radfahrer, Hubschrauber.....) gelassen bleibt.
      Es ist sicher hilfreich wenn der Welpe so früh wie möglich mit den zukünftigen Umweltbedingungen aufwächst, aber glaube ich auch, dass ein älterer Hund dies auch noch erlernt, vielleicht etwas langsamer, aber immerhin.


      Schlecht wäre nur ein Zwingerhund, der weder Mensch, noch andere Hunde, noch andere Geräusche kennt und plötzlich in die menschliche Zivilisation entlassen würde.
      Aber das ist beim Menschen ja nur gleich.


      lg


      steve

    • Hallo Caro,



      ich kann jetzt nur von meinen beiden Hunden ausgehen.


      Mein Dino kam von einem "Vermehrer", der die Welpen vor sich hinwachsen ließ.
      Wirklich viele Eindrücke und Sozialkontakte bekam er dort wohl nicht.


      Mit 12 Wochen kam er zu mir.


      Alles was ich machte, wurde mit größtem Argwohn betrachtet.
      Jegliche Geräusche, die etwas lauter als die Norm waren, versetzen ihn in Panik.


      Ich habe es bis zum Schluss nicht geschafft, aus ihm einen relaxten Hund zu machen.


      Es wurde zwar im Laufe der Jahre bedeutend besser, aber ein sicherer Hund wurde er nie.


      Das einzig Gute war, dass er Vertrauen zu Menschen aufgebaut hatte, und sich ihnen gegenüber sehr freundlich verhielt.



      Bonny stammt von einem verantwortungsvollen Züchter, der in den ersten Wochen alles erlebte, was in der Zeit machbar war.


      Das waren optische und akkustische Reize,


      das Laufen auf verschiedenen Untergründen,


      zahlreichen Kontakt zu Kindern aller Altersstufen,


      und Menschen aller Art.


      Aus Bonny ist ein sicherer und freundlicher Hund geworden, der keinerlei Aggressionen zeigt.


      Geräusche, auch Raketen an Silvester lassen ihn völlig kalt.


      Ich glaube kaum, dass ich so unterschiedlich mit beiden Hunden umgegangen bin, dass das der Grund dafür sein könnte.


      Nicht umsonst bezeichnet man die Pägepase als einen ganz wichtigen Abschnitt in der Entwicklung eines Hundes.


      Aber umgekehrt ist es möglich, einen optimal geprägten Hund wieder zu versauen, wenn der Umgang des Menschen nicht stimmt.


      Ich halte die Prägung im Welpenalter für sehr entscheidend was das spätere Leben eines Hundes angeht.

    • boah, das ist mal ne frage! :???: - aber gut!


      für mich heisst das eigentlich "nur", dass der hund vom ersten tag an (bis zum letzten) immer mehr dazulernen sollte und sich entsprechend verhalten sollte. und das alles bestenfalls unter der "fuchtel" seines halters. klar, die welpenzeit jetzt mal ausgenommen - da haben die züchter ihre aufgabe. unserer hat z.b. alle möglichen geräusche abgespielt, ihnen dies und das zum schnuppern gegeben, usw.


      ich finde es ist wie beim menschen: wirst alt wie 'ne kuh und lernst immernoch dazu (hoffentlich!)


      learning by doing sozusagen

    • Beim Hund sehe ich Sozialisation als die Anpassung an seinen Halter und seine jeweilige Umgebung.
      Das kann ganz verschieden aussehen.


      Die Straßenhunde lernen andere Dinge als der Hund in der Familie, der auf dem Bauernhof, der Jagdhund, der Hütehund....


      Was besser oder schlechter ist, kommt auf die Lebensumgebung des Hundes an.


      Als lern-und anpassungsfähig erlebe ich Hunde in jedem Lebensalter, mit fast jeder Vorgeschichte.


      Für möglich halte ich es, dass Hunde, die mit wenigen Wochen von den Geschwistern und der Mutter getrennt werden in einigen Bereichen ziemlich blank sind, und dies eventuell nicht in vollem Umfang aufgeholt werden kann.
      Vergleiche z. B. Sprachentwicklung beim Menschen.
      Da sind verpasste Entwicklungszeiträume auch nicht mehr ganz reversibel.


      Für mein Lebensumfeld bedeutet ein gut sozialisierter Hund ein selbstbewusster, nicht ängstlicher Hund. Ein Hund, der mit Artgenossen umgehen kann, einer der überall mitgenommen werden kann, Menschen bezogen ist, viele Dinge in unserer komplexen Welt kennt und damit umgehen kann.


      Gruß, Friederike

    • Zitat

      Was versteht ihr unter Sozialisation? Was macht einen sozialisierten Hund aus? Welchen Beitrag können Züchter dazu leisten, oder sind Straßenhunde genauso sozialisiert oder sogar noch besser?


      Strassenhunde sind sicherlich gut sozialisiert in Hinblick auf ihre Umgebung, denn ansonsten würde sie schlichtweg nicht überleben. Ob die Sozialisierung, die sie genossen haben bzw. erleiden mussten, so einfach mal hunderte km weit weg und in ganz andere und damit unsere Umstände passt, hängt sicherlich von dem jeweiligen Hund ab.


      Ein Züchter oder auch jemand, der Upps-Welpen bei sich aufzieht, hat eine enorme Aufgabe, denn er darf die Hunde nicht über- aber auch nicht unterfordern, was die Gewöhnung an Umweltreize angeht. Auf jeden Fall sollte er seine Hunde in der Familie d.h. mit Menschen aufwachsen lassen, denn das ist das A und O der Hundeaufzucht.


      Zitat

      Ist Sozialisation nur in den ersten Wochen möglich, oder kann man verpasstes auch noch nachholen?


      Nein im doppelten Sinne, denn in den ersten Wochen findet die Prägungsphase statt, die man nicht nachholen, sondern im besten Fall mit unglaublich viel Arbeit und intensivem, langjährigen Training aufarbeiten kann, wobei man aber dennoch niemals den Stand einer richtig gut gelaufenen Prägungsphase erreichen wird. Und da weiß ich leider, wovon ich rede, da ich meine Souma mit knapp 3 Wochen zu mir geholt und aufgepäppelt habe.


      Man muss auf jeden Fall zwischen der vegetativen Phase (bis zur 3. Woche), der Prägungsphase (bis zur 7. Woche) und der Sozialisierungsphase (bis zur zur 12. Wochen) *zitiert nach Fleig: Die Technik der Hundezucht* unterscheiden.


      Die Sozialisierungsphase, mal ohne Fleig sondern nach mir, ist die entscheidendste Phase für die Bindung zum Menschen. Alle anderen Umweltreize sind zwar in dieser Zeit richtig gut, aber da kann man mal auch was verpassten durchaus in den folgenden Monaten nachholen.


      Zitat


      Welchen Einfluss haben die Gene, können diese eine mangelhafte Sozialisation kompensieren?


      Nein, die Gene haben keinerlei Einfluss und können auch nichts kompensieren.


      Wo Du scheinbar eher drauf hinaus willst, sind weniger die Phasen des Welpen als mehr das Auftreten des erwachsenen Hundes. Sicherlich sind die Welpie-Phasen enorm wichtig gerade z.B. bei einem so instinktgesteuerten und ursprünglichen Hund wie dem HSH. Und sicherlich ist ein Collie genetisch eher dazu veranlagt, Streitigkeiten mit einem andern Hund defensiver zu lösen als ein Staff.


      Aber für mich ist Sozialisation, so wie Du es wahrscheinlich meinst, mehr die Aufgabe des HH. Nämlich, dass mein Hund dank meiner Erziehung sich gegenüber anderen Hunden, anderen Menschen und den Umweltreizen, die in unserer Umgebung vorkommen, souverän verhält d.h. nicht ängstlich oder gar aggressiv reagiert und auch nicht meine Nachbarschaft, Freunde und Bekannte oder gar mich tyrannisiert.

    • Eine gute Sozialisierung bedeutet bedeutet für michsich so zu verhalten, um in jeglicher Situation nicht im negativen Sinne aufzufallen.


      Dabei sollten Welpen schon ab der 4. Woche mit Personen beider Geschlechter vertraut gemacht werden und Kontakt oder Spiel mit Kindern.
      Sie sollten die verschiedensten Geräusche kennenlernen, verschiedene Bodenstrukturen im Innen - und Außenbereich und das Auslebenlassen der Sozialisierungsphase der Welpen untereinander.


      Wenn Mängel infolge ungenügender Forderungen der Welpen entstehen wärend der Prägephase treten diese erst im Laufe der Zeit oder nach der Reifezeit auf und bei Welpenübernahme kaum erkennbar.


      Es hängt dann von den eerbten Grundanlage ab, inwieweit sich diese Mängel in der praktischen Haltung auswirken - ob es zum Ausweichen oder Zurückhaltung neigt oder aggressiv reagiert.


      Sicher kommt von den Voraussetzungen noch dazu wie der Welpe von seinem Besitzer erzogen wird und weitere Sozialkontakte aussehen.


      Der Grundstein wird aber schon in die Wurfkiste gelegt

    • Ähem... mal ne besserwisserische Anmerkung: Sozialisation ist der Begriff, der sich auf das Lernen von Verhaltensweisen gegenüber Artgenossen und Lebewesen bezieht.


      "Umweltlernen" nennt man Habituation :klugscheisser:

    • Zitat

      "Umweltlernen" nennt man Habituation :klugscheisser:


      Wußte ich auch noch nicht, so lernt man dazu (und selbst nach mehrfachen Lesen und dem Versuch, es laut auszusprechen, hat mein Hund nur einen kläglichen Seufzer für mich übrig, manche Begriffe werden wohl nie meinen aktiven Wortschatz erreichen ;)).


      Ist dieser Begriff auch in der Entwicklung von Hunden oder Hundeerziehung etabliert??

    Jetzt mitmachen!

    Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!