Nach müde kommt drüber...

  • Nochmal ich möchte gar nicht kritisieren oder sagen du liegst falsch. Und darum frage ich ja, ob es sein kann. Vielleicht einmal ein Bild, was sich für mich aus dem gelesenen (nicht nur hier) abzeichnet:

    Ein Hund mit Unsicherheiten - keine Angst - aus dem Tierschutz. Ein Mensch, der diese Unsicherheiten zu ernst nimmt und versucht einfühlend zu sein, dadurch möglicherweise mangelnde Führung aus Hundesicht an den Tag legt. Das in Kombination verstärkt die Unsicherheiten und daraus entwickelt sich Stress und möglicherweise auch Angst.

    Du suchst einen Weg, diesem Stress ein Ventil zu geben. Das ist ja auch absolut richtig und gut. Aber nur zur Symptombehandlung.

    Ich sage nicht, dass dieses Bild von euch richtig ist. Und selbst wenn fände ich es nicht verwerflich. Darum frage ich ja, ob es sein kann. Denn wenn dieses Bild stimmt, musst du für eine langfristige Änderung einfach an einer anderen Stelle anpacken.

  • Allgemein bezogen: Dann bitte gerne rückmelden wie etwas rüber kommt, anstatt erstmal etwas hinein zu interpretieren und mir dann Unterstellungen entgegen zu bringen von denen ich nichtmal weiß, wodurch diese entstanden sind.

    Ich glaube, das würde Foren-Threads sehr lang und unauthentisch machen:

    „Ich verstehe xy jetzt so, stimmt das?“

    „Ja, richtig.“

    „Dann ist mein Rat….“


    Schriftliche Konversation ist halt tricky, und „Unterstellung“ deutet darauf hin, dass du (böse) Absicht dabei wahrnimmst, zumindest der Wortbedeutung nach - aber die Leute reagieren ja nur auf deine Texte.

  • Für mich ergibt sich beim Lesen irgendwie das Bild eines Hundes, der einerseits mit Neuem nicht gut umgehen kann und der sich andererseits auch sehr schlecht selbst regulieren kann (Thema Schnüffelteppich).


    An der Umweltunsicherheit arbeitest du scheinbar sehr einfühlsam und extrem kleinschrittig mit ganz viel positiver Verstärkung. Das kann für den ein oder anderen Hund ein ganz toller Weg sein und scheint ja grundsätzlich auch zu funktionieren. Nichtsdestotrotz würde ich dir und dem Hund zuliebe mal kritisch hinterfragen, ob das für euch auf Dauer wirklich so zielführend ist.


    Stand jetzt läuft euer Zusammenleben, wenn ich das richtig verstanden habe, so:


    Hund findet den Reißverschluss komisch? Du übst mit ihm gezielt, den Reißverschluss nicht mehr komisch zu finden.


    Hund findet die Klospülung komisch? Du übst mit ihm gezielt, die Klospülung nicht mehr komisch zu finden.


    Hund findet die Spülmaschine komisch? Du übst mit ihm gezielt, die Spülmaschine nicht mehr komisch zu finden.


    Hund findet das Auto komisch? Du übst mit ihm gezielt, das Auto nicht mehr komisch zu finden.


    Das Problem an der Sache ist, dass das bei einem Hund, der bei allem Unbekannten unsicher ist, ein Fass ohne Boden ist. Der Punkt, an dem euer Hund alles auf der Welt mal gesehen hat und dann entspannt durch die Welt laufen kann, wird nicht kommen.


    Anstatt dem Hund nach und nach die Angst vor bestimmten Objekten oder Geräuschen zu nehmen, würde ich deshalb lieber daran arbeiten, ihm die Angst vor dem Unbekannten zu nehmen.


    Der muss gar nicht lernen, dass die Klospülung, die Spülmaschine oder der Reißverschluss ihn nicht fressen. Er muss "nur" lernen, dass ihm in deinem Beisein nichts passiert.

    Und das funktioniert meiner Erfahrung nach am Besten, indem man einfach souverän agiert und den Hund dabei sein und es in gewisser Weise aushalten lässt. Ohne großes Training, ohne gezieltes Untersuchen und Schönfüttern von einzelnen Dingen, sondern einfach nur über das Erlebnis "Okay, hier sind zig Dinge, die ich alle nicht kenne - aber nichts davon greift mich an."


    Richtig, richtig schlimme Ängste vor bestimmten Objekten kann man dann immer noch gezielt angehen, untersuchen, schönfüttern etc. Aber erstmal muss die generalisierte Angst vor dem Unbekannten in den Griff bekommen werden.



    Die andere Sache ist dann der extreme Stress. Wenn schon der Schnüffelteppich so ein Problem ist, klingt das für mich, als würde es da generell nicht so super um die Selbstregulation und das Stressmanagement stehen.


    Gerade bei sehr reizoffenen, schnell angeknipsten Hunden, die keine besonders schöne Vergangenheit haben, kann es vorkommen, dass die einfach nie gelernt haben, dass man nach Stress auch wieder runterfahren kann. Ist für die einfach keine naheliegende Option. Die steigern sich dann rein und rein und kommen von selbst gar nicht auf die Idee, den Stop-Knopf zu drücken und wieder runterzufahren.

    Ich habe das leider schon mehrfach bei Hunden aus dem Tierschutz erlebt. Gar nicht mal nur bei Hütis, sondern generell bei Hunden, die eher reizarm und oftmals ohne ausreichenden Kontakt zur Mutterhündin aufgewachsen sind. Mein eigener Rüde ist auch so ein Kandidat.


    Solchen Hunden hilft man meiner Erfahrung nach am meisten, wenn man den Stress (bzw. das Reinsteigern in den Stress) sehr frühzeitig gnadenlos abbricht. Also wirklich einfach über Gehorsam verbietet, weiter rumzustressen und hochzufahren.


    Das ist im ersten Moment keine wahnsinnig nette Methode, für viele klingt das total unfair weil der arme Hund kann ja nichts dafür, dass er Stress hat. Ja, stimmt absolut. Aber oft ist es der einzige Weg, um da einen Fuß in die Tür zu bekommen. Und wenn es hilft, den Hund zeitnah aus seiner Stressspirale zu befreien, ist das für mich tatsächlich deutlich tierschutzfreundlicher als den Hund durch Rumeiern mit sanfteren Methoden, Gewöhnung etc. weiter in seinem Stress zu lassen.

  • Achso, und einen Literaturtipp will ich noch da lassen: "Resilienz bei Hunden" von Vanessa Engelstädter. Mein heiliger Gral für Hunde, die Schwierigkeiten mit allem Unbekannten haben.

  • Nono es kann sein, dass ich missinterpretiere, das haben geschriebene, subjektive Texte so an sich, dass sie falsch aufgefasst werden können. Liest ja automatisch jeder so bisschen rein, was er assoziiert und zack ist da ein Film, der bei der vielleicht gar nicht läuft. Wenn dem so ist, dann hake meine Antwort einfach ab und gut. Zur Erklärung meinerseits kann ich gar nicht mehr viel sagen, weil miamaus2013 da schon alles zusammenklamüsert hat.

  • Was mir gerade noch eingefallen sind: besonders Hütehunde sind ja sehr sensible Wesen, die oft auch wahnsinnig fein auf ihren Menschen und seine Gefühle reagieren.


    Mal eine Anekdote von meinem Hütehund. Kalle, seines Zeichens Border Collie, reagiert bei mir gefühlt seit er da ist, ängstlich, wenn Stoff geschüttelt wird. Eine Plastiktüte schütteln ist okay, aber zb Bettdecke ausschütteln nicht. Er reagiert nicht panisch oder so. Aber er schaut zerknirscht und verlässt den Raum. Nicht fluchtartig, er geht im Schritt, aber er geht.

    Da ich das ja nun weiß, war ich bei jedem geschüttelten Stück Stoff vorher schon in so einer Habacht-Haltung (innerlich) weil gleich erschreckt sich der sensible Border ja wieder. :tropf:

    Jetzt ist das Kerlchen nicht dumm. Und er könnte mittlerweile bei Wetten dass auftreten, da er absolut sicher erkennt, ob ich ein Stück Stoff nur so in die Hand nehme um es zb wegzupacken oder es schütteln will. Er spürt einfach meine innere Haltung dazu.

    Ist für mich jetzt kein großes Problem gewesen, mal ne Hose aufschütteln mache ich so, da muss er durch und geht halt einfach. Zum Bettwäsche wechseln mache ich die Zimmertür zu, dann umgeht man das Problem prima. :pfeif:


    Ich habe nen neuen Partner, der von dieser Spezialität nichts wusste. Wir haben zusammen gekocht, Hunde waren mit in der Küche, mein neuer Partner hat ein Küchentuch geschüttelt, direkt neben Kalle. Und was macht der? Schaut bisschen zerknirscht und das war’s. Kein Verlassen des Raumes, nichts. :lepra: :ugly:


    Ja nun. Und jetzt weiß ich nicht, wie viel Angst Kalle wirklich beim Schütteln von Stoff hat und wie viel seiner Reaktion auf meiner Habacht-Haltung beruht. :ka:


    Lange Rede, kurzer Sinn: man bekommt so einen sensiblen Hütehund durchaus zu (übermäßig) ängstlichem Verhalten, wenn man selbst in Sorge ist, dass er gleich (wieder) Angst haben könnte. Für Sie getestet. |) :mute:

  • Oh ja... Wenn ich zurück denke, was ich alles versucht habe, um Smilla die Tablettengabe "schmackhaft" zu machen :ugly: . Im Endeffekt ist sie schon geflüchtet, wenn ich ihr Leberwurst (ganz ohne Tablette) hingehalten habe oder auch nur Richtung Kühlschrank bin. Wir haben andere Leer-Kapseln gekauft, geclickert, es als Belohnung verkaufen versucht etc...
    Irgendwann umgestellt auf (weil Alternativen hatten wir eh nicht mehr): ist jetzt so, Schnauze auf, Tablette rein, schlucken lassen, hinterher Keks. Hat so 2 Tage gedauert und sie ist beim Geräusch des Blisters von selbst gekommen und noch mal so ein paar Tage, bis sie sogar die Schnauze selbst aufgemacht hat... :tropf:
    Hat mich sehr umdenken lassen. Weniger Bohei drum machen kann durchaus mehr sein.


    Anderes Beispiel: Mein Sheltie-Jungspund ist ja auch eher Typ Sensibelchen, das auf recht viel irgendwie reagiert. Die wirft dann einen Blick in die Runde, sieht, alle anderen Hunde sind entspannt damit und gut ist. Würden die anderen Hunde selbst wieauchimmer darauf reagieren, muss ja nichtmal unsicher sein, aber alleine die Reaktion, sähe das sicher anders aus.
    Je souveräner/selbstbewusster die Bezugspersonen (Bezugshunde) sind, umso mehr auch der zuhülf-Hund.

    Ich bin ja (leider) sehr eine Betüddel-Tante mit ein wenig Neigung zum Helikoptern :pfeif: , die alles möglichst positiv aufdröseln will und oh je, damit geht es dir nicht gut? Hilft nach meiner Erfahrung mit sensiblen Hunden aber nur sehr bedingt bis kontraproduktiv...

  • Sie war etwa 1 Jahr lang einmal die Woche vom Tierheim aus mit einem ehrenamtlichen Helfer beim Einzeltraining, da ging es auch ohne Bitten mit Anlauf in die Box und es hat sich nichts gebessert. Bei der Trainerin bei der ich zu erst war, mit dem am Halsband mitziehen. Das Training schien an ihrer Leinenaggression nichts geändert zu haben, während die Tipps des 2. Trainers schon bei erster Anwendung etwas brachten und es seitdem immer besser wurde.


    Ich schätze ihr versteht mich vielleicht wieder anders, ich betüddle sie nicht bei jedem Problem kleinschrittig aber ich denke das ich situativ unterscheiden kann wo ihr souveränes vorangehen oder auch gar nicht Beachten des vermeintlichen Problems mehr helfen, und bei welcher Thematik sie mehr Feingefühl braucht.


    Bei einem jungen Hund von der Rasse werden auch 60 Minuten spazieren gehen nicht die körperliche Auslastung bringen, das ist dann durch Gerüche und Umweltreize wieder eher nur was für den Kopf. Ich erwarte aber auch nicht, dass Verhalten was sich bei ihr über Jahre und unbekannter Auslandsvorgeschichte eingeschliffen hat, dass das in 4-6 Wochen weg wäre.


    Wir machen Gewöhnung ans Laufband und an den Dogscooter, vielleicht ist davon was dabei und weiter Autotraining. Gestern waren wir mit Schleppleine Gassi, das fand sie auch gut aber es war auf dem Rückweg gekippt weil es zu viel war von den Eindrücken. Auch wenn ich manchen damit wieder widerspreche, so lange Gassis sind aktuell (noch) kein Mehrwert für sie. Vielleicht wenn richtige körperliche Auslastung dazu kommt, aber nur länger Gassi verschlechtert die aktuelle Situation.


    Es kamen auch schon teils widersprüchliche Informationen, man soll z.B. nicht mit ihr spielen das dreht sie nur hoch. Andere meinen das bräuchte sie um Energie raus zu lassen. Oder man soll mit ihr nicht Scootern gehen, das wäre zu viel Action und nur ausschließlich ruhige Aktivitäten machen. Aber was zum körperlich auspowern soll man ihr laut manchen dann doch geben, usw.


    Das etwas aktuell noch nicht geht z.B. das Thema Autofahren heißt ja auch nicht, das ich es nie mache. Das kann auch eine Woche später schon ganz anders aussehen und dann wieder andere Möglichkeiten mit sich bringen.

  • Am Ende musst Du schauen, was dieses und jenes mit genau Deinem Hund macht. Ich habe ja fünf Border Collies hier. Bei allen bewirkt spielen z. B. etwas anderes.


    Ich habe es im anderen Thread schon mal gesagt: Ich habe den Eindruck, Du hast ein gutes Bauchgefühl. Bleib dabei und schau was Du ausbauen kannst.

  • Da wir nach den wichtigen Fortschritten von gestern jetzt auch mit moderatem Erregungslevel weitere Runden gehen können, habe ich ihr heute den Scooter gezeigt. Da sie vor einiger Zeit ganz selbstverständlich auch Radfahrer und alles was sich an ihr vorbei bewegte anging, war ich gespannt wie sie auf dieses ähnliche Ding reagierte.


    Anfangs die übliche Skepsis bei neuen Dingen, aber sie fand es weniger gruselig als ich vermutet hätte. Sie ging es gar nicht an, auch nicht als Bewegung rein kam. Als wir bei den Feldern ankamen, wo man weit genug vorausschauen kann ob uns erstmal nichts entgegen kommt, habe ich sie umgeschnallt und wir sind die ersten 300-500m gescootert.


    Anfangs trabte sie an lockerer Leine nebenher, guckte ein paar Mal skeptisch nach links rüber was da neben ihr Fährt. Als sie merkte das sie das Ding ziehen kann fand sie richtig Spaß daran.


    Meine Einplanungen, das sie zum schnüffeln plötzlich abbremst oder zu schnell wird und man sie sehr bremsen muss, oder irgendwo hin abbiegt traten alle nicht ein. Sie hatte von sich aus ein sehr gleichmäßiges und gutes Tempo und trabte ohne Vorkommnisse den Weg entlang. Es wirkte so als ob Scootern für sie das normalste von der Welt wäre.

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