"Erziehung ohne richtig gesetzte Korrekturen ist ein Verbrechen am Hund."

  • Naja, dann geb ich als Verbrecher am Hund auch mal meine 2 Cent mit dazu.

    Wobei ich aber auch nicht von mir behaupte, zu 100% positiv zu arbeiten (und in meiner Wattebausch-Bubble sagt das tatsächlich auch keiner von sich, so realistisch sind die meisten dann doch auch).


    Ich würde aber trotzdem sagen, dass wir im Trainingssetting zu 98-99% positiv unterwegs sind - wobei da die letzten paar Prozentchen, die auf die 100 fehlen, durch Trainingsfehler auf meiner Seite entstehen, die sich aversiv auf Carlo auswirken (Trainingsschritte zu groß, unklare Kriterien,...). Also hier gibts keinen bewussten Einsatz von Strafe.


    Im allgemeinen Alltag ist die Schwankungsbreite größer, ich würde schätzen, da sind wir im Schnitt 90% positiv, wobei es da mehr auf meinen mentalen Zustand ankommt. Geht es mir nicht gut, weil viel Stress in anderen Lebensbereichen, ist meine Zündschnur kürzer und ich greife eher zu aversiven Mitteln (wobei aversive Mittel bei mir heißt: ich raunze den Hund mal an oder wenn er aus dem Fell fährt, greife ich ruppiger ins Geschirr). Ich arbeite an mir, wenn ich merke, es ist ein doofer Tag, dann wird alles, was über "mit dem Hund auf der Couch kuscheln" hinaus geht, an meinen Mann ausgelagert.


    Ja, es gibt Management mit diesem Hund. Sehr, sehr viel sogar.

    Aber auch wenn ich positive Strafe als Werkzeug in meinem Koffer hätte, gäbe es dieses Management, weil ich diesem speziellen Hund nie so weit vertrauen würde, dass er zum Beispiel ohne Maulkorb mit anderen Lebewesen als meinem Mann und mir in Kontakt kommt.


    Der ist aber auch einer, da würde in gewissen Situationen, wenn er emotional in anderen Sphären schwebt, eine Strafe tierschutzrelevante Ausmaße annehmen müssen, damit die durchkommt.

    Will ich nicht.

    Und wenn schon früher strafen müsste, dann kann ich schon früher aber auch positiv gegen steuern.

    Ich. Mit diesem Hund. In unserer speziellen Lebensrealität.


    Warum ich mich in solchen Diskussionen eigentlich nicht äußern mag, ist, weil zum einen, wenn ich sage, dass ich nicht zu 100% positiv arbeite, aber danach strebe und Strafe nicht bewusst im Training und zur Erziehung einsetze, der Nachsatz ignoriert wird und ich ja dann eh nicht so eine bin und "habs ja gewusst, geht nicht."

    Oder aber, was eigentlich immer irgendwann im Laufe solcher Diskussionen kommt: es wird eine - für meinen Hund und mich absolut irrelevante - Situation kreiert und gefragt, wie ich denn dann Bitteschön das lösen würde und wenn ich dann keinen absolut positiven Weg dafür finde, s.o.: "habs ja gewusst, geht nicht."


    Wir leben hier auch nicht in lustiger Anarchie und absolut grenzenlos, für uns alle gibts sogar sehr viele Grenzen und Regeln - anders wär das Zusammenleben mit Carlo auch schnell unangenehm.

    Es war halt von Anfang an sehr viel Umdenken gefragt, wenn der Hund auf jeden Versuch einer Korrektur mit "ich korrigier dich gleich!" reagiert hat (für ihn war zu Beginn übrigens ein falscher Blick oder das Verlagern des Körpergewichts in seine Richtung schon ein Grund, um selbst aversiv aktiv zu werden). Und ja, ich bin vielleicht auch einfach unfähig, richtig zu strafen oder zu korrigieren und bei anderen Menschen wär das mit ihm vielleicht auch anders gelaufen, aber mei, ihn wollte ja keiner, jetzt ist er halt hier und wir leben so miteinander.


    Was sehr angenehm ist, und uns das Zusammenleben auf diese Art sehr erleichtert, ist, dass er unglaublich verfressen ist. Und er schnell lernt. Und dass er sooooooo faul und eigentlich nur auf seinen Vorteil bedacht ist. Damit kann ich sehr gut arbeiten :D


    Ich finds übrigens immer sehr... amüsant-traurig, was ich beim Mitlesen in solchen Threads immer lerne. Hier zum Beispiel, dass ich ja gar keinen Hund halten sollte, weil es mir sehr schwer fällt, "Nein" zu sagen...

  • Was ich beim Thema Verwendung von Strafe spannend finde: Viele denken trainingstechnisch nur dann daran sie zu verwenden oder dass andere sie verwenden, wenn der Hund emotional und hormonell weggeschossen ist.


    Warum?


    Beim Training mit Belohnung ist vielen völlig klar, dass man nicht plötzlich anfängt was belohnen zu wollen, was man vorher noch nie getan hat, wenn der Hund jenseits von ist.


    Warum aber ist das beim Thema Strafe so?


    Ich vermute, weil man dann aus moralischen Gründen der Meinung ist, jetzt sei massives Strafen legitim? Oder denkt, dass es für andere jetzt zumindest legitimer ist als sonst?


    Viel schlauer ist es aber doch wie beim Arbeiten mit Belohnung auch die Kommandos und Verhaltensweisen dann zu etablieren, wenn der Hund maximal entspannt ist.

  • Korrektur ist für mich (!) erst mal ein völlig neutraler Begriff.


    Ein Feedback. Falsch, richtig. Kalt, warm.


    Korrektur als Feedback oder Reaktion wenden wahrscheinlich alle Menschen an, unbewusst, und wahrscheinlich ganz oft völlig passend.


    Und sei es nur die Info, dass der Hund gerade falsch abgebogen ist und wir einen anderen Weg nehmen. Ist auch eine Korrektur, nämlich die der Laufrichtung. Völlig unspektakulär.


    Im Training finde ich Korrekturen für den Hund eine sehr wertvolle Information.

    Gerade das gut auftrainierte „schade“ Signale (ich sage „ojeh“) ist doch eine prima Kommunikation mit dem Hund, die Info, dass seine Entscheidung gerade unpassend ist, er probiert es nochmals und man kann eine gute Entscheidung bestätigen.


    Eine „schärfere“ Korrektur ist bei mir das Abbruchsignal. Sauber auftrainiert und verständlich für den Hund. Eine klare Info.


    Je nach Hund, Mensch, Ziel muss das Ganze logischerweise angepasst, modifiziert werden in der Anwendung, Intensität, Art etc.


    Wenn aber Korrekturen durch den Menschen permanent emotional werden, dann wird es für den Hund schwierig.

    Dauernd mit Ärger und Wut korrigieren helfen ihm nicht beim verstehen und lernen.


    ( davon nehme ich aber nen wohlgesetzten, ernstgemeinten Anschiss aus, wenn der Hund mir doof in die Hand hackt statt den Ball nimmt, das versteht er durchaus richtig)

  • Ich vermute eher, dass da dann Abbruch und Strafe vermischt werden, weil man ggf. selbst gerade emotional verstrickt ist. Muss ich selbst auch aufpassen.


    Hier gibst draußen Abbruch (also ein Nein) fürs Maeuseln und wenn sich bei Sicht eines anderen Hunds aufgepumpt wird. Den kann ich problemlos neutral setzen, da ist letztlich auch alles klar.


    Würde mir jetzt aber eine von den Beiden einem Reh hinterher gehen, würde es mir schon verdummt schwer fallen, nicht hinterher zu brüllen. Auch wenn ich weiß, dass es kontraproduktiv ist. Gottseidank sind sie beide aber wirklich kooperativ.


    Edit: Bezog sich jetzt auf flying-paws

  • Ich find es schwierig, neutral darüber zu diskutieren, wenn man sich als hauptsächlich positiv arbeitender Hundehalter direkt in eine Ecke drängt ala "glaubt ja eh keiner" etc. Und selbst die "Wattebauschfraktion" sagt ja, dass sie mit Strafe arbeitet - im Vergleich zum Rest halt nur mit 1%, aber man tut es ja. Was ja nicht schlimm ist ("Äh, Freundchen, nein!" ist da ja auch schon Strafe). Zumal man während der, ich nenne es mal, aktiven Erziehungsphase hier eh ein breiteres Repertoire braucht als dann, wenn die Erziehung faktisch abgeschlossen ist (ich strafe im Prinzip auch nicht mehr, wobei es für Candie vermutlich schon eine Strafe ist, wenn ich ihn daran hindere, nem Hund oder dem Postboten die Meinung zu geigen :ka: ).


    Ich glaube durchaus, dass es Hunde gibt, bei denen man Null mit Strafe arbeiten muss. Die sind aber entweder selbst erziehend oder deren Flausen sind dem Halter relativ egal.

  • @Phonemaus: Ich sprach inhaltlich von was anderem. Dass man Kommandos in bestimmten Situationen anders ausspricht, ist ja auch bei positivem Aufbau so. Meine Hunde können zum Beispiel daran hören wie ich ein Kommando ausspreche, ob ich eine schnell Ausführung wünsche oder sie es im Durchschnittstempo machen sollen.


    Ich sprach davon, dass man nie einen in entspannten Situationen aversiv aufgebauten Abbruch auf Kommando trainiert hat und dann in die hochgekochte Situation reinstraft bzw. reinstrafen möchte (und dann natürlich den Vorschlaghammer rausholen müsste, damit überhaupt noch was ankommen kann, wie man ja auch in solchen Situationen zur Belohnung mit einem ganzen Schwein wedeln müsst ... und selbst das nix bringen würde).

  • Pfeffernaserl:

    Du machst das doch so, wie die meisten hier das als sinnvoll empfinden.


    Dein Hund funktioniert eben anders, als viele andere Hunde.

    Aber Du hast ja eine gute Möglichkeit gefunden, damit umzugehen.


    Das Problem sind die Leute, die meinen, Methode A muss auf Teufel komm raus funktionieren, weil irgendwer das behauptet hat, auch wenn die ganz offensichtlich bei ihrem Hund nicht funktioniert.

    Aber da wird immer weiter gemacht, und schlimmstenfalls kommen Hunde dabei heraus, die gefährlich werden.


    Das Bauchgefühl ist out. Das ist, meiner Meinung nach, das Problem.

  • Ah, okay, jetzt verstehe ich. Hier im RL erlebe ich noch viele Menschen, die den Abbruch tatsächlich gar nicht trainieren, weil es für sie halt was ist, das man tut, wenn es nötig ist. Die das quasi gar nicht sehen, dass es sinnvoll ist, wenn der Hund das Konzept kennt.

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