Positive Verstärkung bei Pferden

  • mhhh, so hab jch darüber ehrlich noch gar nicht nachgedacht.

    Das positive beenden, hab ich bisher eher als positive Verstärkung gleich gesetzt

    Die Lektion an sich ist ja nicht positiv für das Pferd. Die Pause danach ist das positive. So lernt das Pferd, dass es sich lohnt, die Lektion auszuführen.

    Ich nutze diese Vorgehensweise auch gerne um gruselige Ecken in der Halle zum Beispiel schmackhaft zu machen. Pause gibt’s in der Gruselecke und gearbeitet wird das Pferd in der restlichen Halle.

  • Das Training über positive Verstärkung mittels Lob oder Futter muss im Pferdetraining der Situation angepasst werden. Je nachdem was man trainieren möchte. Und es ist sehr vom einzelnen Pferd abhängig, ob Futter eingesetzt werden kann.


    Grundsätzlich gilt: Futterbelohnung funktionier nur, wenn Anstandsregeln eingehalten werden. Wie beim Hund muss auch beim Pferd zuerst ein anständiges, korrektes Nehmen des Futters etabliert werden. Ein Schritt, der gerne vergessen oder weggelassen wird.


    Medical Training funktioniert perfekt über Klick for action/ feed for position.

    Weltweit werden mittlerweile Zootiere jeglicher Grösse damit trainiert, um ohne Narkose Untersuchungen und Blutabnahme durchführen zu können.


    Bei den Pferden dringt es so langsam in die Köpfe der Menschen, dass das auch was für diese Vierbeiner wäre und trainieren immer mehr das stressfreie medical training.


    Zirkuslektionen funktionieren teilweise ebenfalls über Futterbelohnung.


    Alles, was auf Distanz und in Bewegung abläuft, funktioniert meistens besser über Wort als Lob.

    Und das muss nicht mal etabliert werden. Ich trainiere oft fremde Pferde und gerade an der Longe reagieren die auf punktgenaues Lob (so punktgenau wie Klicker!) genau so gut, als hätte ich das Lobwort vorher etabliert.


    Man kann mit genauem, und so für das Pferd verständlichem Lob, Bewegungsabläufe sehr schnell verändern und dem Pferd klar machen was genau man möchte.

    Da es dabei immer um ein für das Pferd gesünderes und angenehmeres Bewegungsmuster geht, merken diese das sofort und bieten es auch an. Durch das Lob kann ich dies „forcieren“, das Pferd bietet es noch mehr, und noch mehr an. Funktioniert einwandfrei. (Mit Unterstützung durch meine Körpersprache und sehr, sehr gutem longieren)



    Je nach Charakter des Pferdes - teilweise auch abhängig von der Rasse - ist die Arbeit mit Druck heikel. Da muss man viel Fingerspitzengefühl walten lassen um nicht in die Konfrontation zu kommen. Sehr viele Pferde lassen aber unheimlich viel über sich ergehen.



    ———-


    Die machen das unter sich…


    Eine weit verbreitete Annahme. Die Gruppenhaltung boomt. Und viele meinen, man könne einfach ein paar Pferde zusammen lassen und voilà, die Gruppe passt.

    Weit gefehlt !!!


    Gruppen Managment ist anspruchsvoll. Zusammenführen von sich fremden Pferd braucht Zeit und viel Platz, soll es für die Tiere mit möglichst wenig Stress ablaufen. Von Natur aus gehen sich fremde Pferde aus dem Weg, sofern es nicht um Ressourcen oder Fortpflanzung geht.


    Streitereien unter Pferden müssen sehr gut im Auge behalten werden. Der Stress auch für unbeteiligte in der Gruppe kann enorm sein. Ohne dass viele Menschen das überhaupt schnallen.


    Heftig wird es - soeben erst erlebt - wenn Leute meinen, dass die Pferde spielen, sich in Tat und Wahrheit sich aber ernsthaft an die Gurgel wollen.


    Pferdeverhalten korrekt lesen ist nicht einfacher als Hunde korrekt lesen. Man muss es üben, Fehlinterpretationen sind weit verbreitet.

  • Das positive beenden, hab ich bisher eher als positive Verstärkung gleich gesetzt

    Weil wir immer "positiv" als "angenehm", "gut" usw interpretieren, während es im Begriff der "positiven Verstärkung" lediglich im mathematischen Sinne gemeint ist: etwas wird von außen hinzu gefügt, zB eine Futterbelohnung.


    Negative Verstärkung ist ja eine hochwirksame Belohnung und erstmal nichts Böses. Kurze Pausen sind sehr belohnend.

  • Ist das nicht negative Verstärkung?

    Das Pferd muß nicht mehr die anstrengende Lektion ausführen, sondern darf entspannen = der Druck wird weggenommen

    Ist das das, wie Pferde so Übungen empfinden? So als Druck/Stress?


    Aus dem Hundetraining kenne ich es tatsächlich viel mehr so, dass man aufpassen muss, wann und wie man die Übungen beendet, weil eine Ende der angenehmen, spaßigen Übungen durchaus als negative Strafe empfunden werden kann. Bzw das teilweise auch bewusst so genutzt wird.


    Aber von Pferden habe ich so gar keine Ahnung, deswegen finde ich das hier sehr interessant zu lesen!

  • fliegevogel


    Es gibt aktuelle Studien dazu, wie sich Pferde ans Training erinnern.


    Und da zeigt es sich sehr deutlich, dass ein Beenden des Trainings mit guten Einheiten und positivem Gefühl das weitere Training Tage später beeinflusst.


    Somit ist ein positives Ende des Trainings sehr hochwertig, ein negatives Ende aber umso stressiger.


    Pferde "funktionieren" in Bezug auf das Gehirn nicht extrem viel anders als Hunde. Sie haben andere Schwerpunkte, einige Bereiche sind stärker ausgebildet, da sie Fluchttiere sind. Und sie sind dadurch enorm stressanfällig.

    Aber was das Training angeht, die Methoden, die Lerntheorie - das ist kein grosser Unterschied.

    Säugetier-Gehirne sind alle fast identisch verschaltet und somit kaum Unterschiede in der Neuroplastizität. (Lernfähigkeit und Trainierbarkeit neuer Verhalten)


    Übrigens unterschätzt man die kognitiven Fähigkeiten von Pferden genauso frappant, wie die der Hunde. (Und der Tierwelt ganz allgemein!)

    Pferde können - nachweislich - aktiv mit und kommunizieren und uns gewisse Dinge mitteilen. Sie sprechen nicht, versuchen aber durchaus ganz gezielt, ihre "Wünsche" auszudrücken. Sie haben eine Eigenwahrnehmung, ein enormes Erinnerungsvermögen, schliessen tiefe Freundschaften und sind enorm lernfähig.


    (Merkt man, dass mir das Thema am Herzen liegt? 😊)

  • Somit ist ein positives Ende des Trainings sehr hochwertig, ein negatives Ende aber umso stressiger

    Okay, das kenne ich von Hunden genau so die Faustregel. Aber die Aussage war ja, dass Pferde ein Trainingsende als negative Verstärkung wahrnehmen und damit ja per Definition das Training als eher unangenehm. Und das kenne ich von Hunden ganz anders.

  • man muss bei der ART DER BESTÄTIGUNG immer genau sein, wenn man von Lob oder Strafe spricht.


    Bei der ART DER EINSTELLUNG ist es ein Mindset.


    Das vermischt man gerne!


    Wenn ich mit dem Pferd etwas übe, fliessen die Bestätigungs-Varianten ineinander über.


    Das kann so sein, dass ich zB ein Bein antippe, welches das Pferd anheben soll. Macht es das korrekt, höre ich sofort auf zu tippen -> das ist die unmittelbare Bestätigung. (Negative Verstärkung)


    Gleichzeitig lobe ich es aber auch verbal, wenn es die Ausführung sehr gut gemacht hat. (Positive Verstärkung)


    Latscht es mir unachtsam auf die Füsse, mache ich Druck und schicke es weg (runter von meinen Füssen, nicht ans andere Ende der Welt). Sehr wahrscheinlich motze ich auch noch, weil das ein No-Go ist.

    (Positive Strafe, Druck, verbal)



    Aber das Ende des gesamten Trainings, das ist bei mir immer ein gemeinsames zusammenstehen, kraulen, abstreichen , die Sonne ins Gesicht scheinen lassen.


    Ein positives Mindset, so wie ich am nächsten Tag wieder starten will.

  • Aber die Aussage war ja, dass Pferde ein Trainingsende als negative Verstärkung wahrnehmen und damit ja per Definition das Training als eher unangenehm

    Ist halt wie immer: was positiv oder negativ wahrgenommen wird, entscheidet der, der es wahrnimmt.

    Je nachdem, wie ich meine Trainingseinheit gestalte, kann das dann so oder so ausfallen.


    Ich kenne Pferde, die sehr gerne geritten werden (was sich so ausdrückt, dass sie über Startsignale ihr "OK" fürs Reiten geben und auch eigene Stopp-Signale auftrainiert wurden, mit denen das Pferd sagen kann "reicht für heute, bitte absteigen")oder Pferde, die sich als richtige Border Collies im Training zeigen - für die wäre ein Ende einer coolen Trainingseinheit auch Strafe. Da muss man auch schauen, dass man das Ende so nett wie möglich gestaltet, weils einem sonst sehr viel kaputt machen kann.


    Wenn das Reiten als eher unangenehm wahrgenommen wird, ist so ein Ende, das Erleichterung bringt, natürlich ein riesiger (negativer) Verstärker.


    Mir liegt das Thema auch sehr am Herzen, ich bin so eine Pferde-Clickertante, die alles immer so positiv wie möglich aufgebaut hat. Und es war so schön mit anzusehen, wie die Pferde darauf reagiert haben, wenn sie plötzlich auch ernst genommen wurden, wenn man als Mensch versucht hat, mit ihnen zu kommunizieren und es Mitspracherecht fürs Pferd gab :herzen1:

    Ich weiß nicht, obs erlaubt ist, es hier zu verlinken, aber es gibt ein eigenes Forum, das sich rein um positive Verstärkung mit Equiden dreht, das Clickerforum.

  • Wenn das Reiten als eher unangenehm wahrgenommen wird, ist so ein Ende, das Erleichterung bringt, natürlich ein riesiger (negativer) Verstärker

    Aber möchte man so ein Pferd denn reiten? Also so von Hunden her würde ich halt sagen, wenn dem Hund Training XY keinen Spaß macht, versuche ich entweder etwas anderes zu machen (wenn es nur ein Hobby ist) oder das Training umzugestalten (wenn es etwas unverzichtbares ist).


    Irgendwie stecke ich glaube ich echt zu wenig drinnen, entschuldigt die ganzen dummen Fragen! :tropf:

  • Ich denke, dass bei Pferden Training öfter gleichzusetzen ist mit körperlicher Anstrengung, als bei Hunden.


    Von daher ist eine Pause von der Anstrengungen - auch wenn das Pferd freudig mitmacht - eine Belohnung. In dem Sinne, wie man es als Jogger "belohnend" empfindet, wenn man aufführt, auch wenn man gerne joggt.


    Beim Hund meinen wir mit Training eher Tätigkeiten, die seine natürlichen Neigungen fördern. Also der Jagdhund im Dummytraining z.B. Da ist die Tätigkeit selbst die Belohnung.


    Wenn ich mit meinem Pony Kunststückchen clickere, findet sie es auch nicht belohnend, wenn wir aufhören. Wenn wir auf dem Platz gymnastizierend arbeiten, schon.

    Es ist natürlich auch immer absolut Typsache - ein sehr bewegungsfreudiges Pferd findet es belohnend, wenn es eine Runde "Traben darf", ein eher energiesparendes nicht zwingend. KOmmt immer auf die Situation an.


    Grundsätzlich kommunzieren Pferde unter sich ja sehr stark mit Druck aufbauen und Druck wegnehmen, daher ist die Arbeit mit negativer Verstärkung für Pferde gut verständlich. Allerdings ist es für Menschen nicht so ganz leicht zu erlernen - da ist verdammt schnell ein "zuviel".

    Und ich finde die Grenzen fliessend. Um Druck wegnehmen zu können, muss man ihn erst mal aufbauen. Da ist die Unterschiedung zur positiven Strafe schweirig.

    "Das unerwünschte schwer machen und das erwünschte leicht" - heisst im Grunde: "Das unerwünschte bestrafen". Ist nicht per se schlimm, kann aber schlecht gemacht unheimlich schnell kippen und Pferde in die erlernte Hilflosigkeit treiben.


    Ebenso ist die Definition, was positive und was negative Verstärkung ist, in der Theorie ganz klar, in der Praxis aber fliessend. Sogar beim Futterlob. Es wird oft agrumentiert, Futterlob (beim Hund) ist effektiver, wenn der Hund hungrig ist. Ja, weil man dann nicht nur was dazu gibt, sondern eben auch das unangenehme Hungergefühl lindert.

    Am effektivsten ist ja eh, beides zu kombinieren. Beim Training eine Pause UND ein Lob. z.B.


    Ich finde, man kann sehr viel über positive Verstärkung arbeiten, auch mit Pferden. Clickertraining sowieso. Auch - auch wenn sie die "reine Lehre" der NH-Leute da sehr sträubt - in Kombination mit Natural Horsemanship.


    Und was "die machen das unter sich aus" - Katastrophe. Wird ja in Pensionsställen gerne gemacht. Hat mir auch schon ein jahrelang am Rücken laborierendes Pferd eingebracht, weil gestürzt als es gejagt wurde.


    Daher bin ich heilfroh, dass wir inzwischen was eigenes haben und ich nicht mehr von den komischen Ideen mancher Stallbetreiber abhängig bin...

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