Traumatisierter Hund

  • Hallo Zusammen


    Wir haben seit ca. Ende August 22 einen Pointer (geboren April 2019) aus einer Tierschutzorganisation in Spanien bei uns aufgenommen. Bereits im Vorfeld der Aufnahme wussten wir, dass er von "männlichen Vollpfosten" schwerst misshandelt wurde.


    Durch sehr viel Liebe, Zuneigung, Nachsicht und durch lesen von verschiedenen Büchern erworbenes Wissen, entwickelte er sich seitdem von einem sehr ängstlichen, panischen, schlotternden Hund zu einem aufgeschlossenen, lustigen, Kampfschmuser, das Selbstvertrauen nimmt beinahe täglich zu, er überrascht uns immer wieder mit neuen positiven Verhaltensweisen, entwickelt sich zu einem Kumpel mit Charakter... kurz ein richtiger Prachtskerl welcher noch viel lernen und entdecken wird.


    Wir beide (meine Frau und ich) haben mittlerweile ein sehr gutes Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen können, wir versuchen ihn gezielt zu fördern und auch zu fordern. Mittlerweile sind sogar männliche Besucher für ihn kein Problem.


    Interessant wird es nun, sobald ich als Mann mich in unserem Garten befinde, also ausserhalb des Wohnraumes, geht er wieder in den Angstmodus rüber, flüchtet, weicht aus, hat Panik in den Augen.


    Auch bei Suchspielen im Garten, welche er liebt hilft er mit....aber mit einer extremen Vorsicht und Sicherheitsabstand gegenüber mir. Sollte ich mich 1 Minute später in unserem Haus befinden, bin ich wiederum sein grosser "Star" und er sucht ungestüm seine flattiereinheiten bei mir.


    Das gleiche ist auch bei den Spaziergängen. Alleine mit ihm geht gar nicht, meine Frau und ich versuchten gemeinsam Spaziergänge zu machen - er kriegt total Panik und Stress.


    Spaziergänge welche meine Frau alleine mit ihm unternimmt, gehen mittlerweile problemlos, kreuzen mit anderen Menschen, Hunden, Joggern, Bikern, Pferden usw verlaufen stressfrei, obschon zu Beginn beinahe unmöglich


    Wir haben uns schon überlegt, ob ich ihn einfach übergehen soll und mit ihm alleine einen Spaziergang wagen sollte. Im Moment überwiegt jedoch die grosse Sorge, dass wir mit einem "flashback" sehr viel erreichtes wieder zunichte machen könnten.


    Hat jemand aus der Gruppe ähnliche Erfahrungen gemacht und daraus Strategieansätze entwickelt?


    Wenn ja, wären wir dankbar um solche Hinweise


    Wir sind gespannt auf Eure Erfahrungen und Tips, besten Dank im Voraus


    liebe Grüsse

    • Neu

    Hi


    hast du hier Traumatisierter Hund* schon mal geschaut? Dort wird jeder fündig!


    • Habt Ihr schon mal probiert, dass Deine Frau mit ihm spazierengeht und Du als "normaler Passant" deren Weg kreuzt? Also wirklich kreuzen, nicht ab Zeitpunkt x mitgehen (das kommt dann später).

      Oder (ist aber vielleicht eher was für die warme Jahreszeit) den Weg in den Garten stückweise zu üben? Angefangen in der Haustür - Du bist einfach da, wenn die beiden losgehen. Nächster Schritt, wenn das geht, Du bist einen Schritt aus der Haustür raus. Eventuell, je nachdem, wie es bei Euch normalerweise abläuft, das Ganze ohne Deine Frau. Also: Haustür auf, Du stehst im Rahmen, Hund läuft an Dir vorbei nach draußen. Und das dann Minischrittweise immer weiter nach draußen verlagern.




      Edit: verflixt, danke Oleniv, das hatte ich übersehen, dass der Hund ja tatsächlich erst 3 Monate da ist. Bei dieser Vergangenheit ist es enorm, was Ihr schon erreicht habt. Ihr seid da offensichtlich auf einem guten Weg. Dankeschön, dass Ihr Euch so kümmert.

    • Er ist doch erst drei Monate bei Euch. Dafür habt Ihr schon sehr viel erreicht. :bindafür:


      Habt einfach Geduld. Ich würde nichts erzwingen, das dauert einfach seine Zeit und drei Monate sind gar nichts.


      Man sagt das erste Jahr ist ankommen, aber auch danach wird es immer noch besser, wenn auch nicht mehr in Riesenschritten. Und manche Dinge sind einfach so fest in den Hunden verankert, mit denen lernt man zu leben.


      Unsere Leni hat auch nach 4 Jahren immer noch Ängste bei fremden Menschen, Männer gehen im Grunde gar nicht, bei Frauen ist sie eher neutral. Aber das ist eben so und stört uns nicht. In der Familie ist sie sehr anhänglich und mit meinem Mann ein Herz und eine Seele. Aber das hat auch seine Zeit (Monate) gebraucht. :smile:


      Geduld ist hier wirklich das Zauberwort. 🍀

    • Danke für Deine Antwort. Ja, genau diesen Ansatz haben wir schon ein paar mal probiert, das letzte mal vor rund 1 Stunde....Schritt für Schritt auch rein "zufällige" Begegnung mit und ohne Begrüssung/Anreden. Irgendwo gibt es bei ihm einen "Panikknopf" - er fällt zurück in sein "Flucht-/Schutzverhalten".


      Wir werden diesen Ansatz sicher weiterverfolgen und zu entwickeln...

    • Das hört sich so an als ob ihr in einer sehr kurzen Zeit schon sehr, sehr viel erreicht hättet. Von Ende August an, also nur gut 3 Monate - das ist nichts für einen Hund der schlechte Erfahrungen gemacht hat. Freu dich, dass es im Haus schon so gut klappt und hab Geduld, der Rest wird noch kommen. Ich würde auf keinen Fall auf Konfrontation setzen und mit der Brechstange alleine mit ihm spazieren gehen, damit riskierst du alles kaputt zu machen was ihr erreicht habt.

      Mach weiter Dinge in Haus und Garten mit ihm die er liebt, dann wächst auch das Vertrauen. Du kannst Suchspiele im Haus beginnen die im Garten enden, dann fällt es ihm draußen vielleicht schon leichter mit dir zusammen zu sein. Beim gemeinsamen Spaziergang könntest du Abstand halten, den du nur langsam, wie der Hund sich eben wohlfühlt verringerst. Oder du triffst dich mal "zufällig" mit deiner Frau und dem Hund auf einer Parkbank und hast etwas Tolles für den Hund dabei (nicht mit irgendwas locken, einfach nur hinlegen oder werfen).

      Das bekommt ihr auch noch hin!

    • Also Erstens habt ihr schon wahnsinnig viel erreicht.


      Zweitens als Idee: Defokussieren.


      Du kannst nicht verbergen dass du zum männlichen Teil der Bevölkerung gehörst - aber du kannst deinen Hund so beschäftigen, dass sein Fokus bei dieser Beschäftigung ist, und dabei die Wahrnehmung von dir als Mann Nebensache ist.


      Einige Ideen wurden schon genannt, mach Sachen die dem Hund Spaß machen, oder für die er "brennt", zunächst im Haus und bau dann den Abschluss im Garten ein. Zunächst gehst du dann erst mal nicht mit in den Garten, damit der Hund erst mal die Erwartungshaltung: "Im Garten ist noch etwas Positives" aufbaut - also den Fokus auf dieses erfreuliche Ereignis hat.


      Bei der Idee etwas zu Erzwingen fühlst du dich ja selber unwohl - vertraue weiter auf dieses Gefühl, lass dich davon leiten und überlege, wie du die Schritte für den Hund angenehm machen kannst.

    • Dein Hund ist 3 mon bei Euch und Ihr habt schon sehr viel erreicht.

      Wir haben auch einen Rüden aus Spanien , der vor allem Angst hatte, was er nicht kannte. Schlimm waren fremde Männer und heute noch sind es Kinder unter einem Meter.

      Diese Personen braucht er nicht, findet er überflüssig


      Da Faro viel Angst vor Männern hatte, hat mein Mann sehr viel mit ihm gespielt, hat ihm Leckerchen gegeben, das Fressen hingestellt, so dass er ihn nur positiv verknüpfte und das wird bei Euch auch so werden. Gib Deinem Hund mal ein Jahr und Du wirst sehen, wie toll er dann sein wird.


      Gut Ding will Weile haben und das passt auf sehr viele Hunde aus dem TS.

    • Max hatte auch ein Leben lang Angst vor Männern.

      Aber wehe, wenn einer dann nett war, weil ich das, wenn es sich angeboten hat, organisiert habe.

      Er hätte mich ohne umgucken stehen gelassen und wäre mitgegangen.


      Macht Euch keinen Stress draus.

      Er wird über kurz oder lang generalisieren.

      Du nett im Haus, nett im Garten, nett auf der Straße usw. usf.


      Ich würde da nichts forcieren.

      Auch wenn ihr jetzt super schnell Fortschritte gemacht habt, braucht der Hund Zeit alles zu verarbeiten.

      Also lieber ein bisschen auf der Stelle treten und nachhaltig aufbauen.


      Mein Mädchen ist jetzt 3 Jahre hier, wenn ich mal auch nur ansatzweise gröber spielen will, weil sie das im Übermut anbietet, ist sie erschrocken und lässt alles fallen.

      Das zerstört das grundsätzliche Vertrauen aber eben nicht mehr.

    • Gebt ihm Zeit. Nach anderthalb Jahren sieht die Welt schon anders aus. Zwischendurch gibt es immer auch mal Rückschritte, aber oft sind dann danach die Fortschritte umso größer.

      Als Mann hast du es natürlich schwerer.

      Leckerlistreuen macht mutig und ist eine super Übung, vielleicht schrittweise von innen nach außen streuen?

      🍀

      L. G.

    • Hallo Zusammen


      Ein gutes halbes Jahr nachdem ich in diesem Forum meinen "Hilferuf" gestartet habe, hier ein kurzer Update.


      Unser "Junge" hat sich prächtig entwickelt und sein Selbstvertrauen nahm stetig zu, so dass wir ihn ab und zu mal "bremsen" müssen unsere Leitplanken aufzeigen. Er nimmt dies problemlos entgegen, das schöne dabei ist, dass er ein einmaliges "nein" akzeptiert und daraus sofort lernt, sofern er es auch lernen will oder es eben passend für ihn ist ;-)


      Mittlerweile spielt er auch, einfach ein bisschen grobmotorisch, ungestüm, kraftvoll und mit einem riesigen "Wendekreis" versehen, kommt es ab und zu mal zu Kollisionen mit Gegenständen oder anderen Lebewesen.


      Vor rund 1 Monat sagte ich zu ihm "laufen" - schnurstracks ging es zu unserem Gartentor, wo ich ihm das erste Mal anleinen und mit ihm stressfrei einen langen Spaziergang machen durfte - :-)


      Nachwievor haben wir Herausforderungen zu bewältigen, aber die kriegen wir gemeinsam hin. Er ist intelligent, will alles gut machen, gefallen u.v.m - Somit liegt es an uns ihm das Terrain für seine Entwicklung vorzubereiten und ihn zu leiten.


      Er macht sehr viel Spass und es ist eine wahre Freude seine Entwicklung zu verfolgen. Dies immer im Vergleich zum "Zustand August 2022" als er zu uns kam, wir manchmal am Rand der Verzweiflung waren....


      ....und ja, "Geduld bring Rosen, Orchideen sowie andere Raritäten"

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