Tierschutzgesetz vs. Vibrissen kürzen

  • Die einzige Untersuchung (auch das keine Studie) am Pudel inkl Abscheren ist von Dehnhardt 2001 von der Uni Bochum.

    Dehnhardt wird sogar in dem oben verlinkten Gutachten ausführlich erwähnt:


    "In einem unveröffentlichten Gutachten setzt sich der Biologe Guido Dehnhardt mit der Bedeutung des Scherens der Vibrissen beim Pudel auseinander. Er vertritt die Auffassung, dass die Relevanz der Vibrissen bei Hunden, insbesondere bei der Rasse Pudel, zu Gunsten anderer Sinneskanäle reduziert ist. Weiters führt er aus, dass das Vibrissensystem des Pudels nicht ohne entsprechenden wissenschaftlichen Nachweis mit dem der Katze gleichgesetzt werden kann.
    Nach Dehnhardt können Aussagen hinsichtlich der Bedeutung der Vibrissen etwa bei der Inspektion der Nahrungsbeschaffenheit oder im Sozialverhalten ohne entsprechende wissenschaftliche Experimente nicht getätigt werden. Jegliche Verallgemeinerung morphologischer Ergebnisse im Sinne von » die Sinushaare der Säugetiere « ohne ein gehende Untersuchungen der F-SCs der Art oder auch Rasse ist nach Auffassung von Dehnhardt unzulässig. Dehnhardt meint, dass bei Vibrissen eines im Schnauzenbereich nicht geschoreren Pudels mechanische Außenreize nur bedingt auf den Haarschaft einwirken können; deshalb hält er es für unwahrscheinlich, dass Vibrissen dieser Hunderasse überhaupt noch eine biologische Funktion erfüllen können. "


    Leider tun die Autoren des Gutachtens Dehnhardts Argumente im weiteren Verlauf ihres Textes ab, ohne daß sie selber die Anforderung erfüllen, eine wissenschaftliche Untersuchung an Hunden verschiedener Rassen durchzuführen.

  • Ich persönlich finde lange Gesichtshaare eklig, sofern sie dauerhaft mit Sabber, Trinken und Essen in Berührung kommen (übrigens sowohl bei Hunden, als auch bei Menschen) und dementsprechend kommt der Kram ab.

    Die Mimik verschwindet übrigens großteils, wenn ich das Gesicht meines Hundes zuwuchern lasse (und das muss ich, wenn ich alle Vibrissen erhalten möchte), ein weiterer Punkt, warum ich keinen großartigen Sinn darin sehe.


    Die Kapitulation des VDHs halte ich für ein Armutszeugnis und nicht repräsentativ für die einzelnen Rassen, die Studie ist denkbar unkonkret und meiner Meinung nach nicht generalisierbar. Ich persönlich bin sehr enttäuscht und habe ein Stück weit das Vertrauen in diesen Verein verloren. Man hat es ja nicht einmal versucht, wir gesagt, ich bleibe dabei, dass das ein Bauernopfer fürs Image war, denn die Qualzuchtdebatte läuft heiß.


    Persönlich wurde ich noch nie auf das ausgeschorene Gesicht meines Hundes angesprochen (außer positiv von anderen Pudelbesitzern) und mein Gott, wenn wir deswegen nicht auf Wettbewerben starten können, dann ist das halt.

    Wir haben dann eben nur freizeitmäßig Spaß aneinander. Das schmälert nicht den Wert der gemeinsam verbrachten Zeit.


    Zum Thema 'dann sollte man solche Hunde gar nicht mehr züchten!'; ich sehe das anders. Hunde sind enorm anpassungsfähig und gerade Pudel sind ursprünglich Jagd- und Apportierhunde. Wären sie mit ihren verkümmerten und eingewachsen Vibrissen so 'gefühlsblind' und benachteiligt, wie behauptet, dann wären sie wohl kaum so erfolgreich geworden. Selbiges gilt übrigens auch für den Lagotto Romagnolo, welcher Trüffel aufspürt und zentimetergenau anzeigt. Warum sollte ein hochspezialisierten Suchhund ein nachteiligen Fell haben, in dem die Vibrissen verschwinden, wenn sie einen so großen Stellenwert beim Aufspüren einnehmen?

    Zum Kommunikationsthema; gerade die besprochenen Rassen mit Scherfell sind häufig die, die hochsozial sind und häufig in Mehrhundehaltung gehalten werden. Jedoch möchte ich auch einmal kritisch anmerken, dass wenn fehlende/eingewachsen Vibrissen ein Problem sind (und das geht über die Scheerrassen hinaus, einige Hunderassen haben auch so kaum Vibrissen!), Schlappohren, Kippohren, Rosenohren, Ringelruten, Sichelruten, übermäßiger Behang, stark aufgeplüschte Felltexturen, stark konvexe und konkave Kopfformen, Brauenbildung etc. pp. kommunikationstechnisch deutlich kritischer wären, als das Abhandenkommen von Vibrissen.

    Hunde sind enorm anpassungsfähig. Es gibt nicht den einen, idealen Typ Hund. Hunde kommunizieren nicht über ein einzelnes Mittel oder Körperteil, sondern mit dem ganzen Körper und auch ihrem Gesicht.

  • dagmarjung Ich weiß...

    Leider tun die Autoren des Gutachtens Dehnhardts Argumente im weiteren Verlauf ihres Textes ab, ohne daß sie selber die Anforderung erfüllen, eine wissenschaftliche Untersuchung an Hunden verschiedener Rassen durchzuführen.

    Genau das ist das, was mich so aufregt. Das gkf Gutachten, worauf sich aktuell so eingeschossen wird, macht ja selbst gar keine valide Studie. Trotzdem beruft sich der VDH auf die (unnachgewiesenen) Aussagen, indem man nun das Vibrissenscheren verbietet. Das Gutachten von 2001 hatte wenigstens mal einen Pudel auf dem Tisch stehen.
    Man müsste eben beweisen, dass eine Amputation vorliegt, die den Hund behindert. Und zu meiner laienhaften Meinung gehört zu einer Amputation zB Blut, dass Körperteile bei Säugetieren nicht nachwachsen, sondern ein Stumpf oder ähnliches entsteht, Phantomschmerzen, Durchtrennung von Nerven oder Gewebe oder Knochen, starke Schmerzen bis hin zum Kreislaufkollaps usw.

  • Wenn ichs richtig verstanden hab, wird das Haar ja als Gewebe bezeichnet.

    Bzw nichtmal als Haar, sondern als Haarähnlich...


    Und darauf beruft man sich.


    Dem zu Folge müssten Krallen aber eigentlich ähnlich betrachtet werden, bzw genau genommen noch heftiger. Bestehen ja aus dem selben Material und dort blutet und schmerzt es wenn man zu weit schneidet.

  • Also grundsätzlich finde ich es äußerst fragwürdig aufgrund nicht vorhandener wissenschaftlicher Untersuchungen und nur anhand von Analogischlüssen eine derartige Verbotskultur zu betreiben.


    Hätte ich einen Hund mit Maulkorbzwang (und ihn nicht einsehen 😁) würde ich sofort aufgrund dieser Analogischlüsse dagegen angehen 😎

  • Das Gutachten von 2001 hatte wenigstens mal einen Pudel auf dem Tisch stehen.

    :klugscheisser: Zwei Pudel, um genau zu sein. Die geringe Anzahl wurde auch - nicht zu unrecht - von den AutorInnen des neueren Gutachtens als kaum repräsentativ kritisiert.

    Es dürften aber genau zwei Pudel mehr sein, als sie selbst je von nahem gesehen haben... :hust:

  • Es steht übrigens kein entsprechendes Verbot im Tierschutzgesetz. Ich habe auch noch kein Präzedenzurteil dazu gelesen. Es ist eine Auslegung, der sich u. A. allerdings der Deutsche Tierschutzbund anschließt. Dort geht es aber auch vorwiegend um optische Gründe, aus medizinischen Gründen ist es zulässig (interessanterweise sind die Beispiele für medizinische Gründe pflegerische Gründe :smile:).

    Das würde bedeuten, dass bei Hunden wie meinen, oder auch deine Lilly, Vibrissen kürzen verboten ist, bei Hunden wo es nötig ist, wie zB eben Momo, erlaubt? Das wäre ja eine durchaus sinnvolle Regelung.

  • Es steht übrigens kein entsprechendes Verbot im Tierschutzgesetz. Ich habe auch noch kein Präzedenzurteil dazu gelesen. Es ist eine Auslegung, der sich u. A. allerdings der Deutsche Tierschutzbund anschließt. Dort geht es aber auch vorwiegend um optische Gründe, aus medizinischen Gründen ist es zulässig (interessanterweise sind die Beispiele für medizinische Gründe pflegerische Gründe :smile:).

    Das würde bedeuten, dass bei Hunden wie meinen, oder auch deine Lilly, Vibrissen kürzen verboten ist, bei Hunden wo es nötig ist, wie zB eben Momo, erlaubt? Das wäre ja eine durchaus sinnvolle Regelung.

    Nein. Es ist wie überall, wo neue Regelungen aus dem Boden gestampft werden, die noch nicht hinreichend mit Fakten untermauert sind: Es kommt drauf an, was passiert, wenn man angezeigt wird. Außerhalb des Ausstellungswesens zumindest. Innerhalb ist es prinzipiell durch die Regelung des Verbands verboten.


    Es ist verboten, Tiere zu quälen. Ob mit dem Freischeren des Gesichts juristisch betrachtet der Tatbestand der Tierquälerei erfüllt ist, müsste erst der Amtsveterinär entscheiden und letztlich, wenn der Halter gegen Auflagen oder Bußgeld klagt, ein Gericht.


    Es gibt noch keine Rechtsverordnung, die den Umgang mit Vibrissen beim Hund regelt.

  • Ja, aber die Auslegung der sich ja auch der deutsche Tierschutzbund anschließt ist doch die die die aktuellen Probleme und Unsicherheiten überhaupt verbreitet hat oder? Wenn die von Anfang an gar nicht so radikal war und jetzt einfach nur ein paar Leute überreagieren wäre das ja was Positives. Vielleicht verwechsle ich da aber auch was oder habe was falsch verstanden. Da es mich nicht betrifft, habe ich da zugegebenermaßen auch nur mit halbem Ohr hingehört bisher. (Deswegen ja die Nachfrage.)

  • Also, im Ausstellungswesen sind teils abrasierte Vibrissen verboten, auch bei Besucherhunden, die nicht ausgestellt werden, das hat die Diskussion ins Rollen gebracht. Das Gutachten des Deutschen Tierschutzbunds stützt sich auf das vor ein paar Seiten verlinkte Gutachten. Problematisch ist beim Statement Tierschutzbund aber wiederum die Auslegung, dass das Scheren nur mit tierärztlicher Indikation zulässig ist. Während in dem Statement von „medizinischen Gründen“ gesprochen wird. Ich zitiere aus dem Statement:


    „… wie zum Beispiel bei hochgradigen Verfilzungen im Gesichtsbereich bei langhaarigen Hunden mit schlechtem Pflegezustand oder bei notwendigen operativen Eingriffen …“


    Das schafft dem Halter, der schert, um schlechten Pflegezustand und Verfilzungen zu vermeiden, keine Rechtssicherheit. Es bleibt schlussendlich offen.

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