Massiv verängstigte französische Bulldogge - verzweifelt

  • Hallo in die Runde,


    ich habe seit letzter Woche eine Bully-Hündin von 2 Jahren. Leider gestaltet sich der Alltag sehr schwer: Sie ist absolut ängstlich, mag nicht nach draußen und hat Angst vor den kleinsten Dingen (Vögel etc.). Auch Fremde, die zu uns kommen, stellen ein großes Problem dar. Sie zittert am ganzen Körper und versteckt sich. Ich habe nun eine Tiertrainerin kontaktieret, die von einem Deprivationsschaden ausgeht. Die Kleine wurde, und das weiß ich inzwischen vom Vorbesitzer, als Welpe nicht sozialisiert (hat bei einer kranken Frau gewohnt). Bei unserem Kennenlernen vor Ort war alles gut (aufgeschlossen, nicht ängstlich), aber seitdem sie bei mir ist, ist es für uns beide leider eine Qual. Der Vorbesitzer tut das Ganze ab und meint, ich solle ihr Zeit geben.


    Natürlich merkt sie, dass auch ich nun überfordert bin. Ich weiß, dass gerade diese Tiere eine starke Schulter brauchen und es unheimlich viel Arbeit ist, das Tier an die Umwelt zu gewöhnen. Hinzu kommt, dass sie kaum frisst und oft - vor lauter Stress - das Futter erbricht, was sie so sporadisch zu sich nimmt. 😔 Ich weiß gerade nicht, wie ich weiter machen soll. Meine Kraft ist schon nach einer Woche fast dahin...


    Hatte hier schon mal jemand mit einem solchen Fall zu tun?


    LG

  • Ja, ich. Allerdings mit optimalen Voraussetzungen. Souveräner Ersthund, ruhige ländliche Wohnlage und Erfahrung mit Angsthunden.


    Wie wohnst Du (städtisch/ländlich, Ein- oder Mehrparteienhaus, gibts Mitbewohner ...) und wie sieht Euer Alltag so normal aus? Kennst Du Dich grundsätzlich mit Hunden aus? Hast Du einen guten Tierarzt an der Hand, der sich auch mit Verhaltensproblemen auskennt? Ist der Hund gesundheitlich durchgecheckt und gabs schon mal ein großes Blutbild und Schilddrüsenprofil?

  • Ja, ich. Allerdings mit optimalen Voraussetzungen. Souveräner Ersthund, ruhige ländliche Wohnlage und Erfahrung mit Angsthunden.


    Wie wohnst Du (städtisch/ländlich, Ein- oder Mehrparteienhaus, gibts Mitbewohner ...) und wie sieht Euer Alltag so normal aus? Kennst Du Dich grundsätzlich mit Hunden aus? Hast Du einen guten Tierarzt an der Hand, der sich auch mit Verhaltensproblemen auskennt? Ist der Hund gesundheitlich durchgecheckt und gabs schon mal ein großes Blutbild und Schilddrüsenprofil?

    Danke für deine Nachricht.


    Ich wohne in der Stadt, allerdings am Stadtrand - mit Garten und Wald um die Ecke. Allerdings in einem 3-Parteienhaus.


    Aktuell arbeite ich hauptsächlich im Homeoffice, bin also zu Hause. Aber eben Vollzeit berufstätig. Erfahrungen mit Hunden habe ich, allerdings nicht mit einem so massiv verängstigten Hund. Beim Tierarzt waren wir, allerdings gab es noch keinen Blutcheck. Eine Tiertrainerin habe ich an der Hand, der erste Termin ist erst nächste Woche.


    Da ich inzwischen immer mehr Informationen vom Vorbesitzer bekomme, gehe ich davon aus, dass das Verhalten wirklich daher rührt. Ich war in der, vielleicht naiven Annahme, ich bekomme einen pflegeleichten Hund, der sich recht schnell in meinen Alltag integriert. Beim Besitzer war die Maus jedenfalls „normal“. Dass der Hund so massiv verängstigt ist, zeigte sich erst in den Tagen nach der Abholung ...

  • Ich kenne so ein Verhalten nur von Katzen in einer völlig neuen Umgebung. Es gibt welche, die sind sofort überall zuhause. Und es gibt welche, die haben Angst vor allem, was sie nicht kennen und verstecken sich wochenlang hinter dem Sofa. Da müssen keine schlechten Erfahrungen hinterstecken. Manche sind einfach Neophobiker. Was da hilft, ist tatsächlich Zeit und Ruhe. Früher oder später tauen sie dann schon auf.

    Bei deinem Hundchen hört sich das auch danach an, denn in der alten Umgebung war sie ja normal.

  • Ohje. Erstmal mein Mitgefühl dafür, dass Du da so überrumpelt worden bist und jetzt alles anders ist als gedacht :streichel: Achte da gut auf Dich, dass Deine Gedanken nicht nur um den Hund kreisen, sondern Du auch Dir Gutes tust.


    Ich beschreibe Dir einfach mal, wie wir es angepackt haben:


    Bis auf die erforderlichen Gassigänge durfte die Maus einfach erstmal nur da sein. Fürs Gassi war ein Halsband dran (Geschirr hat sie nicht gekannt). Anleinen ging neutral, freundlich, dann los zu Tür.


    Ich habe an den Ecken, die sie sich für ihren Aufenthalt ausgeguckt hat, Decken angeboten. Sie durfte sitzen wo sie wollte. Es hat ein paar Tage gedauert, bis sie die Decken auch angenommen hat.


    Futter und Wasser gabs geschützt. Sie wurde nicht gerufen, nicht gelockt. Wenn wir an ihr vorbei sind, regnete es hochwertige Leckerchen (mit dem Konkurrenzdruck durch den anderen Hund hat sie die recht schnell genommen).


    Draußen sind wir kurze Wege gelaufen. Erstmal immer die Gleichen, später haben wir uns vorgearbeitet. Am Besten ging das, haben wir gemerkt, in der Dämmerung, da hat sie sich am Sichersten gefühlt. Ansonsten haben wir darauf geachtet, die Tage möglichst ähnlich zu strukturieren. Besuch gabs in den ersten Wochen einfach nicht.


    Wir haben nicht auf alles verzichtet, aber Sachen wie Staubsauger, laute Küchenmaschinen und Krachbummpawäng-Filme erstmal sehr dosiert.


    Wennn sie Kontakt aufgenommen hat und freiwillig kam, bekam sie was aus der Hand. Ohne Locken und keine feste Handfütterung. Wenn sie sich an einen gedrückt hat, haben wir auch mal gekrault. Ohne körperlich einzuengen, immer so, dass sie freien Rückzugsweg hatte.


    Ach ja - stubenrein war sie nicht. Ich hab das als gute Übung für Frustrationstoleranz bei meinem Mann betrachtet :smile:


    Ansonsten haben wir unseren Alltag gelebt und sie halt einfach „sein“ lassen. Schon mit einem halben Auge bei ihr, aber ohne sie dauernd zu überwachen, zu bemitleiden, zu verhätscheln oder auf sie einzureden. Wenn das Herz mal geblutet hat beim Anblick des erbärmlichen Häufchen Elends, dann innerlich. Nach außen hin war der Umgang neutral freundlich, gelassen und selbstverständlich.


    Für Dich:


    Ich würde sie wirklich durchchecken lassen und gegebenenfalls danach mit einem kompetenten Tierarzt für Verhaltensprobleme eine etwaige Medikation fürs besprechen. Bullis haben einfach viele gesundheitliche Themen und so lange nicht klar ist, ob sie ggf. Schmerzen hat oder hormonell was nicht stimmt, ist Training möglicherweise verschwendet.


    Der Hund ist jetzt erstmal, wie er ist. Wichtig ist, das Jetzt zu akzeptieren. Ihr könnt daran arbeiten, es zu ändern. Aber das sind kleine und behutsame Schritte. Und Ihr müsst von da losgehen, wo Ihr jetzt seid. Mit viel Geduld und Akzeptanz dafür, dass die Fortschritte vom Hund und in seinem Tempo kommen.


    Deprivation und generalisierte Ängste gehen gerne miteinander her, sind aber zwei unterschiedliche Themen.


    Ein schlecht aufgezogener Hund, der in seiner frühen Zeit nicht viel kennengelernt hat, kann vor allem beim Versetzen in eine neue Umgebung generelle Ängste entwickeln, die sich durch jeden Schmetterlingsflügel auslösen lassen. Daist es wichtig, mit viel Zeit und Geduld das Selbstvertrauen aufzubauen und langsam an die Umgebung und Neues zu gewöhnen. Und im Teamwork seine natürliche Neugier und Erkundungslust freizuschaufeln und zu fördern. Sich dabei auf das zu konzentrieren, was der Hund gut kann, was schön für ihn ist.


    Bei einem Deprivationsschaden ist ein Hund so reizarm aufgewachsen, dass in einer entscheidenden Phase seiner neuronalen Entwicklung zu wenig Input da war, um genau die neuronalen Vernetzungen auszubilden, die fürs Lernen und Generalisieren von Erfahrungen zuständig sind (bei einem Hund, der die Chance hatte, 8-10 Wochen bei Eltern und Geschwistern zu sein und der diese Zeit und die 4 Wochen danach nicht unbedingt in einem Verschlag, Keller oder einsamen Zwinger gehockt hat, hast Du normal keinen Deprivationsschaden).


    So ein Hund ist - in ganz unterschiedlichen Graden - lernbehindert. Da ist es dann wichtig, auch zu gucken, was der Hund kann, was er verarbeiten kann und zu wissen, dass es eventuell Special Effects geben wird. Dennoch können auch das ganz tolle Hunde werden, ich hab so eine.


    Das ist ein mühsamer Weg. Man lernt, seine Prioritäten zu verlagern, sich über ganz andere Dinge zu freuen und seine Erwartungen anzupassen. Und es ist eine sehr intensive und dadurch auch beglückende Zusammenarbeit, wenn man sich darauf einlassen kann und möchte. Du musst bei Dir halt prüfen, ob Du das auch wirklich kannst: Deine verständlichen Erwartungen an ein Leben mit Hund so drastisch anzupassen.

  • Hatte die Hündin bei den Vorbesitzern einen anderen Hund an ihrer Seite oder war sie dort auch alleine?

  • Ich würde auch raten, gib dem Hund und dir alle Zeit der Welt, bedränge ihn nicht, setz ihn nur für die Geschäftchen kurz auf eine Wiese und lass ihn einfach ankommen.

    Schilddrüse untersuchen lassen kann nicht schaden, aber die scheint mir in diesem Fall eher nicht das Problem zu sein.

    Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Bachblüten gemacht, aber das ist nicht Jedermanns Sache und man braucht am besten jemand Erfahrenen, der die genau passende Mischung zusammen stellen kann.

    Ein Draufgänger wird dieser Hund vermutlich nie werden, sie scheint extrem sensibel zu sein und vermisst sicher ihr vorheriges Zuhause.

    Bitte versuch, dich nicht zu stressen und unter Druck zu setzen, das überträgt sich tatsächlich auf die Hündin. Versuch , Souveränität und Gelassenheit auszustrahlen, sie wird sicher früher oder später Zutrauen fassen.

  • Hello,


    ich habe eine angstaggressive Hündin mit Deprivationsschaden.

    Kam auch überraschend, die ersten Monate war mein Gehirn am brennen. Hab sogar viel abgenommen wegen dem Stress.


    Durchatmen und nichts erwarten (absolut nix) was du von einem Hund normalerweise erwarten würdest. Zuhause einen sicheren Hafen auftrainieren. Draußen nur das Nötigste und mehr als langsam. Routine leben. Ansonsten hilft euch hoffentlich ein Trainer.

    Von dir selbst die Erwartungen nehmen. Atme. Was du fühlst ist gerade normal. Hatte ich auch. (und an manchen Tagen immer wieder) Viel Baden. Viel Leben langsamer laufen lassen.


    Meine Hündin wird niemals normal. Bei uns reicht auch nach zwei Jahren noch nach links abzubiegen statt nach rechts und die Überforderung ist da. Aber das Potential und Ausmaß für Entwicklung ist bei jedem Hund anders.


    Drücke euch alle Pfoten.

  • Ich hab hier auch ne Ex-Schissbüx sitzen der anfänglich vor allem und jeden Angst hatte.

    Kam im Alter von etwa 7 Monaten zu mir .

    Mittlerweile ist er 6 Jahre alt und ein fast " normaler " Hund.



    Wichtig ist jetzt ganz viel Routine.

    Immer die gleichen Spaziergänge feste Zeiten und Rituale einführen.

    Nur raus zum pinkeln.

    Kein klassisches Gassi.


    Hund nicht bedrängen mit Körperkontakt.



    Hund von Besuch erstmal abschirmen .

    Nicht ansprechen lassen drinnen wie draussen.




    Und viel Zeit nehmen .

    Ruhetage einbauen wenn nochmal etwas sehr aufregend war.

  • Hatte die Hündin bei den Vorbesitzern einen anderen Hund an ihrer Seite oder war sie dort auch alleine?

    Zuletzt immer mal Kontakt zu anderen Hunden gehabt, bei denen sie aber wohl mit Futterneid reagiert hat. Kaum vorstellbar, da sie bei mir kaum frisst, aber hier ist eben auch niemand, der ihr etwas wegnimmt.


    Ich habe noch erfahren, dass sie in letzter Zeit auch sehr viel alleine war, nur gelegentlich in den Garten gesetzt wurde. Sie hat durch Schicksalsschläge schon öfter die Umgebung/Bezugsperson wechseln müssen.


    Es ist sehr schwer. Ich hätte mit all dem nicht gerechnet. Die Informationen kamen die letzten Tage, ich habe aber vielleicht auch beim Kennenlernen zu wenig (kritisch) hinterfragt. Jetzt habe ich einen Hund, für den ich viel Geld ausgegeben habe und dem es absolut nicht gut geht. :(

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