Überdrehter Junghund oder Massregelung?

  • Hallo,


    ich bin hier seit einem Jahr stille Mitleserin und dachte ich hätte aus den hunderten "Welpe und Ruhefinden" Threads genug mitgenommen - tja, nun melde ich mich doch mit einem eigenen Problem dieser Art. Bitte entschuldigt den langen Text, aber ich denke ein paar Infos sind ja immer nötig um die Situation einzuschätzen.

    Wir (2 Erwachsene, 2 Kinder (4 und 7)) haben einen 6 Monate alten Entlebucher Sennenhund Rüden. Er ist nicht unser erster Hund, aber der erste seitdem die Kinder geboren sind. Und er stellt uns vor völlig andere Herausforderungen als unser früherer Hund. Von Anfang an war er sehr aufgeregt, immer am springen, es fiel ihm schwer von selbst zur Ruhe zu kommen, und bis er das in die Hosenbeine beißen endgültig sein liess vergingen gefühlt Monate. Eigentlich dachte ich, wir wären auf einem ganz guten Weg, aber seit ein paar Wochen (Pubertät? Zähne?) ist es wieder deutlich schlimmer geworden mit seiner Unruhe. Momentan schläft er nachmittags (wenn auch die Kinder Zuhause sind) gar nicht mehr und ist dann ab 17-18 Uhr unerträglich, da vermutlich völlig überdreht.


    Unser Tagesablauf sieht in etwa so aus:

    5.30 aufstehen, kurze Löserunde (10 - 15min) an der Schleppleine

    6.00 Futter

    6.30 Kinder stehen auf, Frühstück usw -> Hund ist wach, tappert aber zufrieden in der Küche rum

    8.00 alle aus dem Haus, ich im Homeoffice, Hund pennt wo er will

    13.00 Spaziergang im Wald mit Freilauf, ca. 30 - 45min

    14 Uhr: Kinder kommen nach Hause -> Hund schläft ab hier NICHT, keine Minute! Selbst wenn alle ruhig am Tisch sitzen oder die Kinder oben alleine spielen, er kommt einfach nicht zur Ruhe sondern wandert rastlos in der Küche herum, schleudert sein Spielzeug durch die Gegend, "buddelt" in seiner Box, muss halbstündlich raus zum pinkeln - irgendwann fängt er an nur noch Blödsinn zu machen (Sofa ankauen, Schuhe klauen, beim vorbeilaufen anspringen usw.)

    19 Uhr: Kinder gehen ins Bett, Hund pennt (bis auf 1x pinkeln gegen 22 Uhr) bis zum nächsten Morgen


    Die Nachmittage sind also für alle Beteiligten sehr unentspannt. Ich finde meine Kinder gehen sehr gut mit unserem Hund um (kein Drücken und umarmen usw, er wird auf seinen Schlafplätzen in Ruhe gelassen), eigentlich interagieren sie kaum mit ihm. Trotzdem reicht ihre bloße Anwesenheit im Haus (muss nicht mal das gleiche Zimmer sein), damit er bei jedem kleinsten Geräusch aufspringt oder sich gar nicht erst hinlegt. Ich bin also ständig dabei, entweder Kinder (nicht rennen, ruhig sein) oder Hund (nichts ankauen, nicht die Kinder verfolgen) unter Kontrolle zu halten. Irgendwann ist er dann meiner Meinung nach so durch, dass nichts mehr ankommt und er anfängt mich anzuspringen und dann auch zu zwicken.

    Heute z.B. hatten wir folgende Situation: Wir saßen in der Küche, Hund war im Arbeitszimmer und ist dort mit lautem Gepolter aufs Gästebett gesprungen. Ich also hin um ihn runter zu schicken (er darf dort generell nicht rauf). Da er nicht reagierte, habe ich ihn an der Hausleine (hat er schon lange dran) mitgenommen. Er kam auch erst mit, drehte sich dann plötzlich um, sprang an mir hoch und biss mir in den Arm! Und zwar richtig schmerzhaft!


    Das hat mich sehr erschrocken, weil es sich nicht mehr wie Überdrehtsein oder pubertäres Grenzen testen anfühlte, sondern als ob er mich für das vom Bett holen zurechtweisen würde. Wie schätzt ihr das ein?


    Ich genieße es an sich sehr, wieder einen Hund zu haben und er ist in vielen Bereichen (super abrufbar, läuft top an der Leine, lernt alles super schnell) so ein klasse Hund - aber manchmal befürchte ich dass er einfach für unser Leben mit Kindern nicht gemacht ist und es den Stress für ihn und uns nicht wert ist. Oder aber wir verstehen ihn nicht bzw. er uns nicht. Wie kann ich ihm helfen, auch nachmittags zu entspannen? Er zeigt ja vormittags, dass er eigentlich dazu in der Lage ist. Denn so wie es jetzt ist, kann es echt nicht bleiben.


    Ach so, wir haben in 3 Wochen einen Termin mit einer Trainerin. Trotzdem würde ich mich freuen, wenn jemand noch vorher einen Rat hat. Es gibt doch hier sicher noch andere Junghundbesitzer mit Kinderlärm Zuhause?


    Vielen Dank im Voraus!

  • Ich finde insgesamt liest sich eure Situation gut- du scheinst ein gutes Gespür für deinen Hund zu haben und bevorzugst scheinbar klare Regeln. Find ich top.

    Hat der Hund denn einen Platz/ eine Box wo er sich zurückziehen kann? In einem ruhigeren Eck, aber doch nicht ganz weg von seiner Familie?

    Und was passiert, wenn ihr ihn auf dem Platz anleint oder die Box (wenn positiv verknüpft) schliesst?


    Hat der Hund Sozialkontakte, mit denen er auch mal richtig toben kann? Und wie sehen die Spaziergänge allgemein aus?


    Für mich liest es sich ehrlich gesagt nach Schlafmangel und somit Überforderung im Familienalltag und nicht nach Massregelung. Ich kann mir das bei einem sechsmonatigen Hund fast nicht vorstellen. Weil Massregelung steht für mich im Zusammenhang, dass der Hund ganz genau weiss, was er tut und was er erreichen will. Davon gehe ich in dem jungen Alter nicht wirklich aus.

    Auf wieviele Stunden Schlaf kommt er denn?

    Der Alltag liest sich soweit eigentlich ganz gut, jedenfalls nicht nach zuviel. Ich stelle mir eher die Frage, ob er auch mal so richtig Gas geben kann.

    Bei manchen Rassen ist es schwierig, die richtige Balance zu finden, ich kann dir ein Lied singen von meiner Hündin in dem Alter.

  • Der Tagesablauf erscheint mir ungünstig: Kaum kommt der Hund vom Spaziergang heim und sollte ob der Bewegung und der ganzen Eindrücke eigentlich entspannt und müde sein, kommen prompt die kleinen

    Stressmacher (aus Hundesicht) nach Hause. Kein Wunder, dass sich das hochschaukelt.


    Ich würde testweise mal so mit ihm gehen, dass ihr heimkommt, wenn die Kinder schon da sind - und schauen, ob sich der Stress dann langsam legt.

  • Ich hab vom Lesen her das Gefühl, der Hund verbindet die Kinder mit Action. Hast du die Möglichkeit, am Nachmittag mit eurem Hund die größere Runde zu gehen? Wäre ja auch mit Kindern ne Option. Also wenn der erste Heimkommtrubel vorbei ist, Hund schnappen und ne größere Tobe-Spiel-Schnüffelrunde gehen. Dabei kann er Energie und eventuellen Frust rauslassen. Am Vormittag dann eher nur ne Schnüffel-Pipi-Runde gehen.

    So habe ich das mit meinen Mädels eingetaktet und die sind trotz Kindertrubel am Nachmittag sehr entspannt.

  • Danke für die Rückmeldungen! Nach einer Nacht drüber schlafen kommt es mir auch unwahrscheinlich vor, dass er mich gestern bewusst zurechtgewiesen hat.


    Ich gehe mal auf die Fragen ein:

    Er hat in der Küche (größere Wohnküche, unser Hauptaufenthaltsort) eine Box und im Arbeitszimmer ein Körbchen. In beidem schläft er vormittags gern. Wenn wir ihn nachmittags in der Box "einsperren" (2-3x probiert) jault er dort und kommt erst Recht nicht zur Ruhe - allerdings haben wir das auch nie wirklich geübt, es war für uns immer als freiwilliger Ruheort gedacht. Anleinen an seinem Körbchen haben wir noch nie probiert. Ich überlege gerdae ob das (vllt auch einfach mit Kindergitter) nicht die bessere Möglichkeit wäre, da er uns dort hört aber nicht mitten im Geschehen ist.


    Toben mit anderen Hunden kommt definitiv zu kurz. Wir gehen am Wochenende oft gemeinsam mit Freunden und deren Hund spazieren, aber der ist 12 Jahre alt und hat null Interesse an spielen. Ansonsten trifft man hier kaum Hunde, aber ich könnte vllt mal an der Hundeschule einen Flyer aushängen oder so. da sind wir 1x die Woche im Junghundekurs, wo aber auch nicht gespielt wird. Ich frage mich tatsächlich auch, ob er körperlich vllt nicht ausgelastet ist, da wir mit unserem früheren Hund in dem Alter schon viel mehr gemacht haben.


    Insgesamt kommt er am Tag auf max. 16 Stunden Schlaf.


    Vom Spaziergang nach Hause kommen wenn die Kinder schon da sind geht leider nicht, dazu sind sie noch zu klein (hole den Kleinen von der Kita ab). Aber den Spaziergang eine Weile nach hinten schieben und mit den Kindern zusammen raus gehen kann ich auf jeden Fall probieren. Ich hatte das bewusst so gelegt, damit der Spaziergang eben "Hundezeit" ist. Bis auf die ersten 100m Leine gehen und wo notwendig Rückruf übe ich dann nichts mit ihm, sondern wir schlendern halt gemütlich durch den Wald, klettern auf Baumstämme, spielen mal ne Runde fangen usw.

    Aber ich teste mal, wie es klappt wenn wir die Zeit bis die Kinder da sind noch zum Ruhen nutzen und dann gemeinsam spazieren gehen.

  • Ja, 16 h sind knapp für einen Junghund. Mir wären da 18-20 Stunden lieber.


    Vespa kam anfangs angebunden auch ganz gut runter. Box ging wegen Platzangst nicht. Wir haben das anbinden aber auch mit positivem verknüpft erst. Da gabs immer erst was zu lecken oder kauen.


    Anne Bauer hatte sowas grad erwähnt und es als „Hundeoase“ beschrieben. Googel mal, vielleicht findest du mehr Details zum Aufbau.


    Ich find die Kinderapaziergangidee auch gut. Muss ja nicht immer sein damit du auch mal ganz auf ihn konze triert sein kannst, aber könnte aufgehen.

  • Ich würde die Beschäftigung beim Gassi mal weglassen. Das könnte ihm in Kombination mit der Außenwelt überfordern.


    Ich würde morgens eine Viertelstunde gehen und nachmittags ca. 20 bis halbe Stunde.


    Außerdem würde ich ihn mit Kindergitter einschränken, wenn sie Kids da sind. Vermutlich überfordert ihn das Dabeisein.

  • Hallo,

    dem Kleinen einen Kauknochen oder ähnliches Nachmittags anbieten hast Du bestimmt schon probiert, oder? Unser Großer kam damit gerade in dem Alter immer super auch längere Zeit runter, selbst wenn Besuch da war oder anderes aufregendes. Wir haben auch drei Kinder, da kann ich den Trubel nachvollziehen.

    Ansonsten kann ich Dir leider nicht viel weiterhelfen, wünsche Dir aber weiter gute Nerven! Du hörst Dich sehr reflektiert an, das wird bestimmt!

    Liebe Grüße Landima

  • Ich würde auch um eines seiner Schlafplätze einen Laufstall stellen, da etwas zum Kauen rein (Kauwurzel oder Karotte z.B. von zuviel tierischem Kauzeug kann ein Hund auch hibbelig werden) und ihn da Nachmittags nach dem Spaziergang rein setzen. Die Kinder müssen ihn dann natürlich da in Ruhe lassen.


    Mit 6 Monaten war unsere auch jeden Tag zu sehr überdreht, geschlafen hat sie auch nur knapp 16 Stunden. Nach dem der Zahnwechsel komplett abgeschlossen war und alle bleibenden fertig gewachsen waren, ist die Überdrehtheit langsam zurück gegangen (jetzt ist sie nur noch normal Überdreht xD).


    Und ich würd mehrmals die Woche für guten Hündischen Kontakt sorgen (jeden Tag könnte zu viel sein, aber so alle zwei drei Tage wär schön), wir haben über örtliche Facebook Gruppen und einer Anzeige über Ebay Kleinanzeigen gesucht und so regelmäßige Kontakte gefunden.

  • Ich habe auch sehr sehr gute Erfahrungen mit einem abgetrennten Bereich oder alternativ anleinen am Platz gemacht. Hat bei uns sehr gut geholfen.

    Und ich persönlich würde gucken, dass er noch etwas mehr toben und sich die Beine vertreten kann. Oder wenn das mal nicht drin ist, was zu schnüffeln.

    Dann fällt auch das Ruhen einfacher. (Ich mein natürlich nicht bewegen bis zum Umfallen- aber ein wenig mehr darf es m.M.n. schon sein). Man muss halt die Balance etwas finden.

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