Ängstliche Hündin aus dem Tierschutz

  • wichtig finde ich: Routine und Rituale, ein Rahmen, in dem sich der Hund orientieren kann. Dazu gehören am Anfang auch immer die selben Wege. Man muß nicht weit kommen, Zeit lassen, schaun lassen, schnüffeln lassen, selbst einfach nur da sein und zusehen und zu nichts zwingen.

    All die neuen Eindrücke prasseln auf den Hund ein und er kann noch nicht filtern zwischen "Alltag, Gefahr". Und dann kommt der Streß.


    Wichtig finde ich auch: Schaun was dem Hund gut tut, was sie gerne macht, was ihr gefällt und ihr das ermöglichen. Nicht auf die Angst fixieren, sondern auf all die anderen Seiten und sie die leben lassen.


    Wenn Du das Gefühl hast, ein längerer Spaziergang, so 30 Minuten, tut ihr gut, dann würde ich das auch so machen. Du mußt halt gewissenhaft schaun, ob sie das verarbeiten kann

  • Nochmal zum Thema Sicherung: auch ein Sicherheitsgeschirr ist nur so gut wie der Leinenkarabiner und die Hand, die die Leine hält.

    Ja, bei vielen Hunden denkt man sich im Nachhinein "War eh nie was. Hätt man doch alles gar nicht gebraucht."

    Aber Prävention ist anfangs immer klüger, als der eine blöde Moment, der vielleicht doch eintritt. Karabiner können in den unerwartetsten Momenten brechen oder aufgehen, Leinen können aus der Hand gerissen oder fallen gelassen werden.


    Ganz besonders bei einem unsicheren Hund und einem, der panisch auf manches reagiert (und viele mögliche Reaktionen kennt man anfangs einfach nicht), halt ich Doppelsicherung für essentiell. Ein panischer Hund kann nicht mehr denken, nicht hören.


    Ich geh mit neuen Hunden anfangs sogar mit Canicrossgurt an dem die "Sicherungsleine" hängt, Hauptleine (bei mir meistens am Halsband) in der Hand. An den Verbindungsstellen noch zusätzliche Karabiner aus dem Baumarkt eingehängt. Ja, finden viele übertrieben. Nein, anders hält man bei unglücklichen Auslöserverkettungen einen panischen Hund einfach nicht sicher.



    "Bewegung zum Stressanbau" find ich übrigens ansich gut. Kommt auf Hund und Umgebung drauf an, was geht und wie. Und ein bisschen ein Auge hätt ich drauf, ob Hund sich wirklich Stress weg rennt oder in neuen Stress rein läuft oder schnüffelt oder starrt (einer sitzt hier, bei dem das vorallem anfangs ein sehr schmaler Grat war zwischen hilft ihm und er schießt sich mental ab).


    Wirklich sowas wie Kondition wird sie nicht haben. Wenig Programm reißt sie also auch nicht aus ner fitten Phase.


    Letztlich werdet ihr aber wohl probieren müssen, was für Euch und Euren Hund funktioniert.


    Bei uns waren es Pausentage. Ein Tag "Programm", das anfangs auch sehr eingeschränkt war, ein Tag nur zum lösen raus. Anfangs waren diese 10-15 Minuten raus zum lösen eigentlich schon zuviel des Guten. Wobei das auch am Wohnumfeld und den Nebenthematiken vom Neuzugang liegt. Anfangs war Menschenbegegnung im Flur schon zuviel Aufregung, da waren wir noch nicht mal aus dem Haus draußen. (Also war anfangs immer Überforderung da. Nicht rausgehen ging nicht.)


    Trägt sie ne Hausleine?

  • Bzgl Garten noch ein paar Überlegungen. Ob das bei Euch so funktioniert, müsst man probieren. Nicht unbedingt sofort.


    Wir haben, da leider recht städtisch wohnend, nur einen betoniertem Innenhof. Trotzdem war und ist der Gold wert. Freie Bewegung auf hartem Boden ist immer noch besser, als gar nie freie Bewegung und mögliche Verspannungen durch immer Geschirr und "unnatürliche" Haltung an der Leine.


    Bei uns (ich würd den Kandidaten nicht als echten Angsthund einstufen, aber als sehr unsicher und vermutlich eher reizarm aufgewachsen, sprich: ich glaube, der kannte einfach nix und kam dann von ländlichem Umfeld, wo er sich relativ gut zurecht findet, mitten in seine persönliche Hölle Stadt) war "Innenhoftraining" auch ein Weg, ihn an Rundherumgeräusche zu gewöhnen.


    Da der Hof ziemlich ausbruchsicher ist, ging das alles leinenfrei. In einem Garten ohne nennenswerten Zaun (so ab 1,70 aufwärts) würde ich einen neuen, sehr unsicheren Hund anfangs wahrscheinlich trotzdem anleinen.


    Wir waren einfach draußen. Ich hab mir nen Sessel geschnappt und Kaffee getrunken. Den Hunden ne Decke hingelegt. Kauzeug angeboten (Als er das schon nehmen konnte) und quasi in kleinen Dosen selber sehr normal und sehr entspannt herum gesessen, während man nachbarlichen Geräuschpegel hörte.


    Apropos sitzen. Ich saß generell anfangs viel am Boden herum. Ohne groß mit dem Hund zu interagieren. Ich war einfach da und harmlos und wollte nix von ihm.


    Das empfiehlt sich nicht bei jedem Hund, weil es manche auch zu sehr bedrängen kann und ins Gesicht gebissen kriegen will keiner - und nicht jeder Mensch will das so für sich: Ich schlafe grundsätzlich auf der Gästematratze in der Nähe neuer Hunde.


    Mein persönlicher Eindruck: es hilft ihnen, so eine Art Gruppengefühl zu entwickeln und meine Harmlosigkeit merken sie auch.


    Aber als Universalratschlag darf man das nicht verstehen, ich nehme nur an, ich würde irgendwo in der Nähe von einem sehr unsicheren Hund campieren, sofern ich nicht das Gefühl hab, es setzt ihn zu sehr unter Druck (und da war bis jetzt nie was wie "Schlafaggression" oder so)

  • Ich habe auch ein ängstliches überfordertes Modell und bin am Anfang so normal wie möglich raus. Erst durch die User hier habe ich reduziert und habe dadurch den Durchbruch gehabt.

    Ich empfehle euch auf die Tipps mit mal nicht mehr Gassi gehen (oder auf dieselbe 10min Runden zu reduzieren). Setzt euch wirklich mal nur auf die Arschbacken. Der Hund hat soviel zu verarbeiten selbst im Wald.

    (ihr wohnt super und ihr macht schon viel richtiges)


    Nach weniger Zeit hatte ich in der Wohnung plötzlich keinen Zombie mehr, sondern einen Hund der ausreichend Löffelchen übrig hatte, um mich kennenzulernen. Da lernt man erstmal wie gut dem Hund so Pausen tun.


    Ich muss mich heute manchmal noch zurückhalten, weil ich (und der Hund) gern körperlich aktiv sind. Aber die Lerneffekte sind enorm bei Pausentagen. Wer ist dieser munter aufgeschlossene Hund in meinem Wohnzimmer? ?


    Den Rest der Welt könnt ihr die nächsten 10 Jahre erleben.

  • Bei uns waren es Pausentage. Ein Tag "Programm", das anfangs auch sehr eingeschränkt war, ein Tag nur zum lösen raus. Anfangs waren diese 10-15 Minuten raus zum lösen eigentlich schon zuviel des Guten. Wobei das auch am Wohnumfeld und den Nebenthematiken vom Neuzugang liegt. Anfangs war Menschenbegegnung im Flur schon zuviel Aufregung, da waren wir noch nicht mal aus dem Haus draußen. (Also war anfangs immer Überforderung da. Nicht rausgehen ging nicht.)

    Das mit den Pausentagen ist eine sehr gute Idee. Momentan sind wir sowieso die meiste Zeit zuhause, weil es sehr heiß ist, aber ich denke wir werden es in den nächsten Tagen dann so machen, also nur jeden zweiten oder dritten Tag etwas längere Spaziergänge.


    Trägt sie ne Hausleine?

    Nein, weil Maja sowieso nicht freiwillig aus ihrem Versteck rauskommt, wenn sie einmal drin ist. Sie traut sich absolut nicht alleine durchs Haus zu laufen. Momentan läuft sie nichtmal von der Haustür alleine die Treppe hoch zu ihrer "Höhle", wenn wir den Vordereingang nehmen. Sie braucht sie immer "Geleitschutz" im Haus. Um abzuhauen müsste sie in jede Richtung erstmal durch 2 oder 3 Türen bzw. Tore. Wir achten natürlich trotzdem sehr penibel darauf, dass alles immer zu ist. Aber bei einer Hausleine würde ich bei ihr die Strangulierungsgefahr, wenn man mal nicht hinschaut als viel höher einschätzen als die Gefahr, dass sie abhaut (im Moment jedenfalls).

    Apropos sitzen. Ich saß generell anfangs viel am Boden herum. Ohne groß mit dem Hund zu interagieren. Ich war einfach da und harmlos und wollte nix von ihm.

    Das haben wir auch schon ausprobiert. Wenn wir in der Nähe ihrer Verstecke rumsitzen, ist sie inzwischen eigentlich sehr entspannt. Wir haben es schon im Garten getestet (in einem Teil, in dem sie nicht direkt in ihre Hütte flüchten konnte) und auch beim Spaziergang auf einer Wiese an der wir immer vorbei laufen. Im Garten ohne Leine (der Garten ist sehr gut abgesichert), draußen selbstverständlich mit Leine. Das Problem ist, dass Maja sich immer sofort verstecken will. Wenn ich mich an den Boden setze, versucht sie sich unter meinen aufgestellten Beinen zu verstecken und legt sich dort hin. Ich weiß nicht, ob das ein Vertrauensbeweis ist oder viel eher in diesem Moment der Mangel an anderen Verstecken, wahrscheinlich eher letzteres. Im ersten Moment ist sie dann voller Angst, ich bin dann jeweils ein bisschen sitzen geblieben und habe sie an den Ohren gekrault. Nach einer Weile war sie dann relativ entspannt.

    Sie hat jedoch immer ein Problem mit dem Verweilen an einem Ort, auch wenn man beim Spazierengehen kurz stehenbleibt, ist sie direkt sehr gestresst und versteckt sich zwischen meinen Beinen oder drückt sich an mich ran. Für sie gibt es eigentlich nur laufen oder verstecken.

    Ich glaube, sie hat ihr ganzes Leben bisher nur die Erfahrung gemacht, dass Verstecken überlebenswichtig ist und gleichzeitig die beste Möglichkeit unangenehmen Situationen zu entfliehen. Ein anderes Verhaltensmuster hat sie auch noch nie gezeigt, also nie gebellt, geknurrt oder gar geschnappt oder gebissen. Ihr Mantra ist einfach: "Klein machen und alles über sich ergehen lassen" (z.B. wenn wir sie für den Spaziergang aus ihrem Versteck rausheben, weil sie freiwillig nicht rauskommt). Wir haben keine Ahnung, ob sie mißhandelt wurde oder einfach noch fast nichts kennengelernt hat und deshalb so unsicher ist.

    Das empfiehlt sich nicht bei jedem Hund, weil es manche auch zu sehr bedrängen kann und ins Gesicht gebissen kriegen will keiner - und nicht jeder Mensch will das so für sich: Ich schlafe grundsätzlich auf der Gästematratze in der Nähe neuer Hunde.

    Wie gesagt, beißen würde sie nicht (zumindest hat sie bisher noch nie etwas in diese Richtung gezeigt, aber hundertprozentig ausschließen kann man es natürlich nie). Die erste Woche habe ich auf einer Matratze im selben Raum wie sie geschlafen, das hat gut funktioniert, auch wenn sie natürlich nicht aus dem Versteck rausgekommen ist. Auch jetzt ist sie in Hörweite, die Türen stehen offen.

  • Wir machen es draußen, wenn sie sich z.B. unter Autos verstecken will übrigens jetzt folgendermaßen:


    Wenn sie sich aus Panik verstecken will und quasi nicht mehr ansprechbar ist (z.B. weil es geknallt hat) gehen wir zu ihr hin und stellen uns schützend zu ihr oder gehen in die Hocke. Danach nehmen wir sie hoch und tragen sie ein Stück weg.


    Wenn sie sich jedoch aus Gewohnheit oder einfacher Angst versteckt (was meistens der Fall ist), bleiben wir einfach stehen und rufen sie. Sie ist in dem Moment meistens etwa zwei bis drei Meter weg und kommt aufgrund der dann gespannten Leine nicht weiter und vor allem nicht ins potentielle Versteck. Nach einigen Sekunden merkt sie, dass sie nicht weiter kommt und läuft zu uns zurück. Dort wird sie dann kurz gelobt und wir laufen weiter, manchmal nur einen Meter, manchmal direkt komplett weiter. Das langfristige Ziel ist, dass sie direkt zu uns kommt, wenn sie wieder einmal unsicher wird. Auch wenn das sicher noch eine Weile so gehen wird, halten wir es für die beste Möglichkeit. Sie jedes Mal hochzuheben oder gar weiter zu ziehen, scheint uns nicht zielführend.


    Generell versuchen wir jetzt einfach ihr die notwendige Sicherheit zu vermitteln. Sie soll wissen, dass wir die sichere Basis ist, der sie hundertprozentig vertrauen kann. Vielleicht dauert es Monate, vielleicht Jahre, wir werden die notwendige Geduld aufbringen. Vielleicht wird es dann irgendwann nicht mehr so sein, dass ein potentielles Versteck auf Platz 1 und wir auf Platz 2 stehen, sondern umgekehrt.


    Übrigens wohnen wir in der Nähe zur Schweiz und mussten gestern stundenlang das Feuerwerk zum Nationalfeiertag ertragen. Wir waren vorher etwas besorgt, wie Maja damit klar kommt. Sie war in ihrem Versteck im Haus und wir hatten alle Fenster zu. Ich habe über YouTube Lieder laufen lassen, die der Beruhigung von Hunden und Katzen dienen sollen. Sie war tatsächlich komplett entspannt und ist trotz Böllerei eingeschlafen und sogar in die Traumphase gekommen. Hab mich jetzt ein bisschen über Musik für Hunde informiert. Gerade schläft sie friedlich zu Reggae-Musik. Das ist anscheinend er Musikstil, der von Hunden favorisiert wird. Ich werde jetzt einfach ein bisschen experimentieren, aber Musik hat offensichtlich tatsächlich eine sehr gute Wirkung für sie.

  • ps: sie klingt nicht nach angsthund, sondern einfach unsicher. Verständlich, ist sie doch auf einem neuen planeten gelandet. Und noch dazu vermutlich ein srhr viel lauterer, vollerer, auch geruchlich total krasser planet.

    Versucht bitte ihr draussen enge Führung zu geben, damit sie mehr Sicherheit gewinnen kann. Sie sucht das ja offensichtlich sogar schon bei euch. Also sie nicht nur selber machen lassen, sondern ihr selbstverständlichkeit zu geben durch eure Entscheidung, eure sicherheit. Daran kann sie sich orientieren. Lasst ihr sie selber machen, letnt sie ebe..auch genau, dass sie mit euch nicht rechnen.kann.

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