Die Achse des Bösen: lebendiger Wald, Pubertät und Jagdtrieb?

  • Hallo!


    Ich wende mich an euch, weil ich mir ein wenig Feedback wünsche, um das Verhalten meines Hundes besser einordnen - und ggf. gegensteuern - zu können. Wir halten eine Kleinpudeline, die jetzt acht Monate alt ist. Die erste Läufigkeit steht noch aus. Hier ist Schnuffie:


    Umherwehende Blätter fangen findet sie schon lange prima. Anderes Viehzeug aber mittlerweile auch, wobei m.E. in unterschiedlicher Ausprägung. Bislang sind wir ziemlich leicht durch den Wald gekommen, da klappt der Rückruf grundsätzlich. Außer natürlich, der Wauzi hat 'ne tote Maus aufgespürt, dann geht das nicht. Habe ich verbockt, weil ich nicht von Anfang an Beute getauscht, sondern einfach weggenommen habe. Arbeite ich dran, wird besser.


    Es sei erwähnt, dass meine Frau und ich jeweils einen anderen Rückruf haben mit einer Art Vorstufe (vergleichbar mit "Schau!"), um die Aufmerksamkeit zu erlangen. Meine Frau arbeitet mit "Schnuffiiiiiie! - Hier!". Das fand ich für die Natur ungeeignet, weshalb ich für einen Rückruf doppelt pfeife. Für Aufmerksamkeit ruft meine Frau nur den Namen, ich pfeife einfach. Außer, mir ist die Spucke ausgegangen, dann geht kein Rückruf. Auch ungünstig, wie ich feststellen musste..


    Ganz oft sind Vögel egal, manchmal aber nicht. Dann trabt der Hund los. Ich versuche dann die Aufmerksamkeit mit einem langen Pfiff wieder auf mich zu lenken. Ein Rückruf (also Rückpfiff) klappt dann i.d.R., wenn ich die Aufmerksamkeit wieder habe. Ob das jetzt am ersten Pfiff liegt, oder der Hund den Vogel nicht mehr sieht, kann ich nicht wirklich beurteilen (bestimmt liegt's am Pfiff, weil ich so ein Hundeversteher bin!).


    Rehe sind ein anderes Thema. Da ist der Hund neulich meiner Frau davongedüst und hat die Verfolgung von zwei Rehen aufgenommen. Agent Orange kam dann aber ohne Reh zurück (du, Schnuffelpuff, sind die nicht auch ein wenig groß..?). Meine Frau wirkte etwas abgekämpft am Telefon, als sie von der Suche nach dem Hund berichtete :)


    Mir war aufgefallen, dass ich die Rehe immer vor dem Hund sehe und so im Grunde gegensteuern kann. Auch ansonsten merkt man es dem Hund an, wenn er gleich lospreschen will. Mein Eindruck bis dahin war, dass der Hund auf Sicht "arbeitet". Aber sowohl bei meiner Frau als auch bei mir hat der Wauzi neulich die Biege gemacht. Zehn Meter nach vorn und ab ins Unterholz. Ohne, dass man das vorher erahnt oder etwas gesehen hätte. Ihr vermutet es bestimmt schon: der Rückruf klappt dann gerade nicht so gut.


    Als niedersächsisches Rudel haben wir keine zwei Wochen mehr, und wegen der Brut- und Setzzeit gilt ohnehin Leinenzwang. Wie aber ist das Verhalten vernünftig einzuordnen und wie kann - dann auch mit zwingender Leine - sinnvoll damit umgegangen werden? Entwickelt der Hund hier einen ernsthaften Jagdtrieb (wofür Pudel ja durchaus empfänglich sein sollen), dem man gegensteuern muss? Wenn ja, wie? Oder ist das einfach nur pubertäres Spiel, das man mehr oder weniger "aussitzen" kann? Oder beides, in Verbindung mit neuen Reizen in einem Wald, der wieder zum Leben erweckt?


    Vielen Dank im Voraus!

  • Ich würde da schon mit Training anfangen und nicht darauf hoffen dass es sich wieder "verwächst".


    Würde den Hund generell an der Leine lassen und anfangen zu üben, neben einem gut sitzenden Rückruf sind da vor allem auch Radiustraining, "Auf dem Weg bleiben"-Training sowie Umorientierung sinnvoll.


    Zu dem Thema gibt es ja auch ganz gute Lektüre, die euch vielleicht hilft.

  • Oder ist das einfach nur pubertäres Spiel, das man mehr oder weniger "aussitzen" kann?

    sie trainiert jetzt halt das jagen und sie wird sich drin verbessern ;-) Wenn Du klassisch trainieren willst dann ist evt das Buch von Pia Gröning was für dich, ansonsten empfehle ich Ulli Reichmann.


    Einfach aussitzen wird dir nicht weiterhelfen. Anleinen im Wald, nicht mehr jagen lassen

  • Klingt ganz genau nach meiner in dem Alter.

    Wenn der Hund lostrabt, bist du schon 3 Schritte zu spät dran. Und wenn er das schon so tut, dann bist du auch schon viel zu spät dran die ersten Ansätze zu erkennen.

    Die ersten Ansätze waren schon Blätter jagen. Schon da hätte man üben müssen.

    Hier begann das AJT mit 16 Wochen, als sie nen Vogel geschnappt hat. Seitdem sie 1,5-2 Jahre war, klinkt das Gehirn zuverlässig nicht mehr aus, Umorientierung und Anzeigen funktionieren.


    Wieso hat euer Hund dauernd die Möglichkeit Fehlverhalten zu begehen, während ihr euch wundert, dass ihr ihn aus der Situation nicht mehr raus kriegt?

  • Danke für euer Feedback, v.a. hinsichtlich der Lektüre!

    Wieso hat euer Hund dauernd die Möglichkeit Fehlverhalten zu begehen, während ihr euch wundert, dass ihr ihn aus der Situation nicht mehr raus kriegt?

    Wir wundern uns ja nicht, sondern suchen nach der konkreten Ursache als Ersthundehalter, um möglichst richtig zu handeln. Das Spiel mit den Blättern haben wir schlicht falsch eingeordnet, das übrige Verhalten zeigt sie erst seit wenigen Tagen, weshalb ich direkt Hilfe suche :)

  • Also erst einmal finde ich es völlig normal, dass ein Hund abhaut und jagen geht. Ich habs noch bei keinem meiner Hunde geschafft das zu 100 % zu verhindern. Gerade kürzlich ist bei uns im Wald in den Brombeeren ein Kaninchen vor der Nase meines Hundes hochgesprungen und klar ist mein Hund da hinterher. Das sind Situationen, die ich als "blöd gelaufen" abstempel, weil ich da auch gar keine Zeit habe zu reagieren.


    Anders sieht das aus, wenn sich Jagdverhalten ankündigt. Der Hund mit der Nase hoch schnuppert, er angespannter wird. Ich meine man kennt ja seinen Hund und merkt, wenn er eine Spur in der Nase hat. Oder so wie du schreibst, dass du die Rehe vor deinem Hund siehst. Oder auch, wenn mein Hund die Rehe sieht und losdüsen will, genau diese "vor dem Losdüsensekunde" muss man erwischen. Also da sind die Erfahrungen mit meinen Hunden so, dass ein Rückruf nicht so gut klappt, viel besser ist Sitz, oder Platz auf Entfernung.


    Wenn mein Hund zB 20 m vor mir läuft, ich in der Wiese Rehe sehe, dann er und er lospreschen will, genau dann schreie ich PLATZ. Er geht ins Platz und hat aber die Rehe noch im Blick. Das fällt ihm denke ich deswegen leichter, weil er den Rehen nicht den Rücken kehren muss, was er beim Rückruf machen müsste. Und ich kann hinlaufen und ihn anleinen. Ist er bereits losgelaufen, dann nützt die Rumbrüllerei nichts mehr, das hört er dann gar nicht mehr. Versuch das mal. Ich war verblüfft, wie toll das bei meinem Hund funktioniert, war richtig stolz auf ihn.

  • Der Hund läuft jetzt nur noch frei, wenn 1. ihr zu 100% mit dem Kopf bei ihm seid und alles überblicken könnt und 2. er aufnahmefähig ist und auf euch achtet. Da könnt ihr ab und zu einen Abruftest machen oder spontan umdrehen oder irgendwas, wo ihr sehr, dass er auf euch noch reagiert statt sein eigenes Spiel zu machen.

    Ab sofort hat er gar keine Erfolge mehr. Er hat nicht mehr die Möglichkeit, wegzulaufen, pudellustig über die Wiese zu hüpfen und sich mit Spurensuche wegzuschießen. Es ist sogar verboten im Schleichgang mit erhobenem Kopf Dinge zu fixieren und loszupreschen. Ganz deutliche Ansagen von euch, Hund an der Flexi oder Schlepp zu sich ziehen und jede Abwendung und Reaktion auf euch mega belohnen. Party party party. Das schöne ist ja, dass der Pudel alles für seinen Menschen tut und sehr weich und führig ist.

    Habt ihr keinen Kopf dafür, einen blöden Tag oder merkt, Hundi ist heute besonders lustig, lasst die lange Leine dran, lasst ihn tingeln und schnüffeln, es bringt eh nichts so zu üben.

    Parallel dazu baut unbedingt einen bombenfesten Rückruf oder ein Stoppsignal auf.


    Wir haben große Erfolge mit "Gucken" gemacht. Keine Ahnung, ob das im Prinzip Z&B ist, aber beim Pudel ist ja oft eher die Bewegung der Reiz am Jagen. Sieht Hundi was, verharrt es kurz. Da rein belohnen und gleichzeitig dem Hund die Möglichkeit geben, den Reiz zu verarbeiten (zB so ein einzelner Vogel auf der Wiese, der da sitzt und tolle Beute wäre). Das dauert zu Beginn noch extrem lange (5min war bei uns der Beginn) und die Konzentration ist auch nach wenigen Reizverarbeitungen weg, dann braucht ihr nicht weitermachen. Ziel ist, dass der Hund einen Reiz sieht und sich dann selbstständig löst, Bestätigung bekommt und dann wieder anderen Dingen widmet.


    Das schöne beim Pudel ist ja: die wollen gefallen. Die sind eh immer bei einem, es ist leicht sie zu motivieren. Die jagdsequenz ist eigentlich eine angenehme, weil man das Anzeigen so gut bestätigen kann und sie meistens allesamt erstmal nur auf Sicht gehen (dh man sieht es früher und agiert, bevor der Pudel reagiert). Frühe Abbruchkommandos und das Angebot sich anders zu orientieren, funktionieren in der Regel gut. Die denken sich nie "du kannst mich mal, ich zieh mein Ding jetzt durch". Man braucht da nicht großartig was ausfechten, es sind keine ernsten harten Hunde.


    Das blöde beim Pudel: die frühen Zeichen werden nicht ernst genommen. Ewig lang ist es süß und witzig und lustig und hach, es ist ja doch nur ein kleiner Pudel... Die kleinen Ulknudeln. Hüpfi, Hüpfi, ist das lustig... Ne ist es nicht :mute:

  • Hallöchen, lieber Pudelliebhaber (gibt es nicht so häufig unter Männern, deshalb gibt es dafür schon mal ein grundsätzliches Lob von mir! :applaus:)


    Als meine Hündin ihren Fähigkeit zu Jagen entdeckt hat, was schon ziemlich lange her ist, habe ich mich zunächst ausschließlich auf das Rückruftraining konzentriert. Rückblickend würde ich sagen, dass das zu wenig war: Ich hätte mich spätestens da mit den Verhaltenssequenzen des Jagens und den Sinnen und der Körpersprache des Hundes beschäftigen sollen, um sie verstehen und richtig interpretieren zu können, damit eine rechtzeitige, faire Einwirkung möglich ist. Das habe ich im Laufe der Zeit alles nachgeholt und es hat sich mir dadurch eine neue, bereichernde Welt aus der Sicht der Beutegreifer eröffnet - die Auseinandersetzung mit dem Thema Jagen macht mir Freude - ich geb' es zu! Vielleicht geht es dir ebenso.


    Bei mir wäre der Lockenwuschel die nächste Zeit ausschließlich an der Schleppleine. Impulskontrolle würde ich parallel auch üben - gut aufgebautes Dummy-Training eignet sich dafür hervorragend, wie ich finde.


    Besten Gruß und viel Spaß mit dem Wirbelwind!

  • Frodo (ebenfalls Kleinpudel) sieht auch alles und bekommt alles mit. Als Junghund war jedes Blatt spannend. So sind die Pudelis einfach. Frodo hat dafür auch eine irre Reaktionszeit, was meine Kommandos angeht. Der reagiert quasi in Lichtgeschwindigkeit.


    Ich arbeite so gut wie nie mit Rückruf, denn ich will meine Hunde nicht für jedes Insekt, jeden Vogel, jeden Hasen, jeden Menschen, etc abrufen müssen. Das ist unnötig und unpraktisch in unserem Alltag.

    Er hat gelernt mir alles anzuzeigen, was er spannend findet. Das sieht am Ende so aus, dass Hund steht und in die Richtung guckt, wo er das Spannende entdeckt hat. Das kann alles mögliche sein (aktuell sind es meist Vögel, Katzen und andere Hunde, Wild gibts hier nicht so viel) und er tut es zuverlässig.

    Einzig, wenn vor ihm (1-10m) Wild hochgeht, springt er direkt los (was ich ihm nicht verübeln kann, er reagiert einfach auf alles sehr zackig). Da pfeife ich ihn dann ab, was nach intensivem Training nachdem er 2x einem Hasen nach ist, auch wieder gut klappt.


    Solange Hund jagt und nicht kontrollierbar ist, gehört er an die Leine. Ob Schleppleine, Flexi oder was auch immer, ist egal.


    Pudel lernen und arbeiten gerne mit ihrem Menschen. Zeig ihr, dass es toller ist, wenn sie dir alles zeigt, als wenn sie sich alleine damit beschäftigt. Dann hast du schon viel gewonnen.


    Die Alternative wäre dem Hund absolut alles, was in Richtung jagen geht, zu verbieten. Mein Wege wäre das nicht, weil es zumindest bei meinen beiden eher zu Frust führen würde und das Problem so nur verschlimmern würde.

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