Gewalt im Namen der 'Resozialisierung'


  • Das ist doch vom Hund abhängig. Klare Ansage bei Poco sah immer anders aus wie bei Rosie. Rosie bekommt viel leisere Ansagen und braucht auch nonverbal nicht so viel Druck wie Poco.


    Also "die" klare Ansage gibt es nicht.

  • Von dem Begriff Gewalt jetzt mal ab: Ich frage mich immer um wen es nun eigentlich geht. Um den Hund?Um den Menschen? Aufgrund des Videos sehe ich, dass es nur um die Menschen geht. Was will der Mensch. Der Hund wird da ganz außen vor gelassen. Habe mir das Video mit Absicht erst angeschaut, nachdem ich die Kommentare hier gelesen habe und habe einen ganz anderen Hund erwartet: Einen Hund der aufgerichtet in seiner Körperhaltung selbstsicher Menschen bedroht, weil ihm keine Grenzen gesetzt wurden (er also meint einer Aufgabe nachkommen zu müssen). Was ich sehe ist eine verunsicherten Hund der ohne roten Faden leben muss und ihm nun klar gemacht wird, dass sein Problem völlig unwichtig ist.


    Und was Gewalt betrifft: Es ist ein Unterschied, ob ich im Alltag agiere und dann auf eine Aktion meines Hundes reagiere (und das vielleicht nicht wirklich nett) oder ob, wie im vorliegenden Fall, daraus eine Methode gemacht wird, die von HH angewendet werden soll um ein Problem abzustellen. Ob ich einen Hund als sozial bezeichnen möchte der nur aufgrund von Zwang so agiert wie er dann agiert, bin ich mir nicht sicher. Zu groß die Gefahr, dass ihm dieser Zwang irgendwann egal ist und er dann zupackt.

  • Habe mir das Video mit Absicht erst angeschaut, nachdem ich die Kommentare hier gelesen habe und habe einen ganz anderen Hund erwartet: Einen Hund der aufgerichtet in seiner Körperhaltung selbstsicher Menschen bedroht,

    An meinen Kommentaren kann das aber nicht gelegen haben.


    Ob ich einen Hund als sozial bezeichnen möchte der nur aufgrund von Zwang so agiert wie er dann agiert, bin ich mir nicht sicher.

    Was meinst Du damit genau? Wo ist der Hund nicht sozial? Bei der Vergesellschaftung sehe ich nicht wirklich Zwang. Eher ein Hund, der ziemlich ungeübt ist, nicht genau weiss, was er damit anfangen, was er mit sich anfangen soll. Erst mal vll. erstes Muster und denn steht er dort und schaut, mehr oder weniger, dumm aus der Wäsche (beide Male eigentlich). :ka:


    Oder meintest Du den Gehorsam, angeleint an den Fremdhunden vorbei. Nu, das geht m.E. zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel anders. Denn er kann noch gar nicht stabil verinnerlicht haben, was von ihm erwartet wird. :ka:

  • @Das Rosilein

    Nein dein Kommentar war da nicht dabei. Das Ziel von Resozialisierung sehe ich darin, dass ein Lebewesen sich in seinem sozialen Umfeld wieder so bewegen kann, das keine zu Schaden kommen kann und zwar ohne dass ich immer den Finger drauf haben muss.

    "Erkläre" ich das einem Hund nur dadurch, dass er es sich nur nicht mehr getraut, sich unsozial zu verhalten, kann dies ein vorübergehenden Erfolg erzielen. So wie bei dem Hund im Video. Ob er dies aber auch so verinnerlicht hat, dass er mit der Zeit dann einfach "seine Mitte findet" und gar nicht mehr das Verlangen hat auszulösen, steht dabei auf einem anderen Blatt.

    Das "Bedrohen" während des Trainings (Menschen die in anstarrender und in gebückter Weise auf ihn zugehen und in anfassen z.B.) und das Unterbinden seiner (für mich normalen) Reaktion, zeigt dem Hund eher nur, das sein Umfeld mit Vorsicht zu genießen ist. Er nimmt sich dann zwar zurück, aber ob dies dann wirklich von Dauer ist (also das Verlassen darauf, das er nicht mehr auslösen wird), wäre mir zu riskant. Sich nur auf Gehorsam zu verlassen, ist mir zu wenig bzw. zu riskant. Da müssen die Menschen schon dazu passen.

    Mein Ziel wäre eher (bzw. ist es), während des Trainings den Hund seine Mitte finden zu lassen, so das er von sich aus langsam gar nicht mehr das Verlangen hat den "Dumfug" zu machen, den ich nicht mag.

  • Sieht hier auch total unterschiedlich aus. Während ich mit Hilde mehr rede, da ist dann auch mal ein lautes "Ey" dabei, brauch ich sie auch nicht zu berühren. Die Abrissbirne hingegen ist ein eher körperlicher Hund, der hat auch schon mal nen Patsch mit den Handrücken abbekommen, um ihn aus seinem Fokus zu holen. Dem könnte ich allerdings vermutlich auch vergebens mit dem Megaphon ein "Ey" entgegenbrüllen und es würde ihn nicht stören. Kann ich mir also sparen.


    Grundsätzlich ist aber eines immer - und jedem Hund (auch wenn es nicht meine eigenen sind) gemeinsam: Wirklich ernst ist es, wenn ich still werde und mein Blick tötet...


    Spannend finde ich vor allem, wer Gewalt wie definitiert. Während hier schon Stimmen laut wurden, die schrieben "Was sagt es über Menschen aus, die keine Gewalt mehr als solche erkennen" (sinngemäß), frage ich mich allerdings ebenso: "Was sagt es über Menschen aus, die aus völlig normalem, natürlichem Miteinander ein Gewaltszenario kreieren?" - das ist mindestens ebenso schräg.


    Ich glaub ja, die Wahrheit liegt wie immer in der Mitte.


    Ich hatte schon sehr viele Hunde bei mir, die "resozialisiert" (ich hasse das Wort) werden sollten. Und da waren einige dabei, die definitiv eine - wie schon mal beschrieben - "passende Antwort" gebraucht haben. Die durchaus individuell war. Und da war kein Zeitdruck meinerseits dahinter. Das war für das Tier der schnellste und stressärmste Weg.


    (Auf das Video beziehe ich mich hier extra nicht.)

  • was ist denn mit "klarer ansage" gemeint?
    Viele schreiben das immer, aber wie sieht das aus?
    Ist das ein wütendes und lautes anschreien, ein Leinenruck mit lauter stimme, oder was ganz anderes?

    Also eine "klare Ansage" ist immer auf den Hund abgestimmt.

    Ich habe 3 Hunde und bei allen ist eine "klare Ansage" etwas anderes.


    Bei Joy reicht nur ein Blick und sie versteht sofort. Da brauch ich keine Leine, mich nicht bewegen, sie nicht berühren.


    Bei Ebby ist es Situationsbedingt. Im Allgemeinen ist sie da auch sehr sensibel dh. Großteils reicht auch ein Blick, wenns mal drüber ist reicht ein tiefes etwas energischeres "HEY".


    Quitu ist da so der Bulldozer, die scheiß* auf meine Blicke, die kannst körperlich wegdrängen, die würd noch dagegendrängen, die braucht wirklich mal eine etwas lautere Stimme und auch mal ein Griff ins Fell.

  • Nur am Rande: ich würde mich wirklich über eine Antwort darauf freuen.

    Ich finde das ist ein schweres Thema.

    Ich selbst hab noch nie längerfristig mit aggressiven Hunden im Alltag gearbeitet, schon gar nicht mit solchen Rassen.


    Im Salon bin ich mit solchen Hunden (solche Hunde = beißen ernsthaft zu) allerdings auch nicht zimperlich. Ich habe etwa eine bis maximal zwei Stunden Zeit, ich MUSS ihn für meine Arbeit anfassen, ich MUSS mich dabei schützen. Das sieht für einige von außen sicher auch schlimm aus, schlimmer als in dem Video.

    Ich hab dabei auch noch nie erlebt das ein Hund in diesen Situationen durch reine positive Arbeit sein Verhalten eingestellt hat.

    Am liebsten von dir oder den Leuten die deinen Beitrag geliked haben, denn ihr scheint ja zu wissen wie es geht.


    Im Salon bin ich mit solchen Hunden (solche Hunde = beißen ernsthaft zu) allerdings auch nicht zimperlich. Ich habe etwa eine bis maximal zwei Stunden Zeit, ich MUSS ihn für meine Arbeit anfassen, ich MUSS mich dabei schützen. Das sieht für einige von außen sicher auch schlimm aus, schlimmer als in dem Video.

    Ich hab dabei auch noch nie erlebt das ein Hund in diesen Situationen durch reine positive Arbeit sein Verhalten eingestellt hat.

    Wobei genau das für mich wieder nach der gängigen Rechtfertigung klingt: Ich hab halt keine Zeit. Dass muss jetzt eben so.

    Alternativen gibt es aber die sind offensichtlich indiskutabel.

    Ein Hund, der in einer für ihn unangenehmen Situationen festsitzt und sich bereits" daneben" benimmt, natürlich funktioniert da "rein positiv" nicht. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht.


    Ich schreibe ja eigentlich ungerne in solchen Threads mit, weil ich das Gefühl habe, mich selbst den Hyänen zum Fraß vor zu werfen, wenn ich sage:

    Interessant.... Denn genau so geht es mir, wenn ich sage: manchmal geht es nicht ohne Gewalt.

    Denn egal wie oft man betont, daß man nicht grundlos zum Spaß jedem Hund eine reinzimmert, es wird am Ende immer so dargestellt, als wäre man ein prügelndes, schreiendes Monster.

    Und Gewalt fängt tatsächlich klein an.


    Zitat

    Als Gewalt (von althochdeutsch waltan „stark sein, beherrschen“) werden Handlungen, Vorgänge und soziale Zusammenhänge bezeichnet, in denen oder durch die auf Menschen, Tiere oder Gegenstände beeinflussend, verändernd oder schädigend eingewirkt wird. Gemeint ist das Vermögen zur Durchführung einer Handlung, die den inneren oder wesentlichen Kern einer Angelegenheit oder Struktur (be)trifft.

    Sprich, Rhea möchte nachher nicht aufstehen, ich muß aber mit ihr Gassi gehen... Egal wie sanft ich sie runter zur Tür trage, egal wie sehr ich dabei flöte, sie streichle.... In dem Moment wo ich sie unter der Decke hervor hole, tue ich ihr Gewalt an.

  • Am liebsten von dir oder den Leuten die deinen Beitrag geliked haben, denn ihr scheint ja zu wissen wie es geht.

    Ich hab den Beitrag auch geliked, wobei ich da hauptsächlich unterstützen wollte, dass man die gängige Ausrede eben zu oft hört.

    In deinem konkreten Fall sehe ich auch nicht dich in der (alleinigen) Verantwortung, das Procedere für den Hund kleinschrittig aufzubauen und gewaltfrei zu gestalten. Ich möchte mir auch gar nicht herausnehmen, deine Arbeit da in irgendeiner Weise zu beurteilen, denn ich kenne dazu eben nur deine Aussage, dass du nicht zimperlich umgehst.

    Weder weiß ich, was damit gemeint ist, noch wie heftig die Hunde drauf sind oder wie du generell deine Arbeit gestaltest, wie viel Zeit, Freiheiten und Motivation du hast, in das Training dieser Hunde einzugreifen.


    Es gibt schon Methoden und Möglichkeiten, die Besuche bei dir für die Hunde angenehmer zu gestalten. Was du tun kannst, ist mit Gegenkonditionierung zu arbeiten. Ich hatte da irgendwo einen Artikel dazu von einer Tierärztin, falls dich das interessiert, kann ich ihn gerne raussuchen. Aber auch da sollten die Besitzer mitarbeiten (wollen).

    Gerade deine Position (bzw. die von allen, die direkt an Tieren arbeiten müssen, wie eben auch Tierärzte) sehe ich als recht schwierig an. Man möchte dem Tier helfen, könnte es vielleicht sogar auch sauber trainieren, aber wer entlohnt einen dafür? Und wenn die Besitzer nicht mitmachen, läuft eh vieles ins Leere.


    Interessant.... Denn genau so geht es mir, wenn ich sage: manchmal geht es nicht ohne Gewalt.

    Denn egal wie oft man betont, daß man nicht grundlos zum Spaß jedem Hund eine reinzimmert, es wird am Ende immer so dargestellt, als wäre man ein prügelndes, schreiendes Monster.

    Und Gewalt fängt tatsächlich klein an.

    Davon hatten wir es auch erst kürzlich in meinem Pfototalk. Man muss noch nichtmal sagen, dass man manchmal nicht ohne Gewalt kann, es reicht oft, zu sagen, man clickert nicht und schon ist man das schlagende Monster.

    Umgekehrt darf man sich aber auch so einiges anhören, von "ja bei deinem Hund geht das vielleicht, der ist ja nicht so schlimm" bis hin zu so wunderbar konstruierten Dingen wie "aber wie willst du ohne Gewalt auskommen, wenn die Erde brennt, euch ein Massenmörder verfolgt, ein Meteorit droht auf euren Köpfen einzuschlagen, euch ein Auto überfahren wird und dein Hund nicht weitergehen will?" Wenn man da dann sagt, in so einer lebensbedrohlichen Situation könnte man darüber nachdenken, sie über Gewalt zu lösen, kommt ein "Ha! Hab ichs doch gewusst, du bist auch nur eine von den Scheinheiligen..."


    Für mich persönlich fängt Gewalt dort an, wo sich mein Gegenüber unwohl fühlt, ich das sehe und nichts dagegen unternehme.

    Und ja, wenns um lebensbedrohliches geht, dann steht das Wohl meines Hundes über meiner moralischen Vorstellung. Carlo findet Blut abnehmen auch nicht toll, aber wir sind immerhin schon so weit, dass er gerne hingeht, freiwillig auf den Tisch hüpft und während der Prozedur Kekse essen kann. Ich trainiere aber auch viel, damit es für ihn noch leichter wird.

  • Ich urteile jetzt nicht, hätte aber als Unwissende eine ernstgemeinte Frage dazu:


    Was genau hat dieser Hund bei dem Ganzen gelernt?


    Das erschliesst sich mir nicht wirklich. :ka: Hat er nur "gelernt" damit irgendwie umzugehen, also die unangenehmen Situationen auszuhalten? Dann hätte er ja eigentlich nichts "gelernt", oder? Außer: Ich muss da durch.

    :???:

    Kann man dann wirklich von Erfolg sprechen? Der Hund hat ja im Prinzip keine Alternative aufgezeigt bekommen.

    Oder sehe ich das falsch?:denker:

  • Zu den Videos der Dame teilen wir schon mal die gleiche Meinung :applaus:
    Wer einen Hund auslösen muss um am Verhalten zu arbeiten, der hat den Grundsatz des Trainings einfach Null verstanden.

    Ich finde die "passende Antwort" eben nicht nebulös, mag an meiner Grundeinstellung liegen.

    Bei Hund A ist die Antwort ggf. ein "Och Hasi"

    Bei Hund B kann das auch mal der Griff in den Frack sein.

    Gutes Training setzt sich "eigentlich" völlig einfach zusammen.

    Man sucht das "Warum", man setzt im Training so an, dass es eine angepasste Verbesserung für beide Seiten gibt ( Hund UND Halter)
    Man dengelt nicht idiotisch drauf, sondern gibt dem Hund Alternativen die weit ab vom "Ins Fehlverhalten rein gehen" trainiert werden.
    Dann fragt man ab und setzt es ggf durch wenn der Hund dazu physisch und psychisch in der Lage ist.


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