Haltung von "Arbeitshund" ohne "Arbeit"?

  • Nun meine Frage: Was meint ihr? Müssen Gebrauchshunde IMMER gearbeitet werden? Sind Verhaltensprobleme wirklich auf das Fehlen einer sinnvollen Beschäftigung zurückzuführen oder sind sie schlicht "Eigenheiten" der Hunde oder das Ergebnis mangelnder Erziehung? Falls ihr Züchter einer Gebrauchshunderasse seid: Würdet ihr eure Welpen auch in neue Zuhause geben in denen nicht mit ihnen gearbeitet werden soll?

    Ich denke, dass ein aktiver, aufmerksamer und interessierter Hund sich über eine sinnvolle Beschäftigung freut. Ob diese dann ernsthaft im Sinne der Arbeit ist oder ernsthaft im Sinne eines Hobbies, dürfte dem Hund egal sein. Hunde, die sehr spezialisierte Talente haben (und über Generationen nur auf diese Talente und Fähigkeiten selektiert wurden), freuen sich wohl eher über eine Auslastung in diesem speziellen Bereich als in einem anderen (und bringen mit Sicherheit auch eben diese Talente in jedem anderen Bereich vorrangig ein, gibt es keinen solchen Bereich, dann suchen sie sich vermutlich einen).


    Ob ein aktiver Hund, der nicht einer sehr spezialisierten Rasse entspricht, aber gearbeitet werden muss - resp. er eine sinnvolle Beschäftigung zwingend braucht - ist wohl nur individuell zu beantworten. Zum einen, weil schon die Definition von sinnvoll (und Arbeit) sehr subjektiv ausgelegt werden kann (für die einen ist es nur das ernsthaftes Zuarbeiten an den eigenen Herden, für die anderen Dogdance auf Tunieren, für die nächsten Teebeutelgeruchsunterscheidung im Garten, etc. pp.) zum anderen, weil auch das Empfinden von aktiv sehr, sehr unterschiedlich ist.


    Du beschreibst Hunter als sehr aktiv, womöglich gar etwas fordernd im Vergleich zu Newton. Jemand anderes empfände ihn womöglich als hyperaktiv und Neweton bereits als sehr fordernd. Wieder jemand anderes hat einen Kandidaten Zuhause sitzen, der Hunters Aktivitätslevel schwach aussehen lässt.


    Von beiden Personen würdest du ganz unterschiedliche Aussagen über die Hunde und ein mögliches oder nötiges Beschäftigungslevel bekommen, auch weil für den einen Training von zweimal zwanzig Minuten (aktive Lernzeit) in der Woche sehr viel ist und für andere das tägliche zehn oder fünfzehn Minuten Training (aktive Lernzeit) überhaupt nicht als größere Aktivität wahrgenommen wird.


    Und auch mangelnde Erziehung oder Verhaltensprobleme sind (vor allem über das Internet und in großen Gruppen) schwierig zu identifizieren. Was sind denn diese Verhaltensprobleme? Leine ziehen, jagen gehen, bellen oder eine Abhängigkeit vom Ball? Stereotypes Verhalten wie ständiges Kreiseln oder wundgeleckte Stellen? Ist das alles physisch oder psychisch bedingt und woran macht sich diese Beurteilung fest? Wir legen ja auch ganz unteschiedlich fest, was für uns Verhaltensauffälligkeiten sind. Meistens auch fernab oder zumindest ohne Bezug auf wissenschaftliche Definitionen (egal welcher Disziplin).


    Pepper, seines Zeichens auch ESS aus Standardlinien, "arbeitet" mehrfach die Woche (manchmal zweimal, manchmal fünfmal) indem er UO oder Dummy übt (nicht zwischendurch, sondern aktive Lernzeilt mit klarem Ziel, klarem Anfang und deutlichem Ende), immer zwischen zehn und zwanzig Minuten am Stück (manchmal zwei Einheiten mit einer Pause dazwischen, manchmal nur eine, je nach Inhalt, Tagesform und Möglichkeit). Hin und wieder in größerem Rahmen (Gruppentraining o.ä.), dann auch deutlich länger.


    Da ich von Anfang an mit ihm Kleinigkeiten geübt habe - angeclickert, Grundposition suchen, Dinge halten, Dinge tragen, Dinge tauschen, Suchenpfiff, Stopppfiff, ... - und er diese als lohnenswert und spaßig kennengelernt hat, bietet er diese auch zwischendurch an, ohne dass man ihn dazu auffordert. Mache ich plötzlich gar nichts mehr mit ihm - zum Beispiel, weil ich krank bin - dann versucht er mich natürlich irgendwann aufzufordern lustige, schöne Dinge mit ihm zu machen. Er hat ja auch gelernt, dass das toll ist und vor allem, dass ich mich darüber freue.


    Hätte ich daran gar kein Interesse, dann hätten wir stattdessen vielleicht unsere Aktivitäten auf längere Spaziergänge verlegt oder einfach nur so mit Seilchen, Ball und Co gespielt. Dann würde er vielleicht die Leine anschleppen, wenn im gerade langweilig ist oder das Seil, weil er gelernt hat, dass das toll ist und ich mich eben darüber freue.


    In letzterem Falle würde sich sein Verhalten wohl selten als arbeitseifrig darstellen. In ersterem vielleicht schon.


    Ist er aber ein ernsthafter Gebrauchshund/Arbeitshund? Nein. Aber er ist sicher ein recht aktiver Hund. Trotzdem empfinde ich ihn, im Vergleich zu Dakota (im selben Alter), als angenehm und nicht übermäßig aktiv und ich nehme an, dass er in einem anderen Haushalt mit anderen Erfahrungen auch durchaus weniger arbeitseifrig wahrgenommen werden würde. Dakota wäre aus den meisten Haushalten wohl rausgeflogen ...


    Zumal eben vieles auch Gewohnheit des Hundes (= Erwartung) ist. Die Gewohnheit, dass die Halter etwas spannendes machen, für das sich Aufmerksamkeit lohnt. Die Gewohnheit, dass man gemeinsam raus geht. Die Gewohnheit, dass man lange Zeit draußen ist. Die Gewohnheit, dass es immer "Dienstags" zum Hundeplatz geht. Die Gewohnheit, dass die Zeit mit dem Clicker Extrafutter bedeutet. Die Gewohnheit, dass Zuhause gar nichts passiert und man ohne Unterbrechung auf dem Sofa durchpennen kann.


    Insofern:


    Ich denke, dass Hunde, die das Potenzial zum Arbeiten (im weitesten Sinne) mitbringen, gefördert werden sollten, weil sie Spaß daran haben und weil es schade ist diese Talente und Fähigkeiten zu vergeuden. Ich glaube aber nicht, dass die meisten dieser Hunde wirklich verhaltensauffällig werden, wenn sie nur in Maßen die Möglichkeit haben ihre Talente einzubringen (eben im Alltag und in Beschäftigungen, die vom Menschen nicht als sinnvoll wahrgenommen werden).


    Hunde, die wirkliche Spezialisten sind, die also tatsächlich über Generationen auf ein spezielles Verhaltensmuster gezüchtet wurden, sollten die Möglichkeit haben dieses in gewolltem Rahmen zu entfalten - sonst zeigt sich das eben wo anders (ob in der Alternativbeschäftigung, die eigentlich andere Talente präferiert oder im Alltag), denn es geht ja nicht weg, nur weil es nicht direkt genutzt wird (und vielleicht ist dieses Irgendwo-eingebrachte-Verhalten dann das was Verhaltensauffällig ist, da unerwartet und nicht nötig). Und auch was die totalen Spezialisten angeht müssen einige davon sich mit Ersatzbeschäftigung und Alternativen, die ihre Talente nicht oder nur in geringer Weise fördern, abfinden - manche Verhaltensweisen sind eben eher unpraktisch, unerwünscht oder absolut unbrauchbar in unserem heutigen Alltag.


    Je nach Rasse und Verpaarung - um auf deine letzte Frage einzugehen - und vor allem je nach individuellem Hund und Halter, kann ich mir schon gut vorstellen, dass auch eher eine aktive Rasse, die prinzipiell das Potenzial für sinnvolle Beschäftigungen mitbringt, zu Haltern geht, die auf diese Art der Beschäftigungen keinen Wert legen. Schön ist es natürlich, wenn die Zwerge gefördert werden ... am Besten in dem Bereich, den ich persönlich als sinnvoll (und talentnah) erachte. :lol: :D

  • Mir wurde neulich erklaert, dass Malis 4 Stunden Auslastung brauchen. Jeden Tag! Und das fuer jeden Hund einzeln. Wer das nicht leisten kann, darf/sollte keinen Mali halten.


    Bei solchen Aussagen wundert es mich nicht, wenn gerade Anfaenger gnadenlos uebertreiben beim Thema Auslastung :hust:



    Und ja...meine sind auch platt, wenn sie mit bei meiner Oma waren und da Besuch war oder sonstwas los war. Da ist dann viel mehr los und ihnen fehlt da der tiefe Schlaf, einfach weil sie immer wieder gestoert werden (Besuche auf ner Messe o.ae. machen ihnen nix aus..das geht nicht so lange und sie bekommen ihren Schlaf). Das ist fuer mich aber keine Auslastung. Und wenn ich ehrlich bin, will ich diese voellige Erschoepfung (und das ist es bei meinen Hunden) auch nicht dauerhaft haben. Nach dem Training sind sie auch platt, aber das ist anders. Da sind sie zufriedener. Ich kann es nicht besser beschreiben. Nach den 'es sind zig Leute bei Oma'-Tagen sind sie einfach nur voellig am Ende und da werden sie (je nach Hund) dann auch zu ollen Kackbratzen...

  • Und wenn ich ehrlich bin, will ich diese voellige Erschoepfung (und das ist es bei meinen Hunden) auch nicht dauerhaft haben.

    Da habe ich mich vielleicht blöd ausgedrückt - da hast du völlig recht! Natürlich ist nicht jeder angestrengte Hund gut ausgelastet.


    Mir ging es nur darum, dass oft nur "zielgerichtetes" Fordern des Hundes überhaupt als "Leistung" zählt. Und das finde ich schräg.

  • Wie komplikationslos die Haltung einer Arbeitsrasse ist, liegt denke ich wirklich zum einen, wie Erziehe ich, was mache ich mit dem Hund und natürlich der Charakter.


    Mein Flat Coated Retriever mit 8 Wochen war schon ein kleiner hibbel. Durch die tolle "Öffentlichkeit" habe ich damals den Fehler gemacht und mich an anderen Flatbesitzern mit ähnlich altem Hund orientiert und versucht mit deren Arbeitspensum mitzuhalten.
    Das deren Alltag und meiner, zwei paar Schuhe waren und deren Hund klarer im Kopf war als meiner, ging es bei mir total schief.
    Damals unbemerkt, habe ich mir einen aufgedrehten hibbel herangezogen, der für Dummyarbeit nicht tauglich war, weil ich ihn zu sehr hoch gepusht habe.
    Nun habe ich mir einen Hund heran gezogen, der nicht alleine bleiben kann und sofort hoch dreht. Jetzt mit seinen 9 Jahren ist er endlich Alltagstauglich.


    Bei meiner DSH Hündin aus LZ, habe ich daher von Anfang an auf eines geachtet: Ruhe!
    Das erste was sie gelernt hat, war ruhig und entspannt auf ihrer Decke zu liegen und zu mir zu kommen, wenn ich rufe.
    Spielerisch wurden Sitz und Platz aufgebaut. Das hat sie natürlich spielerisch selbst angeboten.
    Bis sie das erste mal auf dem Hundeplatz war und "ihre" Arbeit kennen gelernt hat, war sie 5-6 Monate alt. Da gab es aber auch nur 2mal die Woche Hundeplatz und sonst den Rest der Woche rein gar nichts, außer kurze Übungseinheiten. Da lag ich aber bei keinen 10min am Tag und viel länger war das "Gassi" gehen auch nicht.
    Das wurde mit dem Alter langsam gesteigert.


    Heute ist sie mit ihren 4 Jahren ein - in meinen Augen - super ausgeglichener Hund.


    Im Büro liegt sie entspannt rum und wartet auf Feierabend.
    In der Nachtschicht darf sie Wache halten.
    Zu Hause wird gechillt.
    Zu einem Ball spiel sagt sie nicht Nein und sobald sie auf dem Hundeplatz ist, ist sie im Arbeitsmodus, hoch motiviert und lernbegierig.


    So würde ich das jeder Zeit wieder machen. Vor allem, solange mich der Hund ins Büro begleiten darf/kann

  • Ich habe meine Hunde als Welpen und Junghunde nicht durchgearbeitet... brauchte und wollte auch keiner.
    Moro zum Beispiel begleitet mich ja immer, auch zur Arbeit. Gelernt hat er da, dass er auch mal nicht dran ist. Dieser Hund kann überall abschalten und schlafen, in jeder Wohngruppe, im Hotel, auf der Zuchtschau am Rand, im Zelt oder auch auf Familienpartys.


    Gleichzeitig hat er lernen gelernt. (ich weiß nicht, ob klar ist, was ich meine) also zielgerichtet zum Erfolg zu kommen.


    So konnte ich ihn ja schon sehr jung als Signalhund prüfen lassen. Ich hatte garnicht vor, ihn dazu auszubilden. Manche Sachen hat er einfach gemacht, ich hab mich total drüber gefreut und nach ein paar Mal war das Zack etabliert.


    Für die jagdlichen Prüfungen mussten wir nicht viel üben. Der Gehorsam war gut, er hatte Spaß was mit mir zu machen..... und den Rest, der ist einfach drin in den Hunden aus Leistungszucht, das können und wollen die.


    Auch heute ist mein Hund immer gerne bereit zu arbeiten, es macht ihm einfach Spaß, aber brauchen, damit er nicht komisch wird, das nicht.

  • Mir wurde neulich erklaert, dass Malis 4 Stunden Auslastung brauchen. Jeden Tag! Und das fuer jeden Hund einzeln.

    Ich denke, dass es an dieser Stelle auch ganz sinnvoll ist, sich mal die Geschichte und Verwendung der einzelnen Rassen anzusehen.
    Die Jagd diente (mit Ausnahme der Frühzeit) ja nicht der Ernährung des Menschen, sondern war ein Freizeitvergnügen. Jagdhunde haben also nicht Tag für Tag mit ihren Menschen ums Überleben gekämpft, sondern sind ganz gezielt für gesellschaftliche Anlässe aus den Zwingern geholt worden und mussten dann abliefern. Die restliche Zeit haben sie ohne große Auslastung in der Warteschleife verbracht und mussten das auch gut aushalten können, ohne Verhaltensprobleme zu entwickeln. Gezüchtet wurde mit den Hunden, die genau das konnten.


    Seitdem sich der Hund weg vom reinen Nutztier, hin zu einem Familienmitglied und ständigen Begleiter entwickelt hat, ist vielen Rassen genau diese Fähigkeit abhanden gekommen. Gerade bei den Rassen, die (s.o.) schnell hochfahren müssen, um abliefern zu können, wird das zum Problem.


    Die Fähigkeit, Ruhephasen auszuhalten, war und ist bei meinen Hunden (darunter auch welche aus LZ) ganz unterschiedlich ausgeprägt. Mit denen, die es konnten, konnte ich schon früh arbeiten. Bei denen, die es nicht konnten, habe ich den Schwerpunkt darauf gelegt, die Warteschleifen auszuhalten und damit "Alltag zu lernen".


    Weil die Hunde aber zeitgleich auf Spaziergängen ständig mit Reizen konfrontiert werden, auf die sie anspringen (z.B. im Wald), ist das, sobald der Jagdtrieb erwacht, ein kleiner Balanceakt. Der hat sich aber für mich gut lösen lassen, indem die Hunde gezielt einzelne Sequenzen kontrolliert ausleben durften/ dürfen.
    Ich lasse sie z.B. Futter suchen, aus der Bewegung "jagen" und sie hatten/ haben eine Ecke, in der sie nach Herzenslust graben dürfen. Immer in dem Rahmen, in dem sie es vertragen, ohne hohl zu drehen und zum Junkie zu werden.


    Mit meiner aktuellen Hündin hat der Alltag sehr schnell gut funktioniert und entsprechend früh habe ich mit ihr gearbeitet. Mein Rüde, der zugegeben ein Extremfall und nicht gesund ist, hat satte 2 Jahre gebraucht, bevor ich mit ihm arbeiten konnte. Arbeiten heißt aber nicht, dass die Hunde täglich ihren Job haben. Mal sind es gezielt 5 - 10 min am Tag, dann passiert wieder einige Tage gar nichts, bevor sie z.B. am Wochenende ganz intensiv gefordert werden.


    Wenn meine Hunde im Haus nicht zur Ruhe kommen bzw. Beschäftigung in ständiger Erwartungshaltung einfordern würden, wäre das für mich ein Warnsignal, das nichts mit ihrem "Arbeitswillen" zu tun hat und das ich ganz sicher nicht mit noch mehr Beschäftigung befeuern würde.

  • Seitdem sich der Hund weg vom reinen Nutztier, hin zu einem Familienmitglied und ständigen Begleiter entwickelt hat, ist vielen Rassen genau diese Fähigkeit abhanden gekommen. Gerade bei den Rassen, die (s.o.) schnell hochfahren müssen, um abliefern zu können, wird das zum Problem.

    Das liest sich super interessant, wirft für mich aber auch einige Fragen auf. Du sagst, dass züchterisch darauf geachtet wurde, dass die hochtriebigen Hunde auch ihre Ruhephasen aushalten konnten. Allerdings sahen diese Ruhezeiten doch ganz anders aus als in einem familiären Haushalt. Ihre Umgebung war in einem Zwinger viel reizärmer, als das in einem Familienverbund der Fall sein könnte. Insofern frage ich mich, ob man diese züchterisch selektierte Ruhefähigkeit überhaupt als Argument heranziehen kann, dass so viele spezialisierten Hunderassen in familiären Haushalten Probleme haben.
    Ich selber sehe das Problem eher darin, dass diese Hunde zu reizsensibel für unseren Alltag sind. Da muss der Mensch schon genau wissen, was er tut, um ein Katalysator zu sein. Wir müssen die Rolle eines Reizfilters für die Hunde übernehmen. Und genau das ist das Alltagstraining, das ich meine, was man mit einem Welpen bzw. Junghund machen muss. Reize aushalten lernen und nicht auf alles anspringen, sind für mich die wichtigsten Dinge, die ein junger Hund lernen muss. Und je sensibler da die Hunde sind, umso mehr Zeit muss man darein investieren.

  • Daher vermische ich den Alltag mit meinen Hunden auch so ungerne mit Spielen, spielerischem Hundesport o.ä., weil es mir dann mehr Mühe macht, für den Hund ganz klare Grenzen zu ziehen. Im Alltag, also auf Spaziergängen, im Haus, in der Stadt usw. sollen meine Hunde in einer Art "Ruhemodus" laufen. Also nicht zu sehr auf Reize anspringen, sie sollen schnüffeln und relativ entspannt laufen und ihre Umwelt wahrnehmen.
    Geht es zu den Schafen, dürfen sie dann ihr ganzen Potential ausleben. Sie wissen also ganz klar zu trennen zwischen "Alltag" und "Arbeit".
    Spiele ich oder mache ich irgendetwas anderes eher puschendes, merken sich die Hunde leider auch den Umstand, unter welchem ich mit ihnen so was Tolles gemacht habe, und fordern das dann immer wieder ein. Das kann ein bestimmter Raum, Wiese o.ä. gewesen sein oder mit einem bestimmten Gegenstand verknüpft sein. (Beim Gegenstand ist es ja noch leicht, den könnte ich zur Not weg packen), aber ich will einfach keinen Hund mehr haben, der in bestimmten Gebieten ständig in "Hab-Acht-Stellung" läuft und mich angeiert.
    LG Maren

  • Allerdings sahen diese Ruhezeiten doch ganz anders aus als in einem familiären Haushalt. Ihre Umgebung war in einem Zwinger viel reizärmer, als das in einem Familienverbund der Fall sein könnte. Insofern frage ich mich, ob man diese züchterisch selektierte Ruhefähigkeit überhaupt als Argument heranziehen kann, dass so viele spezialisierten Hunderassen in familiären Haushalten Probleme haben.

    Kannst Du das mal näher/ anders erklären? Auf den ersten Blick sehe ich da nämlich keinen Widerspruch.

  • Das liest sich super interessant, wirft für mich aber auch einige Fragen auf. Du sagst, dass züchterisch darauf geachtet wurde, dass die hochtriebigen Hunde auch ihre Ruhephasen aushalten konnten. Allerdings sahen diese Ruhezeiten doch ganz anders aus als in einem familiären Haushalt. Ihre Umgebung war in einem Zwinger viel reizärmer, als das in einem Familienverbund der Fall sein könnte. Insofern frage ich mich, ob man diese züchterisch selektierte Ruhefähigkeit überhaupt als Argument heranziehen kann, dass so viele spezialisierten Hunderassen in familiären Haushalten Probleme haben.Ich selber sehe das Problem eher darin, dass diese Hunde zu reizsensibel für unseren Alltag sind. Da muss der Mensch schon genau wissen, was er tut, um ein Katalysator zu sein. Wir müssen die Rolle eines Reizfilters für die Hunde übernehmen. Und genau das ist das Alltagstraining, das ich meine, was man mit einem Welpen bzw. Junghund machen muss. Reize aushalten lernen und nicht auf alles anspringen, sind für mich die wichtigsten Dinge, die ein junger Hund lernen muss. Und je sensibler da die Hunde sind, umso mehr Zeit muss man darein investieren.

    Genau da liegt das Problem.


    Hunde, die bis jetzt auf eine bestimmte Verhaltenseigenschaft hin gezüchtet wurden (also 'Arbeits'spezialisten), springen auf einige, relativ klar umrissene Reize ganz besonders leicht an und spulen dann sehr leicht gewisse Abläufe ab, auf die sie seit Generationen gezüchtet wurden.


    Die sind nun aber in vielen Fällen mit den persönlichen und gesellschaftlichen Anforderungen an den durchschnittlichen Familienhund völlig inkompatibel. Ein grosses Problem dabei ist, dass die Gesellschaft heute Hunde eigentlich nur noch als Begleithunde sieht und jeder, der einen Hund für die Arbeit benutzt, in der öffentlichen Debatte oft nur gerade so knapp am Tierquäler vorbei schlittert.


    Das hat einerseits Vorteile, weil bei uns dadurch eher weniger Zustände herrschen, wie z.B. in anderen europäischen Ländern, in denen Hunde, nach Ablauf ihrer 'Gebrauchsdauer' einfach mehr oder weniger grausam entsorgt werden. Andererseits soll nun aber bitte jeder Hund dem freundlichen, netten Alltagsbegleiter entsprechen, der sich von jedem anfassen lassen, keinen Lärm und Dreck machen soll.


    Reizüberflutung und entsprechende unerwünschte Reaktion des Hundes darauf, liess (und lässt sich an vielen Orten immer noch) problemlos ausschalten, indem die Hunde eben im Zwinger gehalten wurden (bzw. werden). An einen Schutzhund wurde nicht die Anforderung gestellt, sich tagsüber in der Eisdiele von Hinz und Kunz anschubsen, streicheln und liebkosen zu lassen (obwohl manche Hunde das tatsächlich bewundernswerterweise können und konnten).


    Die Schäferhunde meines Urgrossvaters waren stets weggesperrt, bzw. nur, wenn die Familie zusammen war, nicht im Zwinger. Die Border Collies sämtlicher meiner befreundeter Schäfer in England und den USA leben in Zwingern. Wer da seinen Hund im Haus hält wird als pet-owner verspottet und erst gar nicht ernst genommen. Ich merke an meinen eigenen (aus solchen Verhältnissen und solchen Zuchten stammenden) Hunden, dass die nach den Ferien ganz froh sind, wenn ich endlich wieder arbeiten gehe: dann herrscht nämlich für ein paar Stunden wieder völlige Ruhe, in der sie wirklich entspannen und schlafen können.


    Es ist dieses aktive Management ihres Arbeitshundes, das eben auch mal die Einsicht bedeutet, dass der Hund dieses oder jenes nicht mitmachen muss, das viele Leute leider nicht hinkriegen.

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