Hund hat Probleme mit Fremden

  • Hallo zusammen :winken:


    wir haben seit nun knapp einem halben Jahr unseren Tobi aus Rumänien. Er wurde dort wohl sehr schlecht behandelt, sodass er sehr sehr viel Angst gegenüber Menschen hat. Mein Freund und ich können inzwischen 'alles mit ihm machen'. Wir können ihn überall berühren (anfangs schnappte er, sobald man ihn am hinteren Teil des Rückens berühren wollte), er freut sich wenn wir nach Hause kommen, er verhält sich uns gegenüber völlig 'normal'.
    In der ersten Woche, als wir ihn noch kaum einschätzen konnten, ist er meinem Stiefvater in unterschiedlichen Situationen an die Wade gegangen. Er hat ihn zwar nicht verletzt, aber der Druck am Bein war dennoch deutlich zu spüren. Inzwischen sind meine Mutter und mein Stiefvater (neben meinem Freund und mir) die einzigen Personen, die problemlos mit ihm umgehen können, wobei er von meinen Eltern dennoch eher ungern angefasst wird.
    Das in-die-Wade-knipsen hat mir natürlich gleich Sorgen bereitet, sodass wir eine bekannte Hundetrainerin kontaktiert haben. Seitdem arbeiten wir so, dass er bei Besuch an seinem Platz angebunden wird und der Besuch sich schlicht von ihm fernhalten soll. Das haben wir nun seit knapp 6 Monaten so durchgezogen, wobei wir in dieser Zeit nicht sehr oft Besuch hatten, da wir ihn nicht stressen wollen und uns mit Bekannten etc wann immer möglich außerhalb treffen. Nun war heute ein Bekannter da, der schon häufiger da war, Tobi 'kennt' ihn also aus Entfernung. Nun dachten wir, dass ihn nach den 6 Monaten üben mal von der Leine lassen und der Bekannte ihm einfach mal ein paar Leckerlis gibt und sich dann wieder von ihm abwendet und ihn nicht versucht anzufassen etc.
    Das mit den Leckerlis hat soweit auch gut geklappt, er hat sie schwanzwedelnd ohne knurren angenommen. Dachten dann, dass es ok wäre, wenn er sich mit uns im Wohnzimmer aufhalten kann, während Tobi sich im Haus frei bewegen kann. Naja, kaum hat er sich von Tobi abgewendet und wollte an ihm vorbei gehen, kam Tobi von hinten und knipste ihm recht heftig in die Verse. Zum Glück hatte er höhere, feste Schuhe an. Mit anderen Schuhen hätte es vermutlich ziemlich weh getan, sagte er. Haben dann 'Tobi, Nein' gerufen und wollten ihm im Körbchen wieder anbinden. Als wir ihn am Halsband an dem Bekannten vorbei führen wollten, wolle er nochmal schnappen.


    Nun wissen wir ehrlich gesagt nicht, wie wir weiter damit umgehen sollen. Das am Körbchen anbinden scheint für uns nur in der jeweiligen Situation zu helfen und hat keinen Effekt darauf wie er in Zukunft mit Fremden umgehen wird? Wir befürchten schon fast, dass wir uns damit abfinden müssen, dass er einfach immer angebunden sein muss, wenn jemand kommt. Haben schon über einen Maulkorb hier im Haus bei Besuch nachgedacht? Er könnte sich dann evenutell bei Besuch trotzdem im Haus frei bewegen und würde durch den näheren Umgang mit Fremden merken, dass er nichts zu befürchten hat? (Ich behaupte mal, dass das bei ihm eine Angstreaktion ist) Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das Anbinden das Problem irgendwann soweit löst, dass wir Besuch normal empfangen können?


    Danke schonmal und viele Grüße
    Judy




    ,

  • Trainieren, das er auch alleine, ohne anbinden, auf seinem Platz bleibt!
    Ihr seid mit dem besuch etwas zu schnell vorgegangen, da fehlen noch einige Zwischenschritte,bis er Besuch akzeptiert.
    Beispielsweise Leckerchen werfen, nicht geben, wenn sich der Besuch bewegt, für längere Zeit, bis dann der Besuch die Lecker wirft.
    Das wird wohl noch längeres Training bedürfen!

  • Hallo,
    ich habe dasselbe Problem. Meine Hündin war selbst einmal Straßenhündin, allerdings kommt sie von Mexiko und sie zeigt ihr Verhalten etwas anders. Sie hat vorher fremde Personen immer angebellt oder sie angeknurrt, wenn diese etwas getan haben, was ihr gerade nicht gefallen hat. Irgendwann wurde ihr es dann zu viel und hat tatsächlich einmal eine Passantin von hinten in die Wade gebissen. Ich war selbst sehr geschockt, da ich ihr das nie zugetraut hätte.
    Daraufhin habe ich eine Tierpsychologin kontaktiert und die gibt mir wirklich super gute Tipps.
    Sie hat mir unter anderem empfohlen das ganze mit Gegenkonditionierung anzugehen.
    Soll heißen, sobald die eine Person schon fixiert, soll ich ein bestimmtes Wort sagen (in meinem Fall "Fein") und ihr ein Leckerchen geben. Dabei ist aber wichtig, dass die fremde Person einen bestimmten Abstand hält. Ideal ist der Abstand so groß, dass der Hund nicht zu gestresst ist und das Leckerchen gar nicht mehr annimmt.
    Ich weißt, das klingt jetzt seltsam, einem Hund, der eine Person aus Angst angreifen will, Leckerlies geben, aber ich schwöre es hat bisher echt super funktioniert.
    Meine Dame hat in den letzten Woche keine andere Person angebellt und auch weniger fixiert als sonst. Heute war sogar eine Person in der Wohnung, bei der sie sonst immer bellt. Erst war sie gestresst, aber nach einpaar Leckerchen hat sie sich entspannt und i-wann hat sie sich hingelegt und ist sogar eingeschlafen :) (ok, sie befand sich in einem anderen Raum, aber doch ein riesen Fortschritt aus meiner Sicht :P).
    Vielleicht tust du das Körbchen an eine Stelle, wo er den Besuch nicht gleich sieht, also vor ihm "geschützt" ist und gibst ihr während der Besuch da ist die Leckerlies. Ach und bitte den Besuch deinem Hund nicht in die Augen zu sehen, sonst denkt der noch dein Besuch will ihm was böses.
    Nur so ein Vorschlag ;)


    Lg,
    Desiree

  • Desirees Vorschlag gefällt mir,wir machen es ähnlich, da Faro, der seit 3 Wochen bei uns ist, auch Angst vor Fremden hat.
    Es muss nicht unbedingt sein, dass der Hund im Ausland schlecht behandelt wurde, oftmals fehlt einfach die Sozialisierung, die Hunde hatten in ihrer Prägezeit keine positiven Kontakte zu Menschen, haben jetzt einfach Angst vor dem Unbekannten, also eine Art Kulturschock.


    Ich mache es so, dass ich draußen Faro grundsätzlich zu mir rufe, wenn wir Fremden entgegen kommen. Faro setzt sich, ich fordere Blickkontakt, Faro bekommt Leckerchen, so bald der Mensch auf unserer Höhe und Faro ruhig ist.
    Im Haus mache ich es ähnlich.
    Gestern hatten wir Besuch von einem 7 jährigen Mädchen und Faro war anfangs sehr aufgebracht. Lia setzte sich zu mir auf die Couch, bekam die Anweisung, den Hund einfach zu ignorieren. Sobald Faro Lia fixierte, kam mein "guck mal" und beim Gucken direkt ein Leckerchen

  • Gegenkonditionierung finde ich auch die beste Variante.
    Ich würde jedem Besuch ne Hand voll Käse (oder was auch immer Tobi wirklich toll findet) in die Hand drücken und wenn der Besuch dann den Raum mit Tobi betritt soll der sofort ein Lecker in seine Richtung kugeln, aber ohne ihn anzugucken oder anzusprechen. Lasst ihn anfangs angebunden, damit nichts passiert aber so müsste er eigentlich relativ schnell merken, dass Besuch geile Leckerchen für ihn bedeuten. Wenn er zusätzlich noch auf Bewegung des Besuchs reagiert genauso vorgehen. Leckerlie kugeln und dann bewegen. Während des Trainings würde ich ihn einfach nicht beachten. Besuch soll etwas normales werden und die Leckerchen dienen einfach der guten Verknüpfung mit Besuch.


    Zusätzlich würde ich seine Decke oder nen anderen Ort für eine absolute Tabuzone erklären. Also wenn er dort liegt wird er nicht angefasst (von niemandem) und in Ruhe gelassen (also nur abgerufen wenn es sein muss). So hat er irgendwann, wenn ihr mit dem Training weiter seid einen Rückzugsort, wenn er Ruhe braucht.

  • wir sind nun seit 14 moanten am gegenkonditionieren. unser hund hat ein deprivationssyndrom aufgrund seiner isolierten haltung als welpe. es geht halt alles einfach viel viel länger. ist auch ein tierschutzhund.


    wir haben mittlerweile den besuch auch gänzlich eingestellt, muss trotzdem mal jemand kommen dann darf der hund ins schlafzimmer. anleinen ist ok, jedoch muss man dabei aufs stresslevel achten. es erzeugt frustration wenn sich ein angstreiz in der nähe bewegt und man es nicht kontrollieren kann, egal ob der hund nun hingeht und den besuch verbellt, oder die willkommene abwendung des menschens mit einem schnappen in die hinterbeine reagiert.


    ich persönlich vermeide solche situationen, mein hund muss zuerst lernen sich zu entspannen wenn menschen draussen in der nähe sind, also in grösserer distanz.


    wie reagiert der hund denn sonst auf äussere reize, autos, fahrräder, andere hunde, tiere, geräusche usw. solche hunde sind oft dauernd daran ihre umgebung zu scannen, das ist eine höchstleistung fürs gehirn. daher sollte man mit solchen hunden eher runterfahren, keine langen spaziergänge machen und sehr stressige situationen vermeiden.


    ich persönlich bin auch der meinung dass da körpchentraining oder andere gehorsamtrainings nicht helfen. man muss an der emotionalität des hundes trainieren, und dies geht vor allem via markerwort / clicker und gegenkonditionierung.

  • Also den Hund ganz ignorieren würde ich nicht machen. Als Halter ihn anzusehen ist schon in Ordnung. Gibt dem Hund auch Sicherheit. Man kann ihn ja auch hinter sich verstecken.
    Streicheln würde ich aber auch unterlassen, weil es für den Hund in der Situation wahrscheinlich unangenehm ist. Er konzentriert sich ja gerade darauf mit der Situation klar zu kommen.
    Oder besser gesagt: Wenn wir irgendeine Aufgabe gerade am lösen sind, mögen wir es auch nicht gestört zu werden mit Streicheleinheiten.
    Ganz ignorieren würde ich ihn deshalb nicht, weil es die Situation für ihn sonst verschlimmert. Das Tier hat schließlich Angst. Wenn ich Angst habe und die Leute um mich herum ignorieren mich, dann bekomme ich auch mehr Angst als wenn mir jemand zusprechen würde oder mich aufmunternd ansehen würde.
    Also bitte nicht ganz ignorieren >.< (meine Hündin würde so etwas auch eher mit Strafe verbinden...)

  • man sollte immer situativ entscheiden was man tut. entspannt der hund bei einer berührung, zb. weil das so konditioniert wurde, kann das eine grosse hilfe sein.

  • Ganz ignorieren würde ich ihn deshalb nicht, weil es die Situation für ihn sonst verschlimmert. Das Tier hat schließlich Angst. Wenn ich Angst habe und die Leute um mich herum ignorieren mich, dann bekomme ich auch mehr Angst als wenn mir jemand zusprechen würde oder mich aufmunternd ansehen würde.
    Also bitte nicht ganz ignorieren >.< (meine Hündin würde so etwas auch eher mit Strafe verbinden...)


    Du kannst einem Hund NICHT gut zusprechen, das ist menschliches Denken und bei Hunden absolut kontraproduktiv. Wenn du ihn in einer Angstsituation ansiehst, ihm "gut" zuredest oder ähnliches bestätigst du ihn in seiner Angst und verschlimmerst das Ganze.
    Und Ignorieren ist nicht gleich Ignorieren. Der Hund, jedenfalls soweit ich das aus dem Eingangspost rauslesen kann, möchte keinen Kontakt zu dem Besuch. Daher sollte der Besuch den Hund sowieso ignorieren. Wenn die Besitzer aber den Hund beachten wenn er Angst hat bestätigen sie ihn darin und es kann nicht besser werden. Wenn der Hund irgendwann aktiv Kontakt sucht bei den Besitzern oder beim Besuch, dann sollte er natürlich beachtet werden.

  • Angst ist ein Gefühl und kein Verhalten. Man kann aber nur Verhalten bestärken. Solange man ruhig mit den Hunden spricht, bestätigt man den Hund keineswegs in seiner Angst. Man sollte nur nicht hektisch dabei werden.


    Wenn ich meinen Hunden in für sie angstmachenden Situationen ruhig anspreche, tut ihnen das sichtlich gut. Sie entspannen etwas und können sich oft zu mir orientieren.

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