Qualzuchten

  • Zweifelsohne kennt der evolutionär hervorgebrachte Formenreichtum nahezu keine Grenze und so gesehen ist praktisch jedes Lebewesen ein "Extrem".


    Allerdings denke ich hier geht es ja darum wie der Mensch innerhalb von ein paar Jahrzehnten die Proportionen eines Lebenwesen in jede nur erdenkliche Richtung durch Zuchtwahl fördert. Diese sehr schnelle Umformung hin zu einem Körperbau mit (im Vergleich zur Ausgangsform) stark veränderten Proportionen ist es, was die Probleme mit sich bringt. In so fern ist es nicht die extreme Proportion an sich die das Problem darstellt (denn wie bereits erwähnt gibt es auch Extreme in der Natur), sondern die Kürze der Zeit in der der Mensch dieses Extrem durch Zuchtwahl erzwungen hat.

    Dem kann ich zustimmen. Außergewöhnliche und extreme Formen gibt es auch in der Natur, aber diese hatten über ewig lange Zeiträume Zeit sich zu entwickeln, so dass sie für ihre Nische so angepasst sind, dass sie dort ohne Schmerzen/Leiden/Schäden (durch ihren eigenen Körperbau) ihr Leben Leben können.





    Ich denke beim Hund kann es auch recht aufschlussreich sein, sich anzuschauen, welche Formen von Hund es vor 200 oder 500 oder 5000 Jahren schon gab, lange bevor a) die Showzucht und b) die moderne Tiermedizin aufkamen.


    Da sieht man dann, dass es fast alle "Grundmodelle" an Hund schon recht lange gibt - es gab kleine und große, zierliche und massige, nackte, kurzhaarige, langhaarige (auch mit ewig wachsendem Fell) und rauhhaarige, es gibt wohl auch schon seit spätestens den frühen Ackerbau-Gesellschaften niederläufige Hunde... Hunde mit relativ langen, schweren Hängeohren sind spätestens seit dem Mittelalter belegt, Molossertypen mit teilweise auch breiten, faltigen Schädeln seit der Antike, Bulldog-Typen mit breitem Schädel und leichtem Vorbiss gab es definitiv vor 200, 300 Jahren in Europa und den USA ziemlich viel...


    ABER die waren halt, wenn man sich frühe Beschreibungen durchliest und frühe Abbildungen anschaut, eigentlich immer etwas moderater als die heutigen Standardversionen vieler Rassen.
    Schaut man sich dann die arbeitenden Varianten dieser Rassen/Typen an, die es heute noch gibt, dann stellt man auch da wieder fest: Überwiegend moderateres Gebäude und in allen Punkten weniger extremer Typ. Nicht so groß, nicht so schwer, nicht so klein, nicht so kurzköpfig, nicht so fellig, nicht so faltig, nicht so kurzläufig...



    Bassets und ähnliche niederläufige Laufhunde mit weniger loser Haut, etwas leichteren Ohren, ohne Triefaugen und mit etwas mehr Luft unterm Bauch und etwas kürzerem Format bei insgesamt leichterem Körperbau - wie sie ja auch heute noch zur Jagd verwendet werden.


    "Mastiffs" die insgesamt auch kleiner, leichter, athletischer, straffer waren/sind als die heutigen Versionen, denen man auch noch ehrlich zutrauen würde, ein agiles, schnelles, aggressives Tier wie ein Wildschwein in die Enge treiben und dort halten zu können.
    Bulldoggen, die eher wie die heutigen Bull &Terrier Rassen aussahen.


    Schosshunde, die zwar auch handlich, klein, plüschig und "puppengesichtig" sind/waren, die aber nicht SO klein und rundköpfig wurden, dass sie nur noch unter großen Problemen natürlich gebären können und bei geringen Belastungen schon Frakturen erleiden.



    Und so weiter.



    Dann muss man sich aber noch bewusst machen, dass wir heute andere Sachen von unseren Hunden erwarten als früher, unter anderem nämlich auch, möglichst lange bei (zumindest sehen das die meisten Besitzer so) möglichst guter Lebensqualität bei uns zu sein.


    Das war ein Faktor, der war früher vielleicht nicht ganz so wichtig - wenn der niederläufige Hund oder der Hund ohne Rute vielleicht im Alter verstärkt unter Rückenproblemen litt, nunja, das war vielleicht egal, weil der Hund so alt eventuell gar nicht wurde, dass das relevant werden konnte.
    Wenn es bei Merle x Merle Verpaarungen eine gewisse Anzahl an schwer behinderten Welpen gab, dann war das vielleicht auch nicht soooooo wichtig, weil man oft eh nicht alle Welpen eines Wurfes am Leben ließ, sondern eh nur die stärksten.
    Da weiß man heute mehr und sollte das dann auch umsetzen.




    Wenn man das alles in Erwägung zieht ("Grundbauplan" Wolf, prehistorische und historische Hundetypen vor Erfindung von Standards und Ausstellungen und vor der modernen Medizin, neue Ansprüche an Langlebigkeit und Gesundheit), dann hat man eigentlich zusammen mit der Maxime "keine Schmerzen, Leiden, Schäden" einen ganz guten Richtfaden was funktioniert und was nicht.

    • Neu

    Hi


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    • Ich lese hier ja schon länger interessiert mit und möchte mich jetzt - da vor ein paar Seiten auch der Shih Tzu angesprochen wurde - auch mal zu Wort melden.
      Ich habe meinen Shih Tzu ja aus dem Tierschutz und denke mal, dass er ein typischer Vermehrerhund ist. Seine Augen sind groß und glubschig und seine Vorderbeine sind nach außen gedreht.
      Die Bilder der Shih Tzus aber, die hier verlinkt wurden, empfinde ich jetzt nicht als "schlimmer als beim Mops", da man die Hunde ja nur von vorne sieht.
      Im Rassestandart steht ausdrücklich, dass die Nase des Shih Tzu mindestens 2,5 cm lang sein muss. Da er aber seine Haare zu einem lockeren Zopf hochgebunden bekommt, sieht das von vorne so aus, als würde sich der Schädel nach vorne wölben.
      Auch die Augen des Shih Tzu dürfen kein weiß zeigen, somit sind glubschäugige Exemplare auch schon mal ausgeschlossen.
      Mir ist durchaus bewusst, dass 2,5 cm Nase nicht gerade viel ist und ich weiß auch nicht, wie ein Röntgenbild eines typischen Shih Tzus aussieht.
      Ebenso ist mir aufgefallen, dass mein kleines "Qualzucht-Exemplar" zu schnarchen beginnt, wenn er auf dem Rücken liegt und auch manchmal schnorchelt, wenn er gestreichelt wird und aufgeregt ist, sonst hört man ihn aber nicht beim atmen und seine Nasenlöcher sind auch offen und rund. Allerdings ist er auch erst ca. 2 Jahre alt.


      Was ich aber auch noch anführen wollte ist die Tatsache, dass viele körperliche Merkmale anscheinend mit dem Charakter gekoppelt sind.
      So haben sich in verschiedenen Ländern Landschläge entwickelt, die später zu Hunderassen wurden. Auffällig ist aber doch, dass viele Lauf- und Schweißhunde große, lange Ohren haben, die Schäferhunde Stehohren, die Molosser große Köpfe und kurze Nasen usw.
      Daher glaube ich, dass es am Anfang der Zucht um Charakter und Arbeitstauglichkeit ging und sich damit auch das Aussehen geändert hat.
      Die extrem übertypisierten Auswüchse empfinde ich natürlich auch nicht mehr als schön und gesund. Aber den Mops gleich ganz verbieten zu wollen, weil er ein Molosser und kein Terrier ist, ist doch ziemlich am Ziel vorbeigeschossen.


      Und hiermit oute ich mich jetzt auch noch:
      Ich persönlich finde so ein kleines (oder auch großes) Knautschgesicht total niedlich, ich mag Hunde, die länger als hoch sind, ich würde mich bei einer Rasse mit NBT immer für den "ohne" Schwanz entscheiden und bin bei mir im Bekanntenkreis als die "mit dem abartigen Hundegeschmack" bekannt.
      Und jedesmal, wenn in "meinem" Tierheim wieder ein Bollerkopp sitzt oder ein Mops durch den Hof wackelt, muss ich mich doch sehr zusammenreißen, dass ich nicht noch Hund Nr. 4 anschleppe.

    • (Kurz zum OT noch - der Link, den @Chuckychuck2000 reingestellt hat - jo, genau so wurde es auch in der Doku gesagt, die ich mal sah.


      Und @Dreamy - ja, der menschliche Körper ist was Stärke etc. angeht, vielen Tieren unterlegen - aber - es ging bei mir um den Punkt der Verfolgung/dem Durchhalten bei der Jagd(siehe oben genannten Lnk). Und dann wäre da natürlich noch die Geschicklichkeit mit unseren Händen - auch ein großer Vorteil.)


      Aber zurück zum Thema, ja!

    • (Kurz zum OT noch - der Link, den @Chuckychuck2000 reingestellt hat - jo, genau so wurde es auch in der Doku gesagt, die ich mal sah.


      Und @Dreamy - ja, der menschliche Körper ist was Stärke etc. angeht, vielen Tieren unterlegen - aber - es ging bei mir um den Punkt der Verfolgung/dem Durchhalten bei der Jagd(siehe oben genannten Lnk). Und dann wäre da natürlich noch die Geschicklichkeit mit unseren Händen - auch ein großer Vorteil.)


      Aber zurück zum Thema, ja!

      Ich habe schon verstanden, dass es dir um die Ausdauer ging (das ist ja auch ein körperlicher Aspekt). Eine generelle Überlegenheit des Menschen sehe ich da aber nicht. Bzgl. der motorischen Fähigkeiten mit den Händen lässt sich schlecht ein Vergleich ziehen, da die meisten anderen Tiere keine Hände haben. Wir haben diesbezüglich Glück mit unserer "Ausstattung" gehabt.

    • Überwiegend moderateres Gebäude und in allen Punkten weniger extremer Typ. Nicht so groß, nicht so schwer, nicht so klein, nicht so kurzköpfig, nicht so fellig, nicht so faltig, nicht so kurzläufig...

      Bei McConnell ("Am anderen Ende der Leine") habe ich gelesen (nicht auf arbeitende Hunde bezogen), dass sich in lange bestehenden verwilderten Hundegemeinschaften das Gewicht auf 12 kg einpendelt. Ob andere Eigenschaften "ausgemendelt" werden, stand da leider nicht (oder ich habe es vergessen ;) ).


      Fände ich sehr interessant, da mehr Erkenntnisse zu kriegen, was vom Hund übrig bleibt, wenn Menschen nicht in die Vermehrung eingreifen.

    • Ich habe schon verstanden, dass es dir um die Ausdauer ging (das ist ja auch ein körperlicher Aspekt). Eine generelle Überlegenheit des Menschen sehe ich da aber nicht. Bzgl. der motorischen Fähigkeiten mit den Händen lässt sich schlecht ein Vergleich ziehen, da die meisten anderen Tiere keine Hände haben. Wir haben diesbezüglich Glück mit unserer "Ausstattung" gehabt.

      Ich konnte es auch kaum glauben, aber trainierte Menschen sind auf der Marathon Distanz schneller als trainierte Pferde, weil beim Mensch die Kühlung besser funktioniert und er mehr Energie speichern kann.


      Laufrätsel und Lauflegenden: 13 neue Erkenntnisse - RUNNERâS WORLD

    • Fände ich sehr interessant, da mehr Erkenntnisse zu kriegen, was vom Hund übrig bleibt, wenn Menschen nicht in die Vermehrung eingreifen.

      Naja, die hat man doch eigentlich zur Genüge? Strassenhunde im Mittelmeerraum sind da ein Beispiel. Ein weiteres sind indische Pariahs oder wildlebende Hunde in Israel. Aus letzteren, zum Beispiel, hat man den Canaan Dog 'geschaffen'. Verwilderte oder halbwilde Haushunde gibt es aber auch in Afrika, Asien Amerika und Ozeanien. Australische Dingos sind ursprünglich verwilderte Haushunde (so in etwa wie der Mustang aus verwilderten spanischen Pferden entstanden ist, nur ist dieser Prozess beim Dingo wohl einige tausend Jahre länger her).


      Wo auch immer man auf dieser Welt nach verwilderten Haushunden sucht, findet man nach mehreren Generationen eher rechteckige denn quadratische Traber mit langem Fang und kleinen bis mittelgrossen Ohren, die gegen Stehoren tendieren oder sogar solche sind. Die Ruten werden hängend, gerade oder auch gekringelt getragen. Das Fell ist stockhaarig, kurz und verfügt über Unterwolle.

    • Naja, die hat man doch eigentlich zur Genüge? Strassenhunde im Mittelmeerraum sind da ein Beispiel. Ein weiteres sind indische Pariahs oder wildlebende Hunde in Israel. Aus letzteren, zum Beispiel, hat man den Canaan Dog 'geschaffen'. Verwilderte oder halbwilde Haushunde gibt es aber auch in Afrika, Asien Amerika und Ozeanien. Australische Dingos sind ursprünglich verwilderte Haushunde (so in etwa wie der Mustang aus verwilderten spanischen Pferden entstanden ist, nur ist dieser Prozess beim Dingo wohl einige tausend Jahre länger her).
      Wo auch immer man auf dieser Welt nach verwilderten Haushunden sucht, findet man nach mehreren Generationen eher rechteckige denn quadratische Traber mit langem Fang und kleinen bis mittelgrossen Ohren, die gegen Stehoren tendieren oder sogar solche sind. Die Ruten werden hängend, gerade oder auch gekringelt getragen. Das Fell ist stockhaarig, kurz und verfügt über Unterwolle.

      Wobei das alles ja nicht heißen muss, dass jeder Hund so aussehen muss wie entweder ein Wolf oder ein spitzartiger Pariahund/Hund vom Urtyp. Wie gesagt, auch andere Körperformen, von Molosserartigen über niederläufige Hunde bis zu Windhunden existieren schon ewig lange, in verschiedenen Kulturen und Gegenden, ebenso alle Haararten von nackig bis langhaarig.


      Nur halt alles nicht im Exszess.

    • Wobei das alles ja nicht heißen muss, dass jeder Hund so aussehen muss wie entweder ein Wolf oder ein spitzartiger Pariahund/Hund vom Urtyp.

      Natürlich nicht. Aber wenn die Natur kann, wie sie will, führt das eben schon zu einem sehr einheitlichen Bild von Hund. Die Natur führt zu seiner Selektion auf einen schnörkellosen Allrounder, der alles kann, aber kein so ausgeprägter Spezialist sein muss wie der Windhund oder der Molosser, den der Mensch für die Jagd oder den Krieg braucht.

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