Junghund flippt aus - wie damit umgehen?

  • Zitat


    Das tägliche Programm könnte allerdings schon recht viel sein für einen Hund, der eventuell sehr reizempfänglich ist, da könnte man etwas runterschrauben und Zuhause das Ruhigsein und Langeweile aushalten ganz konkret angehen.


    Ja, das wurde hier öfter bemerkt und ein Runterschrauben vorgeschlagen. Ich kann ja wirklich mal drei Wochen versuchen ganz wenig zu machen: also Wege zur/von der Arbeit (die kann ich leider nicht ändern), eine verkürzte Mittagspause, hierbei vielleicht auch nur langsames Spazierengehen statt Tobe-Runde. Allerdings wäre er dann auch drei Wochen an der kurzen Leine - Berliner Leinenpflicht und in der Stadt auch notwendig bei Straßenverkehr und Trainingszustand ;-) hmmm...


    Zitat


    Nasenarbeit ist eigentlich alles, wo der Hund seine Nase anstrengen muss, angefangen von Futter suchen, Dummy/Spielzeug suchen. Das macht den Hund vom Kopf her schon recht schnell müde und ein müder Geist ist immer besser als ein müder Körper.


    Gesundheitlich könnte man Blut testen auf eventuelle Schilddrüsenprobleme (sicherheitshalber).
    Futter für erwachsene Hunde ist gut, der Proteinanteil sollte nicht zu hoch sein (so um die 22 %) und vielleicht mal ausprobieren, ob getreidefreies Futter etwas verändert.


    Übungen zur Frustrationstoleranz kannst Du überall im Alltag da einbauen, wo der Hund etwas gerne haben möchte, es aber nicht sofort bekommt, sondern sich selbst erst mal kurz hemmen muss. Also zum Beispiel vor dem Fressen, vor dem Anleinen (wenn er da aufgeregt ist), beim aus der Tür gehen, aus dem Auto springen, an der Leine, bevor er abgeleint wird - also immer einen Stopp einbauen und er muss erst ruhiges Verhalten zeigen, bis er das bekommt, was er möchte. Mit leichten Sachen anfangen und immer nur so kurz anfangen, dass er es noch aushalten kann, dann freigeben. Dann schwerer werden, mehr Ablenkung, schwierigere Reize, länger Abwarten lassen.


    Futter kriegt er Vet Concept mit Reis und Lamm. Fällt Reis auch unter Getreide?
    Schilddrüse wäre ja mit Bluttest, das kann ich mal machen lassen.
    Danke für die Tipps zu Nasenarbeit und Frustrationstoleranz!

  • Hallo.


    Ich hatte zu hause genau das gleiche Problem. Meiner ist ebenfalls 9 Monate alt.
    Ich hab folgendes (bisher erfolgreich) gemacht: Spaziergänge runtergeschraubt auf 3 mal 30 min, wobei mittags nur geschnüffelt wird. Außerdem hab ich ihn mit dem clicker vertraut gemacht und "ruhe" geclickert. Und außerdem haben wir mehr räumliche Grenzen eingeführt. Treppengitter aufgestellt und Türen häufiger geschlossen.
    Es hat super geklappt. Vorher stand er auch stets unter Stress zu hause, jetzt wird zwischen dem gassi gehen gelegen und gedöst. Wobei interessanterweise die schnüffelrunde am anstrengendsten zu sein scheint.

  • Moin,


    ich hab Deinen Post erst jetzt gelesen, aber mich erinnert so einiges an den Dalmatiner meiner Tochter, der ist auch so, das er sich hier kaum hingelegt hat, immer auf Achse, immer unter Strom. Was sich allerdings sehr von Deinen Beschreibungen unterscheidet ist, das er auf dem HuPla alles super mitmacht und hoch konzentriert arbeitet..... da gibt es wenig, was er nicht mag, sein will to please ist echt gigantisch.


    Hier zu Hause aber eben so, wie von Dir beschrieben.... ich hab den Tipp bekommen, ihn entweder in die Box zu tun (was ich nicht so gern hab) oder ihn an seinem Platz anzuleinen, konsequent, stetig, immer.... und genau das mache ich seitdem. Wir gehen morgens spazieren, ausgiebig - da mache ich, außer normalem Alltagsgehorsam (bisschen Fuß gehen, heran rufen, wenn uns jemand entgegen kommt und das was man so braucht) nichts weiter mit ihm, dann gibt`s Futter und dann leine ich ihn an seinem Platz an.


    Er ist tagsüber bei mir, seit dem 1. Oktober.... ganz zu Anfang war er unruhig und mochte das gar nicht, aber je mehr er zur Ruhe gezwungen wird, desto ruhiger wird er auch im Alltag. Ruhe ist unglaublich wichtig, Schlaf auch... ich sehe täglich, wie gut es ihm jetzt geht. Und, mittlerweile gibt es Zeiten, in denen ich das Anleinen schon mal lassen kann, da wuselt er ne Weile herum und dann legt er sich irgendwo hin und entspannt. Ich finde, wir sind auf einem guten Weg. ;)


    Ich bin kein Freund von Box und Co und auch keiner vom Nachlaufen ohne Ende, aber ich lerne an diesem Dalmatiner, das es solche Hunde gibt und ;) das man sie, quasi zu ihrem Glück zwingen muss. Seine Verhaltensveränderung gibt dem Recht. Noch läuft er mir überall hin nach, aber ich unterbinde das langsam, wenn er angebunden ist, geht`s eh nicht, im Bad schließe ich die Tür hinter mit, in manche Räume darf er nicht mit hinein (keiner meiner Hunde) und sein Protest wird auch weniger..... mittlerweile kann er schon gehen. Ach ja, wenn er "Ruhezeit" hat, beachte ich ihn so gut wie überhaupt nicht - kann sein, er liegt in einem anderen Raum. Hin und wieder, wenn ich an ihm vorbei gehe, streichle ich ihn und spreche ihn an, manchmal gibt`s ein Leckerchen, er soll ja lernen,d as ruhen etwas Tolles ist.


    Und gestern ist er das erste Mal liegen geblieben, als ich den Raum verließ - wir arbeiten daran.


    Das Wichtigste für mich ist die Erkenntnis, das ihm das zur Ruhe nötigen, wirklich richtig gut tut. Er ist lange nicht soooo gestresst und viel entspannter.


    Trotzdem ist er ein Irrwisch, aber das ist halt sein Charakter.


    Sundri



  • Sundri, das lese ich hier per Zufall - SUPER, das sind ja riesige Fortschritte :gut: :gut: :gut:
    Ich freue mich sehr für dich, dass euer Alltag anscheinend immer besser klappt! Super, super mega super !

  • Hm, das klingt ja strange. Wie ist dein Hund denn sonst im Umgang mit anderen Hunden? Zeigt er dieses Verhalten nur in der Hundeschule?


    Hast du vielleicht schon einmal darüber nachgedacht, die Hundeschule zu wechseln? natürlich ist "weglaufen" keine Lösung, aber anscheinend scheinst du von der Hundeschule auch keine ausreichende Hilfestellung für dein problem zu bekommen. Ich war in Berlin mit meiner Sally auch in einer Hundeschule http://www.ruetters-dogs.de/standorte/berlin-inh-sandau/. Da habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. jetzt sind wir gerade nach Köln umgezogen und auf der Suche nach einer neuen Hundeschule. Für Tipps wäre ich an dieser Stelle sehr dankbar.

  • Sooooo.. nach laaanger Abwesenheit.. der Stand der Dinge. Achtung, es wird lang.


    Also: das Drama ging noch Monate dramatisch weiter ;-) Darum hatte ich auch keinen Nerv hier zu schreiben.. Trainings- und Tierarztodyssee..


    Das bisherige Licht am Ende des Tunnels: Subklinische Schilddrüsenunterfunktion und Forthyron-Gabe. Seit knapp 11/2 Monaten ist Vieles seeeehr anders und Manches grenzt (für mich nach bisherigen Erlebnissen mit Hundi) gar an ein Wunder ;-)


    Der Weg hierhin war aber ein langer und steiniger... Und ja, klar, haben wir noch einige "Baustellen" ;-)


    Ein befreundeter Einzel-Trainer hat nicht so "schnell" aufgegeben, eine weitere Hundeschule auch nicht.. Wenngleich wirklich nichts an Training half.. ADS, ADHS, Hyperaktivität, Reizverarbeitungsstörungen, Schilddrüsenprobleme standen im Raum... Also auf zum Tierarzt zwecks Blutuntersuchung und Schilddrüsenwerten.. Was garnicht so einfach war, "weil ein so junger Hund hat doch nichts mit der Schilddrüse.." Hallo, ICH ZAHLE DAFÜR, ja, für ALLE Werte, wirklich, ja alle, ich zahle, HALLO!


    Tierarzt 1 riet zur Kastration "dann wird er schon ruhiger" (Menno, du Vollhonk, hier geht es um massive Übersprungshandlungen, Stress, Hyperaktivität bei vermeintlicher "Reizüberflutung"...nicht um ein zweifelhaftes "ruhiger werden durch Kastration".. und ja, genau, meinen ohnehin schon vom Leben überforderten Hund lasse ich einfach mal so kastrieren..).
    Tierarzt 2 riet ab von Forthyron (Schilddrüsenmedikament) sondern zu Clomicalm (Antidepressivum, das Serotonin- und Noradrenalinspiegel hebt... Kann ich in gewisser Weise nachvollziehen an Psychopharmaka zu denken.. Aber Clomicalm kann ich nicht recht nachvollziehen: Es wird bei Trennungsangst eingesetzt. Auch Noradrenalin fand ich fragwürdig - es kann die Konzentrationsfähgigkeit steigern, ABER ein hoher Spiegel kann auch Aggression, impulsives Verhalten, erhöhte Reizbarkeit, überschießende Erregung etc. befeuern.)
    Tierarzt 3 ließ sich mithilfe des Hundetrainers widerwillig breitschlagen Forthyron zu geben. Ja, die Schilddrüsenwerte sind im Referenzbereich, Hundi ist "klinisch gesund", aber alle Werte sind unter dem jeweiligen Mittelwert und 2 davon im unteren Drittel... UND Hundi hat massive Verhaltensprobleme, verhält sich wie aus dem "Lehrbuch Subklinische Schilddrüsenunterfunktion".


    SORRY, DAS musste mal raus! Ich bin mittlerweile wirklich etwas entsetzt, was Tierärzte angeht... Ich musste die Erfahrung machen, dass Tierärzte Hundehalter nicht für voll nehmen, nicht zuhören, nicht hinschauen, Schema-F verfolgen.. Dass sie vorab schon mal annehmen man würde nicht "richtig trainieren", könne Hundeverhalten nicht mal ansatzweise irgendwie einschätzen etc. etc.


    Zum eigentlichen Stand der Dinge:
    - Wir können an Social Walks im Wald teilnehmen! DIE potentielle Ausflipp-Situation. Kaum bis keine Übersprungshandlungen. Klar wird mal noch gewufft, Leine gezogen, die Konzentration lässt mal zu wünschen übrig. ABER dieser massive Stress ist weg, Hundi lässt sich unterbrechen, kann sich dann wieder konzentrieren, auch mal einfach nur sitzen und gucken!
    - Wir können relativ problemlos an kurzer Leine andere Hunde passieren. Wir machen das wie hier (Knowledge-Base oder so) beschrieben.
    - Wir können gruselige Objekte (wehende Planen, Statuen oder sowas..) relativ problemlos passieren (wie oben).
    - Je nach Verfassung ist es manchmal sogar möglich andere Hunde in statischer Position (wir stehen, sitzen irgendwo) mit großer Entfernung ruhig wahrzunehmen. (Das müssen wir noch üben).
    - Andere Hunde in statischer Position sind, wenn sie zu nah rankommen, noch ein Problem, das verbellt werden muss. Klischee: der Kläffer unterm Restaurant-Tisch (Das müssen wir noch üben).
    Zu den beiden letzten Dingen planen wir demnächst ein Einzeltraining...


    Sooo, Ende des Romans. Sorry für das "Auskotzen" ;-)

  • Ich muss ehrlich sagen, dass ich Dir großen Respekt zolle, wie klar und sachlich Du die Gesamtsituation einschätzt und wie klasse Du Deinem Hund hilfst.


    Zu den Tierarztgeschichte kann ich auch nur sagen - gruselig. Aber super, dass Du so hartnäckig geblieben bist und wusstest, was Du wolltest und was nicht und Dich gut informiert hast.


    Deine Auflistung, was jetzt alles schon besser geht, hört sich doch sehr gut an und ich kann mir vorstellen, wie viel Arbeit das war.


    Aber Du kannst viele Dinge sehr genau einschätzen, verstehst Deinen Hund inzwischen wahrscheinlich sehr gut und somit wird auf Dauer sicher alles nur noch besser werden.


    Und hättest Du auf die Tierärzte gehört, hättest Du jetzt einen frühkastrierten "Idioten", der Stress noch schlechter handhaben kann, der dann aber parallel mit Pschychopharmaka voll gepumpt wird. Na, herzlichen Glückwunsch, das wäre ja echt richtig professionell gewesen und für Deinen Hund hätte es die ewige Hölle bedeutet.


    Ich wünsche Dir weiterhin viel Durchhaltevermögen, Geduld und trotzdem Spaß.
    Dein Hund kann froh sein, dass er so ein umsichtiges Zuhause hat und die Chance, ein hohes Maß an Lebensqualität zu erreichen.

  • Danke gorgeous2000! Deine Worte tun sehr gut.. Vor allem auch, weil die Zeit oft nicht einfach war.. Ich an mir, meiner Einschätzung, meinen "Erziehungs-, und Beziehungsfähigkeiten", den Menschen, die ich um Unterstützung gebeten habe, zweifeln musste..


    Da tut ein bisschen "virtuelle Anerkennung", Bestätigung und Mut machen auch mal gut ;-)

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