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Ich habe 20 Jahre in diversen großen Krankenhäusern auf Intensivstationen und in Notaufnahmen gearbeitet. Das heisst, ich habe viele Menschen sterben sehen.
Ich kann meine Beobachtungen folgendermassen zusammenfassen:
1. Sterben scheint nichts zu sein, was den Menschen "geschieht", es scheint eher etwas zu sein das sie "tun" -- der Tod des Körpers (unabhängig davon, ob es im OP unter Narkose geschieht, oder in der Notaufnahme oder wo auch immer) scheint ein sehr individueller, von der Persönlichkeit geprägter Akt zu sein). Man kann das spüren, und man bekommt ein gutes Gefühl für die Persönlichkeit dessen, der da "geht", auch wenn man nie die Gelegenheit hatte mit ihm zu sprechen (weil man ihn z.B. nur bewusstlos erlebt hat). Wenn ich mich später mit Angehörigen unterhalten habe und sie von ihm /ihr erzählt haben, war ich oft erstaunt, wie gut es "passt".
2. Wenn der Körper stirbt, dann geht "etwas" weg. Nicht schnell, sondern graduell. Man könnte fast sagen, da "zieht sich etwas zurück". Dieses "Etwas" ist das, was den Menschen ausmacht. Der Vorgang ist unterschiedlich lang, bei manchen sind es vielleicht 1-2 Stunden, bei anderen wesentlich länger. Solange dieser Vorgang nicht abgeschlossen ist, "spürt" man den Menschen noch, das was ihn ausgemacht hat, seine Persönlichkeit, seine emotionale Präsenz. Wenn dieser Vorgang "abgeschlossen" ist, bekommt man das mit: man kann keinen emotionalen Bezug mehr zu dem Körper aufbauen, man spürt, dass da "nichts mehr ist". Die interessant Frage aus meiner Sicht ist: Wer oder Was geht da langsam "weg", und wo geht er /sie / es hin?
3. Aber ich hatte auch das Glück, in meinem Beruf öfter Menschen kennenzulernen, die gerade neu geboren waren. Kennt Ihr das? Da liegt der kleine Zwerg vor einem, gerade in paar Stunden alt -- und man bekommt auf der emotionalen Ebene schon ein ziemlich gutes Gefühl dafür, mit wem man es zu tun hat. Da gibt es Prinzessinnen, kleine Haudegen, die Zurückhaltenden und sogar schon kleine Clowns. Nicht übertrieben ausgeprägt, aber es ist da, keiner ist wie der andere. Und das sind Neugeborene, die noch keinerlei Erziehung oder soziale Konditionierung erfahren haben. Und jeder von ihnen ist anders und bringt eine emotionale Persönlichkeit mit, die man spüren kann. Die interessant Frage aus meiner Sicht ist: Wer oder Was bringt das mit, und wo kommt er / sie / es her? Bei den anderen Säugetieren ist es genauso. Habt Ihr schon mal einen gerade geborenen Wurf Hunde oder Katzen erlebt? Ganz genau so.
4. Das eindrücklichste Erlebnis das ich hatte, passierte mal im Nachtdienst auf einer unfallchirurgischen Intensivstation. Ich war damals schon sehr erfahren, und nicht mehr so leicht zu beeindrucken. Ich betreute eine Patienten, so etwa um die 50 Jahre alt, die gemeinsam mit ihrem Mann einen schweren Unfall hatte. Sie war bei uns in der Uniklinik gelandet, von Ehemann wussten wir nur, dass er im anderen großen Krankenhaus der Stadt ebenfalls auf der Intensivstation lag. Der Patientin ging es zu diesem Zeitpunkt schon etwas besser, sie war ansprechbar und orientiert, sollte 2 tage später auf die Normalstation verlegt werden. Jedenfalls mache ich pünktlich meine 1 Uhr Runde bei ihr und sehe dass sie wach ist und gebannt zum Fußende ihres Bettes schaut. ( ich denke bei mir: hm, komisch, um 24 Uhr war sie aber noch "normal"). Also spreche ich sie an, was da ist, und sie sagt: "mein Mann". Auf die Frage was er da macht:" er will sich verabschieden". Ich habe mich nur erkundigt, ob ihr die Situation Angst macht, und da das nicht der Fall war, habe ich es dabei belassen. Bin nur, wenn ich ums Bett herum ging, einen etwas größeren Bogen als üblich gelaufen :) ------
Die Sache hat mich aber schon beschäftigt. Also habe ich zwei Stunden später in dem anderen Krankenhaus angerufen, mich auf die richtige Station verbinden lassen, gesagt wer ich bin und darum gebeten, den Kollegen / die Kollegin zu sprechen die den Mann meiner Patientin betreut. Habe kurz geschildert, dass ich ein etwas unterirdisches Erlebnis mit ihr hatte, und jetzt einfach mal wissen wollte, wie es dem Ehemann geht. Erst Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann ein "ich fasse es nicht, das ist ja ein Ding". Na ja, Ergebnis war, ich werde es nicht vergessen: Der Ehemann war um 00:58 Uhr verstorben. Er hat also gerade mal zwei Minuten gebraucht, für die etwa 12 Km Luftlinie von einen Ende der Stadt zum anderen. Und wußte ganz offensichtlich genau, wo er seine Frau findet.5. Ich hatte vor einigen Jahren auf der Autobahn ein Erlebnis, bei dem ich --- als ich in der Situation war -- davon ausging: Das war"s. Ich war mit sehr hoher Geschwindigkeit gerade dabei, einen LKW zu überholen, als der ausscherte. Ich hatte keine Chance rechtzeitig abzubremsen oder auszuweichen. Dass ich mit meinem kleinen, relativ niedrigen Auto direkt unter den LKW rasen würde, war in der Situation klar. Und plötzlich war alles anders: Als ob ich in eine andere Dimension katapultiert worden wäre. Zeit, wie wir sie aus unterem täglichen Empfinden kennen, existierte nicht mehr. Ich meine NICHT, dass sie langsamer lief. Sie existierte nicht mehr. Und ich merkte, dass sich irgendetwas bereit machte zum Absprung. Anders kann ich es nicht formulieren. Ich weiss noch, dass ich dachte: "so ist das also? dann ist es ja nicht schlimm". Ich kann mich erinnern, dass ich erleichtert war. ----
Ich kann nicht bestätigen, dass ein Film vor mir ablief, weder vorwärts noch rückwärts. Dennoch kam es mir so vor, als würde sich die Quintessenz meines Lebens "verdichten". Mit der Quintessenz meine ich nicht die Ereignisse, die man in einem Lebenslauf beschreiben würde. Ich meine damit, die vorherrschenden Gefühle, die mein Leben bis zu diesem Zeitpunkt geprägt hatten. Mir war in dem Moment klar, ich wußte einfach, dass das emotionale Paket das ist, was ich mitnehmen werde.---
Die Tatsache, dass ich davon berichte, beweist, dass es anders ausgegangen ist. Irgendwie hat mich der Lastwagenfahrer noch bemerkt und ist auf seine Spur zurück.Hier schliesst sich für mich übrigens der Kreis zu den oben erwähnten Neugeborenen, die eine emotionale Persönlichkeit mitzubringen scheinen.
Insofern spricht für mich einiges dafür, dass das Bewusstsein außerhalb des Körpers existieren kann, mithin unabhängig von unserer physischen Erscheinungsform sein könnte.
wow... Danke für diesen "bericht"...
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Also ich glaube auch nicht an ein Danach im bewußten Sinne.
Ich bin realistisch, ich weiß genau was mit toten Organismen passiert, also zumindest mit dem Zellhaufen der ich (inkl. Hirn) nunmal bin.
Der Tod ist das Ende dieses Seins und die Rückkehr zu "Mutter Erde" als nützlicher Bestandteil aber ohne Bewusstsein dafür. Wir werden Erde/Staub, nähren die "Erde" wie sie uns zuvor genährt hat.
Das ist ein vollkommen natürlicher Prozess- der Kreislauf des Lebens funktioniert einfach so. Es ist ganz hervorragendes Konzept, 100% abbaubar, nützlich, nahrhaft...das nenn ich effiziente Nachhaltigkeit. (Sehen wir einmal davon ab, wie sehr wie diesen Kreislauf zu behindern versuchen und das Gleichgewicht stören wo wir nur können...aber das soll ja hier nicht Thema sein).Mit der Vorstellung, dass wir alle, auch meine Liebsten und ich, uns irgendwann da nahtlos wieder einpassen, kann ich gut leben.
Ich fürchte mich nicht vor dem Tod an sich und vor dem "Nichts". Ich werde es nicht merken, denn das "Nichts" ist meiner Bewusstseinslosigkeit dann geschuldet... daher ist es mir ziemlich egal wie es sich anfühlt oder so, es wird weder fühlen noch denken geben, Licht aus.
Schlimmer ist wenn nahestehende Lebewesen sterben. Allerdings hat das nicht mit dem Tod bzw. dem "Danach" zu tun, sondern eher mit dem Verlust. Mit dem Wissen, dass es jetzt zu Ende ist und es eben kein Wiedersehen geben wird. Damit fertig zu werden jemanden für immer zu verlieren bzw. bis zum eigenen Tod der das alles löscht und in gewisser Weise all meine Probleme/Gefühle/Beziehungen/Erinnerung etc. löscht (auch wenn er für andere welche verursachen mag).
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Ich glaube nicht wirklich daran. Es waere in der aktuellen Situation sicherlich unglaublich troestlich, aber aus unerfindlichen Gruenden tue/kann ich es nicht.
Mit dem Tod verschwindet ein geliebtes Lebewesen. Ob dieses Lebewesen dann vollkommen 'weg' ist, oder irgendwie weiterlebt (egal in welcher Form auch immer), ist fuer mich unerheblich. Es ist weg und das wird sich nicht aendern.
Natuerlich waere es troestlich/schoen alle, die man verloren hat, nach seinem eigenen Tod nochmal zu sehen. Mein Kopf weigert sich aber daran zu glauben (wobei 'Kopf' und 'glauben' m.M.n. wieder nicht zusammen passt). Vielleicht bin ich (momentan) zu sehr ein Kopfmensch..Ist das denn wirklich so schlimm ein Kopfmensch zu sein? Gerade Du, Kathrin. Du kämpfst in letzter Zeit, hast Du das schon immer in der Form getan? Ich hab von Dir Beiträge gelesen, da verstand ich nur Bahnhof und dachte: "Hmhh, das wievielte Semester wäre das wohl in der Tiermedizin? Du lebst die letzten 40 Tage wirklich intensiv, mit allen "Aufs und Abs" - würdest Du ohne diese Erlebnisse auch so leben?
Jetzt kann man sich ein romantisches Bild eines Regenbogenlandes machen - oder man kann sich einreihen, bei denen, die etwas Gutes in ihrem Leben bewirkt haben und frei von allem Leid sind. (Der unbestreitbare Teil der Sache, da der Körper nicht mehr ist). Macht das wirklich einen Unterschied?
Wenn man bei diesen ganzen Energieerhaltungssätzen bleibt - ist es dann nicht logisch, dass je mehr man einem Lebewesen gegenüber positive Gefühle (Liebe) hegt - danach die entsprechende Härte an negativen Gefühlen kommt? Hat das nicht auch seine gute Seite? Wäre eine ausgleichende Null auf beiden Seiten lebenswerter?
Ist es denn nicht so, dass man sich nach dem Abschied so sehr unglücklich und traurig fühlt, weil man eben so glücklich zusammen war und weiß, dass es nie mehr so sein wird?
Ist das "Wiedersehen" an sich eigentlich so wichtig oder soll man eher davon ausgehen, dass es keines gibt? Den Partner nicht im Streit das Haus verlassen zu lassen - eben weil man weiß, wenn etwas passiert, dann gibt es keine Möglichkeit mehr sich zu versöhnen? Was ist besser?
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Ich empfinde es nicht als schlimm, in diesem Punkt ein Kopfmensch zu sein. Allerdings waere es momentan gut, noch mehr Kopfmensch zu sein..
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Auch ist selbst fuer mich als Naturwissenschaftler der Glaube an ein Jenseits absolut zu vereinbaren mit harter Wissenschaft.
Wie schön, das mal zu lesen. Mir geht es genauso, aber ich höre das in meinem Umfeld viel zu selten. Als sei es eine Schande für einen wissenschaftlich denkenden Menschen. Ist es meiner Meinung nach nicht, eher ein Gewinn
Natürlich wäre es schön, liebe verstorbene Menschen und Tiere irgendwann wieder zu sehen. Auf der anderen Seite brauche ich dafür nicht tot zu sein. Meine Urgrossmutter, und auch meine Oma, bei der es vielleicht nicht mehr lange dauern wird, sehe ich jeden Tag, wenn ich in den Spiegel sehe (ich bin äusserlich das Ebenbild meiner Oma), wenn mir Eigentümlichkeiten, Redewendungen etc. auffallen (vom Wesen her komme ich wohl sehr nach meiner Uroma, obwohl ich sie nicht lange kannte), die ich von ihnen übernommen habe. Auch meine eigene Mutter und mein Vater haben sich stark in mir "verewigt" (Stimme, Augen und vieles mehr). Und sicher waren nicht nur die Menschen, die ich noch kannte, daran beteiligt, sondern eben auch deren Vorfahren. Zumindest für mich gingen diese Menschen nicht verloren, ich bin ja immer noch voll von ihnen.
Was meine Tiere angeht, ist es sehr unterschiedlich. Diejenigen, die ich zwar mochte, aber mir wohl doch nicht so nahe waren, sind heute nicht mehr als eine liebe Erinnerung. Meine Hündin Lucy jedoch, die mit 15 mein erster Hund und etwas ganz Besonderes war, hat sich wohl so tief in mein Unterbewusstes eingegraben, dass sie mich heute noch ab und zu in meinen Träumen besucht. Sehr selten nur und immer total unvorbereitet, aber jedes Mal ist es ein riesiges Geschenk. Vielleicht existiert die Regenbogenbrücke wirklich nur im Kopf, aber - frei nach J.K. Rowling - das hiesse ja nicht, dass es sie nicht gibt. Wenn ich morgens aufwache und mich darüber freuen kann, dass ich nachts meiner Lucy erzählen konnte, wie sehr ich mich freue, sie wieder zu haben, dann ist mir das echt genug.
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Absolut
Schließe mich an
Solche Beispiele beschreiben am Besten, was ich meine und was man nicht in Worte fassen kann. Dass da irgendetwas ist. Und es wäre nicht das, was es ist, wenn man es wirklich fassen und beschreiben könnte.
Es bleibt ein undefinierbares Bild, ein Gefühl. Und das muss sich jeder für sich selbst machen ohne es wirklich jemals richtig und vollständig anderen verständlich machen zu können.
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