Ignoranz, in der Erziehung das Mittel der Wahl?

  • Ignoranz, ein bewußtes Nicht-Wissen oder bewußtes Nicht-Wahrnehmen von etwas... so beschreibt es wiki....

    Immer öfter lese ich, das dies gern, oft und sehr unreflektiert in der Hundeerziehung eingesetzt wird.

    Der Hund zeigt ein unerwünschtes Verhalten? ES wird ignoriert.

    Der Hund hat Angst? Auch hier: Ignorier den Hund.

    Konditionierung via Clicker? Ignorier falsches Tun und belohne Richtiges....

    Selbst wenn wir davon ausgehen, daß der Hund einen Intellektuellen Stand eines vierjährigen Kindes hat, begreift er überhaupt, was wir da tun?

    Warum wir ihn grad bewußt nicht wahrnehmen?

    Oder, und da wird es richtig kompliziert, begreift er, dass wir ihn sehr wohl wahrnehmen aber sein Verhalten nicht?

    Und wenn wir sein Verhalten ignorieren, welches Signal setzen wir da eigentlich?

    Wissenschaftlich bewiesen ist mittlerweile, dass beim Hundestreicheln bspw. der Kortisolspiegel vom Hund defintiv nicht sinkt wohl aber der des Menschens.

    "Beruhigend" wirkt auf ängstliche Hunde nur die Anwesenheit eines zweiten und möglichst souveränen Hundes.

    Wohl aber steigt bei Beiden, Mensch wie Tier der Spiegel von Oxytocin, Prolaktin und Bet-Endorphin... allesamt Neurotransmitter und Hormone, die beim Wohfühlen und bei der sozialen Bindung eine Rolle spielen.

    Da wir das unerwünschte Verhalten bewußt nicht wahrnehmen reagieren wir auch nicht darauf und hoffen mit diesem Nicht-Wahrnehmen und Nicht-Handeln, dass der Hund es aufgrund des Entzuges von Aufmerksamkeit einstellt.

    Ist dem wirklich so oder signalisieren wir nicht viel eher:"okay, mach, denn ich seh das grad nicht"?

    Und wie ist es bei der Angst?

    Birgit

  • Zitat

    Bitte nicht schon wieder!
    Du hast doch schon mal in einem anderen Threat seitenweise darüber lamentiert, wie falsch und dumm das Ignorieren in der Hundeerziehung ist, inkl. aller HH die es anwenden. Warum also die ganze Suppe noch mal aufwärmen? Sommerloch? Langeweile? Les doch einfach in dem Fred nach, das spart Zeit und Nerven.

    https://www.dogforum.de/viewtopic.php?t=106463

    Hmm, in dem Fred So konsequent ignorieren von Liquid_Sky hatte ich es kurz angerissen allerdings nicht weiter ausgeführt wie jetzt hier und Nö, falsch und dumm würd ich nicht sagen. Allerdings ein anderer Blickwinkel und einige zusätzliche Informationen- das könnte durchaus sein und auch gewollt sein.

    Birgit

  • Zitat


    Und wenn wir sein Verhalten ignorieren, welches Signal setzen wir da eigentlich?

    ......


    Da wir das unerwünschte Verhalten bewußt nicht wahrnehmen reagieren wir auch nicht darauf und hoffen mit diesem Nicht-Wahrnehmen und Nicht-Handeln, dass der Hund es aufgrund des Entzuges von Aufmerksamkeit einstellt.

    Ist dem wirklich so oder signalisieren wir nicht viel eher:"okay, mach, denn ich seh das grad nicht"?


    Brisantes Thema. Zur Angst hatten wir da kürzlich ein hochinteressantes Thema, das einiges klärte.

    Beim Verhalten ignorieren: es kommt auf die Situation an. Grundsätzlich ist ignorieren = tolerieren. Wenn der Hund aber mit dem Verhalten etwas erreichen oder etwas kommunizieren möchte, und wir reagieren nicht darauf, dann bedeutet das "das ist nicht der richtige Weg". Er kommt nicht zum Ziel, kriegt keinen Click, wird nicht rausgelassen, usw, was recht frustrierend sein kann. Er wird - je nach Lernerfahrung - seine Anstrengungen verstärken, etwas anderes anbieten oder entmutigt aufgeben.

    Ganz anders, wenn der Hund bei seinem Verhalten einer selbstbelohnenden Tätigkeit nachgeht und beispielsweise den Perserteppich zerkaut. Sehen wir das, und ignorieren es, signalisiert dies ganz klar, dass das Verhalten in Ordnung ist (auch wenn wir es nicht noch extra belohnen).

    Den ganzen Hund und nicht nur gewisse Verhaltensweisen bewusst zu ignorieren ist IMO ein ganz anderes Kaliber, die Aufkündigung jeder sozialen Interaktion. Das bedeutet. "Du interessierst mich nicht, du gehörst nicht zu mir." Und mit der Botschaft würde ich sehr vorsichtig umgehen.

  • Zitat

    Zur Angst hatten wir da kürzlich ein hochinteressantes Thema, das einiges klärte.

    Ui, wo find ich den??

    Mit ignorieren in Sachen Angst bin ich nämlich nicht weit gekommen, hat rein gar nix am Verhalten geändert..

  • Zitat

    Ignoranz, ein bewußtes Nicht-Wissen oder bewußtes Nicht-Wahrnehmen von etwas... so beschreibt es wiki....

    Immer öfter lese ich, das dies gern, oft und sehr unreflektiert in der Hundeerziehung eingesetzt wird.


    Das ist genau das problem.... unreflektiert... und leider ist es ebenso wie bei vielen anderen Themen, das irgendwer irgendwas aufschnappt, daraus irgendwas interpretiert und dann schlimmstenfalls mit eigenen Ratschlägen online hausieren geht und offensichtlichen Unsinn auch noch weiterverbreitet.

    Wenn ich hier lese "Grundsätzlich ist ignorieren = tolerieren" dann bin ich -gelindegesagt- schon ziemlich verwundert.

    Zitat

    Der Hund zeigt ein unerwünschtes Verhalten? ES wird ignoriert.


    Welches Verhalten? Das ist die Kernfrage... auf die man detaillierter eingehen muss. Dazu muss man sich jetzt auch mit dem Unterschied zwischen tolerieren und ignorieren befassen.

    Der Unterschied aus Sicht der Verhaltensbiologie wird deutlich, wenn man sich klar macht, dass ich nur ein an mich gerichtetes Ansinnen ignorieren kann - das bedeutet, ich bin in dieser Aktion betroffener, angesprochener - und genau das ignoriere ich. Mit welchem Ziel? Ganz einfach: Motivationsermüdung durch ausbleibende Resonanz. Das ignorieren soll eine Motivationsermüdung hervorrufen - weil Hund aufhört das zu tun, was für ihn zu keinem Erfolg führt. In diesem Szenario hab ich es in der Hand, durch Ignoranz den beabsichtigten Erfolg zu verhindern. Dieses Ignorieren ist in der Tierwelt im Verhalten zweier Individuen miteinander nichts neues und lange bekannt. Ignorieren ist eine Form der Kommunikation, tolerieren ist das nicht, sondern allenfalls ein Hinweis auf nicht vorhandene Kommunikation!

    Beispielsweise ist dieses Vorgehen beim Anspringen sehr erfolgversprechend. Hund will Aufmerksamkeit von mir und bekommt sie durch ignorieren eben genau nicht. Aber wenn ich ignoriere, wirke ich sehr wohl auf den Hund ein und von toleranz ist an dieser Stelle keine Spur zu erkennen. Das Gegenteil von ignorieren ist aktiv/massiv einwirken. Und tolerieren bedeutet, ich verzichte auf jegliche Maßnahme.

    Anders sieht es aus, wenn es sich um unerwünschtes Verhalten (z.B. jagen, Jogger hetzen, Scheisse fressen) handelt, bei dem also nicht ich der "Mitspieler" bin. Das heisst, welche Einfluss habe ich hier auf den Motivationszustand des Hundes durch ignorieren? Oder eben, wie nimmt der Hund wahr, dass ich das, was er gerade tut, ignoriere? Wenn er's in solchen Situationen gar nicht mitkriegt, ist Ignorieren das falsche Mittel. Wenn das Ignorieren keinen Einfluss auf die "Umweltanwort" des hundlichen "Tun's" hat, ist es einfach nur irrelevant. Weil das Ignorieren in dieser Situation keinerlei Information für den Hund enthält - und das entspricht dann Deiner Feststellung "unreflektiert".

    Zitat

    Der Hund hat Angst? Auch hier: Ignorier den Hund.


    Wer das tut, tut was falsches. Allerdings muss natürlich auch vermieden werden, dass die Ängste durch Einwirkung des Hundehalters zusätzlich noch verstärkt werden. Da wäre dann ignorieren die bessere Alternative. Der richtige Weg wäre aber Desensibilisierung und Etablierung von Sicherheitssignalen sowie Interaktion im Sinne von "Gemeinsam sind wir unschlagbar". Sowas können aber nur wenige Trainer....

    Zitat

    Konditionierung via Clicker? Ignorier falsches Tun und belohne Richtiges....


    Ignorieren heisst in diesem Falle aber nur "Verzicht auf Fehlerkorrektur".
    Insofern kann man da eher weniger von ignorieren reden.

    Zitat

    Selbst wenn wir davon ausgehen, daß der Hund einen Intellektuellen Stand eines vierjährigen Kindes hat, begreift er überhaupt, was wir da tun?

    Warum wir ihn grad bewußt nicht wahrnehmen?


    Nach meiner Meinung nur dann, wenn es sich aktuell um Interaktion zwischen "Zweien" handelt. Bei allen anderen Motivationszuständen basierend auf äußeren Reizen garantiert nicht. Ebensowenig bei Handlungsbereitschaften auf Grund eines inneren Bedürfniszustandes, wenn ich gleichzeitig dabei keine Rolle spiele.

    Zitat

    Und wenn wir sein Verhalten ignorieren, welches Signal setzen wir
    da eigentlich?


    Keines! Die durch ignorieren beabsichtigte Motivationsermüdung funktioniert eben nur ohne Resonanz. Ansonsten wäre es nur wieder aktives Einwirken - und die Palette reicht von R- bis P+.

    Zitat

    "Beruhigend" wirkt auf ängstliche Hunde nur die Anwesenheit eines zweiten und möglichst souveränen Hundes.


    Ganz sicher sogar - unter dem Stichwort Stimmungsübertragung. Aber etablierte Sicherheitssignale, also Assoziierung positiver Erfahrungen mit Signalen sind nicht minder gut geeignet, Ängste zu überwinden.

    Nachtrag.... ca. 2h. später:

    Zitat

    Bitte nicht schon wieder!
    Du hast doch schon mal in einem anderen Threat seitenweise darüber lamentiert, wie falsch und dumm das Ignorieren in der Hundeerziehung ist, inkl. aller HH die es anwenden. Warum also die ganze Suppe noch mal aufwärmen? Sommerloch? Langeweile? Les doch einfach in dem Fred nach, das spart Zeit und Nerven.

    https://www.dogforum.de/viewtopic.php?t=106463

    Ich habe mir gerade mal so ca. die ersten 15 Seiten durchgelesen. Ist ja echt krass, was da alles unter dem Begriff "ignorieren" aufgelistet wird und wie Hundeverhalten fehlinterpretiert wird.... sorry... da offenbart sich aber schon die pure Ahnungslosigkeit einiger Autoren dieses Threads... mannmannmann... :???:

  • Mal zum Nachlesen: Physical and behavrioral reactivity to stress in thunderstorm-phobic dogs and their caregivers_-Nancy Dreschel& Douglas Granger Animal Behaviour Sciene 95 Seite 153 bis 168

    und

    Neurophysicals correlates of affiliative behaviour between humans and dog- Odendaal& Meintjes, The Veterinary Journal 164 Seite 296 bis 301.

    Birgit

  • Zitat

    Mal zum Nachlesen: Physical and behavrioral reactivity to stress in thunderstorm-phobic dogs and their caregivers_-Nancy Dreschel& Douglas Granger Animal Behaviour Sciene 95 Seite 153 bis 168

    und

    Neurophysicals correlates of affiliative behaviour between humans and dog- Odendaal& Meintjes, The Veterinary Journal 164 Seite 296 bis 301.

    Birgit

    ganz ehrlich, was bringen einem solche Quellen nun hier im Thead?

  • Zitat

    ganz ehrlich, was bringen einem solche Quellen nun hier im Thead?

    Die Möglichkeit zum Nachlesen?

    Ich komm mir zeitweise vor wie in den 30er und 40ger Jahren, wo man jungen Eltern empfohlen hat, ängstliche Kinder nicht zu beruhigen da sonst "verweichtliche" Angstkinder aus ihnen werden würde.

    B.F. Skinner kam u.a. auf diese sinnige Idee. Heute längst widerlegt ebenso diese These bei Hunden, denn genau auf Skinner und Konsorten geht dieses Ich ignoriere meinen Hund bei Angst zurück.

    Was mittlerweile ja auch durch Odendaal, Meintjes, Dreschel und Granger widerlegt wurde.

    Birgit

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