Verpassen wir den richtigen Zeitpunkt??

  • Zitat

    Also, es geht mir nicht darum, ob mein Hund mehr Spaß am Leben hätte, wenn ich sie mit Schmerzmitteln betäuben würde,


    Ich habe gerade den Eindruck, dass da ein Verständnis-Problem vorliegt.


    Nicht alle Schmerzmittel "betäuben", besonders die Schmerzmittel, die bei den typischen Arthrose-Schmerzen des alten Hundes gegeben werden, gehören im Normalfall nicht zu den "Zudröhn-Medis", so dass ICH für mich überhaupt kein Problem damit habe, - bleiben wir bei dem Beispiel Arthrose-Hund - solch einem Hund noch eine gute, schmerzfreie Zeit zu ermöglichen.


    Meine Bedenken würden ab dem Punkt anfangen, wo tatsächlich "müde machende" oder betäubende Medis rein zur Lebensverlängerung z. B. gegen Tumor- oder Metastasen-Schmerzen gegeben werden, aber auch da würde ich es vom Einzelfall abhängig machen, denn ich glaube nicht, dass es da DIE Pauschal-Antwort drauf gibt.


    Du weißt ja, dass ich gerade selbst eine demenz-kranke Hunde-Omi daheim hab. Die Omi hat auch Arthrose in Hüften und Knien. Sie ist lange, lange Zeit rein mit Rot-Licht und Magnetfeld ausgekommen und bekommt nun seit einigen Wochen Metacam (das theoretisch auch leicht dämpfend wirken kann/soll, wir merken da aber, fast schon leider, nix von, es lebe also der abendliche Baldrian-Hopfen-Tee....)


    Mit Metacam geht es unserer Omi gut. Sie ist schmerzfrei und hat nicht mehr die "Knochentage" bei Wetterumschwung, die ihr wegen der Demenz sonst Probleme nach der Formel (je Streß, (Schmerz = Streß), desto tüdel" machen würden.


    Für mich ist die Frage gar nicht so sehr, ob Schmerzmedis oder nicht, sondern für mich zählt in erster Linie die Lebensqualität des Tieres.


    Jetzt versuch mal die Lebensqualität eines fast blinden, fast tauben, fast nichts riechenden demenzkranken alten Hunde-Mädchens mit Arthrose, die dank Metacam keine Probleme macht, einzuschätzen....


    Aber doch, es geht.
    Man merkt es bei unserer Omi daran, wie aufmerksam sie versucht zu lauschen, wenn die Näpfe klappern.
    Wie sie ab und an ihre 5 Minuten hat.
    Wie sie jedes einzelne Streicheln genießt. Und dabei wedelt wie blöd.
    Wie sie immer noch gerne mit uns raus geht und dort im Hundegarten ihre Bahnen zieht.


    Wir haben unsere ganz eigenen Kommunikationswege gefunden. Wie ICH ihr klar machen kann, was wir jetzt vorhaben und wie SIE mir klar machen kann, dass grad irgendwas nicht richtig ist.


    Unsere Jenni altert auch irgendwie von Tag zu Tag ein klitzekleines Stückchen mehr - aber dank meines Jobs als Intensivpflegekraft kann ich erkennen, was einfach der normale Alterungsprozess ist und was irgendwelche Zusatzfaktoren sind.
    Ebenfalls beruflich bedingt, bin ich auch und gerade bei unseren eigenen Tieren in der Lage, die Dinge mit dem nötigen emotionalen Abstand zu betrachten, um immer wieder neu die Frage zu stellen "Ist das noch ok?".
    Und für die so schleichenden Veränderungen, die man als Tierhalter, der das Tier täglich stundenlang vor Augen hat, gar nicht merken KANN, besuchen wir alle 14 Tage unsere TÄ zum "Draufkucken"...


    Jetzt bin ich ganz schön ins OFF gedriftet... ist aber ein wichtiges Thema.


    LG, Chris

  • Ich denke, das wäre für mich situationsabhängig und wohl auch hundeabhängig.


    Aus jetziger Sicht, ohne dass ich momentan einen entsprechenden Kontext erleben würde, wären Medikamente, die meinem Hund weiterhin ein schmerzfreies und ausgelassenes Leben ermöglichen absolut okay. Was nicht okay wäre, wenn der Hund auch unter Medikamentengabe keine Lebensqualität mehr hätte, dazu zählen auch irgendwelche medikamentös verursachten Dämmerzustände usw.)


    Angenommen, ich habe einen Hund, der geistig noch absolut klar ist, gerne durch die Gegend tollen möchte und dies unter der Gabe von Schmerzmedis auch noch tut, ich würde mich als Mörderin fühlen, wenn ich ihn erlösen ließe, nur um ihm die Schmerzmedis zu ersparen. Ist halt immer die Frage nach den Alternativen und derer gibt es ja dann nicht viele. Dass ich meinen Hund leiden ließe, käme nicht in Frage. Aber dass ich ihn sterben ließe bzw. sogar aktiv für eine Beendigung seines Lebens sorgen würde, das eben auch nicht. Nicht, solange sein Leben noch "lebenswert" ist. Ist es wirklich besser, einem Leben ein Ende zu setzen, wenn es doch mit entsprechenden Medikamenten noch ganz wunderbar fortgeführt werden könnte? Ich habe das Gefühl, ich könnte nicht klar ausdrücken, wie ich das meine, aber in meinem Kopf fühlt es sich an wie "Das ist doch ganz klar, so und nicht anders".


    Wenn ich die Wahl habe zwischen "den Hund töten" (ja ich drücke es bewusst so krass aus) und "dem Hund mit Medikamenten weiterhin ein schönes Leben ermöglichen" dann gäbe es für mich eigentlich keine Wahl, sondern es wäre absolut klar, dass ich letzteres täte. Ich muss da nicht Gott spielen. Solange mein Hund leben will und ich dies ermöglichen kann, wird er das dürfen. Niemals käme ich auf die Idee, meinen Hund ggf. dafür zu bestrafen, dass er mit blöden Genen und entsprechend miserablem Knochenbau auf die Welt gekommen ist und ihn deswegen erlösen zu lassen. Solang ein Hund noch WILL und man entscheidet sich dennoch dafür, ihn "erlösen" zu lassen, ist halt die Frage, inwiefern das Einschläfern wirklich eine "Erlösung" ist. Vielmehr stellt sich mir da die Frage, ob die Schmerzmittel da nicht eine größere Erlösung darstellen. Sie erlösen den Hund von den Schmerzen und lassen ihn weiterleben, in seinem Sinne. Das Einschläfern erlöst ihn von den Schmerzen, aber auch vom Leben, das er eigentlich noch leben möchte; ihn beeinträchtigt ja dann nichts mehr, wenn er Schmerzmedis bekommt.


    LG, Henrike

  • Es ist schon so, wie ihr schreibt, wenn man nicht in der Situation ist, dann kann man sich das vielleicht auch schlecht vorstellen.


    Hm, bei Bibo verfahre ich so, weil mein Hund selten bis nie Schmerzen anzeigt. Die BS macht ihr Schmerzen, daß ist so und ich werde es auch nicht operativ versorgen lassen, weil sie einfach zuviele Probleme hat und eine OP für ihre Arthrosen noch mehr Gift wäre.


    In unserem speziellen Fall ist es so, Bibo verträgt keine Schmerzmedis. Ich hatte das damals probiert, als ich kurz davor war, sie einzuschläfern. Sie bekam Rimadyl, hat nicht mehr gewirkt, Metacam, hat nicht mehr gewirkt, dann Tropfen, ich schätze, Novalgin, hatte sie blutigen Durchfall. Möglich wäre noch Morphin gewesen, da alles andere nicht angeschlagen hat. Die GA hat ihr dann geholfen.
    Dann hatte sie vorletztes Jahr einen Kreuzband- und Meniskusriss. Damals schon hat sie sich fast aufgegeben. Sie war extrem apathisch und ich hatte sehr viel Angst, daß sie sich aufgibt. Das haben wir geschafft, ohne Schmerzmedis. Als sie endlich wieder soweit fit war, hat sie sich den nächsten Meniskussriss zugezogen.
    Und mein TA ist sich fast sicher, daß der Nächste kommen wird, wenn sie sich nicht "schont". Natürlich darf sie auch toben, wenn sie mag, aber sie darf nicht mehr alles, was sie früher durfte.
    Damals, als ich die Schmerzmedis gegeben habe, ging es ihr noch schlechter als jetzt. Sie wollte kaum noch raus, hatte keine Lebensfreude mehr. Hat aber noch normal gefressen und mir auch ihren Ball gebracht, wenn ich nach Hause kam. Trotzdem war ich kurz davor, sie gehen zu lassen.
    Heute war ein schöner Abend. Wir sind gerade nochmal raus, es ist nicht mehr so extrem kalt und sie ist wieder losgeflitzt und war happy. Das sie Probleme an der BS hat, sieht man, da die Rute beim Rennen sehr steif ist und ihr Gang ein bißchen stockelig. Aber aktuell hat sie keine Schmerzen, denn auch aufs Sofa kann sie springen.
    Natürlich würde ich sie zu so einem Zeitpunkt nicht gehen lassen.
    Aber wie schon geschrieben, wenn sie nicht mehr hoch kommt und von alleine laufen kann, dann wäre für mich der Zeitpunkt gekommen, sie zu erlösen.


    Gruß
    Bianca

  • Bianca du hast etwas sehr Schönes geschrieben, du möchtest die Menschen verstehen, warum sie so handeln.
    Dies ist mein Bestreben in fast allen Dingen, jedoch ist dies ein sehr quälender und energiefressender Drang. Hilft abr dann, wenn man es kann.


    Es tut weh Bianca, verdammt weh, und als Mensch möchte man sich selbst den Schmerz ersparen. Egoistisch und trotzdem logisch.
    Man trifft eine Entscheidung die nie mehr rückgängig gemacht werden kann. Keiner will den Richter spielen.


    Dein Tier, das dich lange Zeit begleitet hat, dass einfach immer für dich da war. Deine Launen, deinen Schmerz, deine Freude geteilt hat. Ihm geht es nicht gut, aber kannst du es verantworten, dass es gehen muss. Hat es wirklich diese Schmerzen? Vielleicht möchte es nicht gehen?


    Diese Selbstzweifel, dieser schwere innere Kampf, der uns aufgebürtet wird, den wir auch wollen, weil wir uns für unser Tier entschieden haben und nicht alleine lassen wollen. Dies kann man erst nachvollziehen, wenn man es selbst erlebt hat.


    Ich selbst war erst in dieser Situation und heute verstehe ich einige Besitzer, nicht das ich alles respektiere . Aber ich verstehe es, und bin dadurch nachsichtiger geworden.


    guter Gedanke von dieses Thema mal aufzugreifen, ohne "richtig betroffen" zu sein, du weisst was ich meine. Mit diesem Thema beschäftigst du dich, weil deine auch älter und krank sind. Aber, zum Glück noch keine Frist gesetzt.


    lg Tine

  • Unsere Hündin hatte Arthrose in den Vorderbeinen, festgestellt als sie 8 war. Da humpelte sie aber nur bei feuchtkaltem Wetter und war sonst fit. Mit 10 Jahren dann humpelte sie häufiger, was sie aber nicht davon abhielt, mit dem Ball anzukommen oder an guten Tagen wie angestochen rumzurennen...wir haben dann mit Rimadyl 1/4 Tablette pro Tag angefagen, damit sie ihr Leben wieder in vollen Zügen genießen kann. Und das konnte sie auch wieder, sie ist gerannt und war voller Lebensfreude! Solch einen Hund hätte man nicht einschläfern können!
    Irgendwann bekam sie eine ganze Tablette pro Tag und wir bereiteten uns darauf vor, dass wir sie irgendwann erlösen würden...da kam uns der Krebs zuvor und wir mussten sie nicht, wie immer erwartet, von ihren Arthroseschmerzen, sondern vom Krebs erlösen.

  • Ich kann deine Gedanken total verstehen.
    Und ich finds gut, dass du dir diese Gedanken machst.
    Ich kann dir dazu nur sagen, dass der Hund dir das selbst mitteilt, wenn es nicht mehr geht und er gehen möchte. Bis ich Billy gehen lassen musste, hab ich solche Geschichten immer als Humbug abgetan, aber sowohl ich als auch mein Freund haben es unabhängig voneinander in ihren Augen gesehen, dass der richtige Zeitpunkt für sie da war und wir haben es ihr nicht verwehrt.
    Billy hatte wahrscheinlich einen Blasentumor, das wissen wir nicht genau, da wir ihr die Prozedur der Untersuchung ersparen wollten, allein das Autofahren war nicht mehr möglich.
    Sie hatte keine Schmerzen und sie hatte Lebensqualität bis zum Schluss, lag friedlich im Garten, hat für Leckerli noch eine perfekte altersgemäße "Obidience" gemacht und fühlte sich wohl.
    Am 17. Mai zeigte sie uns mit ihrem Blick, dass sie gehen möchte und durfte zuhause auf ihrem Lieblingsplatz einschlafen.


    Wir hatten auch die Möglichkeit, sie weiter mit Medikamenten zu behandeln, aber das war für uns nicht wichtig. Billy wollte gehen und sie durfte.


    Allerdings ist die Entscheidung sehr schwer zu treffen und ich verstehe auch, dass sich sehr viele da sehr schwer tun.


    Vielleicht klingt es brutal, doch ich sehe auch eine Chance darin, dass wir unseren Tieren soviel Leid ersparen können. Manche Menschen wünschen sich das auch für ihre Angehörigen. auch ich habe mir das schon einmal gewünscht - Leid zu verkürzen, unabhängig davon, wie weh es einem selbst tut.

  • Was mich immer noch erstaunt, war das Vertrauen, dass meine Tierärztin in mich legte, du wirst den Zeitpunkt wissen, du wirst das Richtige tun. Ich dachte mir, woher hat sie nur soviel Vertrauen in mich.
    Ich glaube so schwer der Verlust ist, nach der langen Zeit, nehm ich nun ein paar Tablettchen, da ich es nicht so leicht schaffe, wie ich zuerst meine. So sicher bin ich mir, er war da der richtige Zeitpunkt.


    lg Tine

  • Nein du bist nicht Herzlos!Ich sehe das genauso.

  • Zitat


    Ich habe lange überlegt, ob ich ihr Rimadyl oder Metacam holen soll, aber ich habe es für mich verworfen. Mein Hund hat soviele Schmerzen gehabt, durch die GA habe ich noch zwei wundervolle Jahre mit ihr gehabt, aber ich werde sie nicht jeden Tag stoned machen, damit sie noch laufen kann.
    Im Endeffekt machen wir unsere Tiere zu Junkies, die nicht mehr ohne Medis leben könnten, aber müssen, weil wir es so wollen. :( :


    Es wurde ja schon erwähnt, nicht alle Schmerzmittel wirken gleich. Die typischen Arthrosemedis Rimadyl und Metacam z.B. sind sog Nicht-steroidale Entzündungshemmer.
    Sie beeinflussen das Geschehen (also die Entzündung), das den Schmerz verursacht und verhindern ua die Entstehung von Botenstoffen, die für die Schmerzempfindung wichtig sind, wirken aber auch fiebersenkend . Wichtigste Nebenwirkung ist die reizende Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt, dh mit Rimadyl auf nüchternen Magen kann man innerhalb von Tagen durchbrechende Magengeschwüre verursachen. Daher ist die langfristige Gabe etwas problematisch und man muss das gut im Auge behalten und NIE auf nüchternen Magen, immer mit dem Fressen gut eingepackt in einen Brocken irgendwas...
    Psycho-Wirkung haben die nicht, süchtig machen tun sie auch nicht.
    Wenn dein Hund die nicht verträgt, gut, dann würd ich es auch lassen!



    Süchtig machen würde z.B. Morphine, aber auch nur wenn keine Schmerz-Indikation besteht. Diese Medis wirken direkt auf die Schmerzrezeptoren ein, verhindern also nicht den krankmachenden Prozess, sondern beeinflussen nur die Empfindung von Schmerz.
    Viele TÄ geben diese wegen Missbrauchsgefahr bzw wegen der Dokumentationspflich nach dem Betäubungsmittelgesetz nicht gerne ab und viele Tierbesitzer haben extreme Skrupel, ihrem Tier so eine Dröhnung zu geben.
    Bei starken Schmerzen, vor allem akuten, z.B. post OP oder bei Tumorschmerz oder Bandscheibenvorfall ist sowas aber ein probates Mittel. Ich persönlich würde das anwenden, wenn dadurch noch ein bisschen Lebensqualität rausspringt. Je nach Präperat ist die Langzeitverträglichkeit so lala (Verdauungsprobleme, dämpfende Wirkung) und man muss mit der Zeit die Dosis raufsetzen, weil ein Gewöhnungseffekt auftritt.



    Grundsätzlich find ich deine Überlegung aber absolut richtig. Nicht die Quantität, sondern die Qualität von Leben ist für Hunde entscheidened, denn sie wissen ja nicht, dass wir uU morgen mit ihnen zum TA gehen und sie einschläfern lassen. Hauptsache in der Zeit die bleibt geht es ihnen gut.

  • Naja - wenn für deinen Hund Schmerzmittel aufgrund der Verträglichkeit nicht gehen, dann gehts halt nicht anders... wobei es für mich persönlich auch eine Überlegung wäre das per Injektion zu verabreichen...


    Aber ich bin auf jeden fall froh, dass es solche Medikamente gibt - denn auch ein hund mit Arthrose kann ein glücklicher Hund sein!
    Auch wenn er vielleicht nicht mehr so schnell und so viel kann... aber ich denke ohne die Schmerzmedis müssten sich viele, viele Besitzer um einiges früher von ihrem Kameraden trennen!


    Ich find, Niani hat das sehr schön umschrieben!

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