Achtung es wird lang ...
Vor ungefähr anderthalb Jahren zog ein PRT in unserer entfernten Nachbarschaft ein.
Er gehört einer Familie die eine Firma betreiben.
Um das ganze noch etwas verzwickter (und schwieriger) zu machen, ich arbeite in dieser Firma seit 6 Monaten auf Minijob Basis.
Der PRT ist ein Rüde, knapp 2 Jahre alt und somit gleich alt wie meine Hündin.
Von Anfang an war der kleine Kerl ziemlich sich selbst überlassen.
Anfangs blieb er zumindest auf dem Firmengelände und ich habe ihn nur im Vorbeilaufen durch den Zaun gesehen, seit einem Jahr aber läuft er mehr oder weniger den ganzen Tag bei uns in der Nachbarschaft durch die Straßen.
Besucht sämtliche Häuser in denen Hunde wohnen und bellt die Leute teilweise Sonntags früh um 8 oder spätabends um 10 aus dem Haus, springt stundenlang über Baustellen, schließt sich jedem Spaziergänger mit Hund an.
Zwischendurch dackelt er "nach Hause" und ich höre ihn bellen weil er rein will.
Meist reagiert aber keiner und irgendwann zieht er dann eben wieder weiter.
In den ersten Monaten habe ich ihn jedesmal wenn ich ihn aufgelesen habe nach Hause gebracht.
Inzwischen tue ich es nicht mehr denn es ist eh sinnlos.
Es dauert ewig bis ich ihn loskriege weil keiner greifbar ist der ihn mir abnimmt und selbst wenn ihn jemand entgegen nimmt überholt er mich
teilweise auf dem Rückweg schon wieder und steht schon vor mir wieder in meinem Garten.
Mit der Familie geredet habe ich schon oft.
Anfangs habe ich mein Missfallen über die Art mit dem Hund umzugehen sehr deutlich kundgetan und auch einige Verbesserungsvorschläge gemacht.
Inzwischen muss ich mich aber, da ich dort arbeite, mit meinen Äußerungen sehr zurückhalten.
Was mir ehrlich gesagt ziemlich schwer fällt.
Ich wills es nicht großartig ausschmücken, Tatsache ist aber (und das ist keine Vermutung von mir sondern die von den Besitzern mir gegenüber gemachte Aussage) das sie mit dem Hund nichts anfangen können, sie ihn als Fehler betrachten, die Anschaffung bereuen und weder Zeit noch Lust haben sich mit ihm zu beschäftigen.
OTon Chefin zu mir: "Wenn sie ihn wollen können sie ihn haben".
Und damit sind wir bei meinem Problem.
Denn eigentlich will ich ihn nicht haben.
Er tut mir nur so wahnsinnig leid.
Er ist ein typischer PRT, hyperaktiv, größenwahnsinnig, frech, distanzlos und extrem anstrengend.
Dazu kaum erzogen.
Meine Hündin und er lieben sich sehr und wenn er uns, was oft passiert, bei Spaziergängen begegnet dreht meine die ersten 10 Minuten mit ihm völlig durch.
Klar, er ist ja immer unangeleint, ohne Aufpasser und für jede Schandtat zu haben.
Ihn zu treffen bedeutet Party.
Es ist eine Freude den beiden zuzusehen wenn sie im Freilauf über die Wiesen düsen aber ein Kraftakt solange meine angeleint ist und er frei.
Denn er ist nicht zu bändigen, reißt meine Hündin mit und ich habe in den ersten paar Minuten keine Chance das Gewusel zu sortieren.
Meine kommt nicht mal zum k***en weil er sie dabei nicht in Ruhe lässt und sie nicht kann solange er ihr am Hintern hängt.
Sie weist ihn allerdings auch nicht zurecht, tut sie bei keinem Hund.
Also muss ich ihn mir schnappen und fixieren damit sie in Ruhe kann.
Ein einziges Tohuwabohu ... und ich schwitzend mittendrin.
Dennoch habe ich ihn schon öfter zu Spaziergängen mitgenommen.
Bleibt mir ja auch nichts anderes übrig, er klebt an uns wie ein Schatten sobald er uns sieht.
Ihn loszuwerden wäre sehr aufwändig bis nicht machbar, also nehm ich ihn mit.
Ich bin danach zwar fix und alle aber ich bin definitiv die einzige Möglichkeit für den kleinen Kerl mal einen richtigen Spaziergang zu erleben.
Kostet mich zwar Nerven, ist für ihn aber das Highlight der Woche.
Anfangs habe ich ihn auch ein paarmal mit ins Haus genommen, das mache ich inzwischen nicht mehr da er über Tische und Bänke geht, markiert und meine Hündin nicht zur Ruhe kommen lässt.
Also Chaos hoch zehn!
Dabei steckt eigentlich ein ganz lieber, cleverer und toller Hund in ihm.
Man müsste es nur mit viel Zeit und Training aus ihm herausholen.
Heißt er müsste dringend zu Menschen die ihn erziehen, fördern, die ihm gerecht werden.
Und ich denke seit Monaten darüber nach ob ich dieser Mensch sein will und könnte.
Ein Zweithund ist eigentlich zur Zeit überhaupt kein Thema für uns.
Sayah wird im August 2 Jahre alt und ist noch längst nicht fertig.
Mein Mann ist eigentlich generell gegen einen zweiten Hund und ich müsste sehr viel Überzeugungsarbeit leisten.
Plus die Tatsache das ich niemals nie den Wunsch nach einem PRT hatte.
Klar, Sayah ist eine Trantüte.
Ich würde eigentlich viel mehr Hundesport mit ihr machen wollen, sie zeigt mir allerdings sehr deutlich das sie es zwar tut aber nicht darin aufgeht.
Ich bin also was das betrifft der klassische unterforderte Hundehalter.
Der Kleine würde sich vermutlich für Dog Dancing, Agility, all diese Dinge förmlich umbringen.
Andererseits leben wir mit unserer Hündin herrlich ruhig.
Sie nervt nicht, sie fordert nicht, ist völlig stressfrei.
Ich müsste doch blöd sein mir dazu einen solchen Quirl aufzuhalsen.
Einen Hibbel der gewohnt ist sein eigenes Ding zu machen und es überhaupt nicht kennt eine enge Bindung zu jemand zu haben.
Dazu kommen die Bedenken, wie zwei Hunde gleichzeitig ausbilden wenn einer davon noch nicht stabil und der andere völlig überdreht und unerzogen ist?
Eigentlich bräuchte er Einzeltraining.
Aber ich möchte auch Sayah nicht vernachlässigen.
Denn emotional habe ich zu ihm eigentlich keinen wirklichen Bezug.
Nur eben dieses wahnsinnige Mitleid.
Wenn er voller Lebensfreude mit ihr über die Felder rennt, mit angesaust kommt wenn ich sie rufe, grinsend sein Leckerlie kassiert und dann ganz selbstverständlich und stolz wie Oskar mit uns bis zur Haustür läuft als würde er zu uns gehören ... und ich dann sage "geh heim" und ihn einfach draußen stehenlasse könnt ich heulen.
Dieser Blick mit dem er mich dann anschaut geht mir noch stundenlang nach.
Ich bin dann wahnsinnig sauer auf seine Leute (meine Chefs!) ... und hab wirklich keine Ahnung was ich machen soll.
Damit hadere ich jetzt seit fast einem Jahr und zur Zeit ist es wieder extrem schlimm weil er uns bei fast jedem Gassigang übern Weg läuft.
Und ich inzwischen da ich dort arbeite nicht mehr nur vermute das er vernachlässigt wird sondern es sicher weiß und hautnah mitbekomme.
Zumindest was das Umgehen mit ihm betrifft, körperlich ist er in gepflegtem, guten Zustand, wird regelmäßig gefüttert ect.
Naja und die Bedenken das er irgendwann mal überfahren wird, von einem nicht so netten Menschen einfach mitgenommen oder einfach verlorengeht sind natürlich auch da.
Was tun?
Mein Kopf sagt eigentlich deutlich "nimm ihn nicht, tu Dir das nicht an".
Mein schlechtes Gewissen ist aber anderer Meinung.
Ich verdränge die Gedanken an ihn so weit wie möglich ... aber vorhin guckte er wieder extrem arm als ich ihm die Haustür vor der Nase zugeschlagen habe.
Ich bin traurig und würde ihm so gerne das geben was er nicht bekommt, Ansprache, Steicheleinheiten, das Gefühl eine Familie zu haben wo er dazugehört und vor allem körperliche und geistige Auslastung.
Und gleichzeitig bin ich sauer auf mich weil ich etwas zu meinem Problem mache was eigentlich nicht meins ist.
Ich bin echt ratlos im Moment.
LG
Tina