Was bedeutet „wesensfest“?

  • Trotz höherer und sehr hoher Reizlage ist der Hund noch zum Denken fähig (und damit z. B. noch Ansprechbar durch den Menschen).

    Das brauchst du aber nicht immer. Leicht angekratze Hunde im Nervenkostüm haben hier und da nun mal ihre Vorteile. Das macht die Hunde nicht gleich mangelhaft oder wesensschwach.

    Nicht alle Aufgaben erfordern bloßes Denken, oft braucht es auch mal Hunde die Macher sind und über Grenzen gehen.


    Nicht alle Arbeiten bestehen aus Hunden die sich von ihren Menschen permanent anleiten lassen sollen und zuhören müssen. Es gibt sehr viele Bereiche die hohe Selbstständigkeit erfordern.

    Angekratze Nerven bedeuten aber auch nicht, dass die Hunde nicht zuhören könnten, das ist sowieso ein Trugschluss.

  • Aber da schließ ich mich Hundundmehr an: Unauffällig im Alltag ist nicht das alleinige Kriterium für mich bei 'wesensfest', sondern eben explizit auch in hohen Reizlagen ansprechbar bleiben.

    Ein Hund, der im Alltag zwar unauffällig ist, aber z.B. bei Belastung durch Arbeit oder Sport nicht seine Nerven /Ansprechbarkeit behält, ist in meiner Definition nicht wesensfest, sondern nur unauffällig im Alltag. Dass viele Arbeits- und Sporthunde heute nicht mehr das Nervenkostüm für Belastungen mitbringen ist doch das Problem.


    edit: eine sehr spannende Diskussion !

  • Aber da schließ ich mich Hundundmehr an: Unauffällig im Alltag ist nicht das alleinige Kriterium für mich bei 'wesensfest', sondern eben explizit auch in hohen Reizlagen ansprechbar bleiben.

    Ein Hund, der im Alltag zwar unauffällig ist, aber z.B. bei Belastung durch Arbeit oder Sport nicht seine Nerven /Ansprechbarkeit behält, ist in meiner Definition nicht wesensfest, sondern nur unauffällig im Alltag. Dass viele Arbeits- und Sporthunde heute nicht mehr das Nervenkostüm für Belastungen mitbringen ist doch das Problem.

    Aber genau deshalb prüft man das doch auch dediziert und watscht diese wichtigen Begrifflichkeiten nicht als „wesensfest“ ab, der damit zum nichtssagenden Sammelbegriff verkommt.

    Welcher Hundehalter braucht denn aber heute noch einen Hund der in Konflikten Belastbar und Nervenstark ist? Und prüft seinen Hund da wirklich? Ich rede von echten Jagdgebrauch, Einsätzen in großer Hitze, Stockschlägen, angeschrien werden, Demos, usw.

    Das Zuchtziel ist meines Wissens nach in der Regel der möglichst Konfliktfreie Hund, zumindest im Begleithundebereich. Nicht der Hund mit Trieben und Konflikten oder innerhalb dieser belastbar, nervenstark und ausbildbar ist.

    Belastbarkeiten und Nervenkostüm zeigen sich in gewollten(!) Konflikten und Belastungen, die während der Ausbildung auftreten. Wesensfest bedeutet in den Kontext womit der Hund diese Konflikte hat. Je nach Hundetyp und Zuchtziel verschieden.

    Ein Hund der alltägliche Umweltreize als Belastung wahrnimmt, ja der ist nicht wesensfest. Wie er mit Belastungen umgeht ist dafür nebensächlich, hier ist das Nervenkostüm wichtig.

    Wesensfest ist die Grundlage, Belastbar und Nervenstark die Kür. Ein leicht angekratzes Nervenkostüm hier und da von Vorteil, weil die Hunde damit Defizite in der Belastbarkeit ausgleichen können.

    Aber natürlich hat hier jeder sein eigenes Verständnis, das war doch aber auch die Fragestellung, was für einen selbst diese Begriffe bedeuten und ich möchte da für mich kein Sammelbecken draus machen weil mir das zu ungenau ist und vielen Hunden nicht gerecht wird.

  • Dann gibts also keine wesensfesten Mischlinge?

    Naja, für mich ist „wesensfest“ tatsächlich auch ein typischer Begriff aus der Zucht.

    Nicht, weil Mischlinge pauschal nicht wesensfest sein können, sondern weil ich es super schwierig zu beurteilen finde, ob ein Mischling nun wesensfest ist oder nicht - eben weil Wesensfestigkeit je nach Hundetyp und Rasseanteilen für mich ganz unterschiedlich aussehen kann.

    Gerade bei Hunden mit unbekannten Elterntieren: Wie soll ich da beurteilen, ob der Hund tatsächlich überdurchschnittlich temperamentvoll und kernig ist oder einfach „nur“ ein ganz normaler Terrier-Mix? Wie soll ich wissen, ob der Hund tatsächlich ungewöhnlich reizoffen und sensibel ist oder „nur“ ein ganz durchschnittlicher Hüte-Spezialist?

    Klar, wenn die Elterntiere bekannt sind und die jeweiligen Rassen nicht allzu weit voneinander entfernt sind, kann man das etwas besser beurteilen. Aber bei vielen Mischlingen fehlt dieser Referenzwert, welches Verhalten erwartbar ist, eben.

    Wobei ich auch nicht finde, dass man jedem Hund unbedingt Wesensfestigkeit zuschreiben muss, damit es ein toller Hund ist. Ein Mali-Border-Mix, der total stoisch durch die Weltgeschichte schlappt, mit nichts und niemandem ein Problem hat, die Gelassenheit von nem HSH an den Tag legt und alles mit sich machen lässt, ist meiner Meinung nach absolut nicht wesensfest, sondern völlig aus der Norm - und trotzdem kann’s für viele Leute ein toller Hund sein.

  • Naja, für mich ist „wesensfest“ tatsächlich auch ein typischer Begriff aus der Zucht.

    Für mich wäre ein Hofhundetyp wesensfest der nur Anschlägt wenn es Not tut und keine kläffe ist. Wie Nervenstark der Hund ist würde sich wohl nur im Belastungsfalls eines echten Einbruchs endgültig zeigen. Sind die Nerven etwas angekratzt kann der Hund trotzdem seinen Job machen, obwohl ihn die Situation eigentlich überfordern würde. Manch einem Hund gehen auch die Nerven durch in solchen Situationen, allerdings in die richtige Richtung. Das ist nicht immer tragisch, kommt halt stark drauf an. Nicht immer erfordert die Situation das gelerntes abgerufen werden kann, manchmal reicht ja auch das was der Hund instinktiv machen will.

    Mal so ganz banal heruntergebrochen.

    Da wir im großen und Ganzen gar keine Hunde mehr haben wollen, die irgendwie auf irgendwas reagieren, also einfach maximal konfliktfrei und leichtführig sind, ist es im Großen und Ganzen einfach nur wichtig dass der Hund grundsätzlich wesensfest ist.

    Das Idealbild in dem Szenario wäre ja, dass der Hund den Einbrecher freundlich begrüßt oder ignoriert und es wäre völlig ok wenn er damit nervlich nicht klar kommt solange seine Strategie nicht Fight lautet. Am besten hat er aber einfach keinen Konflikt mit einer fremden Person im Haus und pennt einfach weiter auf seinem Platz. Die Situation löst also gar keinen Konflikt aus.


    Wesensfest muss ja nun irgendwo abgrenzen, wenn man Hunde züchtet die aber durchaus auf Dinge anspringen sollen um die Waage zu finden zwischen „springt auf jeden Dummsinn an“ und „springt auf gar nichts an“.

    Was das sein kann ist ja ganz unterschiedlich je nach dem was das Zuchtziel ist, das ja auch Leute ohne Verband hoffentlich haben.

    Natürlich kommt man da in Diskrepanz darüber was für den jeweiligen Hundetyp nun wesensfest ist und was nicht.

    Sicherlich gibt es aber gewisse Dinge die sich pauschalieren lassen.

  • Mein Lucifer hat keine guten Nerven in Reizlagen, ab einem bestimmten Punkt erreiche ich ihn nicht mehr. Dennoch empfinde ich ihn als wesensfest.

    Für mich gehört dazu, dass er für mich auch berechenbar ist. Klar fallen seine Reaktionen nicht immer gleich aus, je nach Tagesform, aber wirklich überraschen tut er mich eher nicht.

    Sorry das ich das jetzt explizit rauspicke aber grade das was du von Lucifer z.B beim Thema Dunkelheit beschrieben hast ist für mich absolut nicht das Beispiel für einen Hund der wesensfest ist. Zeigt aber ganz gut wie unterschiedlich das Thema wahrgenommen wird.


    Da bin ich für mich wieder bei berechenbar. Ich weiß, daß er im Dunkeln Angst hat und ich kenne auch den Grund. Angst ist ja auch nicht unbedingt rational, weder bei Mensch, noch bei Hund. Wenn hier im Herbst ne Winkelspinne durch mein Wohnzimmer spaziert kann es passieren, dass ich quietschend auf dem Sofa stehe. Dabei weiß ich ganz genau, daß die mich nicht fressen wird. Ich halte mich nicht für wesensschwach,nur weil ich diese eine Angst habe. Ich renne ja nicht dauernd schreiend weg.

    Und so sehe ich persönlich das auch beim Hund.

  • Interessant die verschiedenen Auffassungen von euch zu lesen.
    Für mich war wesensfest bisher nix anderes als „hat seine Rassebeschreibung“ gelesen und lässt die entsprechenden Anlagen erkennen.

    für mich auch. Einfach fest in dem Wesen das ihm bewusst angezüchtet wurde und das er auch genau so zeigen soll.

  • Mich würde bei dieser Diskussion tatsächlich folgendes Interessieren: Woher hat der Züchter die Glaskugel, um "wesensfest" im Bezug auf Nervenstärke in jeder Trieb- und Lebenslage für das gesamte spätere Hundeleben zu sehen? :see_no_evil_monkey:

    Ich kenne den Begriff ja hauptsächlich von Züchtern. Wesensfeste Welpen lautet das Werbeversprechen. Er kann doch aber noch gar nicht voraussagen, was für Lernerfahrungen die Zwerge im neuen Heim machen werden. Die Anlagen hingegen, die rassetypisch sind, sind bei den Welpen ja bereits erkennbar. Erst recht bei entsprechender Förderung.

  • Mich würde bei dieser Diskussion tatsächlich folgendes Interessieren: Woher hat der Züchter die Glaskugel, um "wesensfest" im Bezug auf Nervenstärke in jeder Trieb- und Lebenslage für das gesamte spätere Hundeleben zu sehen? :see_no_evil_monkey:

    Ich kenne den Begriff ja hauptsächlich von Züchtern. Wesensfeste Welpen lautet das Werbeversprechen. Er kann doch aber noch gar nicht voraussagen, was für Lernerfahrungen die Zwerge im neuen Heim machen werden. Die Anlagen hingegen, die rassetypisch sind, sind bei den Welpen ja bereits erkennbar. Erst recht bei entsprechender Förderung.

    Mir hat noch kein Züchter einen Glaskugeltext wie von dir benannt und beschrieben mitgeteilt, das würde mich auch eher verwirren als begeistern. Auch Werbeversprechen kenne ich nicht von Züchtern meiner bevorzugten Rassehunde :ka:

    Dass ich etwas über die Zuchthündin und den Deckpartner erfahre ist dagegen natürlich logisch.

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