Arbeitsfreude beim Hund: Vererbt oder trainierbar?

  • Hi zusammen,

    ich habe mal eine Frage, die mich schon länger beschäftigt, seitdem mir eine Freundin von ihrer Welpensuche erzählt hat.

    Angenommen, jemand entscheidet sich für eine Rasse, die ursprünglich als Jagdhund gezüchtet wurde, heute aber eher als Familienhund gehalten wird, zum Beispiel Cocker Spaniel, Springer Spaniel, Beagle oder Lagotto. Diese Rassen bringen in der Regel mit, dass sie mit großer Motivation belohnungsbasiert arbeiten, Aufgaben lösen und sich auf Such- oder Gehorsamsübungen einlassen. Aber auch gleichzeitig, dass sie nicht gezielt in Arbeitslinien gezüchtet werden.

    Die Person möchte mit dem Hund im Verein Hundesport machen, zum Beispiel Rally Obedience oder Spürhundesport. Es geht nicht darum, auf einem hohen professionellen Level zu trainieren, aber erfolgreiche Turnierteilnahme auf Einsteiger- oder mittlerem Level sollte möglich sein.

    Meine Frage ist nun:
    Welche Rolle spielt bei der Entwicklung , dass die Elterntiere selbst sportlich aktiv waren oder im Hundesport gearbeitet haben? Spielt das eine entscheidende Rolle für Arbeitsfreude, Konzentration und Eignung des Welpen? Oder lässt sich das überwiegend durch frühes, belohnungsbasiertes Training und gezielte Förderung entwickeln?

    Interessant wäre auch der Einfluss der Epigenetik, also wie frühe Umwelteinflüsse bei den Elterntieren oder im jungen Welpenalter die spätere Motivation und Arbeitsfreude beeinflussen können.

    Ich freue mich sehr über persönliche Erfahrungen und Einschätzungen!

  • Welche Rolle spielt bei der Entwicklung , dass die Elterntiere selbst sportlich aktiv waren oder im Hundesport gearbeitet haben? Spielt das eine entscheidende Rolle für Arbeitsfreude, Konzentration und Eignung des Welpen? Oder lässt sich das überwiegend durch frühes, belohnungsbasiertes Training und gezielte Förderung entwickeln?

    Sowohl als auch, Arbeitsfreude ist ja aber nur die halbe Miete um mit dem Hund arbeiten zu können.

    Wenn ich dinge trainieren muss, die genetisch verankert sein könnten, dann fallen immer andere Dinge hinten über und ich komme nie so weit wie mit einem Hund bei dem ich das nicht erarbeiten muss.

    Desweiteres reicht motivierbarkeit alleine oft nicht aus, das langt dann nur für Arbeiten bei denen in der Tat immer eine Bestätigung erfolgt oder die Einsätze vergleichsweise kurze Intervalle darstellen.

  • Beeinflussung gibt es eine Menge, genetische und epigenetische. Darüber gibt es einige Studien. Meine Welpen durchlaufen z.B. gerade in ihren ersten 14 Lebenstagen ein Programm zur frühen Nervenstimmulation, das ganz gut erforscht ist und die Entwicklung fördern soll.

    Eine genaue Vorhersagbarkeit für den einzelnen Hund gibt es dennoch nicht.


    Ich habe hier zwei Wurfschwestern, die beide bei mir geblieben sind und die beide von mir trainiert wurden. Ihre Eignung in der Arbeit ist trotzdem unterschiedlich.

    Die eine ist immer zu 100% bei der Sache topp motivierbar mit Spielzeug und Futter, nimmt leichte Korrekturen an und macht mit Feuereifer weiter. An manchen Stellen etwas übermotiviert. Sie will srbeiten und braucht das auch.

    Die andere arbeitet auch gerne und eifrig, ist mit Spielzeug aber gar nicht zu belohnen. Sie spielt nur für sich, wenn keiner zuschaut. Futter funktioniert gut. Einen Abbruch, eine auch nur minimale Korrektur (im Sinne von "Schade, wir machen ne kurze Pause und versuchen es gleich nochmal") kann schon zuviel sein. Und wenn es ihr zuviel ist, dann bricht sie ab, hört auf.


    Grundsätzlich würde ich mich bei Züchtern besser beraten fühlen, die selbst etwas mit ihren Hunden arbeiten, das in eine ähnliche Richtung geht, die ich mir auch vorstelle.

  • Das Problem hat man bei Shelties auch, wenn man gerne sportlich aktiv sein möchte. Arbeitslinien gibt es nicht und nur wenige Züchter machen aktiv Sport mit ihren Hunden (und falls, haben sie idR ihr eher festes Hundesportklientel, an das sie abgeben).
    Nach meiner Laienerfahrung mit eigenen und anderen Shelties, ist es eine Mischung aus dem, was die Elterntiere mitgeben und einer frühen Förderung ab Welpe an.

    Die Frage ist ja, was will man erreichen im jeweiligen Sport. Wählt man eine Rasse, die grundsätzlich gut motivierbar ist, gerne mit dem Menschen zusammenarbeitet, bestenfalls gerne spielt, etwas Fokus mitbringt und man selbst wählt als Sport etwas, das nicht völlig konträr zu den Anlagen ist (also z.B. nicht Schutzhundesport mit einem Sheltie), dann dürfte es mit früher Förderung für viel gemeinsamen Spaß im Sport bei den allermeisten Rassevertretern reichen. Auch auf Wettkampf-Niveau, wenn man keine Weltmeisterschaften anstrebt.
    Ich kann ja nur vom Sheltie reden, da hatte ich schon recht unterschiedliche "Arbeitseinstellungen" des Hundes, beim Züchter diesbezüglich gefördert wurde keiner von ihnen und wirkliche Sport-Eltern hat da auch keiner. Dennoch ist Hundesport auf Turnier-Niveau problemlos mit allen möglich (gewesen). Ich denke, das gilt auch für andere Rassen, die grundsätzliche Freude an gemeinsamer Arbeit mit dem Menschen mitbringen.

  • für Arbeitsfreude, Konzentration und Eignung des Welpen

    noch kurz dazu. Jede Rasse bringt ja so ihre Baustellen mit, die Turnier-Ambitionen im Wege stehen können. Beim Aussie z.B. eine mögliche recht hohe Außenfokussiertheit oder beim Sheltie eine mögliche zu große Sensibilität. Wenn man sich Elterntiere anschaut, würde ich daher nicht nur auf "sportlich-motivierbar", sondern auch auf Nervenstärke achten und ob Außenreize recht gut ausgeblendet werden können, wenn gefordert. Und auch da spielt die frühe Förderung mit rein: meine Lotta ist ein arges Sensibelchen, ihr hat sehr geholfen, kleinschrittig in immer stressigerer Umgebung freudig-fokussiert auf die Arbeit und / oder entspannt bleiben zu können.
    Gut, das Problem wird der durchschnittliche Beagle aus deinem Anfangspost vermutlich nicht mitbringen, aber an "soft skills" sowie diesbezüglichen Baustellen hat vermutlich jede Rasse so ihre eigenen.

  • Bei den von dir genannten Rassen CS und Beagle gibt es sehr wohl noch Arbeitslinien.

    Ansonsten kann ich zum Beagle sagen, dass das Verfolgen einer Spur selbstbelohnend ist. Futter am Ende ist schön, aber es ist die Suche an sich. Auf Gehorsamsübungen lassen sich die mir bekannten Beagle eher weniger ein. Sie sind, anders als CS oder LR eigenständig jagende Hunde ohne Führerbezug.

    Mein erster Einsatzhund PSH war ein ehemaliger Laborbeagle, der als erwachsener Hund zu uns kam. Und auch mein Beagle aus dubioser Herkunft und über Kleinanzeigen gekauft, geht voraussichtlich diesen Herbst in die Einsatzprüfung.

    Mein Fazit geht in die Richtung: mach mit dem Hund einfach, wofür er geboren wurde. Dann muss ich nicht an der Motivation arbeiten.

  • Es geht nicht darum, auf einem hohen professionellen Level zu trainieren, aber erfolgreiche Turnierteilnahme auf Einsteiger- oder mittlerem Level sollte möglich sein

    Dazu vielleicht noch was. Sofern es hier nicht um Sportarten geht, bei denen ohnehin dauernd bestätigt werden darf, trennt sich an der Stellendie Spreu vom Weizen. Stichwort Prüfungsschläue, ein Hund der nur arbeitet für ein Motivationsobjekt und nicht aus dem Herzen wird sich immer seine Wege suchen nicht zu arbeiten sobald er weiß dass es sich nicht lohnt.

  • Angenommen, jemand entscheidet sich für eine Rasse, die ursprünglich als Jagdhund gezüchtet wurde, heute aber eher als Familienhund gehalten wird, zum Beispiel Cocker Spaniel, Springer Spaniel, Beagle oder Lagotto. Diese Rassen bringen in der Regel mit, dass sie mit großer Motivation belohnungsbasiert arbeiten, Aufgaben lösen und sich auf Such- oder Gehorsamsübungen einlassen. Aber auch gleichzeitig, dass sie nicht gezielt in Arbeitslinien gezüchtet werden.


    Doch werden Sie.

    Sowohl der English Cocker als auch der Springer werden auch als Arbeitshunde in entsprechenden Linien gezüchtet. Sowohl als Jagdliche Arbeitslinie als auch die Working Cocker und Springer.


    Aus eigener Erfahrung und Vergleich (Boxer vs Springer) kann ich dir sagen das meine Springer Hündin genau so arbeitsbegeistert ist wie mein Boxer-Mix war. Aber Sie unterscheidet ganz klar und viel deutlicher was die Art der Beschäftigung angeht. Alles was Ihren Anlagen entsprechend ist, ist natürlich viel viel selbst belohnender und ihre Arbeitsfreude hier viel höher (Nasenarbeit, Dummy etc.). Sie tut sich beim erlernen auch viel leichter wenn es etwas ist was Ihren Anlagen entspricht. "Tricks", egal welche, fallen ihr viel viel schwerer. Darunter fällt auch Sitz, Platz, Steh, Pfötchen etc.

    Bei meinem Boxer-Mix war alles was wir zusammen gemacht haben etwa gleich belohnend. Einfach weil er gerne mit mir zusammen was gemacht hat und keinen Fokus auf bestimmte Arbeit hatte. Er hat viel schneller und viel einfacher gelernt.

    Also Ja, natürlich spielt Genetik eine große Rolle.

  • Ich habe mich gerade noch mal zum Thema Cocker Arbeitslinien auf den aktuellen Stand gebracht. Interessant, ich dachte, es gibt außerhalb von England nur 2-3 Züchter, aber es scheint ja deutlich mehr zu geben.


    Ich finde die Bandbreite innerhalb von Würfen auch sehr interessant. Unser Kleinpudel braucht regelmäßig Beschäftigung und liebt alles, was mit Nasenarbeit zu tun hat. Dafür müssen wir ihn gar nicht belohnen, es macht ihm einfach Spaß. Im Wurf war er der ruhige, den wir dann als Hundeanfänger bekommen haben. Seine Schwester war damals die wilde Ausbrecherkönigin, die immer aktiv war, alles entdecken wollte und nicht zur Ruhe gekommen ist. Sie ist bei einem Ehepaar gelandet, die seit Jahren Hundesport mit ihren Pudeln machen. Die Hündin ist seit der Pubertät kaum noch dazu zu motivieren. Lange Spaziergänge mag sie, aber alles darüber hinaus, interessiert sich nicht. Da frage ich mich dann schon, was genau den Unterschied gemacht hat.

  • Meiner Erfahrung nach würde ich mal sagen, Motiviertbarkeit und Begeisterungsfähigkeit kann (fast) jeder Hund lernen, wenn es von klein auf gefördert wird, ob die Motivation aber auch belastbar ist, ist eine andere Frage. Das würde ich sagen, ist eher eine Frage der Genetik.

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