Welpenblues oder Fehlentscheidung?

  • Man kann sich auch ganz ohne Alkohol langsam gewöhnen und etwas liebgewinnen. Hat halt Jeder ein eigenes Tempo dabei. Die Crux entsteht genau da, wo man selbst oder Andere sich dieses eigene Tempo nicht zugestehen, sondern die Erwartung da ist, dass alles vom ersten Moment an toll ist.

  • Naja, also wenn man das alles soo schlimm findet, dann muss ich schon sagen, gib den Welpen lieber zurück, damit ihn jemand bekommt, der sich ehrlich freuen kann. Das hat der kleine Wuschel ja nicht verdient, dass man ihn sich quasi "schönsaufen" muss.

    Das würde ich aus dem beschriebenen Szenario nicht schließen. Ich bin hier die ersten zwei Wochen auch tausend Tode gestorben, meine beste Freundin durfte mich jeden Abend beruhigen, meine Betreuer, Mutter, Mitbewohner etc. ebenso.
    Auf einmal für ein Leben verantwortlich zu sein, eines dass selbst keine Verantwortung übernehmen kann und gerade am Anfang auch noch mal stärker gefährdet ist, dass ist unheimlich.
    Und die Sorge und Angst, diesem Lebenwesen das Leben zu versauen, in dem man Fehler macht, dass ist auch eine große Bürde. Auch die Angst und die Scham, andere Hundebesitzer halten einen für Unfähig oder sogar tiergefährdent ist einfach was, was man plötzlich vor Augen hat (zumindest ich).
    Es geht nicht darum, wie phöse Hundewelpen sind oder wie sehr man leidet.
    Es geht darum, Hilfe zu erfragen, auch mal einfach alles raus zu lassen und so aus dem eigenen Kopf raus zu kommen und das alles von einem anderen Standpunkt zu sehen, denn in dem Moment wo einen das Selber trifft, fühlt man sich einfach hilflos und noch schlimmer; man fühlt sich als würde man ein hilfloses Lebewesen schädigen und traumatisieren (war zumindest bei mir so).
    Klar ist das alles nur die Umstellung und Schlafmangel und Hunger und Durst und das trifft jeden anders.
    Aber es ist schon nicht unwichtig, dass man da auch ein bisschen gefangen wird. Am besten natürlich vom Sozialen Umfeld aber mir hat das Forum hier extrem geholfen, weil hier halt so viele Hundehalter sind, die klar sagen "Ey, atmen, mal ne Stulle essen, Hundetier ankommen lassen." und einem damit halt auch das Gefühl geben, dass hier gerade nicht die Welt untergeht.

    Jeder Mensch ist emotional anders gestrickt und geht mit Veränderungen anders um. Jeder geht anders damit um, wenn er eine Verantwortung hat, auf die er sich zwar vorbereitet hat, dann aber doch irgendwie anders ist, wenn man damit konfrontiert ist.
    Das muss man nicht immer nachvollziehen können, das ist okay.
    Jeder ist anders, dass macht die Welt ja so interessant.

  • Wo wäre denn dann bei dir der Punkt erreicht, ab dem du sagen würdest, das ist kein Welpenblues mehr?


    Ich kann teilweise nachvollziehen, dass man sich eingeengt fühlen kann von der eigenen Entscheidung. Jede Entscheidung für etwas ist eben auch eine Entscheidung gegen etwas. Und dann sage ich mir, man kann nunmal nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Damit sind für mich Zweifel meistens abgehakt. Steht man zu der Entscheidung und es fühlt trotzdem sich an wie Achterbahn, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man genießt die Fahrt oder man klammert sich ängstlich fest und malt sich Katastrophen aus, die sehr wahrscheinlich nicht eintreffen werden. Die Entscheidung liegt immer bei einem selber.


    Aber wenn da tatsächlich gar keine Freude ist (schreibt sie ja so nicht, sie schreibt ja, dass sie den Welpen schon liebgewonnen hat), wenn man sich die Entscheidung schönreden muss (jetzt mal unabhängig vom Welpen) und das Ganze nur wie einen Fremdkörper empfindet, dann weiß ich nicht, ob das nicht weit über "ich muss mich erst an die Verantwortung gewöhnen" hinausgeht.

  • Ich weiß jetzt nicht genau, was der Babyblues ist, ist das gleichzusetzen mit einer postnatalen Depression? Dann wäre es echt vermessen, den Welpenblues damit gleichzusetzen.

    Nein, Babyblues und Wochenbettdrepression sind nicht gleichzusetzen. Babyblues dauert nur wenige Tage und verschwindet dann ebenso schnell wie er gekommen ist. Die Depression kommt meist nicht so plötzlich und dauert viel länger an. Die muss eben auch engmaschig begleitet und im Zweifel medikamentös behandelt werden.


    Ich vermute mal, dass (neben der Hormonumstellung nach Geburt) das Bewusstsein über die Verantwortung die man übernommen hat, eine Rolle spielt. Und bei der Eheschließung ist es ja auch eine Entscheidung, die sich nicht mal eben ohne Verluste (emotional und monetär) rückgängig machen lässt.


  • Bei mir geht es meist einfach: Ich stell mir vor, mein Hund wäre weg. Ich geh da richtig in mich, in einer ruhigen Minute. Wie fühle ich mich damit? Wenn es mir egal ist oder gut dabei ginge, dann heißt dass, es ist kein Welpenblues, ich bereue den Kauf.

    Tut es mir weh, macht mir der Gedanke sogar Angst weil ich merke, ich möchte ihn nicht verlieren? Dann habe ich Welpenblues.

    Ob das jetzt bei anderen auch klappt, keine Ahnung.


    Ich verstehe, was du meinst. Aber nicht jeder kann so mit seinen Emotionen umgehen. Für viele ist das kein Ansatz, was ja nicht heißt, dass du oder andere was falsch machen. Nur das es in jedem anders aussieht.


    Dass natürlich, wenn da gar keine Freude ist, man nochmal mit Abstand drauf gucken muss, ist klar. Manchmal hats nicht immer was mit dem Welpen an sich zutun bzw. mit dem Welpen "haben" sondern der Casus Knacktus liegt woanders, aber das ist dann jenseits von Hundehalter sein und gehört hier glaub ich so gar nicht hin (Also da wo mich der Gedanke dann weiter führen würde, gehört hier nicht hin).

  • Ich hab sowas bei Freunden erlebt. Es geht nicht ums Gewöhnen an die Verantwortung, sondern daran, dass auf einmal alles anders ist, was Fremdes da ist. Und um die Konfrontation von hoch angesetzten, ggf. schon sehr gut ausgemalten Erwartungen und Fantasien vom Leben mit Hund einerseits und aktueller Realität andererseits. Und die Sorge, was falsch zu machen. Die Unsicherheit, weil man nicht genau weiß, was richtig und falsch ist und gefühlt von 10 Leuten 15 völlig widersprüchliche Meinungen hört. Ggf. Grübelei, Schlafmangel, über den Haufen geworfene gewohnte Tagesstruktur, Zweifel, ob man dem gewachsen ist und, und, und …


    Mit Planungssicherheit kann man bei Welpeneinzug erstmal nicht rechnen. Der Eine braucht das nicht, plant und grübelt vielleicht eh nicht so viel und ist ggf. auch recht unbeleckt von Selbstzweifeln und Selbstkritik. Der Andere braucht mehr Sicherheit, oder mehr Routine, oder länger, um sich anzupassen, grübelt mehr und zweifelt mehr an sich selbst, lässt sich verunsichern und braucht deshalb einfach etwas länger. „Is net eenes wie et annere“ hätte meine Oma jetzt gesagt. Gottseidank.

  • Babyblues und postnatale Depression sind glaube ich schon zwei komplett unterschiedliche Dinge.

    Bei einer postnatale. Depressionen bist du, soweit ich weiß in einer "richtigen" Depression ("" nur für eine bessere Veranschaulichung, nicht weil ich Depressionen klein reden will). Beim Blues eher um eine Überforderung. Und damit sind das zwei grundverschieden Probleme. Blues kann sich in eine Depression verwandeln.


    Beim Welpen-, Baby-, Hauskauf-, etc-Blues ist es glaub ich die Verantwortung die einen plötzlichen einholt und zweifeln lässt und man Gerät in die overthinking Spirale. Man hat sich das alles so und so ausgemalt und die Realität sieht für einen selbst plötzlich ganz anders aus. Daher finde ich es, persönlich, gar nicht schlimm dass mit babyblues zu vergleichen.


    Beim Hauskauf sind es vielleicht die Raten die einem plötzlich Angst machen, ob man die stemmen kann, ob das nicht alles ein riesiger Fehler war, beim Welpen die Verantwortung ob man daraus wirklich einen halbwegs umweltkompatibelen Hund zusammen bekommt.

  • Ich finde ein großer Unterschied ist hier dass sie nie gesagt hat, dass sie der Welpe stört! Nur, dass ihr die Situation gerade zu viel ist und ich finde es ehrlich gesagt ziemlich anmaßend über die Gefühle von jemanden zu urteilen. Es gibt stark emotionale Menschen bis wenig emotional. Ich bin auch jemand der bei Stress ich ganz schnell darin verliert, so wie die TE es scheinbar auch ist.


    Mal zum Vergleich die Kollegin meiner besten Freundin hat sich einen Hund gekauft ohne vorher auch nur 1 Sek nachzudenken und 2 Wochen später hat sie ihn abgegeben weil (und das sind ihre wahren Worte gewesen) der ja zu aktiv ist und nachts immer raus muss.


    Also da sieht man schon einen extremen Unterschied. Die TE hat sich nie negativ über ihren Hund geäußert sondern einfach nur mal ihren Frust runtergeschrieben. Und zudem sagte sie, dass sie schon viel zum Thema Welpenblues gelesen hat, also sich darin scheinbar immer weiter verloren hat.


    Es geht hier um eine Person, die sowieso gerade schon gut mit sich zu tun hat, da muss man nicht auch noch über sie urteilen

  • Ich kenne diese Gefühle auch. Als Baku bei uns einzog, ging es mir die ersten Wochen richtig schlecht. Ich muss aber dazu sagen, dass bei mir auch eine Angsterkrankung zugrunde liegt. Von daher nicht ganz vergleichbar.

    Aber ich hab mir permanent Gedanken gemacht, ob ich alles richtig mache, ob ich dem Hund gerecht werde ob ich das alles schaffe. Die Verantwortung empfand ich als riesengroß. Auch die Veränderung meiner Routine machte mir schwer zu schaffen. Ich hab mir nicht nur einmal überlegt, den Hund wieder zurück zu geben. Bei mir wurde es erst besser, als sich alles etwas eingespielt hat und eine gewisse Routine eingekehrt ist.

    Irgendwann war alles ganz normal und diese ganzen negativen Gedanken und Ängste waren weg. Wie gesagt, die Ausgangslage ist durch meine Ängste sicher anders, aber ich wollte dir einfach sagen, dass ich dich sehr gut verstehen kann und nachvollziehen kann, wie es dir geht.

    Mir hat am besten geholfen, mal was für mich alleine machen, mich nicht nur auf den Hund konzentrieren.

    Ich bin sicher, du schaffst das !!

    Fühl dich gedrückt!

  • Ich finde ein großer Unterschied ist hier dass sie nie gesagt hat, dass sie der Welpe stört! Nur, dass ihr die Situation gerade zu viel ist

    Danke DaisyMaisy genau das habe ich auch aus dem Eröffnungsbeitrag herausgelesen. Das ist auch der Grund, warum ich hier 100% optimistisch bin, daß die TE aus ihrem momentanen Stimmungstief herausfinden wird.



    Es gab hier im Forum gelegentlich auch schon andere Fälle, wo der Welpenblues eher ein Hinweis auf eine real suboptimale Hundeanschaffung war.

    Aber meistens steht so wie hier einem erfüllenden Leben mit Hund nichts entgegen, wenn man sich selbst die Zeit gibt. Dann geht der Blues von selbst vorbei und die Freude am Hund kommt.


    Bei Cara hatte ich nicht so sehr den Blues im eigentlichen Sinne, aber ich vermißte lange das innige Verhältnis, das mich mit ihrer Jahrzehnte früher verstorbenen Vorgängerin Nuja verbunden hatte. Cara war niedlich, aber doch noch fremd und außerdem mein erster Welpe. Mit der Zeit wuchs die Freundschaft und Verbindung und Cara wurde ebensosehr mein Herzenshund wie es Nuja gewesen war.

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