Angsthund der sich nicht anfassen lässt - welchen Ansatz nehmt ihr um das Vertrauen zu gewinnen

  • Hallo Zusammen,


    da ich selbst momentan mit einem Hund arbeite der sehr unsicher ist - vor allem im Kontakt mit Menschen - würde mich mal interessieren, wie ihr vorgehen würdet um das Vertrauen zu gewinnen.

    In meinem Fall ist es so, dass der Hund als Welpe und auch Junghund nichts kennengelernt hat und eine große Unsicherheit vor allem gegen Menschen entwickelt hat.

    Anfassen, anleinen etc. gestalten sich schwierig - streicheln lassen geht kaum bis gar nicht.


    Es gibt ja immer mehr Angsthunde - oftmals aus dem Ausland oder aus sonstiger schlechter Haltung.


    Hattet ihr solch einen Hund und wie habt ihr geschafft das Vertrauen aufzubauen.


    Freue mich über einen Austausch


    Gruß

    Isi

  • Armes Viech. Wie lange habt ihr ihn schon?


    Streicheln würde ich streichen erstmal. Das ist im Grunde auch "unnötig" für den Hund. Ich würde warten, ob der Hund in ein paar Monaten selbst mal Kontakt aufnimmt, Körperkontakt will und dann für "ok" befindet. Und wenn nicht, wäre streicheln das, was ich auf der Prioritätenliste bewusst ganz nach unten setzen würde.


    Ich würde ein möglichst bequemes Geschirr mit Hausleine anmontieren, die Hausleine fürs Gassi mit einer richtigen Leine ergänzen oder austauschen (ohne dabei den Hund anzufassen) und ansonsten möglichst normalen Alltag um den Hund herumleben, die Menschen bewegen sich normal im Haus.

    (Was passiert dann eigentlich,verkriecht sich der Hund unterm Bett und nimmt nicht teil? Das würde ich zu verhindern versuchen. Der Hund soll einen Rückzugsort zum Beobachten haben, wo er ungestört ist, aber er soll schon irgendwie dabei sein müssen.)

    Ich würde hoffen, dass Menschen über füttern und verlorene Wurststücke interessant werden, wenn man der Angelegenheit ein paar Wochen gibt.


    Meine eigene Erfahrung dazu: Der beste Hund von allen, Shelterwelpe halt, ist der ängstlichste, den ich bisher kenne. Ich würde die nicht als Angsthund bezeichnen, weil ich "Angsthund" nicht verharmlosen will, aber wir hatten hier auch Probleme, die ich vorher nur theoretisch kannte (weil das die "normale" hündische Interpretation von Körpersprache ist):

    Drüberbeugen - Hund wirft sich auf den Rücken und schreit.

    In Richtung Hals fassen (Anleinen und so) - Hund weicht entsetzt zurück.

    Auf den Hund zugehen (muss man halt öfter) - Hund will flüchten.


    Wir hatten einen guten Start, weil der beste Hund von allen uns schnell toll fand und Aufmerksamkeit mag. Wir haben sie systematisch gegen das abgestumpft, was ihr Angst gemacht hat. Also z. B. spielerisch immer ein bisschen weiter drüberbeugen, wenn der Hund sich gerade gut/sicher/abgelenkt gefühlt hat.

    Drüberbeugen war nach kurzer Zeit nicht mehr schlimm, paar Wochen.

    In Richtung Hals fassen war mehrere Monate mindestens unangenehm.


    Auf den Hund zugehen, hm. Ich glaube, das löst immer noch was aus, wenn man's "falsch" macht. Es ist aber größtenteils dadurch überschrieben, dass albern geducktes Anschleichen an den Hund (also die klassische Drohhaltung eigentlich) hier eine Spielaufforderung von mir geworden ist, woraufhin der Hund eine Scheinattacke auf mich zurennt und wir dann beide anfangen rumzuhüpfen.


    Völlig unkorrigierbar: Wenn man ein Leckerchen in ihre Richtung wirft, kommt die überhaupt nie auf die Idee, man könnt es fangen. Da weicht sie erschrocken aus.

    Mit dieser Sorte "Problem" mag ich aber gern leben müssen :)


    Nachtrag: Wie ist das denn bei deinem Hund, ist irgendeine Form von Spielen möglich und wenn ja, welche?

  • Ich lass die Hunde komplett in Ruhe und lebe meinen Alltag weiter.

    Kein Locken! Kein Anfassen was nicht notwendig ist.


    Geschirr bleibt erst Mal halt am Hund. Wenn selbst Anleinen schwer ist, dann eben mit Hausleine.


    Die meisten Hunde brauchen einfach Zeit und niemand der sie bedrängt! Der Rest kommt meistens von allein.

  • Takeo hatte eine Schmerzverknüpfung mit mir, weil die Panostitis zu spät erkannt wurde und er nach dem Spielen und Herumtollen mit mir, Schmerzen hatte.


    Ich habe Berührungen vermieden und ihn nur "zufällig" mal wo berührt. Zuerst für eine Sekunde, dann für zwei.usw.


    Als der Kontakt wenigstens beim Maulkorb und Halsband anlegen wieder möglich war, hatte ich mich ihm auf diese Weise auch Stück für Stück genähert, bis so etwas wie Streicheln möglich war. War eine mühsame Zeit, aber er kuschelt nun mit mir und liebt es gekrault zu werden.

  • Einfach den Hund die Zeit geben die er braucht und den Alltag weiterleben.


    Kira kommt nach einem Jahr immernoch an.

    Nach einem viertel Jahr hat sie selbst entschieden wo sie liegen wollte. Das war der für sie sicherste Ort hinterm Bett. Da hat sie nach wie vor ihre "Chillout Lounge". Davor mussten wir ihr sagen wo es hingeht bzw. ist sie einfach zum nächstgelegenen Körbchen und blieb dort bis es mal raus zum Gassi ging oder Fressen gab. Nach ca. einem dreiviertel Jahr kam sie dann aus Ihrer Ecke zu uns ins Wohnzimmer, immerhin gabs hier ab und zu was aus der Küche für sie. Jetzt nach über einem Jahr liegt sie auch gern bei uns auf der Couch und bewegt sich, wenn auch zögerlich frei in der Wohnung.


    Ob sie Streicheleinheiten mag oder nicht, können wir nach wie vor nicht einschätzen. Auf der Couch sucht sie manchmal Nähe und wird gekrault. Sie macht aber dabei nicht den Anschein, dass sie das so richtig genießt. Schlecht findet sie es glaube aber auch nicht.

    Anfangs sind wir natürlich auch immer wieder mal hin zum schauen und u.U. mal kurz tätscheln. Das sein zu lassen ist auch echt schwierig, aber man sollte es einfach auf das nötigste begrenzen.


    Gewisse Routinen, wie Gassigehzeiten und Fütterungszeiten geben dem Hund Sicherheit. Wenn wir Urlaub haben, man unterwegs ist, die genannten Zeiten sich ändern, merkt man deutlich, dass Kira gestresst ist auf Dauer.

  • Hallo,


    vorab der Hund ist nicht bei mir, der ist im TH und ich arbeite dort mit ihm

    Bisher war die TH-Leiterin an ihm dran (3 Monate) und bei ihr ist er mittlerweile auch ein "normaler" Hund.

    Beim Spazierengehen ist er auch nicht so unsicher... es ist tatsächlich bei Menschen so extrem.


    Ich mach es auch so, dass ich im alle Zeit der Welt gebe, er nimmt bspw. Leckerchen gut an und das auch draußen. Ich bin der Typ Mensch, der einen Hund nicht bedrängt, ich habe es immer so gemacht, dass ich auf ein Zeichen vom Hund gewartet habe.. also dass er auf mich zukommt. Bin damit eigentlich auch immer sehr gut gefahren.


    Ich laufe mit ihm schöne Runden, lass ihm alle Zeit draußen alles zu erkunden. Wenn er Nähe sucht - bspw. wenn es im unangenehm ist wenn Leute hinter uns laufen, gehe ich auf die Seite und lass die Leute vorbei, da ist es auch schon vorgekommen, dass er sich anfassen lassen hat. Keine Ahnung ist bei mir auch so "automatisch" passiert, dass ich ihn leicht an der Seite gestreichelt habe - war in dem Moment auch kein Problem für ihn.


    Eine Hausleine hat er immer an, weil am schlimmsten ist für ihn wenn man Richtung Halsband fasst.


    Ist natürlich auch schwieriger wenn man nicht jeden Tag mit dem Hund zu tun hat... aber er geht mittlerweile gerne raus und kann das auch genießen. Draußen ist er echt ziemlich locker und kommt auch immer öfter freiwillig auf einen zu um vielleicht was abzustauben.


    Er brauch auf jeden fall noch richtig Zeit.

  • Geschirr kennt er noch nicht, das ist eins der Dinge die man noch mit ihm üben muss.

    Aber mit der Hausleine geht es ganz gut.


    Man merkt, dass er immer mehr die Nähe sucht. Auch wenn man Hunden begegnet die pöbeln sucht er Schutz - entweder eng am Bein oder auch hinter einem.

    Wenn seine Hundefreundin mit ihm im Hof läuft ist er ein komplett anderer Hund, total aufgeschlossen, lustig drauf - richtig schön.


    Demnächst soll er auch mal Maya kennenlernen.

  • Also durch meine Gassigeherei im TH habe ich ja immer wieder neue Kandidaten und Charaktere. Ich lass die prinzipiell immer erstmal in Ruhe. Kommen sie auf mich zu ist es ok. In der Regel mach ich es bei neuen Hunden immer so, dass ich erst einfach nur stumpf mit ihnen ein Stück laufe, mich dann irgendwo hinsetze und abwarte ob sie zu mir kommen. Dieser Weg hat sich in den letzten Jahren eigentlich auch immer bewährt. Da waren auch unsichere Hunde dabei, aber halt nicht so extrem wie mein jetziger Bub. Der tut mir echt leid.


    Spielen tut er bisher nur mit einer Hündin... mit Menschen nicht.


    Aber beim Spaziergang bissel gemeinsam rennen macht ihm mittlerweile Spass, da fängt er dann auch an bissel rumzualbern.

    Er hat halt wirklich nichts kennengelernt... schrecklich, um so erstaunter bin ich eigentlich dass er draußen nicht so eine Schissbüxe ist.

  • Wenn er sich draußen entspannen kann und Nähe sucht, ist das doch schon super, da brauchts vermutlich einfach ein wenig mehr Zeit.


    Für Gassihunde: Ich weiß nicht, wie das Tierheim bei Euch so drauf ist: Ich hatte für die Bangbüxen eine Sonderdispens und durfte Leckerchen geben, normal war das verpönt. Also hatte ich immer was Tolles mit, konnte nur einmal in der Woche, weil sonst zu den Öffnungszeiten ich entweder arbeiten musste oder kein Gassigehen.


    Bei mir wurde das Rausgehen am Geschirr in der Anfangszeit durchgesetzt, das war Auflage vom Tierheim. Die Freude beim Hund kam jeweils erst nach einer gewissen Zeit. Ronja durfte mit, die war sehr cool als „Anker“ und Kommunikationshilfe. Es gab Leckerchen, Kontakt habe ich komplett auf mich zukommen lassen und den Hund an der Leine machen lassen, mit einer Ausnahme: Verhaltensstereotypien habe ich sanft unterbrochen, also habe beim Kreiseln oder Schwanz beißen erstmal Aufmerksamkeit gesucht, hat das nicht funktioniert, bin ich in den Weg getreten und dann freundlich/bestimmt zügig weitergelaufen.


    Bei meiner eigenen Angsthündin gabs Ruhe, Sicherheit durch Tagesstruktur, gut gefüllte Näpfe und gepolsterte Kuschelplätze und Rückzugsmöglichkeiten, „zufällig“ kullernde Leckerchen und wir haben sie auf uns zukommen lassen.

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