Erfahrungen mit unsicheren, schlecht sozialisierten Hunden?

  • Hallo,

    unsere Hündin Kiwi ist aus dem Tierschutz. Zu ihren ersten Lebensmonaten wissen wir nicht viel. Sie hat angeblich die ersten 4 Monate mit dem Wurf und der Mutter in einem Garten gelebt und wahrscheinlich wenig kennen gelernt. Der Besitzer hätte die Welpen getötet, wenn sie der Verein nicht genommen hätte. Also kann man sich schon vorstellen wie der mit den Welpen umgegangen sein wird. Sie kam dann auf einen super Pflegeplatz und mit etwas über 6 Monaten haben wir Kiwi übernommen.


    Wir haben viele Baustellen mit ihr und fast alle sind darauf zurückzuführen, dass sie sehr unsicher & reizempfänglich ist. Ich erzähle euch mal von den zwei Themen, die mir am meisten zusetzen. Bei den Spaziergängen müssen wir immer aufmerksam sein und sie managen. Sie bellt andere Menschen & Hunde an, was durch viel Training schon wesentlich besser geworden ist. Gerade Männer geht sie aber manchmal immer noch an. Sie geht lautstark nach vorn und würde sie wahrscheinlich mit der Schnauze anstupsen, wenn man sie lassen würde. Gebissen hat sie noch niemanden, aber ich leg meine Hand nicht für sie ins Feuer. Wir leben übrigens mitten in der Stadt, dh Menschen und Hunde begegnen uns ständig.


    Unser schwierigstes Thema ist das Alleine bleiben, an dem wir von Anfang an gearbeitet haben. Da wir mit der Trainerin nicht weitergekommen sind, haben wir seit 6 Monaten auch eine Verhaltenstherapeutin und üben täglich. Kiwi hat keine Trennungsangst, es muss nur immer jemand bei ihr sein. Dabei ist es egal, ob wir das sind oder eine andere Person. Derzeit arbeiten wir daran, dass sie sich entspannt, wenn wir im Nebenzimmer sind und sie durch ein Kindergitter von uns getrennt ist. Es ist also noch ein langer Weg bis wir überhaupt mal aus dem Haus kommen werden. Aufgrund von Corona arbeiten mein Freund und ich hauptsächlich von daheim aus, aber wenn sich die Lage wieder normalisiert müssen wir wieder 5 Tage die Woche in die Arbeit gehen. Kiwi mitnehmen ist keine Option.


    Das alles stresst mich gewaltig. Ich mache mir Sorgen, dass Kiwi vielleicht nie lernen wird ein paar Stunden alleine zu bleiben. Wir haben zwar ein paar Hundesitterinnen bei denen sie auch total gerne ist, aber dauerhaft kann ich mir nicht vorstellen immer auf einen Sitter angewiesen zu sein, wenn ich das Haus verlassen will. Aufgrund von Kiwis Unsicherheit ist sie auch kein Hund, den man problemlos überall mitnehmen kann, da sie draußen oder in ungewohnter Umgebung (noch) nicht entspannen kann.


    So und nun zu meiner Frage an euch: wie sind eure Erfahrungen mit unsicheren Hunden? Sind eure Hunde mit der Zeit ruhiger geworden? Kiwi ist erst knapp über ein Jahr alt und ich frage mich, ob die Hoffnung besteht, dass sie entspannter wird, wenn sie älter wird.

    Da wir nahezu jede Woche mit unserer Trainerin im Austausch sind und bereits Trainingsstrategien haben bin ich vor allem an euren Erfahrungen interessiert. Trainingstipps helfen mir eher weniger.


    Danke und liebe Grüße

    Nici

  • Wie lange ist sie da, wie alt ist sie?


    Wie sieht das aus, wenn Ihr mit dem Hund zusammen Zuhause seid? Wo hält der sich auf?


    Und noch eine ganz wichtige Frage: Wie lange und entspannt schläft sie tagsüber?


    Wie oft und lange geht Ihr raus?

  • Hey :winken:

    Ich hab' auch sowas in der Art gleich neben mir :smile: und es gab auch mal die Frage, ob sie jemals allein sein kann.
    Frage: kann Kiwi in Deiner / Eurer Anwesenheit allein sein?

    Übt Ihr das irgendwie in Anwesenheit?

  • Da kann ich ein Liedchen singen!

    Unsicher, Tierschutzhund, etc


    Super, dass ihr im Training steht und eine Verhaltenstherapeutin euch begleitet! Wie geht ihr beim täglichen Üben vor?


    Wie reagiert Kiwi auf aktives Wegschicken? Wie nimmt sie das an?

    Mir ist das anfangs auch total schwergefallen, deutlich und für meinen Hund verständlich zu kommunizieren.

    Anfangs habe ich auf Rat einer Trainerin alle möglichen Hilfsmittel gekauft, von Relaxodog, bis Enstpannungsdüfte zur Konditionierung - das hat bei meinem Hund alles 0,0% gebracht. :ka:


    um dir etwas Mut zu machen: mein Hund kann jetzt mit seinen 2 Jahren ein paar Stunden alleine sein. Ohne Bellen, Tür zerkratzen oder sonstiges Theater. Und der hatte massive Trennungsangst.

  • Hallo,

    ich warte erst mal bis die oben genannten noch offenen Fragen beantwortet sind aber japs, hab hier auch eine schlecht sozialisierte TS Hündin.

    Ab Geburt an in Rudelhaltung in einem eher schlecht als rechten Tierheim im Ausland, mit 6 Monaten PS, mit 7 Monaten zu mir.


    Alleine bleiben war auch ein Thema und sämtliche Umweltreize.

    Alleine bleiben haben wir in klitzekleinen Schritten geübt, ich rede hier von Tür für 2 Sekunden schließen, über irgendwann mal alleine aufs Klo und Duschen gehen können, Briefkasten und zurück, Keller, und dann irgendwann mal weiter.


    Inzwischen ist sie schon erwachsen (wird 5), alleine bleiben ist nach wie vor nicht ihr Favourite aber es funktioniert auch mehrere Stunden.

    Zudem ist sie inzwischen Schusssicher, alle Ängste von Staubsauger über Mülltonnen usw wurden bewältigt.

    Also ja, es wird besser, aber ja, es steht Arbeit dahinter!


    Ich muss bis heute immer managen, vor allem im Freilauf. Wenn ich dazu keinen Nerv habe, gibts reizarme Gassigänge an der kurzen Leine ohne viel Publikum.


    Ansonsten jetzt mal allgemein gehalten - dran bleiben und Zeit lassen! meine hat gewaltige Entwicklungssprünge nach 2 Monaten bei mir, nach 1 Jahr und nach 2 Jahren gemacht. Gewisse Probleme waren dann plötzlich einfach weg. :)

  • flying-paws Kiwi ist 14 Monate alt und seit 8 Monaten bei uns. Sie hält sich die meiste Zeit im Wohnzimmer auf dem Sofa auf. Zuhause kommt sie sehr schnell runter.

    Zwischen den aktiven Phasen hat sie immer wieder ein paar Stunden, wo sie am Sofa schläft.


    Morgens circa 20 min. Da ist sie am unsichersten und sträubt sich auch öfters mal weiterzugehen, daher halten wir den Spaziergang kurz. Mittags und am späten Nachmittag gehen wir noch mal je nach Zeit zwischen einer Stunde und 30 min und vor dem Schlafen gehen noch mal vor die Haustür. Zum Auspowern geht mein Freund ab und an mit ihr Laufen oder in eine Hundezone z.B. zum Frisbee spielen. Wir merken, dass sie vor allem nach einer intensiveren Einheit draußen ruhiger ist. Das hält nur leider nicht sehr lange an.


    Tröti und hat sie es letztendlich gelernt?

    Du meinst wenn wir z.B. im Nebenzimmer sind? Genau das üben wir gerade. Kiwi ist im Wohnzimmer. Wir geben ihr für den Beginn eine Beschäftigung und setzen uns in einen Nebenraum, sodass sie uns noch sehen bzw. zumindest hören kann und sie ist durch ein Kindergitter von uns getrennt. Das klappt oftmals nach anfänglichem Fiepen schon sehr gut und sie spring aufs Sofa und entspannt sich. Das haben wir auf bis zu 40min ausgeweitet. Was sie auch schon gelernt hat ist am Sofa zu bleiben, wenn mal kurz rausgeht und hinter sich die Türe zumacht. Das ging die ersten Monate gar nicht.


    Krambambuli was meinst du mit aktivem Wegschicken? In welchen Situationen? Danke, das macht mir Mut :). Schön, dass er es gelernt hat! Kiwi bekommt seit 3 Monaten ein Medikament, das ihre Ängste etwas unterdrückt. Das ganze wird von der Verhaltenstherapeutin begleitet. Seither hat Kiwi schon gute Fortschritte gemacht.


    Enski danke für deine Nachricht und deine ermutigenden Worte. Bei Kiwi ist das Spannende, dass sie weniger Angst hat, als unsicher ist. Und vor allem ist sie wahnsinnig neugierig. Beispiel Staubsauger, wenn man ihr ein wenig Zeit gibt und sich den Dingen gemeinsam nähert und ihr zeigt, dass sie ungefährlich sind, erledigt sich vieles schnell. Was du schreibts ist glaube ich total wichtig. Wenn man eh schon merkt, dass das Nervenkostüm heute etwas dünner ist, dann lieber weniger machen. Das hab ich auch schon festgestellt. Dann bespaße ich sie lieber daheim etwas intensiver.

  • und hat sie es letztendlich gelernt?

    Ja.
    Allerdings war's so arg dass ich ernsthaft einen dritten Hund als Gesellschaft in Erwägung gezogen habe :mute:
    (Tess kann nicht immer mit, stressbedingt).


    Ich würde all die Action weglassen. Ersatzlos streichen.
    Ich würde maximal einmal am Tag mit ihr eine langweilige Runde drehen und das keinesfalls länger als eine Stunde.
    Die restlichen Mal einfach nur zum ausleeren rausgehen

    (je nach Gegend ist das auch schon schnell eine halbe Stunde, ich kenn' das auch).


    Bei mir gäb's weder Frisbee noch Hundewiesengetümmel :no: das tut oft nur uns Menschen gut ;)
    Auserwählte Hundekontakte ja, wo's ums schnüffeln und einfach zusammen etwas erkunden geht.

    Ansonsten würde ich mal eine ziemliche Zeit lang überhaupt gar nichts machen. Nur langweilig sein und ausruhen :smile:

    Mal bügeln im andern Zimmer, mal den Hund dabei wegschicken.
    Mal Tür offen dabei, mal Tür zu (ups, gar nicht bemerkt...).


    Ruhe ist wichtig.
    Dein Hund müsste wohl erst mal runter vom Frisbee-Hundekumpelspiel-Stress.

    Wäre zumindest mein Weg :smile:

  • Zitat

    Gerade Männer geht sie aber manchmal immer noch an. Sie geht lautstark nach vorn und würde sie wahrscheinlich mit der Schnauze anstupsen, wenn man sie lassen würde. Gebissen hat sie noch niemanden, aber ich leg meine Hand nicht für sie ins Feuer.

    Nicht anstupsen. Mindestens abschnappen.


    Ihr kennt meine Einschätzung, dass ich sie für einen potentiellen Zuschnapper halte. Das ganz wertungsfrei. Die Kleine ist entzückend. Aber sie reagiert zb stark auf Bewegungsreize und ist schon etwas vorwärts gerichtet.

  • Grundsätzlich ist ein Mitthema vermutlich die Wohnumgebung. Die ist für einen Hund mit Problemen in der Reizverarbeitung ziemlich, ziemlich anspruchsvoll.

    Rüde 2 hat etwa über ein Jahr gebraucht, nur um den Block sowas wie entspannt zu sein. Unterwegs waren wir zwar mehr, aber mental war (und ist) der zb oft am Limit oder drüber. Eine ganze Weile war er das nach 10, 15 min schon.


    Wär für Euch zb langfristig denkbar, wo anders hin zu ziehen? Gibt auch in Wien wesentlich ruhigere Ecken.

  • Tröti Danke für deine Anregungen. Wir achten darauf, dass Kiwi ganz viel Ruhe bekommt. In eine weitläufige Hundezone in der wir Kiwi auch gut managen gehen wir 1x die Woche. Das tut ihr und uns gut. Sonst könnte sie auch nie frei laufen oder mit anderen Hunden spielen. Ich bin außerdem der Meinung, dass man einem Hund vor allem auch draußen spannende Beschäftigungen bieten sollte. Das tut der Bindung gut.


    Hallo @pinkelpinscher , schön von dir zu lesen! Du kennst die junge Dame ja in Action. Langfristig können wir uns schon vorstellen woanders hinzuziehen, aber nicht in den nächsten Monaten. Schon gar nicht solange Kiwi nicht alleine bleiben kann. Wir haben in der Umgebung ein paar super Dogsitterinnen, ohne die es in Zukunft nicht gehen wird.

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