Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war

  • Seit 11 Wochen haben wir ja auch einen Hund zuhause - keinen Welpen sondern "erwachsen" aus dem Tierheim.
    Im Grunde ein "Anfängerhund" mit kaum "Macken".


    Und trotzdem hatte/habe ich eine Art "Welpenblues".
    Die ersten Tage war es schon "schlimm".
    Das Gefühl, niemals wieder die Augen von ihm abwenden zu dürfen, weil man sonst ein schlechter Besitzer ist, weil das arme Tier sich ja irgendwas tun könnte.
    Das Gefühl, nicht mal in Ruhe zur Toilette gehen zu können (er könnte ja die Stromkabel annagen oder sonst irgendwas sein) geschweige denn auch mal 1 - 2 h ohne den Hund irgendwas zu unternehmen.


    All die Fragen nach "welche Hundeschule" "welches Futter" "wie lange ist die perfekte Gassistrecke, um ihn nicht zu überfordern aber auch nicht zu wenig zu beschäftigen" und so weiter und so fort.


    Ich gebe @Helfstyna recht, ich glaube nicht, dass Menschen früher so leicht kirre zu machen waren wie heute.
    Meine Mutter hat das ganz nett formuliert mit "wenn man keine Probleme hat dann macht man sich welche" - das klingt total böse, aber weil ich selbst "betroffen" bin wage ich mich mal soweit vor zu sagen, das stimmt zum Teil schon ;)


    Bei all meinen anderen Tieren (gestaffelt nach Größe waren das in meinem Leben bisher Zwerghamster, Hamster, Meerschweinchen, Kanninchen, Katzen und Pferd) habe ich nicht im entferntesten so einen "Aufriss" gemacht wie jetzt bei Mr. Hund - und um ganz ehrlich zu sein glaube ich, dass das weder mir noch ihm gut tut.


    Was mir geholfen hat: Die Kirche im Dorf lassen ;) (der meist gesagte Satz meines Mannes in den letzten Wochen ist "herrje, das ist nur ein Hund"), sich einfach freuen, dass er da ist und wenn mal irgendwas nicht 100% so ist, wie es im Buch oder in Foren "verlangt" oder beschrieben wird dann ist es auch okay - davon fällt niemand tot um.
    Es ist okay, mal NICHT auf den Hund zu schauen und es ist okay, mal SICH wichtiger zu nehmen als das Tier an Deiner Seite - das heißt nämlich nicht, dass Du es nicht lieb hast sondern nur, dass Du Dich auch selbst magst ;)

  • Also bei mir war es auch so, dass ich mich einfach durch die "Zu-viel-Information" im Vorfeld selbst so immens unter Druck gesetzt habe, dass ich in den diesen Welpenblues gekommen bin.
    Und das machen die erfahrenen Hundebesitzer nicht besser, indem sie sagen, dass man spinnt. Klar ist es (jetzt im Nachhinein gesehen) völlig überzogen, so einen Aufriss um den Hund zu machen.
    Aber durch das viele Lesen und Informieren (auch bei diesen erfahrenen Hundehaltern) ist man auch einfach überfordert. Überall kriegt man Tipps und Ratschläge und jeder sagt einem was anderes, auf das man achten muss, sodass man echt Panik kriegt.
    Wenn ich jetzt alles mal so Revue passieren lasse, merke ich natürlich, dass der ganze Stress stellenweise echt unnötig war, aber ich schäme mich auch nicht dafür. Emma ist mein erster Hund, damit auch mein erster Welpe gewesen. Ich weiß jetzt, was ich beim nächsten Hund anders machen werde, worauf ich mich mehr konzentriere und was getrost hinten angestellt werden kann.
    Ich bewundere Leute, die so gelassen an den (ungewohnten) Alltag mit ihrem neuen Vierbeiner herangehen können. Ich konnte es damals nicht, aber so sind die Menschen halt unterschiedlich.
    Und man wächst ja bekanntlich auch mit seinen Aufgaben :D

  • Ich hätte Zera nach der ersten Woche teilweise am liebsten zurück gebracht weil ich meinte woanders hätte sie es besser.
    Schlafmangel, Hormonchaos und Angst was falsch zu machen lassen grüßen |) :ops:

  • Das ist ja schon wirklich erstaunlich...eine Bekannte von mit nennt es Uterus-Blinken, diese Fixierung auf den neuen Mitbewohner. Ständig macht man sich Sorgen ob es dem Kleinen gut geht, geht aber davon aus dass es nicht so ist. Und das liegt an einem Selber, weil man unfähig ist und das kleine Ding es woanders besser hätte.


    Wie schon oft gesagt auf den letzten Seiten: Geht vorbei, dann gehört der Hund so zum Leben dass es gar nicht in Frage kommt den Hund nicht zu behalten.
    Gestern Abend sagt mein Freund im Scherz: Vielleicht müssen wir die wieder abgeben (weil Emmerich so viel schläft und nicht nervt sondern mich tagsüber arbeiten lässt), ich nur "ich glaub ich muss dich wieder abgeben.".

  • Ich hab sogar Kaninchen-Blues, jedesmal wieder. So lange, bis das Kaninchen voll in die Gruppe integriert ist, hadere ich mit dem Entschluss und grübel, was ich mir da wieder angetan hab. Aber ich machs immer wieder. "Besser" wird es insofern, als ich inzwischen mit allen Tricks und Kniffen vergesellschafte. Zweifel hab ich aber trotzdem, wenn ich das neue Viecherl frisch daheim hab.
    Bei den Hunden hatte ich auch Welpen-Blues, normale Ausprägung, würde ich schätzen.
    Lass dich nicht unterkriegen, schreib dir deinen Frust von der Seele und irgendwann fällt dir auf einmal auf, dass irgendwie alles läuft!
    Die Übergänge sind fließend, man bemerkt die Veränderung meistens gar nicht sofort. Aber nach einiger Zeit wird einem bewusst, dass auf einmal alles passt...

  • Zuviel Vorbereitung, zuviele Informationen, zu hohe Ansprüche an sich selbst führen nicht nur bei Hundehaltern, sondern auch bei vielen Müttern zu kompletter Verzweiflung.
    So und so hat etwas auszusehen, wenn es nicht so perfekt läuft, hast du alles falsch gemacht, du bist unfähig und dein Kind/Hund wird ein asoziales Wesen.


    In vielen Ratgebern von zum Teil selbsternannten Gurus, aber auch Internetforen ist das so und ähnlich zu lesen. Ist man unerfahren, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass man sich davon beeinflussen lässt und in so einen Blues-Strudel hinein gerät.


    Mir ist es selbst so ergangen, zwar nicht mit Hund, aber bei meinem ersten Kind. Der war einfach kein Anfängerbaby, hat nichts so gemacht, wie beschrieben, nicht gut geschlafen (egal, wie sklavisch ich mich an liebevoll geplante und eingeführte Rituale gehalten habe), immer wenig gegessen (alles selbst gekocht) usw.usf. Erst eine nette Babygruppe hat mir da raus geholfen, weil es ein ehrlicher Austausch Gleichgesinnter war, ohne Wer-ist-die-bessere-Mutter oder Wer-hat-das-perfekte-Kind.

  • Also ich werde jetzt nicht zum Psychiater gehen, weil ich 3 Tage in meinem Leben einen Hundeblues hatte. Oder was sollte die Konsequenz sein


    Naja wenn ich mal schlecht drauf bin und denke "wieso tust du dir das eigentlich an" in der Welpenzeit, ist die miese Laune meist schlafmangelinduziert, wenn einen die kleine Kröte dreimal die Nacht aus dem Bett scheucht, dann ist das eine Sache.


    Aber wenn ich Schlafmangel vor Sorgen bekomme, nichts mehr Essen kann und jede Minute vor dem Heulkrampf stehe, weil sich etwas in meinem Leben geändert hat, dann sollte, ich da schon tiefer hinterfragen.

  • Ich gebe @Helfstyna recht, ich glaube nicht, dass Menschen früher so leicht kirre zu machen waren wie heute.
    Meine Mutter hat das ganz nett formuliert mit "wenn man keine Probleme hat dann macht man sich welche"

    Entschuldigung, dass ich hier noch mal nachlege, aber ich finde solche Aussagen einfach immer so unfair den betroffenen Generationen gegenüber. Ich möchte aber betonen, dass sich mein Posting jetzt nicht auf das Zitierte von @blauewolke einschießen soll, sondern sich an alle richtet, die der Meinung sind, heutzutage rutschen die Leute irgendwie verweichlichter aus dem Mutterleib als früher.


    Wie ist denn die "Problembilanz" der 70er- 00er gegenüber der in den letzten zehn Jahren?


    Mir fällt eigentlich nur Tchernobyl und damit zusammenhängende Umweltängste ein, außerdem noch eine zunehmende Kapitalisierung und Abbau von Sozialleistungen (beides Dinge, deren Auswirkungen heute deutlich härter sind als damals). Die Golfkrise, Jugoslawienkriege und Nahostkonflikt.


    Was haben wir heutzutage:


    - Globalisierung, damit verbunden eine Öffnung der Regionalmedien zu weltweiten Meldungen. Die Auswirkungen sind nachvollziehbarer Weise ein gesteigertes Gefahrenbewusstsein ("Heutzutage passiert ständig was"), das Gefühl, den Überblick zu verlieren, bzw. etwas zu verpassen und eine regelrechte Welle von ungefilterten Informationen zu jedem Thema das man sich vostellen kann!


    - Terror-/Überwachungsproblematik ist eigentlich selbsterklärend


    - Umweltschäden, die mittlerweile wirklich, wirklich besorgniserregend sind! Das in Kombination mit der Globalisierung weckt ganz andere Dimensionen über Zusammenhänge. Warum kommt plötzlich diese ganze Vegan-Diskussion auf? Weil mittlerweile faktisch einwandfrei und für jeden auf dem Tisch liegt, was für enorm schlimme Auswirkungen die Massentierhaltung auf Planet, Tiere und auch Menschen hat. Da erfordert es Hirnleistung, sich zu postionieren oder den Verdrängungsknopf zu drücken.


    -Effizienzbewegung/Qualitätsmanagement in der Berufswelt: es ist für einen Arbeitnehmer heutzutage nicht mehr drin, rumzudaddeln, sich Zeit zu lassen und auszuprobieren. Der Trend ist: wer eine Anstellung will muss am Effizientesten für den Arbeitgeber sein. Ist im Grunde ein alter Grundsatz, schlägt aber heutzutage mit einer ganz anderen Härte zu. Am Effizientesten sind nämlich die, die von Kindesbeinen an geradlinig auf ihr Berufsleben zugesteuert haben, die am Flexibelsten und Krisenfestesten sind, die am besten gar keine Fehlerquote haben, deren Privatleben zum Image der Firma passt und die im Grunde keinerlei Belastungen mit sich führen.
    Gleichzeitig wird das soziale Netz abgebaut und der Konkurenzdruck durch Öffnung der Märkte erhöht.


    Kulturelle Probleme wie die Individualisierung des Einzelnen (wer allein ist, ist angreifbarer), die Abkehr von Religion, die neuen Schwierigkeiten der Identitätsbildung, die entstehen, wenn einem erst mal Alles offen steht kommen da noch zu.
    Außerdem noch tausend andere Sachen, die ich jetzt nicht alle aufzählen kann (Weltpolitik, Positionierung und Gefahren in den neuen Medien...) und eine Millionen Sachen, die dann noch individuell auf einen einwirken.


    Man mag mir jetzt vorwerfen, dass mein Posting nichts mit dem Thema hier zu tun hat, aber das stimmt nicht. Weil all das aufgezählte zu unserer Welt heute dazugehört! und jeder Einzelne von uns ist davon betroffen. Und es macht einfach einen riesigen Unterschied, ob man in diesem Chaos ein gestandener Hundehalter ist oder ob man sich trotz dieses Chaos' dazu entschließt, sich zum ersten mal einen Hund zu holen.



    Der Druck, dass es einwandfrei klappen muss, ist ein völlig anderer! Der Anspruch, dem ein Mensch heute gerecht werden muss, ist ein völlig anderer! Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein völlig anderer! Die Informationsflut, mit der man sich auseinandersetzen muss, ist eine völlig andere! Der gesellschaftliche Anspruch an das Verhalten eines Hundes ist ein völlig anderes! Und so weiter!


    @Helfstyna , @Quebec , es ist einfach unfair was Ihr hier macht, weil Ihr Äpfel mit Birnen vergleicht. Außerdem ist es (wie ja viele auch schon geschrieben haben) für die TE überhaupt nicht hilfreich sondern nur stigmatisierend. Wie @Lagurus schon gefragt hat: was soll sie denn aus Euren Postings ziehen?

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!