Gibt es aggressive Welpen?

  • Ein Hund, der keinen Schutztrieb, sondern nur den elementarsten Trieb, den Wehrtrieb/Selbsterhaltungstrieb hat, hat nur in diesem Bereich Aggressionspotenzial. Einer, der dazu noch Schutztrieb und Beuteaggression hat, in mehreren - also ist dieser Hund aggressiver, wenngleich auf nicht unnatürliche Weise. Das ist nichts Schlechtes.


    Dieses Erklärungsmodell ist zwar plakativ doch veraltet.
    Also man nimmt einen Hund mit der Motivation zum Kämpfen, wenn er in Lebensgefahr gerät und packt ein bischen Beutetrieb dazu und noch ein Gen Schutztrieb und fertig ist der aggressivere Hund, der gut im IPO arbeitet?


    Und beim Hütehund packt man Wehrtrieb, und Beutetrieb ins Gen, der ist klasse, hat der Hütehund aber auch Beuteaggression ists wieder blöd.


    Und beim Jagdhund bitte nur Wehtrieb und Beutetrieb (wie beim Hütehund)


    Davon abgesehen, dass Lebewesen keine Baukästen sind und ich dem System "Trieb" schon was abgewöhnen könnte, weil so schön einfach ist, ist es halt in "echt" doch etwas schwieriger mit den Erklärungen und letztlich mit der Zucht.

  • Also zuerst mal, ich hab überhaupt keine Ahnung von Schutz/Gebrauchshunden/ernsthaftem Hundesport. Aber mir fällt zu dem Thema ein Erlebnis ein das ich mal vor Jahren hatte und das mich sehr beeindruckt hat.


    Damals gab es in unserer Nachbarschaft eine ältere Dame mit zwei Hunden, einem Rauhaardackel und einem Neufundländer. Der Rauhaardackel war quirlig und abenteuerlustig und ging auch schonmal ohne Frauchen auf Tour, der Fundi war die totale Schlaftablette, und hat an der Leine regelmäßig gestreikt indem er sich einfach hingelegt hat weil er keine Lust auf laufen hatte. Beides waren freundliche Hunde.
    Dann gab es da noch eine Frau der man regelmäßig die Hunde abgenommen hat weil sie alle aggressiv und bissig wurden. Jedes Mal hat sie sich einfach einen neuen geholt, und immer waren es DSH. Die liefen dann auch regelmäßig ohne Leine obwohl sie unverträglich waren, und das hatte jedes Mal Zwischenfälle zur Folge wo es zu ernsthaften Attacken kam.
    Ein Mal passierte Folgendes. Ich stehe mit dem Frauchen von Dackel und Fundi beisammen und wir unterhalten uns, Dackel erkundet die nähere Umgebung, Fundi steht bei Frauchen. DSH kommt mit seinem Frauchen in Sichtweite, erblickt den Dackel und stürmt los um ihn zu attackieren. Dann ging alles ganz schnell. Der Dackel ist natürlich zu seinem Fundi Freund gerannt und der DSH hinterher. Ich kann euch nicht genau sagen wie er es gemacht hat, aber der Fundi hat nur ein mal die Hüfte geschwungen und der DSH ist durch die Gegend geflogen und hat überrascht aufgejault. Da waren keine Zähne im Spiel, nix. Der DSH hat sich daraufhin zu Frauchen verzogen, der Fundi sah so aus als wär sein Puls nicht mal ansatzweise angestiegen (kann natürlich täuschen).
    Hier hat in der Konstellation Choleriker vs. souveränder Hund, eindeutig der souveräne Charakter gewonnen, und zwar ohne viel Anstrengung. Natürlich war der Fundi kein Schutzhund, aber in dieser Sitiuation hat er ja sehr wohl seine Familie beschützt, und das erfolgreich.

  • Dieses Erklärungsmodell ist zwar plakativ doch veraltet.
    Also man nimmt einen Hund mit der Motivation zum Kämpfen, wenn er in Lebensgefahr gerät und packt ein bischen Beutetrieb dazu und noch ein Gen Schutztrieb und fertig ist der aggressivere Hund, der gut im IPO arbeitet


    Naja, die Erklärung versucht uns Fragments ja schon in ein paar Threads als "guten Sport- und Schutzhund" zu verkaufen. Macht die Überzeugung und Aussagen nicht richtiger, auch wenn man sie wiederholt.



    Mal eine Frage am Rande... benutzt man im Sport immer noch diese völlig veralteten Triebtheorien?


    Nein.
    Der Begriff "Trieb" ist der Gewohnheit halber noch sehr weit verbreitet, aber die Vorstellung der getrennten Triebkreise die sich regelmäßig entladen müssen, um sich nicht zu stauen etc. pp. ist nicht mehr Stand der Dinge.


    Türlich laufen wie bei jeder abstrusen Theorie immer irgendwo ein paar rum, die daran festhalten. Aber er auch im Sportbereich sind Probleme nicht mehr durch Triebstau und das gezielte ablassen der Triebe erklärt, dieser Tage.

  • OT: Ich bezweifel, dass Jagdhunde aus Aggression heraus agieren, und dass haben mir Jäger auch so erzählt. Ein Jagdhund, der frontal in Aggression auf ein Wildschwein losgeht hat kaum eine Überlebenchance. Die sollen das Wildschwein stellen und solange an Ort und Stelle festsetzen, bis der Jäger da ist. Der Hund hält dabei Distanz, so dass das Wildschwein ihn gar nicht erst erwischen kann und wenn er ranngeht dann nur von Hinten. Das ist eine erlernte und sehr kontrollierte Aktion, bei der der Hund strategisch vorgeht. Viele HH machen Jagdspiele mit ihrem Hund z. B. Apportieren, Ballspiele. Da kommt doch niemand auf die Idee den Hunden Aggressionspotential zu unterstellen. Das Töten selbst erlernt der Hund spielerisch im Laufe der Zeit, genauso wie andere räuberische Säugetiere auch (Delfine, Katzen, Wölfe etc.). Am Anfang steht immer ersteinmal das Spiel im Vordergrund, die Beute wird dann quasi totgespielt.



    Ich konnte das bei meiner letzten Hündin beobachten, die zwar keine Jagdhündin war aber auch einen gewissen Jagdtrieb hatte. Die ist mit ca. 10 Monaten zum ersten Mal einem Hausschwein begegnet. Sie versuchte es erst einmal vorsichtig frontal, bis das Hausschwein ab einem gewissen Abstand auf sie lossprang. Sie ergriff die Flucht und wartete in Distanz ab, bis das Schwein mit Fressen beschäftigt war. Dann schlich sie im großen Bogen um das Schwein herum und verringerte die Distanz vorsichtig von Hinten, bis sie nah genug war, um loszurennen. Sie zwickte dem Schwein in die Haxe und flüchtete in sichere Distanz, Schwein drehte sich um, rannte auf sie los, merkte aber schnell, dass es sie eh nicht mehr bekommt und blieb stehen. Auf diese Art lernte sie, und zwar spielerisch und ohne Aggression, dass sie sich größeren Tieren wenn, dann nur von Hinten und wenn die abgelenkt sind nähert.



    zum Thema: Ich habe es nur bei einem einzigem Wurf erlebt (Minibulli-Mix, wahrscheinlich mit Dackeleinschlag), dass Welpen ein Geschwisterchen richtig gebissen haben. Der hat das leider auch nicht überlebt. Der betroffene Welpe war der Schwächste im Wurf und war auch schon vorher körperlich geschwächt. Die anderen Welpen haben ihn mit ca. 4 Wochen so beharkt, dass er richtige Bisswunden hatte, behandelt werden und vom Wurf getrennt werden musste. Leider ist er trotz aller Bemühungen infolgedessen verstorben. Aber selbst das Muttertier wollte in dem Alter schon nicht mehr zu ihren Welpen, die hatten ihr die Zitzen blutig gebissen. Für mich ist das auch kein normales Verhalten mehr. Ich nehme an, dass da die Futterressourcen einfach zu knapp waren und auch räumlich zu viel Enge herrschte. Mit einem dieser Welpen (der einzigen Hündin im Wurf, sie ist als Erste geboren worden und war deutlich größer und kräftiger als ihre Geschwister) hatte ich jahrelang intensiven Kontakt, da meine damalige Mitbewohnerin sie übernahm. Die anderen habe ich nicht erlebt. Sie hatte kein gestörtes Sozialverhalten, konnte aber recht garstig werden, wenn ein anderer Hund ihr etwas klauen wollte oder ihr anderweitig zu sehr auf die Nerven ging. Der Hund ist im Sozialverband mit etwa 10 anderen Hunden (alle größer als sie, Rüden, Hündinnen, einmal die Straße rauf und runter Mischlinge, unterschiedliche Altersstufen) aufgewachsen, richtige Beißereien gab es da nicht, selbst Kabbeleien waren die Ausnahme. Fremdhunde waren auch kein Problem für sie, sie war einfach sehr unkompliziert.



    Ein anderes Beispiel war ein SH-Mischling (der kam aus Kettenhaltung), der ist mit ca. 10 Wochen auf eine unserer Seniorinnen losgegangen, weil die seinem Futter zu nahe kam. Die Omi war damals schon an die 15 Jahre alt, etwas tüddelig und ziehmlich klapprig auf den Hinterbeinen und konnte sich weder verteidigen noch schnell genug zurückziehen. Der Wurm hatte sich in ihrer Lefze verbissen, hing da richtig dran. Meine Seniorin ging dann dazwischen und gab ihm ihre übliche Standardwelpenansage (kurz und schmerzlos), wenn die Grenzen überschritten, was auch immer erfolgreich war. Das wirkte bei dem gar nicht, der ist sofort wieder auf die Omi los. Meine hat ihn dann etwas gröber zurechtgewiesen, bis er unter ihr und auf dem Rücken lag und auch so erst einmal kurz liegen blieb. Nicht falsch verstehen, der Kleine hatte nicht einen Kratzer, nur einen kurzen Schreck und wusste von da an, dass er die Omi nicht anzufallen hat. Aber auch aus dem ist kein aggressiver Hund geworden, er ist beschwichtigend in seinem Sozialverband, wird er allerdings von fremden Rüden aggressiv angegangen, wehrt er sich auch. Als "normal" empfinde ich solches Verhalten in der Welpenphase aber trotzdem nicht, diese Überreaktion kam für mich ganz klar von den sehr schlechten Haltungsbedingungen unter denen dieser Welpe vorher überleben musste.

  • Ich glaub, du hast die Diskussion nicht verstanden ... Dass Jagd nichts mit sozialverhalten zu tun hat ist doch jedem klar. Die Frage ist nur, was in Kampfszenen passier, wenn es Verteidigung braucht.

  • Glauben kann ein Mensch viel... Ich habe mir die komplette Diskussion durchgelesen und es ging hier sehr wohl darum, ob Hunde ein gewisses Aggressionspotential für die Jagd brauchen. Es steht doch klipp und klar in meinem Beitrag, der Hund zieht sich zurück, um gar nicht erst in einen Kampf verwickelt zu werden. Wenn Leute der Meinung sind, sie müssten den Hunden Aggressiviät "antrainieren", oder die Hunde so züchten, dass sie ein anormales Aggressionspotential entwickeln, dann wird der Hund ein sehr kurzes Leben haben. Es braucht eben Strategie und nicht Aggression.


    Wie verhälst du dich denn persönlich, wenn du angegriffen wirst, nicht fliehen kannst und es um dein Überleben geht? Da greift dann entweder Schockstarre oder Verteidigung mit allen Mitteln. Dazu braucht es sicher keine 33-seitige Diskussion.

  • Ich glaube, du hast das Erklärungsmodell nicht verstanden.
    Mir geht es nicht darum, dass der Hund mit dem "Gen Beutetrieb" und dem "Gen Schutztrieb" dann der perfekte Sporthund ist oder deshalb vollkommen aggressiv - sondern nur darum, dass der Hund in mehreren Bereichen ein Aggressionspotenzial hat, nämlich in dem Fall bei Beute und beim Schutz.
    Wo habe ich eigentlich geschrieben, dass man irgendwelche genetischen Baukästen erstellt, aus denen dann ganz tolle Hunde werden :ugly: ?


    Das gilt auch für @Helfstyna: Ich habe im Wolf-als-Haustier-Thread auch nicht geschrieben, wie der "perfekte Schutzhund" aussieht und aus welchen "Trieb- und Genbausteinen" man sich den baut..
    Du darfst mich aber gern zitieren, um meine "Überzeugungen" offenzulegen.

  • Wie verhälst du dich denn persönlich, wenn du angegriffen wirst, nicht fliehen kannst und es um dein Überleben geht? Da greift dann entweder Schockstarre oder Verteidigung mit allen Mitteln. Dazu braucht es sicher keine 33-seitige Diskussion.

    Ganz offensichtlich brauchen das einige hier schon. Ich hätte es nicht gebraucht - ist ja das, was ich auch sage. ;)

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