Wie lebt es sich mit Hund in England?

  • Hallo ihr Lieben,


    durch die Suchfunktion kam ich darauf, dass ein pasr in England wohnen und auch einige in England schon Urlaub machten.


    Mein Mann und ich waren beruflich schon ein paar Mal in England (Nähe London und Camberley) Wir planen unseren nächsten Urlaub in England.
    Seit einer Weile spielen wir mit dem Gedanken auszuwandern, dafür gibts sehr viele Gründe, unser Ziel ist England.
    Natürlich muss erst gespart werden und ich beginne eine Lehre im September, die wird auch erst fertig gemacht.


    Jedoch interessiert es mich sehr, wie es euch in England so geht? Wie ergeht es euch mit Hund? Was fällt euch negativ oder besonders positiv auf?


    Ich habe über google ein Forum gefunden, dort sind die Leute echt ruppig und unfreundlich, deswegen frage ich lieber hier :D

  • Anscheinend ist der Thread untergangen, ich schubs ihn mal wieder hoch.
    Hoffentlich sehen die Engländer ihn jetzt mal, mir fallen da eh nur @WhipIt und @CanisNivis ein, die dort leben.
    (Und nun werden sie auch informiert das ich sie erwähnt habe. :D )

  • Hallo LittleLea,


    Tut mir leid, dass Dein Thread hier untergegangen ist. Normalerweise kriegt man hier sehr schnell eine Antwort. Da sich die beiden bereits angesprochenen User aber noch nicht gemeldet haben, berichte ich gerne über meine eigenen Erfahrungen.


    Also:*nähkästchenaufklapp*


    England ist grundsätzlich ein sehr hundefreundliches Land. So etwas wie eine Hundesteuer gibt es nicht, aber Du bist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Dein Hund ein Halsband mit einer Marke trägt, auf der mindestens Name und Adresse des Halters stehen. Manche lassen auch den Namen des Hundes und eine Telefonnummer noch dazu gravieren. Diese Pet-tags kriegt man überall, es gibt keine Regelung wie die Marke auszusehen hat. (siehe z.B.: http://www.thekennelclub.org.u…/dog-identification-tags/) Ich meine mich zu erinnern, dass explizit von einem Halsband die Rede ist und man - theoretisch - die Marke nicht einem Geschirr befestigen darf - ich könnte mich dabei allerdings irren. Meine Hunde trugen und tragen jedenfalls immer mindestens ein Halsband, öfter beides. Ansonsten darf ein Hund niemals 'ausser Kontrolle' sein - was das bedeutet, liegt natürlich schlussendlich und im schlimmsten Fall im Ermessen des Richters (siehe: https://www.gov.uk/control-dog-public/overview). Es reicht schon, wenn sich jemand von Deinem Hund bedroht fühlt und Bauern dürfen Hunde erschiessen wenn sie den Eindruck haben, dass ein Hund ihr Vieh bedroht. Die Regeln sind also im Grunde genommen klar und relativ streng - nur braucht es, jedenfalls im Norden, ziemlich viel, bis sich jemand bedroht fühlt. Einen anspringende Hunde sind hier schon fast an der Tagesordnung. Einige Rassen sind hier verboten: PitBulls, (Staffies und alle möglichen Mixe daraus sind aber erlaubt und sehr beliebt), Tosa, Fila Brasiliero und Dogo Argentino. (siehe: https://www.gov.uk/control-dog-public/banned-dogs)


    Ich fühlte und fühle mich in England mit Hunden immer sehr wohl. Viele Leute sind Hunden sehr gut gesinnt und in relativ vielen Pubs sind Hunde erlaubt - gerade auf dem Land. Negativ fielen mir die häufig völlig fehlende Erziehung von Hunden, die mangelhafte Etikette unter den Hundehaltern und die völlig verfetteten Vierbeiner auf. Viele Hunde - meist aber der klassische Mittelklasse-Labrador - werden einfach im Park von der Leine gelassen und werden irgendwann, wenn der 'Spaziergang' zu Ende ist oder die 'Spielpartner' ausgegangen sind, wieder eingefangen, denn man scheint davon auszugehen, dass so etwas wie Abruf entweder im Hund einprogrammiert ist oder eben nicht. Bis das Tier wieder eingesammelt wird, wird fröhlich alles angesprungen, 'bespielt' und gemobbt was bei drei nicht auf den Bäumen ist. So etwas wie Training habe ich hier noch selten erlebt - und das im Land, das Agility, Obedience und HTM 'erfunden' hat und das Ikonen wie Mary Ray zu seinen Einwohners zählt... Aber das ist England pur: ein Land voller Widersprüche.


    Positiv fällt mir auf, dass die meisten Hunde zwar völlig verfettet und unerzogen, aber sehr freundlich sind. Mit scheuen oder aggressiven Hunden wird hier schnellen Prozess gemacht - was nicht funktioniert, wird beseitigt und abgetan mit 'der war nicht richtig im Kopf'. Ein riesiger Unterschied wird zwischen 'pet dog' (Haustier) und 'working' dog (Arbeitshund) gemacht, wobei viele Mittelklassebesitzer ungeheuer stolz auf ihren Labrador aus Arbeitslinie sind - oder wenn der Grossvater, Vater, Cousin (zutreffendes unterstreichen) die Crufts gewonnen hat. Ob das Tier dann auch wirklich 'arbeitet', spielt eben keine Rolle - der Labrador ist hier ein Statussymbol.


    Die Klassengesellschaft spiegelt sich auch sehr in den beliebtesten Rassen:


    Untere bis mittlere Schichten tendieren ganz klar zu Staff, Rottie, Patterdale Terrier, Lurcher (ein 'Arbeitsmix' aus Windhund und Terrier), Deutschem Schäferhund (der Malinois ist praktisch unbekannt in privaten Haushalten), Möpse, Französische Bulldoggen, Huskies, und der derzeitigen Moderasse, dem Akita.


    Die 'anxious middle class', also die mittleren Schichten, die sich um jeden Preis vom Pöbel abheben und 'dazu gehören' möchte hält Labradore, Golden Retriever, Spaniels (Springer, Cocker, Cavaliers), Border Collies, bzw. Sheepdogs, Doodles (Labradoodle sind sehr populär, aber auch Cockapoos) und Border Terrier. 'Neureiche' und solche, die gerne in den oberen Klassen dabei wären, halten oft Weimaraner und Vizslas. Die 'alternative' middle class hält Mischlinge aus dem Tierheim, allesamt 'Rescues' (also 'Gerettete), und ist stolz darauf. Es ist im Übrigen kein Zufall, dass der Hund in 'Downton Abbey' ein gelber Labrador ist... soll ja die Zielgruppe ansprechen - und das ist nun mal die middle class.


    Obere Klassen halten oft Hunde einfach Geschmack, je schräger und je mehr Stammbaum, desto besser. Jagdhunde wie der Pointer sind nach wie vor 'in', weniger als Gebrauchshund denn als Statussymbol.Spannend hierzu ist vielleicht dieser Link: http://www.bbc.co.uk/news/uk-england-27690167


    Hunde sind in den meisten Parks und Gärten (auch diejenigen der Herrschaftshäuser) willkommen, allerdings herrscht Leinenpflicht und man wird gebeten, keinen Dreck zu hinterlassen. Dogwalkers, -sitter und Hundefrisöre sind ein riesiger Businesszweig, obwohl es gerade hier wichtig ist, die Spreu vom Weizen zu trennen. Grossartig finde ich, dass Hunde in Bussen und Zügen gratis sind, das erleichtert (und vergünstigt!) Vieles. In die Underground in London dürfen sie aber wohl nicht.


    Ich hoffe, das hilft fürs Erste. Hake ruhig nochmal nach, wenn Du noch weitere Fragen hast.

  • Ich schalt mich mal unauffällig ein, weil ich dir sagen wollte, dass ich deinen kurzen gesellschaftlichen Abriss total interessant fand!


    Vor allem auch das hier, weil ich mich tatsächlich gefragt habe, weshalb das ausgerechnet ein Labrador ist - habe immer gedacht, dass ein Pointer oder English Setter da viel besser reinpassen würde. :)


    Es ist im Übrigen kein Zufall, dass der Hund in 'Downton Abbey' ein gelber Labrador ist... soll ja die Zielgruppe ansprechen - und das ist nun mal die middle class.

  • Oh wow was da für Unterschiede gibt hätte ich nicht gedacht!
    Ich dachte eher dass die englischen und schottischen Rassen sehr vertreten sind.


    Bisher habe ich über Hunde nur gelesen dass diese angeblich alle wohl erzogen seien... man lernt nie aus :D


  • Bisher habe ich über Hunde nur gelesen dass diese angeblich alle wohl erzogen seien... man lernt nie aus :D


    Oh, also wer immer das geschrieben hat, kann nicht im Norden wohnen! :lol: Aber gut, Erziehung kommt natürlich immer sehr auf die Erwartung an. Viele Engländer sind 'schon' zufrieden wenn ihr Hund niemandem etwas tut - Labradorstereotypie eben. Ich wohne jetzt doch schon ein ganzes Weilchen hier, kann aber an einer einzigen Hand abzählen, wie oft entgegenkommende Hunde angeleint wurden, wenn meine an der Leine waren - diese 'Regel' ist sozusagen völlig unbekannt. Wenn ich da die 'Erfolgsquote' an Momenten, in denen entgegenkommende Hunde tatsächlich angeleint wurden, als meine es auch waren, auf die Jahre, die ich schon hier bin, herunter zu brechen versuchte - oh dear...


    Oh, und herzlichen Dank für die Blumen, Fusselnase! :smile:

  • Bei uns werden im Park die Hunde auch nie angeleint wenn meine es sind.. höflich sind die Hundehalter unter sich auch nie, im Gegenteil da wird gezickt, gelästert und beleidigt vom aller feinsten...
    Kann aber auch an meinem Wohnort liegen :D
    Hier gibt es Kontrolleure mit Maßbändern die im Park bei Vermeintlichen Kampfhunden die Leinenlänge messen (diese darf maximal 1,2m lang sein). Zudem haben die Kontrolleure null Ahnung von Rassen...
    Gibt es sowas auch, Kontrolleure die Hunderassen überprüfen und auch Strafen verhängen wenn nach dem Hund nicht sauber gemacht wird?


    Wie sieht es denn mit Tierarzt aus in Sachen Erfahrung, Kosten und Fortschritt der Medizin aus?


    Stimmt es, dass hochwertiges Hundefutter wirklich 4 Mal so teuer ist wie in DE?


    Danke vielmals für das ausführliche Berichten, finde ich sehr sehr nett von dir und außerdem sehr spannend und interessant :D

  • Wie sieht es aus denn mit Auslaufgebiten aus. Dürfen Hunde dort irgendwo frei laufen? Oder darf man sie beim Wandern im Wald, Feldrand, Wiese ableinen?

  • Gibt es sowas auch, Kontrolleure die Hunderassen überprüfen und auch Strafen verhängen wenn nach dem Hund nicht sauber gemacht wird?


    Die Rassen, die verboten sind, sind eben verboten. Punkt. Es ist unter gewissen Umständen theoretisch möglich eine Ausnahmebewilligung zu erhalten - das bedeutet dann aber, dass der Hund sein Leben lang an kurzer Leine und mit Maulkorb ausgeführt werden muss. Das ist aber sehr selten und das sind absolute Einzelfälle. Kontrolleure an sich gibt es nicht, Kontrollen sind sowieso nicht unbedingt des Engländers Stärke. Ich weiss aber, dass in manchen Städten ein Bussgeld von bis zu £1000 verhängt werden kann, wenn man wegen nicht entfernter Häufchen erwischt wird. Praktisch gesehen ist das wiederum so eine Sache - gewisse Grünstreifen hier sind trotzdem einfach nur zum Abgewöhnen.


    Wie sieht es denn mit Tierarzt aus in Sachen Erfahrung, Kosten und Fortschritt der Medizin aus?


    Mit Tierärzten habe ich generell sehr gute Erfahrungen gemacht. Hundekrankenversicherungen sind hier sehr üblich. Manchmal dünkt mich, dass dem Gesundheitssystem für Heimtiere hier mehr Beachtung geschenkt wird als demjenigen für Menschen...


    Stimmt es, dass hochwertiges Hundefutter wirklich 4 Mal so teuer ist wie in DE?


    Ich wüsste nicht, dass dem so wäre. Hier findest Du praktisch alle verfügbaren Hundefutter in England mit einer Bewertung: http://www.allaboutdogfood.co.uk/ (Einfach die Werte für Deinen Hund eingeben, dann erscheint eine Liste von Futtersorten, die Deinen Kriterien entsprechen). Ich muss gestehen, ich habe keine Ahnung, was Hundefutter in Deutschland kostet, aber vielleicht kannst Du mich ja aufklären ob es wirklich so teuer ist. Neuerdings haben sich auch einige Futtermittelhersteller aus England in den Markt für hochwertiges Futter gemischt und stellen die momentan so beliebten 80-20-0 Futtersorten her.


    Danke vielmals für das ausführliche Berichten, finde ich sehr sehr nett von dir und außerdem sehr spannend und interessant :D


    Danke Dir und sehr gerne geschehen. Wäre spannend, wenn sich die anderen in England wohnhaften Mitglieder hier auch noch melden würden.


    Wie sieht es aus denn mit Auslaufgebiten aus. Dürfen Hunde dort irgendwo frei laufen? Oder darf man sie beim Wandern im Wald, Feldrand, Wiese ableinen?


    Ja, Auslaufgebiete gibt es (jedenfalls hier im Norden) wirklich mehr als genug. Hunde, so dünkt mich, dürfen ziemlich viel frei laufen, lediglich auf Weiden müssen Hunde an der Leine sein.


    So richtige Wälder gibts ja seit den Römern hier nicht mehr und diejenigen, die wieder aufgeforstet wurden, sind meist privat. Das ist etwas, was ich übrigens sehr vermisse: auf dem Kontinent sind wir uns sehr gewöhnt, dass überall ein Feldweg entlang führt, oder dass es irgendwo einen öffentlichen Weg gibt. Das ist hier leider nicht so. Zwischen den Feldern führt höchstens einmal ein Pfad entlang. Private Wege oder privates Land gibt es häufiger und diese dürfen dann auch wirklich nicht betreten werden. Beim Wandern lohnt es sich also, Landkarten mitzunehmen und eine Leine dabei zu haben. Offizielle Wanderwege (public footpaths) oder Reitwege (public bridleways) führen öfters mal durch riesige Weiden, wo Hunde angeleint sein müssen. Andererseits finde ich immer wieder Flecken, wo der Hund nach Herzenslust frei laufen kann - das empfand ich nie als Problem. Flexileinen sind aber deshalb bei den Engländern hoch im Kurs - und Schleppleinen vollständig unbekannt. Es gibt ziemlich viele Strände, die hundefreundlich sind und wo Hunde ebenfalls frei laufen dürfen.

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