Bellen und Knurren aus Unsicherheit

  • Ich stelle hier mal eine Frage für meine Tochter:


    Sie hat seit 7 Wochen einen Hund aus dem Tierschutz: weibl. 1,5 Jahre - kleiner Mischling (Dackel, Pinscher + ? ) nur 6 kg leicht. Die erste Zeit war sie super freundlich zu jedem Hund und zu jedem Menschen, wollte auch zu jedem Menschen hin um ihn schwanzwedelnd zu begrüßen. Hunde hat sie entweder ignoriert oder wollte mit ihnen spielen.


    Seit 2-3 Wochen entwickelt sie aber die Eigenart, dass sie beim Gassigehen AN DER LEINE bei manchen Männern bellt und knurrt. Warum nun gerade dieser Mann ihr Angst macht kann man nicht sagen, hängt wohl mit ihren Erfahrungen im Ausland zusammen. Andere Hunde (egal ob Männchen oder Weibchen) werden beschnüffelt (aber meistens nur am vorderen Teil, also nicht am Po und bei manchen fängt sie dann an zu knurren und zu bellen, obwohl die Hunde gar nichts machen und ganz lieb sind. Was ihr da Angst macht, kann man nicht sagen, ich denke aber, dass sie ihr Gegenüber nicht einschätzen kann. Am schlimmsten ist es bei großen Hunden und da wird sie wohl irgendwann mal eins auf die Mütze bekommen, wenn sie so weiter pöbelt! Sie hat ansonsten keine Probleme mit Hunden, geht in die Hundetagesstätte und ist dort auch mit allen anderen verträglich!


    Ich denke es ist totale Unsicherheit und wir brauchen mal euren Rat wie man sich verhält! Sie bekommt zwar immer ein "aus" "schluß" oder "gscht". Dann ist sie meist schon ruhig und auch etwas eingeschüchtert, aber zwischendurch interessiert sie das auch mal gar nicht.


    Wie zeigt man einem unsicheren Hund, dass hier keine Gefahr lauert und man als Rudelführer die Sache unter Kontrolle hat? Leine loslassen (bei Hunden) ist nicht immer möglich, wenn es z.B. in der Nähe von Straßenverkehr stattfindet. Auch die Angst vor bestimmten Männern müsste man ihr doch irgendwie nehmen können.


    Ach ja, sie hat die letzten 2-3 Wochen KEINE negativen Erfahrungen mit Hund oder Mensch gemacht, deshalb ist auch nicht nachvollziehbar, warum das nun plötzlich losgeht. Sie ist ja ansonsten auch superlieb !


    LG
    Sternchen2010

  • Seit letztem Jahr habe ich einen Senior aus dem Tierschutz. Er hatte Probleme (Angstaggression) mit den meisten Hunden.
    Nach etwa zwei Monaten fing er auch an Leute anzupöbeln. Zunächst nur sporadisch und dann praktisch jeden. Daher kenne ich dieses Phänomen. Ob die gleiche Ursache dahinter steckt, weiss ich zwar nicht. Dennoch habe ich zwei Ideen dazu:


    Zuerst habe ich bei Begegnungen mit Leuten (Passanten) die gleiche Methode angewendet wie bei Hunden. Die Hundetrainerin empfahl mir, die Pöbelei gegenüber Spaziergängern mal komplett zu ignorieren (es tauchte ja irgendwann auf), da mich mein Hund nach dem Bellen auch anschaute, was ich so dazu meine.
    Das Ignorieren hat geholfen. Ich habe das Leute-Anpöbeln meinem Hund möglicherweise unbewusst beigebracht!


    Meine andere Idee ist, dass der Hund deiner Tochter noch in der Eingewöhnung ist und eventuell einfach noch einen höheren Stresspegel hat. Da ist man auch als Hund mal schneller gereizt.


    Wenn sie mit manchen Hunden ein Problem hat, würde ich ihr es zugestehen. Sie muss nicht jeden Hund nett finden. (den Hund für sein Warnen zu bestrafen finde ich nicht hilfreich) Auch müssen sich nicht alle Hunde Hallo sagen. Vielleicht bekommt ihr mit der Zeit ein Auge dafür, welche Hunde für sie ok sind und welche nicht. Unsympathische (aus der Sicht des Hundes) Hunde würde ich als HH erst recht nicht an meinen Hund ranlassen, damit er erst gar nicht in die Situation kommt, den anderen Hund anraunzen zu müssen.


    Ich denke spätestens wenn die Hündin knurrt, ist es Zeit sich als Hundehalter einzumischen. Leine loslassen kann auch nach hinten losgehen, wenn der Hund dann alles für sich selber regeln soll. Idealerweise findet der Hund bei seinem Menschen Schutz. Dh. zusammen Gefahren aus dem Weg gehen, für mehr Distanz sorgen, sich schützend vor den Hund stellen (wenn unheimliche Leute oder Hunde nahen), etc.

  • Zitat

    Seit 2-3 Wochen entwickelt sie aber die Eigenart, dass sie beim Gassigehen AN DER LEINE bei manchen Männern bellt und knurrt. Warum nun gerade dieser Mann ihr Angst macht kann man nicht sagen, hängt wohl mit ihren Erfahrungen im Ausland zusammen.


    Das könnte mit schlechten Erfahrungen im Ausland zusammenhängen, könnte jedoch auch was anderes sein... Es gibt eine interessante Studie, dass die Gangart von Männern eher als herankommend wahrgenommen wird und die von Frauen eher als wegbewegend (hat wahrscheinlich mit den Körperproportionen zu tun). Und da ein unsicherer Hund immer mehr Angst hat vor etwas, das sich auf ihn zubewegt, als vor etwas auf das er sich selbst hinbewegt, könnte erklären, warum Hunde eher Angst vor Männern haben. :smile:

  • Zitat

    Wie zeigt man einem unsicheren Hund, dass hier keine Gefahr lauert und man als Rudelführer die Sache unter Kontrolle hat?


    So bestimmt nicht:

    Zitat

    Sie bekommt zwar immer ein "aus" "schluß" oder "gscht"


    Nützt es was, wenn man Dir das Angst haben verbieten würde?
    Den Hund hinter sich halten, immer zwischen der "Gefahrenquelle" und dem Hund sein, nicht erst reagieren, wenn der Hund schon bellt und knurrt, sondern vorher der "Gefahr" ausweichen.
    Wenn der Hund dann wirklich merkt, man hat es im Griff und schützt ihn, kann man die Abstände verringern und braucht nicht mehr so weiträumig ausweichen.

  • Mein Wuff (lebte zunächst auf einem Bauernhof, dann bei einer Familie mit 5 Kindern auf dem Balkon, kannte fast nichts, als er zu uns kam) hat nach ca. einem Monat bei uns angefangen, alles mögliche anzupöbeln. Er "musste" einfach alles kommentieren. Autos, Menschen, Fahrräder und natürlich andere Hunde
    Wir haben ihm dann beigebracht, uns auf ein bestimmtes Wort (Schau mal!), bzw. auf ein bestimmtes Geräusch ("clickern" mit der Zunge) anzusehen. Dafür gibts nen Leckerlie. Zu Anfang ganz ganz tolle, mittlerweile das normale TroFu.


    Mittlerweile (nach 3 Monaten Training) lässt sich das Ganze nicht nur präventiv verwenden, sondern auch, wenn er mal lospöbelt. Das Geräusch und er ist wieder bei uns. Wenn wirs rechtzeitig machen und so seine Aufmerksamkeit auf uns lenken, dann ignoriert er sogar pöbelnde Hunde.


    Bei ihm war, bzw. ist das Pöbeln zum Teil Angstbedingt und zum anderen Teil (zumindest vermutlich) durch die Pubertät (er ist mittlerweile 14 Monate) und fehlende Sozialisation.
    Wenn er wegen was Angst hat, lenken wir zuerst die Aufmerksamkeit auf uns. Dann entfernen wir uns aus der Situation. Wenn es was ist, von dem wir denken, dass er da keine Angst vor haben muss, nähren wir uns dem in kleinen Schritten wieder an. Wenn das nicht möglich ist, gehts eben komplett und möglichst zügig aus der Situation raus.


    Wenn er aus Frust oder "vor lauter Hormonen" pöbelt, lenken wir wieder zunächst die Aufmerksamkeit auf uns. Dann lenken wir ihn durch diverse Kommandos vom Pöbelgrund ab. Machen ihn so wieder ruhig/fahren ihn runter und wenn er relaxter ist, gehts wieder zum Pöbelgrund hin. Das (nach Möglichkeit) so oft, bis er halbwegs entspannt daran vorbeigeht.


    Wenn man Angst- und Frustpöbeln unterscheiden kann, dann hilft auch durchaus ein "Nein!". Je nachdem, wie sensibel der Hund ist und wie das Kommando aufgebaut wurde. Aber in einer Angstsituation dem Hund dieses offensichtliche Zeigen der Angst zu verbieten, wird auf lange Sicht nur zu schlimmerem führen. Z.B. zum zuschnappen ohne es vorher durch knurren/bellen/etc. anzukündigen.
    Und dann gilt der Hund als gefährlich...

  • Ich muss mich da QuoVadis anschließen. Du hilfst dem Hund in dieser Situation überhaupt nicht mit deinem bisherigen Verhalten.


    Wenn dein Hund unsicher ist, musst du ihm Sicherheit vermitteln. ("Gscht", "Nein" und "aus" vermitteln keine Sicherheit)
    Ich würde auch mich zwischen Hund und Objekt bringen und jedes erwünschte, ruhige Verhalten loben. Die Angst wird nicht von heute auf morgen verfliegen, bring da ein bisschen Ausdauer und Geduld mit.


    Helfen kann dir dabei beispielsweise ein Clicker oder Markerwort. Der Clicker (resp. das Markerwort) wird beim Aufbau mit positiven Emotionen verknüpft. So weicht die Angst positiven Emotionen.


    Zieh den Hund nicht an dem Objekt vorbei, wenn er stehen bleiben möchte, bleib mit ihm stehen. Gib ihm Zeit.


    Ihr habt den Hund erst sieben Wochen zudem steckt der Hund in der Pubertät, da kommen Unsicherheitsphasen durchaus mal vor, macht euch nicht verrückt.


    Bleibt positiv, zeigt Empathie, Verständnis und Geduld und es wird sich ganz sicher bessern.


    Viel Glück dabei und für weitere Fragen stehe ich auch gerne per PN zur Verfügung

  • Zitat

    Vielen Dank für die Ratschläge!


    Haben vorher soviel Martin Rütter, Cesar Millan und Maja Nowack geguckt, dass man bald gar nicht mehr weiß WIE man es richtig macht! :hilfe: :hilfe: :???:


    Von denen würde ich dir überwiegend abraten. Gerade übers Fernsehen ist ja viel zusammen geschnitten und einige Methoden der von dir genannten Trainer sind auch mehr als fragwürdig - meiner Meinung nach jedenfalls.


    Ich würde dir, wie schon Sadako vorgeschlagen hat, auch einen Clicker oder ein Markerwort empfehlen. Zeigen und Benennen würde dir und deinem Hund auch toll helfen.


    Ich selber wende es bei meinen beiden Hunden an. Mein Rüde hat/hatte Frust an der Leine, wenn er nicht zu anderen darf und meine Hündin ist anderen Hunden gegenüber sehr unsicher. Beide haben tolle Fortschritte mit Zeigen und Benennen gemacht.


    Hier mal ein Link: https://www.dogforum.de/zeigen-und-benennen-t128830.html


    Da steht der Aufbau von Zeigen und Benennen drin, Erfahrungsberichte und vieles mehr.

  • Würde er mit der Methode 'zeigen und benennen' arbeiten.
    ist speziell für die desensibilisierung gedacht.


    Ich mache es aktuell für hundebegegnungen und es klappt super.
    und Angst vor Menschen oder Männer kann man ja leicht mit Freunden oder verwandten trainieren.

  • @LieblingPia: Noch eine Frage zum Klickertraining:


    Ich habe den Sinn des Klickers so verstanden, dass der Hund einen Befehl bekommt und wenn er diesen ausgeführt hat, gibt es den Klick und postwendend ein Leckerli.


    Bei dem Zeigen und Benennen-Training müsste man also erst mal in der Wohnung mit dem Klicker das "schau (mal her etc.)" durch den Klicker antrainieren und den Hund draußen dann dadurch ablenken! Allerdings haben wir schon die Erfahrung gemacht, dass die kleine Maus recht stur ist und was in der Wohnung zu 100% klappt macht sie draußen je nach Lust und Laune :( : In manchen Situationen pfeift sie dann auf das noch so gute Leckerli :|


    Mit dem Klicker hat sie z.B. schon das Pfötchen geben gelernt, also ist ihr der Sinn des Klickers schon bekannt und könnte gut ausgebaut werden.


    xerves: Sie hat ja nicht vor allen Menschen Angst! Eigentlich wollte sie von Anfang an zu jedem Menschen hin und diesen gleich freudig begrüßen, da das natürlich nicht jeder mag wurde sie schon mal weg- bzw. weitergezogen, vielleicht ist die Unsicherheit dadurch entstanden? Allerdings mochte sie von Anfang an keine dunkel gekleidetete, etwas massigere Männer. Mit denen hatte sie wohl im Auslang schlechte Erfahrungen gemacht.

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