HSH als Herdenbewacher?

  • Zitat


    Danke fuer die ausfuehrliche Erklaerung, Corinna.

    Da siehste mal, was ich alles nicht weiss. Ich haette gedacht, es waere deutlich kostenguenstiger, die Schafe in den Stall zu bringen, als einen sicheren Zaun zu bauen. Und ueber Parasiten und das Wollproblem weiss ich natuerlich auch nichts.

    Ja, die Schafhalter sind wohl wirklich arm dran. Ist die Frage, ob sich der finanzielle Aufwand fuer Wolfsschutz, bei so kleiner Schafzahl lohnt. Wahrscheinlich geht das nur mit sehr viel Idealismus.

    Hier die Übersetzung einer Reportage zum Thema Wolfsschutz mit Herdenschutzhunden:

    In Frankreich bekommen Schäfer seit Kurzem nur noch Schadensersatzzahlungen für gerissene Schafe, wenn sie mehrere Herdenschutzhunde einsetzen. Der Staat zahlt 80% des Anschaffungspreises für die Herdenschutzhunde.

    Bisherige Erfahrungen:

    -hohe Kosten: Für einen gewissen Schutz selbst bei kleinen Herden müssen mindestens 2 Hunde eingesetzt werden (warum, siehe Beitrag von kaethi4). Das ist mit hohen Kosten für das Futter und medizinischer Versorgung verbunden, in schwer zugänglichen Berggebieten sind Helikoptertransporte der Hunde notwendig

    -arbeitslose Hunde: Außerhalb der Weidesaison haben die Hunde nicht viel zu tun und werden größtenteils einfach eingesperrt

    -Aufgeregtheit: Nach Wolfsangriffen sind die Hunde meistens extrem gestresst und reagieren viel schneller aggressiv auf eigentlich unbedrohliche Reize wie defensive Wanderer und Hunde

    -Passantenangriffe: Trotz Warnhinweise etc. kommt es häufig zu Angriffen von Wanderern und Radfahrern. Es entstehen hohe Kosten für die Schäfer, da sie Schadensersatz/Schmerzensgeld usw. für die Angriffe ihrer Hunde bezahlen müssen

    -Wölfische Jagdstrategien: Die Wölfe lernen sehr schnell, dass sie die Aufmerksamkeit der Herdenschutzhunde auf sich ziehen müssen, damit der andere Teil der Wölfe die Schafe töten kann

    -gerissene Hunde: Entgegen der Erwartungen (gut, ich find das jetzt nicht so unerwartet) werden die Herdenschutzhunde sehr häufig von den Wölfen getötet, gerade wenn es sich um mehrere Wölfe handelt

    Zusammenfassend wird gesagt, dass der Schutzeffekt der Herdenschutzhunde gegen Null tendiert. In mit Herdenschutzhunden bewachten Herden werden weniger Tiere auf einmal getötet, aber die Gessamtzahl der Angriffe nimmt zu. Ein Großteil der Schäfer ist wegen des ausbleibenden Nutzens (getötete Hunde und Schafe) mittlerweile sehr negativ den Herdenschutzhunden gegenüber eingestellt

    http://www.vargfakta.se/nyheter/fransk…aktande-hundar/

    Achso, ein NABU Mensch teilte mir mit, dass die Schafhalter doch froh sein sollen, wenn eins ihrer Viechter gerissen wird, schließlich gibt es ja sooo viel Schadensersatz in Deutschland dafür :xface:

  • Zitat

    Zusammenfassend wird gesagt, dass der Schutzeffekt der Herdenschutzhunde gegen Null tendiert. In mit Herdenschutzhunden bewachten Herden werden weniger Tiere auf einmal getötet, aber die Gessamtzahl der Angriffe nimmt zu. Ein Großteil der Schäfer ist wegen des ausbleibenden Nutzens (getötete Hunde und Schafe) mittlerweile sehr negativ den Herdenschutzhunden gegenüber eingestellt.

    In den USA werden auch seit einigen Jahren vermehrt Herdenschützer eingesetzt und dort hatte und hat man wohl viele dieser Probleme ebenfalls.
    Ganz interessant dazu sind die Berichte von Cat Urbigkit, man kann z.B. manches von ihr hier nachlesen:
    http://stephenbodio.blogspot.de/search/label/l…guardian%20dogs
    (der ganze Blog ist übrigens sehr interessant, ich hab jetzt mal nur die Beiträge mit dem Tag "livestock guardian dogs" verlinkt).


    So wie ich das verstehe ist es wohl oft ein Problem, dass Farmer ungeeignete (sprich: nicht aus erwiesenermaßen unter ihren spezifischen Gelände- und Raubtierbedingungen tauglichen, im täglichen Einsatz getesteten Arbeitslinien) Hunde kaufen, oft zu wenige Hunde im Verhältnis zur Herdenstärke bei den Schafen, diese dann gar nicht oder falsch ausgebildet bzw aufgezogen werden und man dann aber trotz nicht fachgerechtem Managemen hohe Erwartungen hat... die dann natürlich nicht erfüllt werden.


    Ein weiteres Problem ist halt auch, dass sich wirklich scharfe, wehrhafte HSH und mitteleuropäische Verhältnisse (dicht besiedelt, überall Menschen und Hunde) eigentlich wiedersprechen.
    In den USA gibts es an vielen Stellen wirklich massive Probleme nicht nur mit Wölfen und Kojoten, sondern auch mit Schwarzbären und Grizzlys. Dafür brauch man ja nun nochmal etwas andere Hunde, das ist noch ein bisschen was anderes als "nur Präsenz zeigen" um eh relativ scheue Raubtiere abzuhalten.
    Und selbst da, mit viel, viel, viel mehr Platz als hier, sind solche Hunde teilweise ein Problem, weil die eben unter Umständen nicht nur bei Raubtieren ziemlich rangehen, sondern auch bei Menschen und fremden Hunden.

    Ich mein, es ist schon ein Kunststück, wenn man von einem Hund verlangt, dass er einerseits genug Mumm in den Knochen hat einen Bären zu schikanieren bis er abhaut, aber dann brav den nächsten Wanderer mit Hund durch das uneingezäunte Weideland passieren zu lassen...

  • Hier mal ein paar Infos aus Italien:

    Arbeit von italienischen Herdenschutzhunden (Cane da Pastore Maremmano Abruzzese)
    http://<br>http://www.youtube.com/watch?v=uNgf3qJY40E</a>

    Grobe Uebersetzung:
    Santa Jona Ovindoli - Italien.
    In diesen Gebieten gibt es noch viele Woelfe und Wildschweine. Velino ist der Rudelfuehrer von 9 Maremmani und einem Huetehund. Er ist erst 4 jahre alt. Der vorherige Rudelfuehrer wurde von Wildschweinen letztes Jahr getoetet.
    Ein Nachbarhirte hat 100 Schafe letztes Jahr durch einen Angriff von Wildschweinen verloren. Das Halsband mit dem Stacheln nach Aussen ist ein Schutz vor Angriffen von Woelfen. Velino hat schon einen Wolf und ein Wildschwein getoetet.

    Die Schafe gehen normalerweise alleine auf die Wiesen nur in Begleitung der Hunde ohne Hirten, aber heute geht der Schaefer einmal mit, um seine Hunde bei der Arbeit zu beobachten. Fuer die Hunde gehoeren die Schafe gehoeren zur Familie und die Schafe fuehlen sich beschuetzt.

    Seit 2.000 Jahren beschuetzen die Maremmani die Schafherden in Italien.
    Der schaefer hat ein sehr inniges Verhaeltnis zu Velino.
    Velino ist einmal mehrere Tage bei einem gebaehrenen Schaf geblieben, um es zu beschuetzen - ohne Futter, fuer den Hund kein Problem, er nimmt seine Aufgabe sehr ernst.

    Ploetzlich streift ein herrenloser Hund umher, das Rudel schlaegt Alarm, einige folgen dem Hund, einige bleiben bei der Herde. Der herrenlose Hund ergreift die Flucht.
    Die Hunde wissen von alleine, wann sie die Herde wieder nach Hause bringen muessen, jeden Abend um diesselbe Uhrzeit.

    Abends gibt es dann Nudeln zu fressen, danach ruht sich Velino und das Rudel aus, um dann die ganze Nacht auf die schafe aufzupassen.
    Der Schaefer sagt: wir verstehen uns sehr gut!

    Und hier Infos zum Maremmano und seine Funktion/Circolo Cane da Pastore Maremmano Abruzzese:

    http://translate.google.it/translate?prev…history_state0=

  • Fuer die Privathalter, mit kleinen Herden, sind HSH schaetzungsweise eh zu teuer, zu aufwendig. Viele haben da ja schon zwei, drei Huetehunde. Bei uns liegen die Schafweiden solch kleiner Herden teilweise innerorts, bzw. direkt am Rand mit hohem Passantenaufkommen. Tourismus ist wichtig. Da wird wohl nur ein besserer Zaun machbar sein, aber der kostet natuerlich auch Unsummen fuer die diversen Weiden einer Herde.


    Zitat

    Achso, ein NABU Mensch teilte mir mit, dass die Schafhalter doch froh sein sollen, wenn eins ihrer Viechter gerissen wird, schließlich gibt es ja sooo viel Schadensersatz in Deutschland dafür


    Frechheit. Mal abgesehen davon, dass die Halter sicher lieber ihre Schafe behalten wuerden, sind im niedersaechsischen Pott doch nur mickrige 5000 Euro drin.

  • Zitat


    -gerissene Hunde: Entgegen der Erwartungen (gut, ich find das jetzt nicht so unerwartet) werden die Herdenschutzhunde sehr häufig von den Wölfen getötet, gerade wenn es sich um mehrere Wölfe handelt

    wenn man aus kostengründen zu wenige hunde an einer herde einsetzt, ist das absolut logisch.
    in rumänien etc setzt man bsp für 1200 schafe mind. 8 - 10 hunde ein.
    je höher der anteil schutzhunde, desto geringer die verluste. nur bei unzureichend geschützten herden gewinnen wölfe immer.
    wllfe sind nicht so doof und greifen ausreichend geschützte herden an. sie sondieren immer zuerst die lage.
    dabei wären ihre eigenen verluste evtl. viel zu hoch.
    ich sehe das problem hier rein finanzieller art. viele hunde kosten viel geld. das ist fakt.

  • Zitat

    wenn man aus kostengründen zu wenige hunde an einer herde einsetzt, ist das absolut logisch.
    in rumänien etc setzt man bsp für 1200 schafe mind. 8 - 10 hunde ein.
    je höher der anteil schutzhunde, desto geringer die verluste. nur bei unzureichend geschützten herden gewinnen wölfe immer.
    wllfe sind nicht so doof und greifen ausreichend geschützte herden an. sie sondieren immer zuerst die lage.
    dabei wären ihre eigenen verluste evtl. viel zu hoch.
    ich sehe das problem hier rein finanzieller art. viele hunde kosten viel geld. das ist fakt.

    In der rumänischen Studie wurde ja eruiert, dass mehr Herdenschutzhunde als Schafe getötet wurden. Weißt du, ob das was mit der Anzahl zu tun hat?

  • Ich glaube nicht, dass die tatsaechliche Groesse der Woelfe einen Unterschied machen, ob die Hunde guten oder schlechten Herdenschutz machen.

    Je schwerer der HSH ist, desto weniger beweglich ist er auch und das ist im Falle eines Angriffs eher kontraproduktiv.

    Meiner Meinung nach liegen die Wurzeln dieses misslungenen Herdenschutzes ausserhalb von Italien an der falschen Praegung/Sozialisierung/Zuchtlinie und Haltungsbedingungen.

    Desweiteren fehlt es den Menschen einfach an Infos und Erfahrungen und die Wanderer etc sind es einfach nicht gewoehnt, nicht ueberall herumlaufen zu koennen.

    Hier mal Podhalander, die groessentechnisch mit dem PMA zu vergleichen sind. Es geht in erster Linie um Abschreckung/Reviermarkierung und nicht um Nahkaempfe, wo es immer zu Verletzungen kommen kann.

    http://www.youtube.com/watch?feature=…d&v=WFNzGpCtYCo

  • Zitat

    In der rumänischen Studie wurde ja eruiert, dass mehr Herdenschutzhunde als Schafe getötet wurden. Weißt du, ob das was mit der Anzahl zu tun hat?

    ich gehe ziemlich sicher davon aus, dass es sich hier um zu wenige hunde an den herden handelte. je höher der anteil schützender hunde, desto geringer die verluste.
    eigentlich doch eine logische sache, oder?
    wölfe legen sich nicht einfach so mit hunden an. dazu rechnen sie sich ihre chancen sehr genau aus, zwecks schadensbegrenzung. sie wägen genau ab, ob sie sich gar selbst in ernsthafte gefahr bringen würden.
    sind es viele wölfe, werden sie sich auch mit mehreren hunden anlegen und diese versuchen auszutricksen.
    je mehr hunde jedoch die flanken schützen und desto besser diese sich an der herde strateigsch verteilen, desto weniger angriffsfläche bietet sich den wölfen.
    ebenfalls finde ich dies logisch.
    ich sehe die problematik nicht dass herdenschützer nicht genug schutz bieten. dafür sind die rassen viel zu alt und zu spezialisiert.
    wenn hier fehler geschehen liegt es in menschlicher hand und nicht an den hunden.
    menschliche hand deshalb, da schlicht nicht genug geld (und vielleicht potential an hunden) vorhanden ist um effektiven herdenschutz zu betreiben.

  • Zitat

    wölfe legen sich nicht einfach so mit hunden an. dazu rechnen sie sich ihre chancen sehr genau aus, zwecks schadensbegrenzung.

    Hmm, da bin ich mir bezüglich "aller Hunde" nicht so sicher. In den USA und einigen skandinavischen Ländern gibt es Wölfe, die sich direkt auf die Hundejagd spezialisiert haben.

    In Bezug auf große Herdenschutzhunde könnte ich mir schon denken, dass Wölfe da zweimal nachdenken ;)

    Und ja, wenn eine größere Menge an Herdenschutzhunden die Herde umstellt, dürfte das wesentlich sicherer sein.

    Schwierig

    Auch wenn es logisch ist, dass die Wölfe bei weniger Herdenschutzhunden öfter diese angreifen, finde ich die Diskrepanz zwischen den getöteten Hunden und Schafen doch ganz schön enorm, was zumindest mich überrascht hat. (in diesem Fall 62 Schafe vs. 186 Herdenschutzhunde, die dann natürlich auch fast vollständig gefressen wurden)

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