Echte Wölfe und blöde Fragen

  • Letztens von nem Bekannten gehört "Warum regen sich denn alle wegen dem Wolf auf? Gibt doch eh keine richtigen Viehhalter mehr, sind doch alles Großbauern und die können sich das leisten."

    Ja....
    Das erklärt die Dummheit vieler WKs, wenn die alle so denken.
    Ich hab zwar versucht ihn aufzuklären, bin aber mangels Interesse gescheitert. Er weiß halt Bescheid. :ugly:

  • @Nocte - ganz ehrlich, ich bin so damit beschäftigt, mich um die Vierbeiner hier zu sorgen, dass ich mir nicht auch noch den Kopf über Situationen zerbrechen kann, die bei mir so nicht vorhanden sind. Natürlich macht man denen, die grundsätzlich über den Einsatz von HSH nachdenken, Mut, rechtzeitig loszulegen und die letzte innerliche Barriere (kann ich das?, ist das zu schaffen?, wie ist das mit den Hunden dann im Alltag?) zu überwinden. Grad in so schneereichen Lagen wie hier in den klassischen Wintersportgebieten, haben wir Weidetierhalter hier Probleme, die es in anderen Lagen wiederum überhaupt nicht gibt.

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass andere in meiner Lage auch sagen würden, dass HSH direkt neben Ferienwohnungen mit ständig wechselnden Gästen und in Dorflage mit der besonderen Echo-Akustuk und mit den extremen Anforderungen an die Hunde, wenn der Wintersport losgeht, schlichtweg nicht gehen. Ich mach es aber trotzdem. Die Ausbildung von Hunden, damit sie in dieser Lage "umfeldverträglich" sind, ist enorm zeitaufwändig, ich nehms halt in Kauf, andere ebenso, andere wiederum nicht. Jeder Betroffene muss für sich, für seine betrieblichen Anforderungen und Möglichkeiten nach Herdenschutzlösungen suchen.

    Über Kosten für Zäune und Hunde und nicht vorhandene Förderkulissen brauchst Du jemandem wie mir nun nichts erzählen - ich trag das bis auf die Anschaffungskosten der Hunde und einmal Hundetraining und drei HSH-Warnschilder auch alles selbst und zwar nicht mal eben aus der Portokasse, sondern mühsam woanders eingespart.

    Ich könnte auch sagen: Hast Du es gut, Du hast wenigstens einen Stall. Den hab nämlich wiederum ich nicht, den dürfte ich auch nie bauen, unser Dorf liegt komplett baurechtlich im Aussenbereich, unsere Rinder- und Pferdehaltung ist rein auf Offenstall/Schutzhütte ausgerichtet, mehr geben die Gebäude nicht her - die aber nicht wolfssicher zu machen ist - also muss ich für mich andere Lösungen finden.

    Das nützt aber doch keinem was, wenn man sich gegenseitig bedauert oder beneidet - was aber nützt, ist der Austausch mit anderen Weidetierhaltern, um ganz individuelle Lösungen für die eigenen betrieblichen Herdenschutzprobleme zu finden. Es gibt so viele pfiffige Individual-Lösungen für die kniffligsten Probleme - deshalb ist der Austausch über Herdenschutzmöglichkeiten so wichtig.

    Regionale und überregionale Politiker waren auch zahlreich auf der Veranstaltung vertreten - und neben einigen Weidetierhaltern, für die die Wölfe gedanklich noch sehr weit weg gewesen sind, haben auch einige Politiker zum ersten Mal zu Hören bekommen, was für Sorgen wir Tierhalter mit den Wölfen haben und das "mal eben schnell weng Zaun bauen und Hunde reinschmeissen" in der Realität nicht gibt.

    Ich bräuchte nicht mehr auf solche Veranstaltungen gehen - ich weiss, was noch alles vor mir liegt und ich habe für meine Probleme schon Lösungen parat, die ich noch vollenden muss. Aber solche Veranstaltungen sind ein wichtiges Politikum für uns Tierhalter, auf denen man sachlich informieren kann, auf Probleme hinweisen kann und mit Vertretern anderer Interessenverbände anfangen kann, Lösungen für spezielle Probleme zu suchen, die im Herdenschutzalltag, vor allem in dem mit HSH auftauchen.

    LG, Chris

  • Der Stall ist angemietet - mehrere Kilometer von den Koppeln entfernt, dafür muss ich verwaiste Koppeln zahlen. Das hat aber nichts mit beneiden oder bedauern zu tun, sondern eher damit, dass ich solche Veranstaltungen nur bedingt sinnvoll finde. Politikum wofür? Dafür, dass man verarscht wird? An den Zaunbaumöglichkeiten, den Zäunen etc. hat sich doch nichts geändert. Du schreibst, es ging hauptsächlich um HSH. Genau die sind doch aber nur ein minimaler Baustein.

    10 Betriebe mit HSH zeigt deutlich, dass die eben nicht die Lösung sind. Ich sehe, dass Informationen für die rumkommen, wo es möglich ist, HSH zu halten und das ist gut. Ich bin auch zu HSH-Haltern gegangen. Ich weiß, dass man mit festen Koppeln mehr Möglichkeiten hat und HSH da nutzen kann, aber ich sehe auch, dass genau dein Projekt als groß und zukunftsweisend dargestellt wird, obwohl es ehrlich gesagt NUR darstellen kann, wie es optimal in der Ausbildung läuft, aber noch keinerlei Rückschlüsse auf die wolfstauglichkeit zulässt.

    Rinderhalter schützen Finanzwerte, die deutlich höher als die der Schafhalter liegen. Dass heißt aber auch, dass aus dem Betrieb selbst eine Finanzierung der Hunde nicht möglich ist. Die kann nicht kompensiert werden. Darum sehe ich bei den völlig anderen Zaunanforderungen etc. die Vergleichbarkeit nur bedingt. Welchen konkreten Nutzen hat für mich als Schafhalter denn der Vergleich mit Rinderhaltern? ICh habe beide Tierarten in Betreuung. Ich sehe die Vergleichbarkeit nicht.

  • Hat jemand gestern "Terra X" gesehen? Da ging es um Tiere, die sich in Ortschaften / Städte ziehen bzw. die nachts in die Städte kommen.
    Eine Erde - viele Welten: Städte - ZDFmediathek
    Da hatten sie Hyänen, die jede Nacht in einen bestimmten Ort kommen - wo man extra für sie in die Stadtmauer Durchschlupfmöglichkeiten gemacht hat -, wo sie dann vom Schlachter die Abfälle bekommen.
    Oder Leoparden, die gemerkt haben, daß die Städte wie ein Supermarkt sind. Jede Nacht streifen sie durch die Straßen (in der Doku in Mumbai), wo sie dann Nutztiere reißen.

    Es war zwar kein Wolf dabei, aber diese beiden Beispiele sind schon irgendwie ähnlich. Schließlich sind es Raubtiere, die in die Städte gehen.

  • Politikum wofür? Dafür, dass man verarscht wird?

    Ja, auch dafür. Das ist vielen Menschen, auch Politikern, gar nicht bewusst, wie sehr wir Tierhalter im Regen stehen gelassen werden mit dem Thema Wolf.
    Aber auch Politikum dafür, dass man mit Interessenverbänden in Kontakt kommt, die uns Tierhalter wenigstens in ihrer "Branche" unterstützen können. Hier bei uns sind das z. B. Touristikverbände. Quäkt da ein Skifahrer, dass da Hunde gebellt haben, als er da lang gefahren ist (und das tun sie, die Touris quäken sogar, wenn ein Waldbesitzer sich erdreistet, in seinem Wald Holz zu machen und den Wanderweg kurzfristig umleitet :lol: ), dann können die adäquat reagieren auf solche Beschwerden und uns HSH-Haltern den Druck wegnehmen. Auch kann man auf den Info-Seiten der Wintergebiete auf die Arbeit der HSH hinweisen, ähnlich, wie es in der Schweiz üblich ist. Das ist in D noch nicht so. Sowas kann man auf solchen Veranstaltungen im Gespräch mit den Zuständigen ins Rollen bringen.

    10 Betriebe mit HSH zeigt deutlich, dass die eben nicht die Lösung sind

    Häh? Das versteh ich jetzt nicht. Diese 10 Betriebe (das sind die, die offiziell vom LfU begleitet werden, es gibt noch ein paar Einzelkämpfer) sind früh dran mit ihrem Herdenschutz, hier in Bayern gibt es noch kein offizielles Wolfsgebiet. Alle diese Betriebe stehen anderen HSH-Interessierten als Ansprechpartner zur Verfügung und sind sehr engagiert im Herdenschutz, in der Öffentlichkeitsarbeit und in der Kommunikation mit LfU und anderen Behörden/Verbänden, um die Lage für ALLE HSH-Halter künftig zu verbessern. HSH sind nicht DIE Lösung für alle und jeden, aber für viele sind sie es und da kann man jede Unterstützung gebrauchen, die man bekommen kann.
    Bayern ist nun mal ein Bundesland, in dem es grad erst richtig losgeht mit den Wölfen.

    aber ich sehe auch, dass genau dein Projekt als groß und zukunftsweisend dargestellt wird, obwohl es ehrlich gesagt NUR darstellen kann, wie es optimal in der Ausbildung läuft, aber noch keinerlei Rückschlüsse auf die wolfstauglichkeit zulässt.

    Wo wird es denn als gross und zukunftsweisend dargestellt? Es ist einfach ein Erfahrungsbericht.

    Bisher verzweifeln die Rinderhalter daran, dass es nicht machbar ist, die grossen Flächen in der Rinderhaltung wolfssicher einzuzäunen. Natürlich ist da ein HSH-Projekt eine prima Ergänzung, weil gut ausgebildete Hunde zig Kilometer Zaunaufrüstung ersparen können.
    Der Kollege im Zeitungsartikel von der Veranstaltung hat die HSH hinter 4 Reihen E-Zaun stehen, das ist je nach Gefährdungsklasse in Sachen Hütesicherheit ein normaler kälbersicherer Rinderzaun, sprich, der ist entweder bereits vorhanden oder aber verhältnismäßig kostengünstig zu ergänzen.
    Auch ist der Kollege im ZA ein Beispiel dafür, dass mit Unterstützung auch Nicht-Hundler in der Lage sind, ihre Hunde und Rinder zusammenzuführen. Nicht-Hundlern werden dann halt die als einfacher geltenden HSH-Rassen vermittelt, durchaus nach dem Modell der AG HSH, die Unkundigen empfiehlt, einen "fertigen" erwachsenen Hund mit einem Jungspund als "Starter-Paket" zu nehmen.

    Die Mc`s sind jetzt schon so präsent, wenn es sein muss, dass ich mir da wenig Gedanken mache, ob sie wolfstauglich sind. Sie werden es sein. Ich kenne die Elterntiere und die sind beide überaus gute HSH im bestehenden Wolfsgebiet.


    Rinderhalter schützen Finanzwerte, die deutlich höher als die der Schafhalter liegen. Dass heißt aber auch, dass aus dem Betrieb selbst eine Finanzierung der Hunde nicht möglich ist. Die kann nicht kompensiert werden.

    Die Kosten für die Hunde können wie alle sonstigen Extra-Kosten nur schlecht kompensiert werden, das ist richtig. Grad die Gewinnspannen in der Mutterkuhhaltung sind ziemlich knapp bemessen. Aber grad, weil die Werte, die man schützen muss, höher sind, fällt es vielen Rinderhaltern offensichtlich leichter, diesen Schritt auch auf eigene Kappe zu gehen. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass die Rinderhalter wissen, dass sie in Sachen Wolf allein, ohne Unterstützung durch Förderungen klar kommen müssen und dass die Entschädigungszahlen den tatsächlichen Verlust nicht mal annähernd abdecken. Bei einem Kälberriss entstehen ja nicht nur Verluste durch den Marktwert des Kalbes - betriebswirtschaftlich gerechnet hat man ein knappes Jahr lang ein mehrere hundert Kilo schweres Muttertier für nichts durchgefüttert. Das ist der rote Faden, der sich durch alle Nutztierrisse durchzieht - nur eben in der Rinderhaltung mit anderen Kosten-Klassen. Auch sind die Folgen durch einen Wolfsübergriff auf eine Rinderherde oft deutlich dramatischer als bei kleinen Wiederkäuern. Solche Rinderherden können in der Folge auch für die betreuenden Personen gefährlich werden. Besonders dann, wenn der wolfsabweisende Zaun es schwer macht, sich als Mensch in Sicherheit zu bringen. Auch Folgen von Panik-Ausbrüchen von Rinderherden sind meist gravierender - das alles sind Aspekte, die man durch den Einsatz von HSH mitbehandeln kann. Von HSH geschützte Rinderherden sind in Beutegreifer-Anwesenheit deutlich ruhiger, wenn die Integration vollendet ist, die Ausbruchsgefahr nimmt deutlich ab, die Umgänglichkeit/Handlebarkeit bleibt erhalten und all das sind Aspekte, die man in der rein betriebswirtschaftlichen Berechnung in Zahlen kaum ausdrücken kann, die aber in der Gesamtsumme den Einsatz von HSH bei Rindern sehr sinnvoll machen.

    Zum weidetier-übergreifendem Austausch untereinander wird ja niemand gezwungen, aber allein die Möglichkeit Kontakte im Umfeld zu anderen Tierhaltern zu knüpfen, die einem im Fall X zur Hilfe eilen und andersrum, ist ein Aspekt, den man nicht unterschätzen sollte. Ein regionales Netzwerk unter den Tierhaltern, die sich gemeinsam für ihre Belange einsetzen können, ist in Regionen, die noch Wolfserwartungsland sind, nur von Vorteil. Und wenn wir die Gelegenheit nutzen, die sich ergibt, wenn man sich die Lage in anderen Bundesländern oder anderen Ländern mit bereits verfügbarer Herdenschutz- und Wolfserfahrung anschauen kann, ergibt sich für uns hier der Vorteil, dass wir jetzt schon feststellen können, dass es künftig mit Zäunen allein nicht getan sein wird.

    Hier ist nochmal ein komplett lesbarer Artikel zu der Veranstaltung:
    Der Wolf in Franken: Viehhalter setzen auf Herdenhunde - Pegnitz - nordbayern.de
    Auch das bayerische landwirtschaftliche Wochenblatt hat einen mehrseitigen Artikel über den Einsatz von Herdenschutzhunden in der aktuellen Ausgabe.

    LG, Chris

  • Kommt es im Bayerischen Wald zu Rudelbildung von Wölfen?

    Wenn Rüde und Fähe gemeinsam durch die Gegend streifen, nennt man es
    erstmal "Paar" - das ist deshalb so unglaublich praktisch, weil man dann
    noch nicht den Management-Plan Stufe 3 ausrufen muss.

    Da Rüde und Rüde sich eher um ein Territorium prügeln würden, selbiges gilt für
    Fähe und Fähe, weil es nämlich für Wölfe keinen Sinn macht, sich als
    gleichgeschlechtliches Paar zusammenzutun, kann man sich also an den
    Daumen einer Hand abzählen, wann es nicht nur im NP Bayerischer Wald,
    sondern auch am TÜP Grafenwöhr Nachwuchs geben wird. Dann darf man
    endlich auch getrost von Rudelbildung sprechen und als Tierhalter die
    verzweifelte Hoffnung hegen, dass auch in Bayern ganz eventuell
    vielleicht die Tierhalter in Sachen Herdenschutzmaßnahmen unterstützt
    werden.

    Als Tierhalter finde ich es ausgesprochen schade, dass Bayern nicht von den Erfahrungen anderer Bundesländer gelernt hat,
    sondern die Förderung von Herdenschutzmaßnahmen bis zum Letzten
    hinauszögert.
    Gerade der Einsatz von Herdenschutzhunden benötigt Vorlaufzeit.

    Bayern hätte es vormachen können, wie ein Bundesland, das traditionell eng mit
    Naturschutz, Landschaftpflege und Weidetierhaltung verbunden ist, die
    Tierhalter rechtzeitig unterstützt.

    Aber das war ein Satz mit X. Schade.

  • Es gibt so Sätze, die kann man irgendwann einfach nicht mehr lesen :lol:

    Die Wahrscheinlichkeit, einem Wolf in freier Wildbahn zu begegnen, sei eher gering, sagen Fachleute.

    Mag ja sein, dass dieser Satz stimmt, wenn man die Betonung auf "freie Wildbahn", die es in D kaum noch gibt, legt. Aber ansonsten nimmt die Anzahl der Wolfsbegegnungs-Lottogewinner dramatisch zu.
    http://www.svz.de/lokales/hageno…id16058051.html

    Wobei in diesem Fall die Wölfis ja brav abgezischt sind.

    LG, Chris

  • Es gibt so Sätze, die kann man irgendwann einfach nicht mehr lesen

    Wenns Absätze sind, braucht man die auch gar nicht mehr lesen. Ich kann schon vorher sagen, welchen Wortlaut die haben.

    Ich bin letzte Woche im Wald umgedreht. Vor uns auf dem Weg ist ein Tier stehen geblieben, hat geguckt und ist dann weiter über den Weg. Nein, ich beschwöre nicht, dass das ein Wolf war. Vielleicht wars auch ein Hund. Aber ich fand dann umdrehen und einen Bogen über einen Parallelweg schlagen, viel besser. Wir haben hier eigentlich keine alleinlaufenden Hunde. Wenn, dann mal ein Jagdhund und die kann ich noch ganz gut identifizieren.

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