den ängstlichen Hund zu sehr an sich binden...

  • Hi Leute,
    ich hatte heute eine Unterhaltung und da ist was aufgekommen, was ich nicht so recht einordnen kann.

    Mein Hund ist als komplettes Angstbündel vor 2 Jahren bei mir angekommen (aus dem TS mit 8 Monaten) und wir haben viel gearbeitet und mittlerweile kann ich ihn sehr gut händeln.
    D.h. er folgt mir trotz gruseliger Dinge draußen und hat seine Umweltängst bei mir zum großen Teil abgelegt.

    Mit anderen Personen ist er aber völlig unsicher und panisch, sobald sie mit ihm rausgehen.
    Mein Freund geht mit ihm kleine Pipirunden und das geht nur im Dunkeln so halb wegs, da dann wenig los ist, ansonsten ist er teilweise so verängstigt, dass er sich nicht lösen kann. Teils wollte er gar nicht mit meinem Freund raus und lag versteinert im Körbchen (trotz voller Blase).
    Mit anderen Leuten die er so zwar toll findet, aber auch nicht näher kennt, selbes Spiel.

    Jetzt kam die Frage in der Unterhaltung von heute auf: "kann man den Hund zu viel an sich binden?" Also hab ich quasi was falsch gemacht, dass er so auf mich "fixiert" ist bzw. denkt ihr, dass ein Hund diese Umweltängste immer nur bei einer Person ablegt?

    Ich fand die Fragestellung interessant, kann's aber nicht beantworten.

  • Nein, ich denke nicht, dass es hier ein Thema von übermäßiger Fixierung auf Dich ist. Dagegen spricht z.B., dass er ohne Bindung zu Dir Deiner Beschreibung nach auch nicht sicherer war. Vertrauen ist bei einem umweltunsicheren Hund etwas, das über lange Zeit und durch viel Arbeit aufgebaut wird, bisher bist Du bei Deinem Hund eben die einzige, die diese Arbeit geleistet hat. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht auch bei anderen Menschen entspannen kann, wenn die Voraussetzungen (menschliches Verhalten + Bindungsarbeit) gegeben sind.

  • Meiner Meinung nach habt Ihr in zwei Jahren eine Menge erreicht!
    Andere HH haben da viel länger dran zu knabbern.
    Freue Dich, das Deine Nase schon so ein Vertrauen zu Dir hat und betrachte es als nächste Herausforderung, das er auch anderen Menschen vertrauen kann.
    Vielleicht ist Dein Freund auch nicht so souverän wie Du?
    Da spielen viele Faktoren eine Rolle.
    Ich würde mich über das bisher Erreichte freuen!

  • Hm, jein...
    Mein Bauchgefühl sagt, da würde ich noch weiter differenzieren.
    Ist es so, dass dein Hund die Ängste wirklich besiegt hat (was mein Ziel wäre)? Dann dürfte das mit deinem Freund nicht sein.
    Da dein Hund aber scheinbar nicht die Ängste besiegt hat, sondern sie NUR durch deine Anwesenheit nicht hat (sie ausblendet? sie trotzdem hat, nur seine Reaktionen besser im Griff hat?), würde ich sagen, JA - er ist zu sehr auf dich angewiesen.

    Das soll deine Erfolge nicht schmälern - wenigstens kannst du diesen Hund händeln - aber ich denke, der Weg ist noch länger. Vielleicht bin ich da aber auch zu anspruchsvoll? Verstehst du, was ich meine?

    Viel Erfolg weiterhin
    Silvia

  • Ich denke ja und hab da auch so meine Erfahrungen mit.
    Milow war auch ein Angst/ Panikhund und leider hab ich es versäumt ihn mit anderen Leuten Gassi zu schicken. Außer mit meinem Mann geht er mit keinem mit.

    Ich beginne jetzt draußen das ich Milow mal von Freunden rufen lasse und er dort hin gehen soll und wenn möglich sich kurz hin setzt dies werde ich nach und nach ausbauen.

    Leider bin ich dadurch komplett eingebunden so das ich Milow in einer fremden Stad nicht mal meinem Mann in die Hand drücken kann obwohl ich neben her gehe.

  • Hunde lernen v.a. Kontextbezogen. Und da gehören die jeweils anwesenden Personen dazu.

    Will man erreichen, dass Hund seine Ängste wirklich ablegt, muss man auch darauf achten, dass er das generalisiert und eben nicht nur in einem bestimmtem Kontext oder einer bestimmten Situation.

    Ich kenne ja nun deinen Hund nicht, aber die paar Zeilen, die Du hier so schreibst, vermitteln mir das Bild eines Hundes mit extremen Panikattacken, echten Phobien, und das in vielen Situationen. Und nicht einfach nur ein etwas unsicherer Hund. Ob dieses Bild, das ich mir da gerade mache, richtig ist, kannst nur Du sagen.

    Aber wenn es richtig ist, finde ich das, was Du als bisher Erreichtes beschreibst :gut: .
    ME werden solche Hunde nie völlig "angstfrei" im Sinne von sicher und souverän. Man kann sie dahin bringen, dass sie alltägliche Situationen meistern. Aber in unvorhergesehenen Situationen wird immer die Gefahr bestehen, dass die Ängste die Oberhand gewinnen.

    Ich weiß nicht, wie ihr bisher geübt habt. Mein nächster Schritt wäre, die Personen, bei denen Dir klar ist, dass der Hund auch bei ihnen ein gewisses Vertrauen haben muss, einfach weil sie mit dem Hund umgehen müssen, mehr ins Training mit einzubinden. Du kannst auch einmal krank sein, dann bist Du auf andere Personen angewiesen. Aber das müsst ihr mit einem solchen Hund ebenfalls gezielt üben. Und wenn möglich auch gezielt weiter daran üben, dass er seine Ängste Schritt für Schritt wirklich abbaut und nicht nur in bestimmtem Zusammenhängen wie Bsp. Deiner Anwesenheit.

    Aber mach Dir klar, dass das höchstwahrscheinlich eine Lebensaufgabe ist. Und ihr trotzdem nie diese sichere Souveränität in allen Lebenslagen erreichen werdet, die vielleicht ein anderer Hund zeigt.

    Und mach Dir immer wieder klar, dass das, was Du erreicht hast, schon ein gewaltiger Schritt nach vorn ist auf dem Weg dahin, dem Hund einen großen Teil seiner Umweltängste zu nehmen.

  • hallo Annika,
    mein früherer Collie war auch absolut panisch, so panisch, dass er sich weigerte, die Wohnung zu verlassen. Will nur sagen: ich glaube zu wissen, wovon Du redest. Lass Dich nicht verunsichern! Es ist super, was Du bisher geleistet hast ... und es braucht eben alles seine Zeit ... ich würde auch dazu raten, Deinen Freund mit ins Training einzubeziehen, allein schon für den Fall, dass Du mal ausfällst.
    Mir ist es damals sogar zum Vorwurf gemacht worden, dass ich meinen Collie zu sehr auf mich fixiert hätte...
    Aber: mittlerweile sag ich ganz platt: besser auf mich fixiert und Freude am Leben als weiterhin ein zitterndes Angstbündel.
    Natürlich kann man immer noch einen Tacken besser sein, und wir arbeiten ja auch dran ... aber meine Erfahrung ist, dass diese "Klugscheisser" selber rein gar nichts gebacken bekommen (sorry, wenn ich jetzt leicht unsachlich wurde, aber es weckt Erinnerungen)

  • Hi,

    ich habe diesen "Vorwurf" bzw. diesen Hinweis erst kürzlich hier auch bekommen, da meine Hündin sehr an mir klebt. Da kam der Einwand, dass ich das nicht zu sehr fördern sollte, denn wenn mir mal etwas passiert - Krankenhaus, längere Krankheit, was auch immer - dann müsste zumindest eine andere Person in der Lage sein sie auch "glücklich zu machen".
    Bei mir ist die Situation zwar ganz anders als bei dir, aber den Hinweis fand ich nicht verkehrt.

    Es ist toll was ihr erreicht habt, aber solltest du tätsächlich mal ins Krankenhaus müssen, dann sollte es mindestens eine andere Person geben, mit der dein Hund ohne größere Probleme mitgeht.

    LG

  • Zitat

    Jetzt kam die Frage in der Unterhaltung von heute auf: "kann man den Hund zu viel an sich binden?" Also hab ich quasi was falsch gemacht, dass er so auf mich "fixiert" ist bzw. denkt ihr, dass ein Hund diese Umweltängste immer nur bei einer Person ablegt?

    Ich fand die Fragestellung interessant, kann's aber nicht beantworten.

    Hallo,

    Ich behaupte JA.
    Gerade bei Tierschutzhunden ist das immer wieder zubeobachten. Der Halter ist natuerlich bemueht, dem Hund ein neues schoenes Zuhause zu geben, aber diese Hunde kennen diese Zuwendung oft gar nicht. Es ist voellig neu fuer sie, dass sie gestreichelt werden, regelmaessig Fressen koennen, Leckerlie bekommen, ein Dach ueber den Kopf haben, einen eigenen Schlafplatz etc und nichts wird ihnen streitig gemacht.
    Viele stellen dann nach kurzer Zeit fest, dass der Hund sich gut einlebt, Vertrauen aufbaut usw. Ok, das ist schoen und gut, nur kommt es dann auch in nicht seltenen Faellen zu Verlustaengsten und Kontrollverlust sowie auch zur Verteidigung von Ressourcen anderen Hunden oder sogar Partnern gegenueber.

    Im Prinzip ist es wie die Erziehung eines kleinen Welpen. Ich muss ihm natuerlich Geborgenheit geben, aber ich muss ihm auch beibringen, dass ihm nichts passiert, wenn ich mich mal entferne oder nicht da bin und auch, dass andere Familienmitglieder einen aehnlichen Status innerhalb der Familie haben und ihm nichts passiert.

    Eine zu enge Bindung halte ich persoenlich fuer absolut ungesund... fuer Halter und ganz besonders fuer den Hund.

  • Ich kann mir vorstellen, wie einige Schreiber vor mir, daß Du bisher die ersten Schritte erreicht hast und nun ein weiterer ansteht.
    Erst einmal hast Du Deinem Hund ermöglicht, überhaupt aufnahmefähig zu sein draussen.
    Ich weiß ja nicht, wie Du trainiert hast, aber wahrscheinlich mit der Intention "vertrau mir, ich mach das schon".
    Und jetzt wäre es an der Zeit, dem Hund schrittchenweise zu zeigen "Du kannst das auch".

    Als Beispiel ein paar Erfahrungen mit meiner Hündin, die ich 2-jährig auch sehr umweltunsicher übernommen habe:
    sie hatte Angst vor Mülltonnen, vor Ahornblättern, vor Traktoren, vor Menschen, vor Plastiktüten im Wind...
    Zu Anfang bin ich mit ihr zusammen hin, habe die Dinge berührt, ihr gezeigt, die sind nicht gefährlich.
    Später dann aber bin ich einfach stehen geblieben und habe sie machen lassen. Sie war neugierig genug, sich diesen Gruseldingern (auch Menschen - aggressiv war sie nie) zu nähern, aber in einem groooßen Bogen, immer bereit zur Flucht.
    Sie dabei anzuspornen war kontraproduktiv. Damit habe ich die Gruseldinge doch wieder als was Besonderes hingestellt.
    Ich habe dann einfach gewartet und die Klappe gehalten. Und wenn sie das Ding dann erkundet hatte und mich mit stolzgeschwellter Brust angeguckt hat, DANN habe ich sie gelobt, gelacht, a la "jawollja, Du bist die Größte".
    Sowas ist für mich die Erklärung von SELBSTbewußtsein - sie ist sich ihrer selbst bewußt geworden.

    Dadurch und durch das unerschrockene, stets freundlich neugierige Vorbild meiner Neufi-Hündin (vielleicht kennst Du ja auch so einen Vertrauensbonus-Hund) ist sie heute ein ganz normaler, neugieriger Hund, der auch genauso mit anderen ihr bekannten Menschen mitgeht. Mit Fremden würde ich das aber auch gar nicht wollen.

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