Taub und blind, ist das lebenswert?

  • Aufgrund des Themas in einem anderen Thread und auch oftmals meiner eigenen Überlegung betreffs Schara im Alter, möchte ich hier mal fragen:


    wie lebenswert ist das Leben eines Hundes der blind und taub ist?


    Man kommt bei gewissen Portalen immer wieder über solche Anzeigen, wo blinde und taube Hunde vermittelt werden sollen. Als ich Schara suchte hatte ich mich schon mit dem Thema befasst. Mich hingesetzt, Augen zugemacht, Ohren zugehalten. Da ist eine Minute schon sehr lang. Man ist in einer ganz anderen Welt. Oder ist man überhaupt noch in dieser Welt?


    Man verliert jegliches Zeitgefühl, der Tagesrythmus geht verloren. Kein Dunkel, kein Hell und auch niemand und nichts, dass mich mit Worten oder Vogelgezwitscher daraufhin weist.


    Wäre es ein Grund einen Hund zu erlösen? Wäre es eine Erlösung, oder nimmt man ihm doch ein lebenswertes Leben?

  • Ein Hund "vermisst" solche Sachen nicht. Er lebt mit dem, was ihm gegeben ist. Ob ein Leben ohne Sehen und Hören lebenswert ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Jedenfalls nicht aus Sicht eines Hundes. Der Hund hat andere Sinne auf die er sich verlassen wird. Riechen, Tasten. Ist nur die Frage, ob der Mensch mit dem Aufwand den dieser Hund bietet zurecht kommt. Ich persönlich sehe mich dazu eher nicht in der Lage. Sollte das Schicksal einer meiner Hunde treffen, würde ich es davon abhängig machen, wie der jeweilige Hund damit zurecht kommt.

  • Viele Hunde im Tierschutz, die blind und taub sind, stammen aus Merle x Merle-Verpaarungen. Diese Hunde kommen so auf die Welt und lernen es nie anders kennen. Das ist ganz sich nicht damit zu vergleichen, wenn Du, als Augentier Mensch, dir mal für eine Minute Ohren und Augen verschließt.


    Viele Grüße
    Corinna

  • Puh...echt schwer. Ich würde das so oder so niemals pauschal sagen wollen. Man muss den einzelnen Hund sehen.


    Aber ich finde nicht das es für den Hund toll ist. Wie soll er sich orientieren? Er wird draußen nie als Reichweite seines Besitzers laufen können da er sich ja nur an dessen Berührungen halten kann.


    Es gibt denke ich mal auch ein sehr großes Verletzungspotenzial da Hindernisse nicht wahrgenommen werden.


    Es kommt immer drauf an wie der Hund damit klar kommt (es gibt Hunde die ein von beiden also blind ODER taub sind und bei denen merkt man erst gar nicht wenn mans ned weiß). Aber ich kann mir so jetzt nicht vorstellen, dass der Hund noch glücklich mit seinem Leben ist...ein Hund der sich GAR NICHT orientieren kann ist für mich wie ein Hund der zb. überhaupt nicht mehr laufen kann....und das wäre für mich eine zu große Einschränkung für ein lebenswertes Dasein. Ich würde evtl. nach reichlicher Beobachtung des Hundes...einschläfern :(

  • Corinna, das ist mir schon bewusst, aber ich habe nur diesen Vergleich.


    Ich weiss nicht was ich davon halten soll, dass man solche Vermehrungen durchführt, wenn man weiss, dass dies dabei rauskommen kann. Und bekannt scheint es ja zu sein.

  • Ich habe darüber auch schon oft nachgedacht und ich glaube, dass wir nur durch Beobachtungen dieser Tiere entscheiden können, ob es für den jeweiligen kandidaten lebenswert ist oder nicht, da kann man keine generellen Aussagen machen- wir können es nicht nachvollziehen, wie es für einen hund ist, denn- wie heir schon geschrieben wurde- haben Geruchs- und Tastsinn einen ganz anderen Stellenwert für einen Hund! Er nimmt die Welt eh anders wahr als wir- ich finde es schon schwer mich in blinde oder taube Menschen hineinzuversetzen, ich maße mir daher nicht an mich in einen Hund mit solchen "Behinderungen" hineinzufühlen.

  • ein schwieriges thema...eine blinde freundin von mir sagte letztens (ein berühmtes zitat, von wem weiß ich nicht):


    "blind sein trennt dich von den dingen, taub sein trennt dich von den menschen."


    ob das wirklich so ist? schwer zu sagen. wenn jemand von geburt an blind und taub ist, ist das ja seine ganz normale realität. taub-blinde menschen beispielsweise können sich durch lormen verständlich machen und somit mit der außenwelt kommunizieren, allerdings nur mit denen, die des lormens mächtig sind - und das sind im zweifelsfall therapeuten, pfleger und familie. ob das ausreicht? das kann man sicherlich niemals allgemein gültig beantworten. doch gerade bei hunden gibt es ja immernoch ein ganz besonderes sinnesorgan, welches im zweifelsfall viele andere funktionen ausgleichen kann: die nase. und die kann einem solchen hund ein fast normales leben ermöglichen. mit anderen dürfte ein solcher hund irgendwie schon klarkommen. man könnte sicherlich auch signale durch gerüche konditionieren, so dass man mit einem solchen hund irgendwie kommunizieren kann.

  • Unsere Hunde orientieren sich zwar auch durch sehen und hören, aber das Wichtigste - so scheint es mir - ist ihre Nase, Ihr Geruchssinn, der mit dem unseren überhaupt nicht vergleichbar ist.


    Ansonsten ist es wie beim Menschen:
    Die einen kommen blind bzw. taub zur Welt.
    Manche werden nach und nach blind und/oder taub.
    Und einige werden aufgrund einer Erkrankung plötzlich blind und/oder taub.


    Die, die zur ersten Gruppe gehören, kommen damit sicher am besten klar. Die Hunde der zweiten Gruppe nach meiner Erkenntnis auch. Am schwersten werden sich die Hunde tun, die plötzlich ihr Augenlicht oder das Gehör verlieren.


    Pauschal würde ich nie sagen, dass das Leben dieser Hunde nicht lebenswert ist. Es kommt auf den jeweiligen Hund an.

  • Zitat


    "blind sein trennt dich von den dingen, taub sein trennt dich von den menschen."


    Und genau bei solchen Sichtweisen liegt vermutlich der Unterschied zwischen Mensch und Tier. Ein Tier "denkt" nicht darüber nach, was es früher konnte, was andere Tiere seiner Art können, im Gegensatz zu ihm, sondern nimmt die Dinge hin, wie sie sind. Damit entfällt in Sachen Lebensqualität schon mal eine wesentliche, oft einschränkende Komponente, nämlich die so schwierige Akzeptanz der Gegebenheiten.


    Meiner Meinung nach hängt die Lebensqualität eines doppelt gehandicapten Hundes unmittelbar von der Bereitschaft seines Haltes ab, neue, ungewöhnliche Wege der Kommunikation mit seinem Hund einzuschlagen.


    Es gibt so viele sonstige Möglichkeiten, sich ausserhalb des Sehens und Hörens miteinander zu verständigen. Nur müssen wir Augen- und Ohren-Menschen da extrem kreativ sein und umdenken, denn natürlich fällt es uns schwer, uns vorzustellen, wie es ist, auf diese beiden Sinne in Sachen Wahrnehmung und Kommunikation zu verzichten.


    Neben den olfaktorischen Reizen bieten die taktilen Reize noch ein unendliches Potential, um dem Hund wichtige Signale zu vermitteln.
    Berühren ist ja nicht nur Streicheln (auch wenn das mit Sicherheit die dem Hund liebste Art ist ;) ) - Berühren kann Richtungen vorgeben, Tempowechsel vorschlagen, Ruhe oder Spannung in den Hund bringen, Anwesenheit signalisieren, ähnlich wie beim Reiten kann ein leises Klingeln (als Vibration zu spüren) an der Leine eine Bedeutung bekommen, selbst das Herunterrutschen der Leine am Brustgeschirr auf die rechte oder linke Seite kann einen Richtungswechsel anzeigen. Man kann z. B. eine Gerte aus dem Pferdesport als verlängerten Arm benutzen - nicht zum hauen, sondern für weitere taktile Signale auf geringe Distanz.


    Es gibt schon noch sehr viele Möglichkeiten, Kommunikation "neu" zu erfinden.


    Ist die Möglichkeit beim Halter vorhanden, sich derart intensiv mit seinem Hund auseinanderzusetzen, ist auch die Frage nach der Lebensqualität für den Hund einfach zu beantworten.


    Dazu muss der Halter sich aber kritisch mit sich selbst und den eigenen Fähigkeiten auseinandersetzen, sich die Frage nach der Empathie und der Kreativität stellen, nach der nötigen Zeit und auch danach, ob er, der Halter, mit dem Anders-Sein des Mensch-Hund-Gespannes klar kommt.


    Solch ein Hund bei einem Halter, der zu unflexibel ist, sich auf den Hund einzustellen - was eben nicht jedermanns Sache ist und deshalb nicht "bewertet" werden sollte, auch da ist die Frage nach der Lebensqualität einfach zu beantworten.


    Mitleid ist da der allerschlechteste Berater. Und auch eine zu emotionale Vorgehensweise ist eher hinderlich, denn nützlich.


    Die ganz sachliche Überlegung des Menschen in Bezug auf die eigenen Möglichkeiten ist für solch einen Hund viel wichtiger.


    Hier ist die Geschichte vom blinden Podenco Alfonso nachzulesen - http://www.hundeblueten.de/ind…98031176&f=1&i=1598031176


    Offen, sachlich und mit vielen Tipps und überraschenden Vorgehensweisen. Nicht beschönigend, sondern die verzweifelten Momente nüchtern beschreibend. Aber eben ein hervorragendes Beispiel dafür, wie es laufen kann (!), wenn der Halter bereit ist, sich auch gänzlich ungewohnten Wegen zu öffnen.


    Ich bin der Meinung, dass man diesen doppelt gehandicapten Hunden ihre Lebensqualtität zusprechen kann, WENN und das ist der Knackpunkt, sie an einen geeigneten Halter geraten.


    LG, Chris

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