Hallo! Oder auch: алло!
Mein Name ist Tasia und ich bin eine Hündin aus dem Tierschutz. Ich möchte euch gern meine Geschichte vorstellen und das Elend von Straßenhunden in Russland näher bringen. Wo fange ich an? Okay, ich beginne mal mit meiner Geburt.
Geboren wurde ich in Moskau. Meine Mutter brachte uns in einer abgelegenen Gasse, neben mehreren Mülltonnen zur Welt. Der erste Geruch, der mir in die Nase stieg, war der einer alten Fischgräte.
Viele meiner Geschwister starben recht schnell. Sie verhungerten. Als meine Schwester und ich mit Laufen anfingen, verschwand unsere Mutter immer öfter. Und länger. Es regnete nun fast jeden Tag. Ich fror und war hungrig. Von unserer Mutter war keine Spur. Sie blieb weg.
Eines Abends kam ein Mann zu uns. Er wühlte in den großen Mülltonnen. Er roch schlecht und sah selbst sehr abgemagert aus. Und dann hörte er meine Schwester winseln und entdeckte uns. Seine großen Hände griffen mich und hoben mich in die Luft. Meine Schwester bekam er nicht zu fassen. Und so nahm er mich mit. Er selbst lebte auch auf der Straße. Gelegentlich konnte er etwas zu fressen für mich auftreiben, aber es war wenig. Hungrig machte ich mich oft selbst auf die Suche nach etwas Fressbarem. Ging aber immer wieder zu diesem Mann zurück, denn bei ihm fühlte ich mich geborgen.
An einem Morgen, ich war ungefähr ein Jahr alt, suchte ich im Park nach Futter. Mein Magen knurrte fürchterlich. Plötzlich ertönte lautes Geschrei und Gejaule hinter mir. Die anderen Hunde im Park rannten panisch davon. Da entdeckte ich sie. Die Hundefänger. Große Männer mit langen Stöcken und Seilen. Auch ich rannte davon. Doch kaum glaubte ich mich in Sicherheit, erwischte mich einer dieser Männer, er trug eine Mütze, und zog die Schlinge um meinen Hals fester. Er gab laute grunzende Geräusche von sich und zerrte mich hinter sich her. Die Schlinge zog sich dabei immer fester zu, erwürgte mich beinahe. An einem alten Laster blieb er stehen und hob mich an der Schlinge in dieses dunkle große Ungetüm. Kaum war ich drin, trat er mich von hinten. Ich rutschte zu den anderen verängstigten Hunden. Später erfuhr ich, dass die Politiker das „Stadtreinigung“ nannten.
Wir wurden zu einem alten, heruntergekommenen Gebäude gebracht, wo man uns in kleine enge, dreckige Räume sperrte. Das einzige Tageslicht kam von der Eingangstür des Gebäudes. Zusammen gepfercht saßen 5 andere Hunde mit mir in diesem Gefängnis. Wir hockten in unseren eigenen Ausscheidungen.
Viele der Anderen bellten und jaulten fürchterlich laut.
Es gab kein Wasser und kein Futter. Zumindest nicht regelmäßig. Hin und wieder wurden ein paar Brocken Trockenfutter in unseren Käfig geworfen. Doch kaum geschah dies, musste ich darum kämpfen, wenigstens ein bisschen was davon abzubekommen.
Es war Winter als ich in diesem Tierheim war. Wasser bekamen wir daher nur in Form von Eisblöcken. Mir ging es jeden Tag schlechter. Zwei der Hunde, die mit mir im selben Käfig saßen, starben schon kurze Zeit später. Ihre Körper lagen noch mehrere Tage bei uns. Ich musste zusehen, wie jeden Tag ein Hund nach dem anderen in einen Raum geschleppt wurde und tot wieder heraus kam. Wiederum andere wurden in einen anderen Raum gebracht. Ein Raum ohne Tür. Dort wurden wir Hunde kastriert. Man könnte es als Fließbandarbeit bezeichnen, denn kaum war der Erste fertig, kam der Zweite dran. Wurde mit dem gleichen Skalpell operiert. Es war eine blutige, dreckige Angelegenheit und die meisten Hunde kamen nicht lebend vom Tisch.
Auch ich wurde in dieses Zimmer geschliffen. Gegenwehr nützte nichts. Ich überlebte die Kastration, hatte aber höllische Schmerzen. Mein Körper krampfte, die Wunde eiterte und alles tat mir weh. Dazu kam der von Urin und Kot verdreckte Zwinger und der Futter- und Wassermangel. Mir ging es elend. Inzwischen wanderte ich in diesem riesigen Tierheim von Zwinger zu Zwinger. Jeden Tag verschwand einer meiner Insassen und neue kamen hinzu. Später, nachdem meine Narbe verheilt war, wurde ich wieder mit der Schlinge in einen Laster gehoben. Sie brachten mich in ein „kleineres Tierheim“. Doch es änderte sich fast nichts. Außer, dass es etwas mehr Futter gab. Aller zwei, drei Tage kamen zwei bis drei Männer mit Fahrrädern zu uns. Höhnisch lachend schlugen, traten und prügelten sie auf uns ein. Einfach nur aus Spaß. Sie schrien und hämmerten mit Stöcken gegen die Gitter und erfreuten sich über jeden toten Hund, den sie in einem der vielen Zwinger fanden. Jeder von uns zitterte, wenn er die Fahrräder hörte. Die Männer mochten aus ihrer Überzeugung keine Hunde und das ließen sie uns spüren...
http://community.livejournal.com/svao_photos/52066.html
http://www.novayagazeta.ru/news/988186.html
Mit zwei Jahren sollte sich mein Leben dann ändern. Eine Frau besuchte das Tierheim. Sie ging auf und ab. Ich spürte, dass sie mich retten könnte. Sobald sie an meinem Zwinger stand, steckte ich die Pfote durchs Gitter, winselte, legte mich auf den Rücken und schaute sie mit flehentlichem Blick an. Und es funktionierte. Mich und 7 andere Hunde holte sie aus dem Zwinger und brachte uns in ihr Auto. Jeder bekam seine eigene Box. Ich erfuhr, dass sie Tierschützerin war und uns nach Deutschland bringen würde.
Es war eine lange Reise im Auto dahin, aber sie schaute regelmäßig nach uns und füllte frisches Wasser in die Näpfe unserer Boxen. Das Tierheim in Deutschland sah schöner aus als das in Russland. Wir bekamen ein großes Gehege mit Hütten, jeden Tag Futter und Wasser und wurden nicht mehr geschlagen. Im Gegenteil. Wir bekamen hin und wieder Zuwendung.
Und dann sah ich sie. Eine Familie mit Hund. Ich wusste, dass ich ihnen gefallen musste, um aus dem Tierheim raus zukommen. Sie gingen regelmäßig mit mir und ihrem Hund spazieren. Wir verstanden uns auf Anhieb, tobten und spielten. Als sie mich dann zu sich nach Hause nahmen, wurde mir klar, dass jetzt ein neues Leben beginnt. Gut, ich musste mich erst an eine Wohnung gewöhnen. Ich kannte so etwas vorher nicht, doch von Tag zu Tag lief es besser. Sie nahmen mich endgültig zu sich, ich bekam leckeres Futter, frisches Wasser, Leckerlies, Streicheleinheiten und Unterhaltung.
Hin und wieder suchen mich noch Albträume heim. Dann muss ich immer an meine schreckliche Vergangenheit denken, aber jetzt gibt es immer jemanden, der mich aus diesem schwarzen Loch holt und mir zeigt, wie schön ein Hundeleben sein kann.
***geschrieben von Nicole Zieger***
PS: Diese Geschichte erzählt von Tasias Vergangenheit. Einige Passagen wurden frei erfunden, jedoch sind die Hauptaussagen zutreffend.
Ich habe überlegt, noch zwei Videos einzustellen, die mir die Tierschützerin zu gemailt hat, habe sie jedoch aus ethischen Gründen nicht eingestellt.