Ist der Mensch artgerecht?

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    Ich denke, dass unsere Haushunde so domestiziert sind, dass sie gar nicht mehr richtig wild leben könnten.


    ....und ob sie es noch können....
    Erst am Samstag wurde bei uns ein Reh von zwei streunenden Hunden gerissen. Man hätte glauben können, das da ein Wolf am Werk war.


    Oder ein entlaufener Hund- auch er kehrt in diesem Fall zu seinen Urinstinkten zurück.
    Das ist auch oft der Grund, dass er sich nicht von seinen Menschen einfach so einfangen lässt.


    Was die Hunde aus dem Süden betrifft: ich hatte schon einige Kunden, die ihr Herz an diese Hunde verloren haben und dann wahnsinnig enttäuscht waren, weil der Hund keine Dankbarkeit zeigt, weil er nicht verschmust ist und weil er jede Gelegenheit nutzt, weg zu laufen.
    Diese Hunde sind nicht selten mit der Menschenwelt einfach überfordert.


    Überlebenskampf hin oder her, ich glaube trotzdem, dass Hunde, die von Geburt an "wild" leben, gut auf uns verzichten können und lieber täglich ums Überleben kämpfen, als sich durch Leine und irgendwelche unverständliche Gesetze von uns festnageln zu lassen.


    L.G., Claudia.

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    Überlebenskampf hin oder her, ich glaube trotzdem, dass Hunde, die von Geburt an "wild" leben, gut auf uns verzichten können und lieber täglich ums Überleben kämpfen, als sich durch Leine und irgendwelche unverständliche Gesetze von uns festnageln zu lassen.


    Du bist die Erste und Einzige, die das hier so ganz klar schreibt. Ich sehe es inzwischen ehrlich gesagt auch ein bißchen so. Bzw. bin ich mir sicher, dass meine Große DANN am glücklichsten wäre, wenn sie beides haben könnte: Ihr "sicheres" Zuhause, ihren Platz auf dem Sofa und die regelmäßigen Schmuseeinheiten, aber auch die Möglichkeit, wannimmer es ihr gefällt, draußen herum zu streunen.


    Leider hier in Deutschland nicht umsetzbar.


    Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich sie im Haus "Gefangen halte", und ich habe mir schon mehrmals überlegt, nachts wenn alle schlafen, mit ihr in den Wald zu fahren und sie raus zu lassen, damit sie ein paar Stunden "Freiheit" erleben kann.
    Mach ich natürlich nicht ... Aber bei ihr denke ich wirklich: Einerseits genießt sie ihr Zuhause, andererseits vermisst sie ihre Eigenständigkeit.


    Meine Kleine fühlt sich hingegen sicher nicht "gefangen", sondern einfach nur geborgen. Sie könnte nicht ohne mich bzw. einen anderen Menschen sein ...

  • Zitat


    Was die Hunde aus dem Süden betrifft: ich hatte schon einige Kunden, die ihr Herz an diese Hunde verloren haben und dann wahnsinnig enttäuscht waren, weil der Hund keine Dankbarkeit zeigt, weil er nicht verschmust ist und weil er jede Gelegenheit nutzt, weg zu laufen.
    Diese Hunde sind nicht selten mit der Menschenwelt einfach überfordert.


    Überlebenskampf hin oder her, ich glaube trotzdem, dass Hunde, die von Geburt an "wild" leben, gut auf uns verzichten können und lieber täglich ums Überleben kämpfen, als sich durch Leine und irgendwelche unverständliche Gesetze von uns festnageln zu lassen.


    Solche Dinge sind für mich - wobei ich Dir Deine Meinung gar nicht absprechen oder ausreden will! - oft eher ein Zeichen, dass diese Hunde nicht wirklich bei den für sie geeigneten Menschen gelandet sind. Um mit solchen Hunden glücklich werden zu können und umgekehrt, damit solche Hunde mit uns Menschen glücklich werden können, muss man andere Maßstäbe als die "deutscher Hund aus deutscher Zucht auf deutschem Hundeplatz"-Ansprüche haben, oft einen gänzlich anderen Umgang mit den Hunden pflegen und eben ihnen auch einen großen Teil ihrer Eigenständigkeit lassen - das steht aber sehr häufig völlig konträr zu den Ansprüchen, die der "normale" Hundehalter an die Hundehaltung hat.


    LG, Chris

  • Zitat


    Solche Dinge sind für mich - wobei ich Dir Deine Meinung gar nicht absprechen oder ausreden will! - oft eher ein Zeichen, dass diese Hunde nicht wirklich bei den für sie geeigneten Menschen gelandet sind. Um mit solchen Hunden glücklich werden zu können und umgekehrt, damit solche Hunde mit uns Menschen glücklich werden können, muss man andere Maßstäbe als die "deutscher Hund aus deutscher Zucht auf deutschem Hundeplatz"-Ansprüche haben, oft einen gänzlich anderen Umgang mit den Hunden pflegen und eben ihnen auch einen großen Teil ihrer Eigenständigkeit lassen - das steht aber sehr häufig völlig konträr zu den Ansprüchen, die der "normale" Hundehalter an die Hundehaltung hat.


    Hast du Tipps, wie so eine Hundehaltung aussehen könnte, bzw. was man noch tun könnte, um den Hunden ihr Leben hier "erträglich" zu machen?

  • Zitat

    Bzw. bin ich mir sicher, dass meine Große DANN am glücklichsten wäre, wenn sie beides haben könnte: Ihr "sicheres" Zuhause, ihren Platz auf dem Sofa und die regelmäßigen Schmuseeinheiten, aber auch die Möglichkeit, wannimmer es ihr gefällt, draußen herum zu streunen.


    Gerne wird ja denjenigen, welche ihre Hunde auch heute noch so halten (können?) vorgeworfen das diese kein Interesse für ihre Hunde haben.


    Eine polnische Kollegin erzählt immer von ihren Heimaturlauben und den Hunden die in den Dorf morgens sich auf die "Pfoten" machen, sich mit ihrem "Hunderudel" treffen und abends wieder auftauchen um (nach getanem Blödsinn :D) bei ihren Menschen ihr Futter, Streicheleinheiten und einen warmen bzw. kuscheligen Platz wieder einzunehmen.


    Auch in Russland ist das oft noch Gang und Gäbe (kenne ich allerdings nur aus dem TV). Auch in Spanien ist ein gedachter Straßenhund nicht immer ein Straßenhund.


    Was früher auch oft bei uns normal war geht heute leider nicht mehr. Heute ist die Menschheit noch Hundefeindlicher geworden (Hundehasser gab es schon immer), wird der Hund nicht mehr als das gesehen was er eigentlich ist: ein sozialer Beutegreifer, welcher auch noch andere Interessen hat als was der Mensch ihm bieten kann.


    Nun sind Hunde sehr Anpassungsfähig und nehmen es so wie es kommt. Das Problem wird immer sein wenn ein Hund auch etwas anderes kennen gelernt hat, da braucht es keinen Hund aus dem Süden.


    Ich kann mich schlecht damit z.B. arrangieren wenn man dem armen Kettenhund helfen will, der nur die Kette kennt und keinen Auslauf. Damit geht es ihm natürlich einerseits nicht gut aber er kann nichts vermissen weil er nicht anderes kennt. Wenn er dann das Bessere kennen lernt und es ihm dann, aus welchen Grunde auch immer, wieder entzogen wird, dann glaube ich bekommt der Hund richtige Probleme. Letztendlich müsste immer eine bleibende Lösung her wenn man helfen möchte.


    Meine Hunde kennen es nur so wie es bei uns läuft. Und nehmen es so hin. Ich würde sie gern einfach ihre Welt kennen lernen lassen so wie sie es gerne möchte. Denn weglaufen werden sie nicht. Sie kommen immer wieder. Sogar Carlos, der mit Sicherheit mehr Freiheit bräuchte als z.B. Ashkii oder aber Barry.


    Merkwürdiger Weise hatten meine Hunde in Berlin mehr Freiheiten. Klar mussten sie an der Straße entweder an der Leine bleiben oder einfach gehorchen. Aber am Stadtrand oder in den Hundeausläufen konnten sie sich immer artgerechter entwickeln als es mir jetzt mit Carlos hier möglich ist.


    Ok, ich schweife ab :D

  • warum aber ist in Spanien bei einem Animal Hording Fall Hunde ausgebüxt haben sich zum Rudel zusammengeschlossen und haben Schafe gerissen? Warum sind diese Hunde nicht einzelnd in die Stadt und haben nach Futter und Unterschlupf gesucht (so wie die "normalen" Straßenhunde auch)?

  • Zitat

    Für mich ist genau das die Grundlage jeder wirklich funktionierenden "Beziehung" - egal jetzt, ob mit Mensch oder Tier.
    Man WILL zusammen sein, aber man muss nicht zwangsläufig.


    Eigentlich die schönere Variante, als Abhängigkeit jeglicher Art.


    :gut:
    Seh ich genauso und das eben auch nicht nur auf den Hund bezogen.


  • Ich hab die Ronja mal gefragt, wie sieh das Thema sieht. Also sie meint, draussen im Freien leben geht schon mal gar nicht. Wer soll ihr da das Bett aufschütteln, sie kuscheln, sie abends zudecken? Und bei dem momentanen Wetter, wer macht sie trocken, wenn sie nass geregnet ist, wer wärmt sie, wer macht den Dreck aus ihren Ballen??
    Und was würde sie in Freiheit essen? Hühner mag sie nicht so gern, Kühe kann sie nicht selbst erlegen, Hasen sind zu schnell, Mäuse zu klein...
    Und dann vielleicht noch im Rudel mit anderen Hunden? Neee, das möchte sie gar nicht, Beute teilen oder neben muffeligen Straßenkötern schlafen, schreckliche Vorstellung...


    Die Ronja ist am glücklichsten bei Frauli und Familie, daheim im kuscheligen Haus mit geregelten Mahlzeiten :D

  • Also, meine empfinden glaub ich die Haltung durch mich als durchaus artgerecht ;) :
    sie kriegen auf Wunsch von mir den Bauch gekrault; wenn sie Hunger haben, gibt´s artgerechtes Futter frei Haus geliefert, sie dürfen mit mir zusammen arbeiten (Sucharbeit), bei schlechem Wetter habensie (m)ein Dach überm Kopf..... was will Hund mehr??
    Geduscht muß nur werden, wenn sie mal wieder zu schnell waren für mich (*wälz....), und wenn Fraule mal net aufpaßt, kann sogar mal gejagt werden..... :datz: (Letzteres bin ich eifrig dabei einzuschränken...)
    Aber sicherlich gibt es Hunde, die dies so nicht kennengelernt haben, und daher auch nicht in dem Ausmaß genießen können. Ich denke also, die Frage muß je nach Hund anders beantwortet werden.
    LG,
    BieBoss

  • Zitat

    Ich denke, dass unsere Haushunde so domestiziert sind, dass sie gar nicht mehr richtig wild leben könnten. Selbst im Süden leben Straßenhunde in der Nähe der Menschen und keineswegs in den Wäldern, als jagende Rudel.


    ... das sehe ich persönlich anders -
    ich glaube, dass alle unsere "Haus"hunde (selbst der erwähnte Mops) auch ohne uns überleben könnten, wenn sie müssten (wie gut sie das könnten, sei mal dahingestellt und ist von vielen äußeren Faktoren wie Klima, Örtlichkeit etc. abhängig).
    D.h. ja nicht, dass sie gleich wieder "wild" leben müssten, was auch immer man darunter versteht. Jedes Lebewesen ist bestrebt, mit möglichst wenig Energieaufwand sein Leben zu erhalten. Insofern ist es klar, dass die Straßenhunde nicht als selbstständig jagendes "Rudel" (Meute/Gruppe wäre da die richtigere Bezeichnung) in die Wälder ziehen und die anstrengende Jagd auf sich nehmen, sondern eher in den Abfällen der Menschen nach Fressbarem suchen und so relativ einfach "wild" überleben können.
    Ein entlaufener Mops z.B. würde wahrscheinlich eine ähnliche Strategie nutzen, da eine Jagd nach Kaninchen (von größerem Wild ganz zu schweigen) von vornherein aussichtlos wäre. (stell' mir das gerade bildlich vor.... :lol:


    Die emotionale Nähe zu uns brauchen die Hunde ganz gewiss nicht zum Überleben, sondern eher einen "Verband", dem sie angehören können - der in erster Linie aber auch wieder überlebensstrategischen Dingen nützt.
    Warum schließen sich denn Hunde zusammen? Einerseits zu Zwecken des Beuteerwerbs bzw. gemeinsamen Jagens, anderseits zu Schutzzwecken sowie Fortpflanung und Jungenaufzucht. Mehrere Ohren und Augen hören bzw. sehen den potentiellen Feind eben eher. Auch eine Territorialverteidigung ist im Verband einfacher und Territorium dient u.a. wieder dem Nahrungserwerb bzw. ungestörter Jungenaufzucht. Wobei es durchaus auch Einzelgänger gibt, die sich keiner anderen Hundegruppe oder sonstigen Spezies anschließen - und auch diese können allein überleben. Ist das Nahrungsangebot nicht so üppig, ist es wahrscheinlich sogar praktischer und aus egoistischer, überlebensstrategischer Sicht günstiger, allein zu leben.


    Ich hatte anfänglich auch ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil wir unsere Hündin in Spanien selbst von der Straße geholt haben. Wir fanden sie während eines mehrmonatigen Wohnmobilurlaubs auf einem Rastplatz im Hinterland. Dort lebte eine fünfköpfige, freilebende Hundegruppe (evtl. auch "nur" Streuner der anwohnenden Bauern?). Unsere Hündin war aber ganz allein unterwegs und mied diese Gruppe ganz offensichtlich. Sie war zwar sehr mager, ansonsten aber gesund, jedoch sehr scheu. Sie kam nur nachts auf diesen Rastplatz und hat die Mülltonnen geplündert und hat ansonsten wahrscheinlich von Mäusen gelebt (zumindest buddelt sie die immer noch mit Hingabe aus). Da es auf das Ende der Saison zuging und abzusehen war, dass immer weniger Urlauber und somit auch Müll auf den Rastplatz kommen würden, entschlossen wir uns, sie zu "retten".
    Im Nachhinein eine furchtbar "blauäugige" Aktion, die auch schlimm in die Hose hätte gehen können. Wir hatten aber Glück und sie erwies sich als sehr lernbereit und mit viel Geduld, Nerven uns Spucke haben wir einen (für uns) passablen Hund aus ihr gemacht, dem man seine Vergangenheit nicht mehr anmerkt. Die ersten Tage waren ganz sicher ein totaler Schock für sie - sie kannte offenbar keine Autos (von innen), keine streichelnden Hände, kein Halsband - eben nix. Ich habe mich oft gefragt, ob sie nicht lieber auf diesem Rastplatz geblieben wäre mit ihrer "Freiheit" tun und lassen zu können, was sie will, zumal sie anfangs nicht gezeigt hat, dass sie uns so besonders toll findet.... Das Futter ja - aber sonst.... Gleich am ersten Tag zum Tierarzt, pieken lassen, baden, Strick um den Hals und irgenwo hingezogen werden etc. pp. - die Arme.


    Bei irgendeinem Seminar hat mir der Trainer dann mal den Kopf gewaschen und gesagt, dass ich mir diese Gedanken aus dem Kopf löschen muss, damit wir ein gutes Team werden können. Nun ist es einfach so - wir haben sie mitgenommen und eine Entscheidung (auch für bzw. über sie) getroffen und nun müssen wir das Beste (auch für den Hund) draus machen. "Was-wäre-wenn?" sind da die falschen Gedanken, denn was ist die Alternative? Sie auf den Rastplatz zurückbringen? Dort evtl. den Hundefängern oder dem Hungern während der Wintersaison aussetzen?


    Und seitdem ich mit diesen Gedanken abgeschlossen hatte, lief auch alles andere von selbst. Ich habe sie voll als meinen Hund angenommen und irgendwie hat sie das wohl gespürt - seitdem ist sie öfter mal von selbst angekommen, hat mich angespielt und hat "0" Tendenzen zum Weglaufen. Eine Schmuserin ist sie immer noch nicht und brauch sie auch nicht sein und so sehr wir mittlerweile ein eingespieltes Team sind, genauso sicher weiß ich auch, dass sie auch wieder ohne mich überleben könnte.

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