ANTIJagd oder MITJagd Training?

  • Wir fahren ebenfalls einen gemischten Ansatz.
    Grundsätzlich verboten ist jeden Form des selbständigen Jagens. Das bedeutet auch, dass der Weg nicht verlassen wird und weder Spuren verfolgt noch gestöbert wird. Auch eigenständiges Starten bei Wildsichtung unterbinde ich (naja, ich versuche es, wenn es meine Reaktionszeit zulässt). Felix hat dabei einen "Jagdmodus" bei dem er auf fast alles geht und auch aktiv sucht. Da führt zu Leinenknast, weil ich ihm dann überhaupt nicht trauen kann. Im Normalmodus geht er offline und ich scanne die Umwelt. Bei den Endgegnern Katze, Karnickel, Fuchs und Eichhörnchen wäre er weg.


    Nun zu dem, was er darf: wenn sich die Gelegenheit ergibt - ich z.B. vor uns ein Karnickel sehe, er aber nicht - dann lasse ich ihn die Spur suchen. Sprich, wenn wir an die Stelle kommen, dann sage ich "such" oder "such den Hasen" und er läuft einen Teil der Spur ab. Dafür wird er belohnt. Und was er auch darf ist Vögel aufscheuchen als Hetzersatz auf Kommando "Schnapp sie dir". Dafür fahren wir regelmäßig an den Strand, wo er das mit Hingabe tut. Wichtig ist mir hier aber die Freigabe und dass er abrufbar bleibt.
    Zuhause beim Gassi ist Vögel scheuchen nicht erlaubt. Da geht er an der lockeren Schlepp auf 10m und weniger dran vorbei.


    Außerdem darf Felix den Garten katzen-frei halten und im Stall im Stroh nach Ratten und Mäusen stöbern. Bisher nicht erfolgreich, aber er liebt das.


    Wir machen auch Futterbeutel-Arbeit, aber ich glaube nicht, dass das für ihn ein Ersatz ist. Als Terrier ist er ja ein selbständiger Jäger und an Kooperation nur sehr bedingt interessiert. Zum Glück ist er recht verfressen - das hilft beim Training.

  • Aus meiner Sicht kommt es auch immer auf den Jagdhundtypus an.


    Bei einem Vorstehhund, wie in diesem Fall, macht es durchaus Sinn, das Anzeigeverhalten zu belohnen, evtl. sogar noch das an der Leine kontrollierte Anhetzen/Hochmachen, aber spätestens dann ist für den Vorsteher die Jagdsequenz auch dann beendet. Er hat seinen Job getan, zumindest beim Nichtjäger.


    Parallel dazu würde ich immer noch jagdalternativ arbeiten wie Dummytraining oder ggf. auch Fährte, Mantrailing.
    Bei Fährtenarbeit und Mantrailing muss man halt gucken, ob der Hund es schafft, zwischen Arbeit und Freizeit zu unterscheiden, Ich kenne auch durchaus Fälle, wo Hunde im Jagdverhalten (Spur aufnehmen) deutlich heftiger geworden sind.


    Bei meinen Vorstehern habe ich immer von Welpe an erst mal ganz viel vorbereitendes Antijagdtraining gemacht, also Impulskontrolle, Frust aushalten und ein sauberes Abbruchsignal. Paralle dazu schon immer erste Apportieransätze.
    Nach Mäusen gebuddelt haben meine Hunde nie, das hätten sie aber von mir aus gedurft. Mal einen Vogel hoch jagen oder ein Blatt verfolgen fand ich ok, kam aber eh selten vor. Bei anderen Jagdhund- aber auch bei vielen Hütehundtypen würde ich das von Fall zu Fall anders handhaben.


    Das Vorstehen habe ich immer verbal belohnt und dann war eigentlich die Jagdsequenz damit schon beendet.


    Bei meinen Dackeln bin ich ganz anders ran gegangen, da diese einfach weniger kooperativ sind, sondern eher Solitärjäger. Da wurde es schlicht verboten. Beim Mäuse buddeln dürfen sie sich ausleben.

  • Ich persönlich möchte nicht, dass der Hund im Dauerarbeitsmodus ist, weil die Hunde dann in der Erregung ständig so (zu) weit oben sind, was dann auch Folgen bezüglich Selbstbeherrschung, Geshundheit etc. hat.


    Je "aktiver" meine Hunde bezüglich jagdlichen Handlungen beim normalen Gassi sind, desto geringer ist die Konzentration und Arbeitsausdauer, wenn ich tatsächlich mit ihnen arbeiten möchte. Immer auf Sendung und auf dem Sprung sein, frisst halt viel Energie, stresst.


    Nichtsdestotrotz gibt es natürlich die Reize beim Gassi, die den Jagdinstinkt anregen. Ich trainiere daher Handlungsketten, die schnell dazu führen, dass die Hunde aus der jagdlichen Erwartungshaltung schnell wieder rauskommen.


    Arbeit ist daher auch ganz klar vom normalen Spazierengehen getrennt. Dafür bekommen sie sogar andere Leinen um, ich habe meinen Kram dabei, es ist ein ganz anderer Zusammenhang.

  • Sehr interessant wie unterschiedlich das je nach Hund und Halter gehandhabt wird, wie ich finde.


    @flying-paws das finde ich sehr interessant, aber ist auch sehr schlüssig, Konzentration, Impulskontrolle etc sind ja schließlich nicht unbegrenzt verfügbar.
    Welche Verhaltensketten trainierst du da, wenn ich fragen darf, sodass sie schnell aus dem Jagdmodus kommen? Zu dir umorientieren lediglich oder wie sieht das aus?



    Wir haben heute morgen eine Reh Gruppe beim Frühstück gestört... :headbash:
    Mexx ist sofort zu mir (Rehe! Das heißt es gibt Keks vom Frauchen! Beeilung! - war immerhin sogar vorm Frühstück, Aktivität vorm Frühstück ist laut Mexx eigentlich unzumutbar-) und Felia versteinerte, ist auf leise Ansprache aber dann auch schnell zu mir. Brav!
    Sie darf zu Belohnung einen Keks auf der Wiese "jagen", ist für sie nämlich hochwertiger als einfach nen Keks reingestopft zu bekommen oder verbales Lob, hilft ihr etwas diesen Dampf raus zu lassen und sie vergisst darüber jedes Reh (vielleicht stellt sie sich derweil ja vor, der Keks wäre ein Reh ;-) ).
    Danach waren beide Hunde absolut tiefenentspannt. Mexx eh aber auch Feli ist gleich wieder entspannt entlang geschlendert. Dafür, wie aufregend sie Rehe noch vor einem Dreiviertel Jahr fand, war ich echt super stolz auf die Kleine!


    Und froh, keine Hunde mit viel Jagdtrieb zu haben. Hier wimmelt es nur so von Rehen.
    Mexx interessiert sich ja zum Glück kaum, aber wäre es so, dass er sich interessiert - Einfaches Vorstehen in den Wald hinein markern ginge mit ihm zum Beispiel gar nicht. Der würde dann nur noch vorstehen und aktiv nach Möglichkeiten suchen, das wäre absolut unentspannt für mich und besonders für den Hund.

  • Ich sehe das ähnlich wie @flying-paws, unterwegs auf einem Spaziergang wird nur Abbruchverhalten "trainiert" an Wild und dessen Spuren um die Ignoranz dessen zu fördern. Auf einem normalen Spaziergang wird absolut nichts gehetzt und wenn es nur ein dummes Blatt ist. Ich gehe ganz normale Runden und suche nicht aktiv nach Wild. Ich habe aber immer alle Sinne bei meinen Hunden oder im Wald, Seele baumeln lassen geht momentan, weil alle Hunde "fertig" sind und sich anstandslos abbrechen lassen, aber es kommt ja demnächst Nummer 4.
    Dafür arbeite ich regelmäßig mit meinen Hunden an der Ersatzjagd. Schleppen, Reizangeltraining (hier wird anfangs nicht gehetzt sondern gemeinsam das fliegende Ding beobachtet und wenn es liegt "getötet", später darf man dann kurz hetzen, muss aber kontrollierbar sein), Freiverlorensuche, Geruchsdifferenzierung und wenn sie alt genug sind Mantrailing. Wichtig ist mir, dass die Zwerge (und auch Erwachsenen) lernen, dass die Zusammenarbeit mit mir sich lohnt und ich auch richtig tolle Spuren zur Verfügung stelle.
    So kann ich mit drei (bald vier) reinen Jagdhunden problemlos spazieren gehen, ohne dass mein Puls bei Wildsichtung in die Höhe schnellt.


    Wenn jetzt jemand fragt warum man Vollblutjäger hält obwohl man ständig gegen den Jagdtrieb arbeitet: wie doof wäre es zu sagen man will einen einsatzfähigen Mantrailer haben und holt sich einen Hund der nicht auf die Spurverfolgung bzw Jagd selektiert wurde? Da kann man Glück haben, dass es klappt, die Chancen stehen aber bei einem Spezialisten deutlich besser.

  • Also ich würde mal behaupten, dass Rider für einen Aussie eher mit einem überdurchschnittlich hohem Interesse an Wild ausgestattet ist. Roonie findet Bewegungsreize geil, aber schon nach kurzer Hatz dreht sie auch wieder schnell um (zumindest in den 3 mal in ihrem Leben die sie abgezischt ist).


    Wir fahren mit einer Mischung aus "bestimmte jagdlichen Handlungen dürfen ausgelebt werden" und aber auch klaren "Verboten" bzw dass bestimmte Verhaltensweisen gerade nicht oder nur eingeschränkt ok sind.


    Grundsätzlich werden aber alle Vorstufen des Hetzens gefördert und bestätigt, gerne auch als Alternativverhalten. So wird bei mir das Anzeigen bzw Glotzen sehr hochwertig bestätigt und in eine Verhaltenskette eingebaut. Glotzen -> umdrehen -> Belohnung abgreifen
    Das nutze ich auch gerne als Alternativverhalten. Wenn Rider z.B gerade am liebsten im Zickzack einer frischen Spur folgen würde, frage ich das "scannen" ab und die Verhaltenskette wird wieder abgespult.
    Wobei Spuren ein gutes Stichwort sind. Einer Spur nachgeiern gehört zu den Verhaltensweisen, die nur begrenzt erlaubt sind, bzw eben mit "Bedingungen". So darf er gerne einer Spur nachschnüffeln, der Weg und der Radius dürfen aber dennoch nicht verlassen werden und ich hätte dabei gerne eine gewissen Ansprechbarkeit.
    Auch verlange ich eine gewisse Ruhe dabei, also einen dauerhaft hochgefahrenen Aussie hätte ich nicht gerne an meiner Seite. :fear:


    Also für uns macht es die Mischung. Ich würde behaupten unser Konzept ist irgendwo bei "jagdliche Verhaltensweisen sind erlaubt, aber eben mit Spielregeln"

  • Ich halte das auch so wie Cattahum.
    Spaziergang ist reiner Spaziergang und da setze ich auf den Abbruch.


    Ich verbiete hier generell irgendetwas hinter her zu hetzen oder eine Spur zu verfolgen.
    Wenn hier Wild gesichtet wird (was fast täglich passiert) dann setzt sich der Border automatisch hin und beobachtet, kriegt dafür sein Lob und dann hat es ruhig weiter zu gehen.
    Der Sheltie ist da etwas nervöser, und setzt auch mal an hinter her zu wollen.
    Aber auch da reicht das "Lass es" und Madame beruhigt sich wieder.


    Beim Dackel war es im übrigen am einfachsten.
    Der setzte weder Reh noch Hase nach, der wusste das es sich für ihn nicht lohnt ;)
    Fuchs war da was anderes und mäuseln durfte er auf bestimmten Flächen auf den Feldern (nämlich unsere).


    Arbeiten tue ich mit meinen Hunden gar nicht auf Spaziergängen.
    Ich versuche einfach von Anfang an, das Wild nicht als was besonderes angesehen wird, worauf Action folgt.
    Action gibt es auf bestimmten Flächen, die ich aufsuche oder für den Border eben das Training am Vieh.

  • Immer auf Sendung und auf dem Sprung sein, frisst halt viel Energie, stresst.

    Stimmt, stresst Hund und Mensch. Mich würde interessieren, wie du mit einem Hund arbeiten würdest, der immer auf Sendung ist.


    Ansonsten kann ich mich hier einigen anschließen. Anzeigen wird gefördert und belohnt, Paula darf außerdem mäuseln, (auch wenn es mich manchmal tierisch nervt).

  • Von Jagdinstinkt unterdrücken halte ich auch absolut gar nichts. Das mag vielleicht irgendwie für eine gewisse Zeit gut gehen, aber irgendwann würde das sicher total in die Hose gehen.
    Ich habe Blinky jetzt seit einem Jahr, PRJT-Mix und gerne-Jäger, mit Liebe zum Hetzen. Ich bin mir sicher, würde ich den Drang und die Leidenschaft konsequent immer verbieten und stattdessen - in ihren Augen - doofere Alternativen wie Leckerli suchen lassen anbieten würde, bin ich mir ziemlich sicher, dass das irgendwann nach hinten losgehen würde - mit mir kooperieren würde so ja bedeuten, dass was viel Blöderes passiert und die Kooperation aus Hundesicht nichts bringt.


    Natürlich wird jegliches Hinterherhetzen an Wild oder Ähnlichem verboten, dennoch lasten wir den Trieb mit der Reizangel aus. Dort kann sie nach Herzenslust (natürlich erst nach Freigabe etc) hetzen, bei “echtem“ Wild oder Hühnern etc wird angezeigt und wir beobachten dann gemeinsam. Umorientieren muss sie sich da noch nicht, wir sind noch lange nicht so weit, als dass sie die Konzentration davon abwenden könnte, daher setze ich mich dann einfach zu ihr, hebe sie sicherheitshalber leicht am Geschirr und wir beobachten gemeinsam. Aber wir haben viel Zeit und ich bin sehr stolz darauf, dass es immer besser wird. Letztens wollte sie mal nem Vogel hinterher (obwohl wir insgesamt ganz gut an Vögeln vorbeikommen, aber da war's wohl zu viel) und ich konnte sie abstoppen und nach ner Zeit dann komplett abrufen. Wenn sie möchte, wird dann noch mit mir zusammen in die entgegengesetzte Richtung gerannt. Ich bemerke Fortschritte und auch, dass sie am Tag nach der Reizangel merklich entspannter und nicht so schnell in den Trieb verfällt.
    Ich glaube, ein Hund, der niemals seinen Trieb ausleben darf, den er nun mal hat und für den er nichts kann, und der da nur unterdrückt wird, wird irgendwann platzen. Außerdem macht es so doch allen Beteiligten mehr Spaß.
    Ich bin also deutlich in der MITjagdtrainingsektion ;-)

  • @Nesa8486 dann bist du aber doch auch in der ANTIjagd Geschichte, schließlich lässt du sie ein Ersatzobjekt hetzen... Im Eröffnungsbeitrag wurde dem Hund dem es verboten war allen möglichen Reizen hinterherzugehen ja auch eine Alternative geboten... MITjagd wäre, wenn du deinen Hund auf einen Vogel oder Blatt gezielt schicken würdest
    Das soll überhaupt nicht wertend sein, ich kann beiden Methoden was abgewinnen, wollte da nur kurz differenzieren.

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