Fragen, die man sich nicht zu stellen traut - Teil VIII

  • Was ich hier bei uns so mitbekomme:
    "Hey, du hast nen Border. Den muß du aber ganz schön fordern, sonst wird das nix"
    "Hund ist immer noch nicht müde? Dann hast du viel zu wenig mit dem gemacht!"

    Wir nennen das hier "Nach müde kommt doof". Charlie hat dies am Anfang einmal nach der Hundeschule gezeigt. Das war einfach zu viel für ihn und dann konnte er sich nicht entspannen. Also habe ich mit meiner Trainerin gesprochen und wir hatten dann beim nächsten Mal beide ein Auge auf ihn. Bei der zweiten Stunde war er nur eine halbe Einheit dabei. Inzwischen ist er wieder ganz dabei und ist danach sehr entspannt, schläft also auch gemütlich ein. Ab und zu muss er sich aber noch eine Streicheleinheit anbholen |)


    Also wenn ich die Zeichen kenne, wann mein Hund Entspannung braucht (er selber erkennt es noch nicht), kann ich ihn entsprechend beschäftigen? Und dann ist er nicht "überbeschäftigt"? Am Anfang habe ich mir damit schwer getan, aber inzwischen ist er zwei Monate "Doof"-Frei. Trotz seiner Spaziergänge?

  • Ich denke, viele Hunde, die von Natur aus auf hohe Arbeitleistung gezüchtet werden, beginnen auf körperliche und geistige Erschöpfung mit noch mehr Aktivität zu reagieren. Andere Hunde würden sich einfach mal hinlegen und sagen, 'so, mir reichts', diese aber nicht. Bei Stress - und das ist Arbeit häufig - drehen diese Hunde nur noch mehr auf und geben ihr Letztes um den Job zu erledigen. Da 'Auslastung' häufig mit 'totaler Erschöpfung' verwechselt wird, vergisst man, dass echte Arbeits- und Diensthunde eigentlich einen Grossteil des Tages mit Ruhen verbringen (dürfen) und wenns dann mal Arbeit gibt, aber eben alles geben (sollen).


    Diese Leistungsspitzen wechseln sich aber praktisch immer mit Phasen von grossem Nichtstun ab, die gerade bei vielen Hunden, die tatsächlich einen Job haben und arbeiten, häufig im Zwinger verbracht werden. So ein Zwinger ist relativ reizarm und genau das ist auch der Punkt: der Hund kann hier herunter kommen und sich ausruhen. Nun muss sich natürlich nicht jeder Familienhundebesitzer ebenfalls gleich einen Zwinger in die Wohnung stellen, aber gerade, wenn Familie da ist, kann es gut sein, dass der Hund eigentlich gar nie so richtig zur Entspannung kommt, wenn dauernd etwas läuft und der Hund ja dauernd 'Gesellschaft' und 'Bespassung' braucht. Das soll nun kein Plädoyer für eine Zwingerhaltung sein, sondern eines fürs Ruhe-Halten-und-Entspannen-Dürfen.

  • Also wenn ich die Zeichen kenne, wann mein Hund Entspannung braucht (er selber erkennt es noch nicht), kann ich ihn entsprechend beschäftigen? Und dann ist er nicht "überbeschäftigt"?

    Würde ich persönlich so unterschreiben.


    Wir haben hier ja auch einen sehr schnell hochdrehenden Hund. Am Wochenende war wieder mal lagern auf einem Mittelaltermarkt angesagt. Gestern waren wir 3x unten vor der Tür (nur das! kein Spaziergang) und sind 1x 20Minuten gegangen. Heute werden es wohl zwei 20Minuten Spaziergänge. Einfach, weil er diese Ruhe nach dem anstrengenden Wochenende braucht.
    Würde ich ihn lassen, würde der heute sicher auch schon wieder abspacken und arbeiten wollen bis zum geht nicht mehr. Wäre für ihn aber total ungesund.
    Morgen wirds wieder längere Spaziergänge geben, dann auch mit Freilauf und evtl. etwas Apportieren und Tricksen.
    Er erkennt seine Grenze(n) nicht, ich schon. Also entscheide ich, wann es Action gibt und wann er Ruhe zu halten hat. Letzteres notfalls auch mit in der Wohnung Leine dran und festhalten, bis er einschläft.

  • Sind die 2 - 3 Stunden Spaziergang an der Leine? Dann würde ich das tatsächlich zu viel finden. Gegen Freilauf ist meines Erachtens dann aber nichts einzuwenden, wenn er dann seine Ruhepausen bekommt. Wir haben am Tag Spaziergänge von einer halben Stunde bis zu zwei Stunden, davon aber 90% leinenlos. Da kann er sich bewegen wie er will, rennen, schnüffeln, sein eigenes Tempo finden...

    Von den 2 - 3 Stunden ist er gute 90 bis 95 Prozent leinenfrei. Ich leine ihn inzwischen nur noch an einer Hofstelle (Labrador als Hofhund, der nur durch Elektrohalsband ( :fluchen: ) von der Straße abgehalten wird, sehr reaktionsfreudig) und bei (sehr seltenen) Autos an. Mein Vater fährt mit ihm zur Auslaufstrecke, da sein Knie etwas lädiert ist. Wenn Charlie also mit meinem Vater 'spazieren' ist, dann sind das Straßenstrecke vielleicht 300 m, sie sind aber länger da. Die beiden 'luren' dann immer zusammen. Wir leben sehr ländlich und hier kann man nahezu gefahrlos den Hund ohne Leine führen.


    "Leinenknast" bekommt er, wenn er etwas echt blöd gemacht hat (vlt. 1 mal in Monat), der dauert dann immer max. 20 min.

  • Kann es sein, dass es auch von der früheren Eignung eines Hundes abhängt, ob ihm Beschäftigung auf einem Spaziergang gut tut?


    Jagdhunde sind ja oft nur zur Jagd rausgekommen, also "Spaziergang" = Arbeit und viele sprechen da auf Beschäftigung in Form von Suchspielen und ähnlichem gut an. Klar, es muss nicht bei jedem Spaziergang sein, aber ich merke schon bei meinen, dass es ihnen gut tut, wenn sie am Spaziergang was zu tun bekommen. Es hält sie wach, konzentriert, lastet sie aus und sie sind dann danach zufrieden mit sich und der Welt.


    Ein Hütehund war doch im Normalfall den ganzen Tag mit dem Schäfer unterwegs oder zumindest an seiner Seite und hat dabei nicht ständig gearbeitet, sondern nur, wenn es eben notwendig war.


    Das ist jetzt etwas verallgemeinert, aber von den Grundzügen kommt es doch hin oder hab ich da ein völlig falsches Bild? :ops: :???:

  • Die Beschäftigungsschiene ist meiner Meinung nach auch einfach zu individuell, als dass man mit Pauschalaussagen weiterkommt.


    Allein - was heißt Alltag? Bei manchen heißt Alltag, dass der Hund in der Wohnung/im Haus mit dabei ist, vielleicht auch mal seine paar Stündchen allein, und raus kommt er halt in den Garten oder wenn Spazieren gegangen wird. Da gibt es in puncto Alltag irgendwann sicher nicht viel zu lernen. Gleiches Szenario, aber schmeißt z.B. noch ein paar Kinder mit dazu, und schon hat der Hund im Alltag wieder ganz andere Herausforderungen und ist als "Familienbegleithund" vielleicht schon ganz gut ausgelastet.


    Und wo findet das Ganze statt? In der ländlichen Einfamilienhausgegend, wo nicht viel los ist und man unterwegs häufig die gleichen Menschen und Hunde trifft? Oder in der Stadt, wo viel Verkehr, viele Menschen, viele fremde Hunde Alltag sind?


    Mein Hund "musste" ab einem Alter von 14 Wochen mit ins Büro. In der Großstadt. Ohne Auto. Lösen gegangen wurde im Stadtwald oder in der Wohnsiedlung, wo man immer Menschen, Hunde, etc. trifft. Einmal die Woche Welpen-/Junghunde-/Hundeführerscheingedöns in der Hundeschule. Als "Beschäftigung" gab's maximal ruhige Nasenarbeit und zwischendrin wurde das Tier (teils mit der bösen Box) zum Schlafen genötigt. Das war für's erste Jahr mehr als ausreichend, denn Alltag war/ist für den Hund in dem Fall auch "Arbeit".

  • Kann es sein, dass es auch von der früheren Eignung eines Hundes abhängt, ob ihm Beschäftigung auf einem Spaziergang gut tut?

    'Spaziergänge' an sich sind in der Hundehaltung sowieso ein sehr neues Phänomen.



    Ein Hütehund war doch im Normalfall den ganzen Tag mit dem Schäfer unterwegs oder zumindest an seiner Seite und hat dabei nicht ständig gearbeitet, sondern nur, wenn es eben notwendig war.

    Da muss man unterscheiden. Ein Schäferhund war wohl mit dem Schäfer unterwegs, verrichtet aber eine andere Aufgabe als z.B. ein Koppelgebrauchshund wie der Border Collie, dessen Einsatzbereich ein anderer ist und der nach dem fünften Tag des ständigen Mitlaufens an einer Herde entweder seinen Hütewillen doch noch einmal überdenkt und umorientiert oder vor Erschöpfung tot umsinkt. Ein Herdenschutzhund wie der Pyrenäenberghund ist, obwohl er sein Leben in und an der Herde verbringt, nicht 24 Stunden auf Hochspannung, sondern verdöst den grössten Teil des Tages und führt im Normalfall ein sehr gemütliches Leben, wenn nicht gerade ein Wildtierangriff droht. Ich würde behaupten, dass so ein Herdenschutzhund ein viel erholsameres und stressfreieres Leben führt als der durchschnittliche Familienhund in Westeuropa.

  • Wenn ich mich richtig erinnere, darf man die BH Prüfung erst machen, wenn der Hund 15 Monate alt ist :ka:



    Schöne Grüße noch
    SheltiePower

    Du hast Recht, hab grad beim VDH nachgesehen, sind 15 Monate.
    Ist das geändert worden? Früher waren das doch 12 Monate? :???:

  • Jagdhunde sind ja oft nur zur Jagd rausgekommen, also "Spaziergang" = Arbeit und viele sprechen da auf Beschäftigung in Form von Suchspielen und ähnlichem gut an. Klar, es muss nicht bei jedem Spaziergang sein, aber ich merke schon bei meinen, dass es ihnen gut tut, wenn sie am Spaziergang was zu tun bekommen. Es hält sie wach, konzentriert, lastet sie aus und sie sind dann danach zufrieden mit sich und der Welt.

    Ich gehe mit Tamy i.d.R. 2 große Runden (von ca. je 1 Std.) am Tag. Dabei hat sie fast jedesmal Freilauf und darf nach Mäusen wühlen so oft sie will. "Übungen" oder sowas mache ich mit ihr nie, da ich das nicht brauche, denn alles an Kommandos was ich brauche, fliesst automatisch in den Alltag mit ein.
    Zuhause "beschäftige" ich sie fast überhaupt nicht, sie verbringt die meiste Zeit des Tages mit Schlafen, außer, ich spiele mal mit ihr oder sie bekommt ihren Leckerlieball, das sind dann ca. 5-10min. am Tag.
    Das reicht meiner Dackeline vollkommen aus. Den Rest des Tages schläft sie oder spielt auch mal alleine.
    Sie ist eine sehr, sehr angenehme ruhige Hündin, die ich überall problemlos mitnehmen kann.

  • Naja, ich denke es kommt einfach darauf an wie der Hund tickt. Bei einem Hund der eh schon zum hochpushen neigt würde ich auf Spiele die noch zusätzlich pushen und einen hohen Erregungslevel nach sich ziehen halt verzichten. Alternativen gibt es doch genug, z.B. statt Ball werfen und den Hund nach Freigabe holen lassen (was einen hibbeligen Hund auch hochpusht, allein das Warten auf die Freigabe wird dann ja erstmal noch nicht tiefenentspannt sein) halt den Ball verstecken und suchen lassen oder etwas zusammen mit dem Hund machen (über Baumstämme klettern) , Balancieren lassen was weiß ich. Mein Hund ist eher der gemütliche Typ, da macht es nichts wenn er im Spiel mal hochdreht aber warum man einen jungen Hund der zum hibbeln neigt überhaupt noch hochpushen sollte und sei es "nur" im Spiel erschließt sich mir nicht.
    Mein Besuchshund ist so ein hibbel und ein ziemlicher Balljunkie, wenns mein Hund wäre würde er wenn überhaupt nur sehr dosiert irgendwas geworfen bekommen und das auch nur so lange er nicht gleich wieder hohl dreht.

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