Beiträge von WorkingDogs

    Der Trend zu angekratzten Hunden

    Was meinst du damit genau?

    Ein angekratztes Nervenkostüm. Hat ja nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile. Viel PS, lernen sehr schnell, immer bereit alles zu geben (Hitzetolerant), einhergehend mit schlechten Nerven, Hektik, gerne vokalisierend, niedrige Reizschwelle, Neigung zu Frustverhalten.

    Bei den Retrievern hat man das jetzt aber nicht so in der Form.

    Muss vermutlich jeder selbst seine Erfahrungen machen.

    Und das finde ich auch total wichtig. Es ist ganz normal, dass man Fehler macht und Situationen auch mal falsch einschätzt.

    Ob ein Trainingsansatz passt ist auch einfach total individuell. Ein Labrador ist kein Aussie und umgedreht. Und auch da gibt es eine große Spannbreite. Man muss einfach schauen was passt.

    Der Trend zu angekratzten Hunden macht vieles einfacher und auf der anderen Seite vieles schwieriger.

    Deswegen die Frage, hätte ja sein können dass man das so aufbauen kann dass es „immer“ zieht. Meinen interessiert sowas nämlich auch nicht. Der guckt dann nur als würd er denken „so kommen wir erst recht nicht ins Geschäft“.

    Wie gesagt, es ist ja nur ein Beispiel. Und der Erfolg hängt eben auch maßgeblich davon ab, wie der Besitzer etwas anwenden kann. Da gibt es riesige Unterschiede, deshalb nimmt man für sowas ja auch einen Trainer dazu und keine Tipps aus dem Internet. Timing, Energie, Wahl der Korrektur, Auflösen muss schon passen.

    Und es kann auch niemand Hexen, weder Trainer noch Hilfsmittel. Wenn der ganze Aufbau vorher schon versaut wurde und der Besitzer zwei linke Hände im Training hat, kommt man eben auch nur sehr langsam voran.

    Einfach zum Verständnis: Die fliegende Leine bzw. später dann die „Angst“ davor sorgt dafür, dass der Hund kommt?

    Nein, keiner meiner Hunde hat hier eine Angst gegen Leinen entwickelt, keine Sorge.

    Es ist störend für den Hund. Was es ja auch sein soll.

    Klappt übrigens nicht bei jeden Hund, ich hab auch einen, der freut sich dann, sammelt die Leine ein und trägt sie fröhlich…

    Deshalb kann man eben auch nichts verallgemeinern, es war auch nur ein Beispiel. Angst wäre ja nun auch nichts gutes in dem Kontext, der Hund soll ja auch nicht panisch irgendwo hinlaufen weil er sich so verjagt.

    Deshalb ist es aber auch immer schwierig per Forum, weil ein Sheltie da sicherlich anders drauf ist, als ein Schäferhund.

    Und auch mal Fehler zu provozieren... ich verstehe, dass der Lerneffekt dann sicherlich größer ist, als wenn man immer nur alles über positiv aufbaut. Ich tu mich damit dennoch schwer. Ich kann nur konsequent sein, wenn ich zu 100% dahinter stehe und darum geht es ja im Endeffekt: Konsequenz.

    Es geht gar nicht unbedingt darum, nur den Lerneffekt zu verbessern (also eine Provokation bei der ich weiß, dass der Hund sie nicht bestehen wird), sondern auch darum, den Ist-Stand realistisch einschätzen zu können.

    Ob es um konsequenz geht, ist sicherlich ansichtssache. Meiner Meinung nach geht es um sinnvolles Training, wozu in erster Linie Disziplin gehört. Ich kann auch konsequent etwas trainieren, was mich nicht zu meinem Ziel bringen wird.

    Auf eine rein belohnungbasierte Arbeit zu pochen ist ja auch konsequent. Aber nur weil es konsequent ist, gibt es kein Erfolgsversprechen.

    Im Sport ist "lösen" gerade für Shelties oft ein Problem, die Umorientierung im Alltag wird dafür recht frei Haus geliefert. Da arbeite ich von Welpe an dran, dass der junge Hund nach vorne denkt, spielt, sich löst etc. Bei meinem Border ist lösen im Sport dagegen Null ein Problem (und das ist es für die wenigsten Border, wäre anders auch doof), dennoch klappt Umorientierung im Alltag tadellos. Also bei Enya würde ich nicht sagen, dass das eine (Alltag) auf das andere (Sport) einen Einfluss hat und es eher Rasse-abhängig ist.


    Aber kommt vielleicht auch darauf an, ob der Hund beides parallel recht früh kennt (jetzt wird gearbeitet als Kennung hat man ja normalerweise) und wieviel der Sport / die Arbeit mit dem Alltag zu tun hat (Hundeplatz versus Wald z.B.).


    Ich verstehe deinen Punkt! Mit Lucy damals habe ich eine Weile Mantrailing gemacht, da war ein Airedale bei, der eigentlich gefühlt nur atmen durfte, keinesfalls eigene Entscheidungen treffen und nie den Weg verlassen. Im Mantrailing sollte er dann plötzlich... Hat eine Weile gebraucht, bis er auch nur einer Spur überhaupt gefolgt ist.


    Oder unsere Joey (Aussie), da war sie 1 Jahr alt? Bei ihrer Züchterin zum "mal schauen, was sie an Schafen tut". Die Schafe waren gut eingehütet, Joey an langer Leine. Mit mir: tat sie nix! Gar nix! Sie blieb neben mir und machte alles, nur nicht die Schafe ansehen. Erst recht nicht, wenn die versuchsweise in Bewegung gesetzt wurden. Und ich schwör Stein und Bein, ich nutz da keine Haudrauf-Methoden, aber Jagen ist und war verboten. Über Umorientierung aufgebaut. Mehr als verbaler Abbruch und Yipieh bei Umorientierung ist da nie passiert. Für Joey mit mir unvorstellbar, sich mit den Schafen jagenderweise zu beschäftigen.
    Dann ist Frank mit ihr zu den Schafen und ja, Joey zeigte durchaus Interesse...


    Gerade je nach späterem Betätigungsfeld muss man da sicher sehr abwägen, wie man was aufbaut und wie gut ein alternativer "Sport"-Modus funktioniert.

    Es ist mit Sicherheit rasseabhängig. Bzw. typabhängig. Ich kenne diese Bedenken jetzt auch nur von sehr führerweichen und belohnungsaffinen Hunden. Wobei ich das ganze Thema mit den Außenreizen bei Jagdhunden sowieso einfacher finde als beispielsweise beim Thema Hütehund. Ich hab da auch gar nicht so das Bedürfnis diese ganze Umorientierung so arg zu trainieren, wie bei einem Hütehund der bei 9 von 10 Reizen reagiert.

    Ich weiß auch nicht so recht, ob ich daran glauben mag und übe halt die Dinge, die man mit dem jeweiligen Hund mehr üben muss und verlasse mich auf meine Einschätzung und die meiner Ansprechpartner. Beim einen ist es Frust, beim nächsten Umorientierung, beim wieder nächsten jagen. Viele Bedenken sind ja auch nur unprüfbare Einschätzungen und man muss sich auf die jeweilige Erfahrung verlassen. Eine Gegenprobe ist ja unmöglich.

    Ich verstehe worauf du hinaus willst und auch was du meinst.

    Ich kann nur sagen, dass hier dann wahrscheinlich eine unglückliche Kombi aufeinander getroffen ist. Ich bin tatsächlich niemand, der bis zum Erbrechen einem Hund etwas versucht unterzuschieben, was er von sich aus nicht anbietet. Das behagt mir nicht. Ich suche mir dann lieber das Verhalten, was er anbietet, was mir zusagt und mit dem ich arbeiten kann (in meinem Fall ruhiges Stehenbleiben bei Wildsichtung. Das verstärke ich mit Stimme, weil alles andere eben nicht akzeptiert wird. Belohnung ist, dass ich ihn glotzen lasse, solange der Reiz reizvoll ist. Dann kann er sich abwenden und mit mir mitgehen, als wäre nichts passiert, kein Übersprung, nix.)

    Du, ich nutze das im Alltag auch nicht. Da gibts eigentlich nur Futter, meistens aber doch eher regel-/strafbasiert für die paar Dinge die ich brauche. RR tatsächlich mit Superbelohnung, haha. Da ist es einfach praktisch wenn die schnell da sind und ich brauche das hier zwingend. Schon alleine, weil ich mit 2-3 Hunden unterwegs bin und sich mit Futter oder gar Spielzeug da doch sehr schnell eine unglückliche Dynamik aufbauen würde. Achja, Leinenführigkeit noch. Aber da gibt es nur ganz ödes Trockenfutter und auch nichts was pusht.

    Wir nutzen das Prinzip aber sehr viel im Hundesport und sind da wirklich häufig damit konfrontiert, dass die Hunde erstmal lernen müssen, sich in einer Situation eine Belohnung anzunehmen, selbst bei sehr motivierten Hunden (zum Beispiel auch im Schutzdienst, wenn der Fokus beim Helfer liegt, aber der Hundeführer mittels Spiel bei sich bestätigt, oder im Jagd/Dummy, wenn da tolle Dinge fliegen, aber man die einfach gar nicht bekommt, sondern stattdessen mitarbeiten muss. Dieses Prinzip ist grade bei angekratzen Hunden oft Gold wert, mEn. Eigentlich immer, wenn man in den Bereich der Provokation oder Steadyness kommt. Es muss auch gar nicht so sein, dass der Hund total für die Belohnung brennt. Oft festigt man auch nur Positonen (zum Beispiel Grundstellung mit Blick nach vorne) und sowas durch diese leichte Belohnung, die ja gar nicht wichtiger sein soll als der Reiz selbst.

    Aber, das ist schwierig! Keine Frage! Und es fällt ganz vielen Besitzern total schwer durchzuhalten. Deshalb stößt es mir immer etwas auf, wenn es heißt, das liege am Hund. Gar nicht bös gemeint.

    Tatsächlich habe ich auch einen Hund, der kaum spielt. Als junger Hund hat er mit seinem besten Freund gern Jagd- und Rennspiele gespielt. Das ist vorbei. Mit Mädels rennt er mal ne Runde, aber meistens hat er dazu auch keine Lust. Er ist einfach sehr ernst, sehr introvertiert. Dabei hat er mich draußen immer im Blick. An Spielzeug ist er nur interessiert, wenn er sich im Garten darauf wälzen kann. Er zerbeißt es noch nicht mal.

    Den Effekt hast du im Grunde immer, dass das einfach irgendwann abflacht wenn man das in der Jugend nicht fördert und es keine Retriever sind (Achtung, Witz :D ).

    Im Grunde will ich da ja auch keine Arbeit draus machen. Wir haben uns draußen aufeinander abgestimmt. Ich weiß, wann ich ihn anleinen muss, er weiß, wann er hören muss.

    Der große Vorteil meines Rüden ist, dass er es friedlich und harmonisch mag. Das macht vieles einfacher. Auch wenn ich es hätte mit Keks und Co einfacher haben könnte. Ich habs ja lange über diese Schiene probiert.

    Und genau das ist doch die Hauptsache. Wenn ihr eh zufrieden seid, dann ist es doch egal was man theoretisch alles machen könnte. Nein, mit Keks und Co. hat man es nicht unbedingt einfacher. Man kann damit genauso falsch trainieren und die Hunde künstlich hochfahren. Da fallen mir immer gleich Hütehunde ein, die ja sehr empfänglich dafür sein können, sich mittels Belohnung und fehlender Hemmung hochzuschrauben.

    Das ist alles immer individuell zu betrachten was wie für welchen Hund am besten klappt und sinnvoll ist. Bei den einen macht Umorientierung Sinn , bei anderen nicht. Zum Beispiel. Das lässt sich ja beliebig fortsetzen.


    Und wer der Illusion unterliegt Umorientierung aufgebaut von Anfang an gleich niemals nicht wird da was abgesichert bei triebstarken Hunden ... ähm ja. Ne.

    Danke! Genau. Und nur, weil etwas geht, heißt das ja nicht, dass es auch Sinn macht es zu tun.

    Aus dem jagdlichen Bereiche kenne ich es so, dass man grade bei führerweichen Hunden nicht gerne mittels Umorientierung arbeitet, weil man dann später Probleme mit dem sich lösen bekommen könnte. Lieber Gehorsam (Stop/Down), teilweise ist Selbstständigkeit ja auch absolut erwünscht.

    Und bei triebstarken Hunden baue ich deshalb gerne direkt mittels Druck und Zuverlässigkeit auf, um hintenraus das Nacharbeiten zu minimieren.

    Massai

    Ich vermute mal, dass du mir meine Aussage sehr böse nimmst.

    Natürlich gibt es Hunde, die sind von sich aus sehr Spiel- und Futtermotiviert. Wie es ja auch Hunde gibt die von sich aus sehr Innenorientiert sind (hier wurde mehrfach der Sheltie angeführt). Und auch diese Hunde schenken einem das nicht gleich in hoher Erregungslage.

    Das Thema Futter und Spiel ist bei uns im Hundesport ein ganz essentielles Thema. Hierzu gibt es Seminare und Kurse die sich nur damit befassen, wie man einen Hund motiviert und richtig spielt. Das liegt einfach nicht jedem Hundebesitzer von naturaus (im Grunde sogar den wenigsten Erwachsenen) und daran ist doch überhaupt nichts schlimm! Aber ich wundere mich immer wieder, dass so viele Hundehalter annehmen, dass sie alles richtig machen, doch alles ausprobiert haben und es müsse also am Hund liegen. Vor allem wenn wir von Welpen oder Junghunden sprechen, die eine normale Sozialisierung aufweisen.

    Dein Hund wird als Welpe und Junghund ja sicherlich Hundekumpels gehabt haben, mit denen er Freude hatte. Oft steht man sich schon dadurch im Weg, dass man nicht einfach spielt, sondern ein Ziel verfolgt und damit nicht authentisch wirkt und Druck erzeugt (wovon du ja auch schreibst). Beute und Futterspiele sollen in erster Linie spaß machen und genau das sein: Spiel. Es ist als Erwachsener normal, dass man nicht mehr so frei spielt wie es Kinder tun. Da werden sich Gedanken gemacht, wie das den aussieht, man versteift, hat ein Lernziel, und und und.

    Wofür man das tut? Ja, weil es Spaß macht gemeinsam zu spielen! Ich werde meine Hunde auch nie vom hetzen abhalten durch Spiel oder Futter, das ist dabei auch gar nicht das Ziel, würde das klappen, wäre ich an anderen Stellen sehr unzufrieden. Auch soll Futter gar nicht wichtiger sein, als andere Eigenschaften, trotzdem können sie lernen es anzunehmen.

    Ich gebe dir mal ein Beispiel bei uns: Fährtenarbeit. Der Hund sucht einen Acker, auf dem Wild steht. Auch meine Hunde würden sich lieber dem Wild widmen, als der Fährte. Fokus und Arbeit fordere ich ein, Notfalls auch mittels Abbruch und unmissverständlichem Druck, dass wir zum suchen und nicht zum jagen da sind. Und trotzdem lernen sie, das Futter auf der Fährte aufzunehmen. Ich lasse auch nicht zu, dass sie übersuchen (das tun viele, auch sehr futtermotivierte Hunde!), Futter wird aufgenommen, Punkt. ABER, sie suchen deshalb nicht, weil dort Futter liegt in dem Moment, sondern weil sie müssen. Trotzdem wird das suchen durch das Futter belohnt. Natürlich nicht auf einem Niveau, dass sie nur weil da Futter zu finden ist (was auch wieder andere Probleme mit sich bringt), die Rehe von sich aus links liegen lassen würden. Hätten sie die Wahl, würden sie natürlich lieber hetzen. Kaum etwas belohnt so sehr wie hetzen. Und mit dem wachsen des Ausbildungsstandes lernen sie so, die Rehe immer mehr auszublenden.

    Wir hatten hier teilweise auch schon Wolfsbegegnungen beim Fährten, eine schwierige Kiste also durchaus was Gehorsam und Belohnen in dem Moment angeht.

    Sich auf etwas einzulassen, obwohl man etwas anderes machen möchte ist eben auch am Ende nur Konsequenz und Gehorsam.