subjektive Sicht auf den Hund

  • Hallo,

    zur Zeit frag ich mich, wie objektiv ich meine Hunde eigentlich sehe und in wie weit ich mir (und ihnen) nur einrede, gewisse Wesenseigenschaften zu haben... Endgültig ins grübeln gebracht hat mich gestern Lucys erste Physiotherapie-Stunde. Es war nicht die Stunde an sich. Aber die Physiotherapeutin meinte: "oh, sie ist aber wachsam! Bestimmt der Berner in ihr". Bezog sich darauf, dass Lucy jedesmal aufmerkte, wenn draußen jemand vorbei ging, sie also Schritte oder Stimmen hörte. Sie hat nicht gebellt oder so, aber eben "reagiert". ich persönlich hätte Lucy jeden Wachtrieb abgesprochen. Sie ignoriert oder begrüßt freundlich Fremde, die unser Grundstück betreten, sie liebt den Postboten, sie bellt nicht bei ungewöhnlichen Geräuschen nachts. Aber ich will es ja auch so. Passt sie sich da vielleicht nur an? Vor einigen Monaten war ich mit Silja/staffy spazieren, wegen Lucys Verhalten fremden Hunden gegenüber. Da ging Siljas Einschätzung dann auch eher in die Richtung: Lucy ist nicht wirklich unsicher, sie weiß was sie tut, was sie von anderen Hunden zu erwarten hat und was sie entgegen setzen kann (bzw. Silja deutete die Richtung an und ich sah es in der Folge im Alltag auch :hust: ). Auch, dass Lucy recht manipulativ ist z.T., war mir wenig bewusst, bis man mich drauf stieß. Für mich war sie immer eher das sensibele, arme Mäuschen :ops: .
    Ich frag mich grad, inwiefern ich meine Hunde überhaupt gut einschätzen kann :/ . Sorry, hab grad meinen moralischen...

  • :D Das mit dem moralischen, das kenne ich auch gut... Da mach dir mal keine Sorgen!

    Manipulativ - ich glaube, unsere Hunde haben uns alle ganz gut im Griff, sie lassen es nur oft so aussehen, als ob es umgekehrt ist...
    Ach, mach dir mal keine Gedanken, zu viel Denken schadet dem Verstand und je mehr man anfängt zu denken, desto größere Ausmaße nimmt das Thema an!

    Habe letztens einen Buchtitel gesehen "Denken hilft zwar, nützt aber nichts". Du hast deine Eumeline lieb, sie dich auch. Und der Rest ist, wie er ist!!

  • Oh, ich hab hier auch so ein armes, sensibles Mäuschen sitzen :lol:

    Ich hab definitiv auch eine (wahrscheinlich viel zu) subjektive Sicht auf meinen Wayne. Nicht nur weil ich "Teil des Mensch Hund Teams" bin (und damit prädestiniertes Opfer hündischer Manipulation :D ), sondern auch wegen meiner rosaroten Brille, durch die ich ihn sehe :cuinlove: und durch die wahrscheinlich jeder Halter seinen Hund sieht ("der tut nix") .. und bei mir ist es wahrscheinlich zusätzlich auch noch die Tatsache, dass ich mich (selbst nach zweieinhalb Jahren, die so schnell vorbei gingen) immer noch als absolute Anfängerin sehe, was das Deuten der Hundesprache angeht. Wie viele Bücher hab ich gelesen, wie oft gebe ich mir die größte Mühe, zu verstehen, und liege dann doch meilenweit daneben.

    Ich denke wie du, dass beim normalen Hundehalter eine subjektive Sicht nach einer gewissen gemeinsam verbrachten Zeit nicht ausbleibt, ich weiß nicht wie das bei professionellen Hundeverhaltenstrainern ist. Und ich denke, da besteht tatsächlich eine gewisse Gefahr, dem Hund nicht gerecht zu werden, da sich die Reaktionen der Menschen ja auf diese Sicht stützen, und so ungünstiges Verhalten möglicherweise bestärken, gibts ja genug Beispiele, und auch ich hatte schon manchmal so nen Drift :ops:
    Vielleicht sollte man halt immer mal wieder reflektieren: Hinweise von außen ernst nehmen und überdenken, oder sich sogar mal filmen lassen.
    Auch wenn ich mich mit meinen Freund da manchmal in die Haare krieg, denke ich dann doch wieder, vielleicht ist es ja gar nicht so schlecht, wenn er mir immer mal wieder sagt, was ihm auffällt oder ich ihm. Nur so ist es uns auch irgendwann aufgefallen, wie uns unser armer sensibler Fresssack (ich weiß nicht wie lange schon) beide verar- äh manipuliert hat, nämlich indem er immer so getan hat, als hätte er noch gaaar nix zu essen bekommen und uns allabendlich dazu gebracht hat, ihm doppelt zu geben :headbash:

  • Danke für die aufbauenden Antworten :smile:

    Anregungen von Außen sind tatsächlich immer gut. Ich denke, man fährt sich auch schnell fest: der Hund zeigt ein bestimmtes Verhalten, man sucht nach Erklärungen, findet für sich eine und baut dann einen ganzen Turm von Schlussfolgerungen und einen bestimmten Umgang mit dem Hund drauf auf.

    Ist jetzt eher ein etwas anderes Thema, aber ich habe da vor ein paar Tagen in einen recht interessanten Artikel rein gelesen. Da ging es auch in die Richtung: der Hund zeigt ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten, z.B. verbellt Fahrradfahrer, pöbelt an der Leine andere Hunde an oder räumt bei jeder Gelegenheit den Mülleimer aus. Einige Halter (wie ich :roll: ) neigen dann zum psychologisieren: man sucht nach Auslösern für das "Trauma" und da fällt einem z.B. der rüpelige Fahrradfahrer ein, der den Hund als Welpe fast umgefahren hätte oder ein bestimmtes Erlebnis mit einem anderen Hund oder die Vergangenheit als Straßenhund. Als Folge, so der Artikel, zieht man sich selbst aber auch (unbewusst) ein Stück weit aus der Verantwortung. Man hat den Übeltäter ausgemacht und das ist weder der eigene Hund noch man selbst. So geht man eher ins "betüddeln", als dass man dem Hund "erklärt", was ein angemessenes Verhalten in der Situation wäre, dass es damit auch keinen Grund gibt, sich so aufzuregen. Im Artikel wurde es etwa so ausgedrückt: so viele wirklich traumatisierte/verhaltensgestörte Hunde gibt es nicht, den meisten fehlt es schlicht an Erziehung. Erziehung in dem Sinne, dass ihnen vermittelt wird, was wann angebracht ist und was nicht.

    Na ja, dieser Artikel hat mich jedenfalls noch zusätzlich ins grübeln gebracht. Nächste Woche habe ich dann vielleicht die Chance, ihn zu Ende zu lesen...

  • Ganz ehrlich, ich hab schon ewig Hunde, trainiere auch Hunde und beobachte meine Hunde, aber objektiv ist man bei seinen eigenen Hunden nie! Wie denn auch? Das ist ganz normal.
    Dazu kommt eine gewisse Betriebsblindheit, dagegen ist niemand gefeit.
    Einfach öfter mal mit anderen erfahrenen HH bzw. Trainern gehen und sich anhören was die meinen, das dann selber beobachten.
    Man kann nie genug Anregungen bekommen, es zwingt einen ja niemand, dass dann auch unbedingt sehen zu müssen oder dasselbe zu sehen. Aber oft hilft es mal einen Außenstehenden zu hören.

    Ich würde mir da keinen Kopf machen, ich kenne niemanden der seinen Hund wirklich objektiv betrachtet.

  • Naja wirklich objektiv wird man seinen Hund nie sehen können, genauso wie man sich als Mensch mit Gefühlen und Erfahrungen über kaum etwas wirklich objektiv wird äussern können.

    Allerdings finde ich sind manche "Irrtümer" schon teilweise in gewissen Kreisen sehr verbreitet. Manchmal getrennt nach Geschlechtern (der Hundehalter..) :roll:

    Beim einen ist der Hund grundsätzlich soooo dominant, räumt ja alles zusammen was sich so bewegt und bei nicht richtiger Ausführung von Anweisungen: "Der verarscht mich!!"
    Das kein Hund einen "verarscht" und er gerade einfach keine Ahnung hat was er machen soll wird abgetan, man hat ja kein Weichei :hust:


    Andersrum gibts das aber genauso, allerdings vornehmlich bei den weiblichen Hundehaltern habe ich den Eindruck.. Bei dem kleinen Pudel der laut stänkernd auf jeden andern Hund zurennt hört es sich halt für das liebende Frauchenohr wohl einfach schmeichelhafter an zu sagen "der ist ja sooooo unsicher", als sich einfach einzugestehen das der Zwerg wirklich rotzfrech ist.
    Selbiges beim Training, Hund arbeitet schlampig, ist unkonzentriert und das liegt natürlich an der schweren Kindheit des Hundes (in der er doch ernsthaft nicht im Bett schlafen durfte!!), daran das ihn heute morgen jemand bös angesehn hat oder daran, dass Frauchen vor3 Wochen mal kurz Streß in der ARbeit hatte. Vollkommen abwegig das man einfach inkonsequent trainiert und der Hund halt das macht was er gern mag.


    Hilfe dagegen: sich immer mal wieder von andern beobachten lassen und dabei ganz wichtig, nicht nur von Leuten die mir selbst passen, weil sie mir nach den Mund reden. Will ich mich verbessern muss ich mir auch mal Kommentare von Leuten anhören, die vielleicht manches anders angehen. Umsetzen muss ich ja nichts, aber ich sollte meine eigene Arbeit schon mal in Frage stellen.

  • Ich denke, das was du beschreibst ist das Normalste von der Welt :D

    Mich würde es auch super interessieren, was jemand, der sich richtig gut auskennt, zu Mücke sagen würde, leider kenn ich hier in der Gegend niemanden... :???: :sad2:

  • Hm, ich finde da macht es sich der Artikel ein wenig einfach. Denn nur weil man die Ursache (meinetwegen fern ab von Hund und Halter) für ein bestimmtes "Fehl"verhalten gefunden hat, heißt das ja noch lange nicht, dass man deshalb nicht daran arbeitet.

    Und ich finde es gibt jede Menge traumatisierte und verhaltensgestörte Hunde - zwei davon sitzen bei meinen Eltern zu Hause :/ .

    Viel fataler finde ich, dass vielen verhaltensgestörten oder meinetwegen auch unerzogenen Hunden auch heutzutage noch der Stempel "Dominanz" aufgedrückt wird und dann die "Verhaltenstherapie" dementsprechend aussieht :/ .

    Zum Thema subjektive Sicht: na klar! Aber: solange das nicht ins Extreme ausartet (dem Hund mutwillige Absichten unterstellen, ihn als Kinderersatz behandelt und Emotionen reininterpretieren, usw usw) finde ich das ganz und garnicht tragisch.

  • Zitat

    Danke für die aufbauenden Antworten :smile:

    Ist jetzt eher ein etwas anderes Thema, aber ich habe da vor ein paar Tagen in einen recht interessanten Artikel rein gelesen. Da ging es auch in die Richtung: der Hund zeigt ein bestimmtes unerwünschtes Verhalten, z.B. verbellt Fahrradfahrer, pöbelt an der Leine andere Hunde an oder räumt bei jeder Gelegenheit den Mülleimer aus. Einige Halter (wie ich :roll: ) neigen dann zum psychologisieren: man sucht nach Auslösern für das "Trauma" und da fällt einem z.B. der rüpelige Fahrradfahrer ein, der den Hund als Welpe fast umgefahren hätte oder ein bestimmtes Erlebnis mit einem anderen Hund oder die Vergangenheit als Straßenhund. Als Folge, so der Artikel, zieht man sich selbst aber auch (unbewusst) ein Stück weit aus der Verantwortung. .

    Hi Loucy Lou, war der Artikel in einer aktuellen Hundezeitschrift? Den würde ich gerne lesen !
    Ich finde das einen ganz interessanten Ansatz. Obwohl ich sagen muß, im Bezug auf ehemalige Straßenhunde wäre mir das auch zu allgemein, bei denen ist es ja nicht ein Erlebniss, sondern gleich die ganze Prägung ihres Lebens, denen würde ich durchaus zubilligen, dass etwas grundlegendes für ihr Verhalten ist, was nicht ganz einfach zu verändern ist.
    Aber ansonsten.. ist auch etwas, was einem häufiger bei weiblichen Hundebesitzern begegnet, Ansagen bevor man überhaupt Luft holen wie " Nein, nicht näher kommen, er hat Angst vor großen Hunden/Menschen/Männern/Kindern" was auch immer.... So wird es aber bestimmt nicht besser, oder?
    Unser versucht gerade eine "Doggeneurose" zu entwickeln, weil wir einmal eine recht unfreundliche Dogge getroffen haben, der ihn im Freilauf heftig verscheucht hat. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, mich für die nächsten Jahre auf der Flucht vor Doggen zu befinden, ich billige ihm ja gerne zu, vorsichtig auf diese Hunde zuzugehen, arbeite aber auf jeden Fall gegen die Masche " Ich trete sofort die Flucht an und mache ein Megatheater" an.

    Und das mit der subjektiven Wahrnehmung unserer Hunde, das haben wir doch alle, oder? Ich bilde mir ein, hier einen sehr sensiblen, super-freundlichen, anhänglichen großen Hund mit ganz viel "will to please" zu haben, der wenig Revierverhalten hat und eher vorsichtig ist. Auf der anderen Seite kann er auch ganz schön rüpelig sein... :???:

    Super-Freundlich ist ein Feedback, was ich von vielen anderen Menschen über ihn bekomme, dass ist glaube ich nicht rein subjektiv. Aber vielleicht würde mir ein Fachmann erzählen, dass er Frauchen gut bei Laune hält und ansonsten genau weiß was er will, sein Ding macht und durchaus sein Revier und seine Position bei anderen Hunden gut verteidigt? :headbash:

    Wär ja mal ganz interessant. Das wär doch mal spannend für ein Treffen, oder? Wenn man sich mit mehreren Hundeleuten trifft, und dann jeder die anderen Hunde so beschreibt, wie er sie erlebt? Was da wohl bei rauskommen würde im Gegensatz zu dem, was man selber von seinem Hund denkt?

    Lg, Trixi+ Diego

  • ohje...subjektiv empfinde ich meinen Hund eher als zurückhaltend bis schreckhaft.

    Von aussen wird mir gesagt, er ist sehr wachsam, sehr sensibel, sehr freundlich, sehr sozial und und und.....

    Ja, er ist eine Seele von Hund, aber das was mir immer wieder von aussen gesagt wird, macht mich aufmerksam, doch noch mal anders zu schauen, die betriebsblindheit aufzugeben.

    Man wird logischerweise blind gegenüber dem, was tagtäglich vor einem ist.
    Einfaches Beispiel, Welpe im wachsen....alle staunen wie riesig der Welpe geworden ist, man selber staunt nur über die ausbrüche....der o. die ist doch wie immer.....

    Blinder Fleck im Leben ..... und so zieht sich der Faden weiter, ...oh, klasse das er das schon kann, wie weit er doch schon ist...was, das kann er noch nicht??...meiner konnte aber....!!! bla bla bla

    Das zum Thema subjektive Sicht.....es geht nicht anders, den eigenen Hund sieht man IMMER anders als andere.
    Schließlich lebt dieser Hund 24 Stunden bei einem und da gewöhnt man sich schnell an einigem und übersieht anderes.

    Welch Glück das es aufmerksame GassiFreunde gibt.... :D

    Gruß Gwen

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