Erziehung über Konditionierung und Erziehung über Respekt

  • Zitat


    Clickern ist Kommunikation, wie es klarer nicht geht. Der Clicker ist in der Lage, dem Hund zu vermitteln, "zwinkere mit dem linken Auge".


    Ja, der Clicker dient der Kommunikation, aber es ist eine sehr eingeschränkte Kommunikation. Der Click hat eine einzige Bedeutung: "JA, deine Handlung eben war unter diesen Umständen richtig und dafür gibt es eine Belohnung." Nicht mehr, aber auch nicht weniger, und deshalb ist der Clicker als Kommunikationsmittel auch so unschlagbar, wenn es um die punktgenaue Bestätigung eines erwünschten Verhaltens geht. Er sagt dem Hund aber nicht, was ich von ihm will, und er sagt ihm nichts darüber, in welcher Stimmung ich bin – das soll er auch nicht, aber daher ist es eben eingeschränkte Kommunikation.


    Genauso eingeschränkt wäre aber die Kommunikation, wenn ich (mit welchen Mitteln auch immer) dem Hund nur sage: "NEIN, was du da tust ist verboten!" Leider kommt das bei dem, was man zu diesen "Respekt-Methoden" zu lesen kriegt eigentlich immer so rüber, als würde das Hauptgewicht auf dem Aufstellen von Verboten liegen, deren Übertretung dann natürlich nach Verwarnung auch bestraft werden muss. Kann sein, dass das in der Praxis dann anders ist, aber ich habe in den letzten Tagen in entsprechenden HPs, Büchern und Foren gestöbert, und so ist es bei mir angekommen. Teilweise werden dann sogar "Tricks" wie Platz oder Hier so beigebracht, dass der Hund unter Druck gesetzt wird und sich nur durch ausführen des gewünschten Verhaltens aus der ihm unangenehmen Situation befreien kann. Also ein Focus auf Lernen durch negative Bestärkung und positive Strafe.


    Ich vermisse da einfach das Gefühl für die richtige Balance. Kommunikation und Lernen lassen sich nicht fein säuberlich trennen, und daher möchte ich ein deutliches Überwiegen der positiven Bestärkung. Ich bin ein Mensch, und nicht darauf angewiesen, alles so wie Hunde zu machen. Ich kann mit JA und NEIN kommunizieren, kann beides als Hilfe auch verdeutlichen, aber ich kann durch überlegtes Management so steuern, dass wir zu 90% JA Situationen haben, ich muss nicht ständig alles verbieten müssen. Man sollte viel mehr loben als strafen/korrigieren/massregeln, das wussten gute Tiertrainer schon vor dem ganzen Methodenhype. Ich kann auch mit der Ablehnung von jeglichen Hilfsmitteln nichts anfangen. Der Gebrauch von Werkzeugen, um eine Aufgabe besser erfüllen zu können ist einer der grossen Vorteile des Menschen; ich sehe keinen Grund, darauf zu verzichten, solange das Hilfsmittel nicht zur Krücke wird. Auch kann ich keinen grossen Unterschied erkennen, ob ich einen Hund mit einem verbalen Kommando oder mit körpersprachlicher "Kommunikation" an meiner Seite halte (Anführungszeichen deshalb, weil es auf ein körpersprachliches Kommano hinausläuft) – beides muss der Hund erst lernen, bzw. herausfinden, welches Verhalten in der betreffenden Situation erwünscht ist.


    Ich finde es auch notwendig, dem Hund gute Alltagsmanieren beizubringen, und ich finde es auch notwendig und fair, ihm auch beizubringen, was absolutes NoGo ist - da gehe ich mit staffy einig. Aber ich versuche, die Anzahl der Tabus möglichst klein zu halten und mehrheitlich Alternativverhalten zu verwenden, statt den Hund mit einem Wall von Verboten für alle möglichen Situationen zu umgeben. Nicht nur, weil ich nicht gerne ständig als Spassbremse fungiere, sondern weil ein einmal ausgesprochenes Verbot dann auch mit gelb und rot durchgesetzt werden muss, was in der Praxis nicht immer so einfach ist.

  • Ich kann nur für mich sprechen und meine Hunde kennen nicht nur "nein!". Beide kennen "ja/richtig" und auch Lob und beide bekommen das auch recht viel.
    Mein "Nein" heißt aber eben wirklich "nein". Es heißt nicht "eigentlich will ich das nicht, aber der Hund schaut gerade so süß, also stelle ich es erst morgen ab" o.ä. "Nein" heißt "nein" und zwar ab genau diesem Zeitpunkt.


    Was ich nicht mache, ist ihnen immer ein Alternativverhalten zu zeigen. Das mach ich bei manchen Dingen, aber eben nicht immer. Menschen anspringen/anbellen ist tabu, Ende der Diskussion. Ob mein Hund dann aber sitzt, sich hinlegt, mich anschaut etc. bei Menschenbegegnungen ist mir egal, daher eben kein zeigen von Alternativverhalten. Trotzdem gibt es ein Lob, wenn er sich so verhält wie ich es will (also eben nicht anspringen/bellen).


    Lee wird auch gelobt, wenn sie an Hunden ohne Theater vorbei ist. Nur halt nicht solange sie noch auf 180 ist (egal ob sie dabei laut oder leise ist), weil ich diesen Zustand bei ihr nicht auch noch loben werde.


    Eigentlich ist es so wie Terry schonmal geschrieben hat. Ich gebe den Rahmen vor und darin können sie tun und lassen was sie wollen.


    Sitz, Platz etc. lernen meine rein positiv und das werde ich auch nicht ändern.

  • Zitat

    Aber ich versuche, die Anzahl der Tabus möglichst klein zu halten und mehrheitlich Alternativverhalten zu verwenden, statt den Hund mit einem Wall von Verboten für alle möglichen Situationen zu umgeben.


    Wie siehts denn in der Wirklichkeit aus !? Das klingt immer, als wenn das Leben nur aus Verboten bestehen würde, aber gehts nicht im Endeffekt nur um eine handvoll Dinge ?
    Für mich gehört in erster Linie dazu, daß meine Hunde nicht selbständig zu anderen Menschen, Hunden, etc. hinlaufen.
    Fremde, Freunde, ... werden nicht angesprungen, nicht angekläfft und (ohne Grund) auch nicht angeknurrt.
    Wege werden nicht verlassen, das Auto nicht ohne Aufforderung, in der Wohnung kein Essen geklaut, nicht aufs Sofa, nicht ins Bett ...


    :???: da gibts bestimmt noch ein paar Sachen mehr


    Aber wer bringt das seinem Hund nicht bei und wo würdest du/ihr eine Alternativhandlung einbauen und wofür ?


    Kommt ein Spaziergänger dann soll mein Hund ganz normal locker dran vorbei gehen, begegnet er mir direkt, dann ruf ich die Hunde ins Fuß, oder laß sie grad an Seite gehen. Sag ich nix dann erwarte ich aber auch nichts, nur ein ruhiges Vorbeilaufen. Wo ist das Problem, daß mein Hund über ein "Nein, lass es, bleib hier, ..." gelernt hat, daß Fremde tabu sind, er aber auch nichts anderes machen muß !?


    Vielleicht sollten wir mal ein paar Beispiele konkretisieren, um nicht länger aneinander vorbeizureden ;-)


    Gruß, staffy

  • Murmelchen, so ähnlich halte ich das auch - habe ja schon in meinem ersten Riesenposting darauf hingewiesen, dass es sich für mich grösstenteils um einen Scheinkonflikt handelt!


    Es entsteht aber leider ein offenbar falscher Eindruck durch das Herumreiten auf "Hunde belohnen einander ja auch nicht, sie korrigieren" und ähnliches mehr. Es sollte selbstverständlich sein, dass eine funktionierende, klare Kommunikation die Grundlage aller Interaktion mit dem Hund ist, aber dann liest man ewig über Bewegungseinschränkung als Allheilmittel, und so entsteht ein schiefes Bild und man fragt sich, ob hier nicht "hundegerechte Kommunikation" auf Massregelung reduziert wird.


    Ein ähnlich schiefes Bild ergibt sich ja offenbar auch bei den Clickern, wo es dann aussieht, als ob Kommunikation einzig im Bestätigen erwünschten Verhaltens bestehen würde

  • @ Staffy


    Ganz konkret zu deinem letzten Beispiel:


    "Nein, lass es!" = Abbruchssignal
    "Bleib hier." oder "Lauf dran vorbei." = Alternativhandlung


    Shoppy und auch ich ;-) würde sich das "Lass es!" sparen und das Vorbeilaufen clicken.


    Alternativhandlung muss nicht immer was Dolles sein. Wobei manch ein Hund einfach vorbei laufen dolle schwierig findet, da geb ich dir recht :)

  • Also jetzt mal bei dem "vorbei-lauf" Beispiel geblieben:


    für meinen Hund ist es an und für sich schon eine Belohnung mit mir zusammen irgendwo "einfach vorbei zu laufen".


    Anfangs ist er gegen Passanten gegangen, wir waren kein Team.
    Jetzt tut ers nicht, wir sind ein Team und können entspannt durch den Wald rennen.


    DAS ersetzt glaube ich kein Clicker der Welt.


    Ich glaube, ein Klick, Leckerli oä bringt die Kommunikation zwischen Mensch und Hund nicht voran, sondern der einzige der entgegenkommt ist der Hund, der sich eigentlich verbiegt, um eben an diese (psychologisch zurechtgerückte durch Konditionierung) Belohnung zu kommen.


    In der ohne-Klick-ohne-Leckerli-stopferei -Methode ist meines Erachtens mehr Freiraum für die "natürlichen Belohnungen" die nicht erst konditioniert werden müssen, wie zB die Zusammengehörigkeit.


    Der Click unterstützt vielleicht, und klärt manche Sachen schneller, aber in meinen Augen ersetzt er nicht das wichtige lautlose Grundgerüst der Hund-Mensch Beziehung.

  • Zitat

    Shoppy und auch ich ;-) würde sich das "Lass es!" sparen und das Vorbeilaufen clicken.


    Dann hast du dem Hund aber nicht erklärt, dass er nicht zu dem Fremden hin soll !


    Ich weiß, shoppy würde ihren Hund niemals aus den Augen lassen und immer eine Alternative bieten, bzw würde der Hund gar nicht frei laufen.


    Fairer ist es aber, dem Hund zu erklären (und das geschieht ja nett), daß man erst gar nicht zu Fremden hingeht. Jeder normale Hund lernt das sehr schnell und hat damit auch überhaupt kein Problem. Vor allem wird er nie ein Problem bekommen, denn er wird nie einen Fremden belästigen !!


    Was ist so überaus dramatisch an einem Abbruchkomando ?
    Es sagt dem Hund deutlich, daß er etwas lassen soll, eine vollkommen normale - bei allen Lebewesen - Kommunikation !

  • @ Staffy
    Das stimmt. Ich hab meinem Hund gesagt, dass er immer bei Fremden an meiner Seite vorbeilaufen soll ;-) Und das beideutet nicht, dass ich mit Argusaugen jeden Fremden erspähe und meine Hunde nach einem Spaziergang platzen.


    Das Ergebnis ist das Gleiche :)


    P.S. Was Shoppy tut, kann ich nur vermuten, kenne sie nicht persönlich. War von daher vielleicht nicht angemessen. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass ich richtig liege.


  • Hihi, da bietest sogor du mit dem Fuss manchmal ein Alternativverhalten an.... ;)


    Aber ok, werden wir etwas konkreter. Du hast ja schon eine ganze Menge von Dingen aufgezählt, die der Hund nicht darf. Das sind schon sehr viele Nein und Pfuis. Und je nach Charakter und Alter des Hundes (Junghundezeit!) ist man schon sehr oft am verbieten.... Es ist ein psychologisches Ding, nicht nur für den Hund, sondern auch den Halter. Es nervt, ständig Verbote durchsetzen zu müssen, immer mindestens gelb, meistens noch rot abliefern zu müssen – es gibt einfach eine negative Stimmung. Bleiben wir bei fremden Menschen. Klar kann ich dem kontaktfreudigen Junghund 10x pro Spaziergang einfach so verbieten, zu denen zu laufen (vorausgesetzt er ist nahe genug für meine Einwirkung). Da bin ich vielleicht befriedigt, dass ich soweit respektiert werde. War ich zu mild, wurde mein Verbot missachtet und ich muss wieder von vorne anfangen. Rufe ich ihn jedoch ab, oder lasse ihn sitzen, so habe ich 10x die Gelegenheit, mich irrsinnig über meinen Hund zu freuen, und diese Stimmung überträgt sich selbstverständlich auf den Hund. Ich möchte ja auch nicht, dass der vertrauensvolle Junghund beginnt, fremde Menschen mit dräuenden Gewitterwolken bei Frauchen zu assoziieren, oder auch nur den Fremden unangemessene Aufmerksamkeit zu schenken. In der Praxis werde ich in beiden Fällen gar nichts tun, wenn der Hund kein Interesse an den Fremden zeigt. Und wenn doch, werde ich mixen. Mal ein Alternativverhalten, mal ein Nein. Falls ich mich beim Alternativverhalten geirrt hatte und der Hund gar nicht zu dem Menschen hin wollte, macht es gar nix. Habe ich mich beim Nein geirrt im Lesen des Hundes, wird er sich fragen, was genau er jetzt lassen sollte.....


    Konkret war bei meinem aktuellen Hund nur Küche und Sessel/Couch ein Verbot ohne wenn und aber, und wurde entsprechend massiv etabliert. Für andere Dinge wende ich bedarfsgemäss entweder Abbruchsignal oder Alternativverhalten an. Beispiele: Sch... fressen – Abbruch. Grillpouletreste finden – Alternativverhalten Apport. Sich beim Schnüffeln vergessen – Alternativverhalten Abruf oder Blickkontakt. Ballspielende Kinder beäugen – Abbruch oder Alternativverhalten Abruf. Reh gesichtet – Alternativverhalten Sitz. In der Praxis finde ich flexible Lösungen am einfachsten. Ein Abbruchsignal und drei oder vier Alternativverhalten, die sowieso zum Standardrepertoire gehören reichen völlig. Der Vorteil der Alternativverhalten liegt in der je nach Situation deutlich höheren Erfolgsquote und der positiven Verknüpfung der Situation. Der Nachteil liegt darin, dass das unerwünschte Tun nicht explizit verboten wird. Lässt sich bei wenig attraktiven Dingen leicht nachholen oder durch das gelegentliche Abbruchsignal klarstellen. Wieder ein konkretes Beispiel: Hinrennen zu andern Hunden. War bei meiner altersgemäss akut mit 6+ Monaten, Verbote scheiterten an der fehlenden Durchsetzbarkeit. Ok, Hund anleinen, Verbot kann durchgesetzt werden, zeigt aber keinerlei erzieherische Wirkung. Wechsel auf Alternativverhalten mit der Motivation entsprechender Belohnung (Premack lässt grüssen ;) ), Problem verringert sich sehr schnell und Leine kann weggelassen werden. In einer späteren Phase reicht dann auch das Abbruchsignal wieder.


    Ganz unwissenschaftlich und rein aus dem Bauch: Hunde finden es nicht toller als Kinder, wenn die Kommunikation hauptsächlich aus "Du sollst nicht" besteht. Da ist ein "Hey lass uns das tun!" doch viel erfreulicher und kann dasselbe bewirken - vor allem bei hundlichem "Fehlverhalten", das sich altersbedingt von selber erledigt. Das heisst nicht, dass man gar keine Frustrationstoleranz schaffen soll, im Gegenteil. Aber gerade auch in der nervigsten Zeit sollte man es nicht auf ständige Konfrontationen ankommen lassen, sondern halt temporär etwas managen.

  • Kittine
    Das mag ja auch soweit funktionieren, aber was machst du, wenn du auf einem Treffen mit vielen Menschen bist ? Dann funktioniert das "an der Seite" nicht.
    Je nach Hund müßtest du ihn dann fairer halber anleinen, denn er wäre ja überfordert mit der Situation und könnte in die Verlegenheit kommen, Fremde doch mal anzuspringen ....


    Und es gibt ja reichlich Hunde, die sich in der Beziehung nicht benehmen.


    Gruß, staffy

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