Der lange Weg zum Wesenstest...

  • Fortsetzung...

    Langsam wurde es also besser... Clicker gingen immer wieder verloren, darum hatten wir auch eine ganze Zeit lang keinen dabei. Das war erneut eine Umstellung und definitiv schwieriger, aber es war definitiv ok... wesentlich besser als zuvor.

    Ich bin anfangs mit den Hunden zusammen gegangen, hatte aber einen ungemeinen Stress dabei, denn bei Benji muss man immer aufpassen, dass er aufs Gras geht wenn er macht und ihn stützen, dabei Jack daneben, das war ein Ding der Unmöglichkeit, wenn irgendjemand kam. Klar, wenn er merkte, dass ich die gesamte Umwelt im Blick hatte, dann übernahm er mal wieder die Kontrolle. Also bin ich immer getrennt mit beiden gegangen. Hölle im Gemisch mit Studium und Arbeit. Benji kam oft zu kurz, das tat mir unglaublich Leid.
    Seit etwa 4 Wochen gehe ich wieder mit beiden zusammen.

    Eines Tages ging ich mit beiden raus (letztes Jahr), da klappte eigentlich das Meiste schon einigermaßen. Bei uns auf dem Feld war der Mais schon hoch, man sah also nicht um Ecken. Eine Sache, die ich gelernt hatte, war, dass ich alles vor Jack sah. Was Anfangs überhaupt nicht hingehauen hat, wurde immer besser. Durch diese Daueraufmerksamkeit ist man natürlich auch immer total fertig, was ich dann in Arbeit und Uni schon bemerkt habe. Es gab Tage da wollte ich nur noch schlafen, sonst nichts. Wie auch immer, wir gingen also am Rand des Maisfeldes entlang und ich hörte immer wieder Rascheln im Feld, dachte mir aber nicht viel dabei - hätte ich das nur mal getan... als wir am Feld waren, habe ich beide Hunde abgeleint, weil dort niemand war, als plötzlich ein älterer Mann aus dem Maisfeld kam. Jack sprang sofort bellend auf diesen zu, Benji natürlich umgehend hinterher... wegrennen konnte ich in dem Moment schlecht, da ja dieser Mann von meinen bellenden Hunden umkreist wurde. Ich also hin und einen nach dem anderen weggepflückt. Ich habe mich sofort hundertmal entschuldigt und ihm erklärt, dass ich ihn nicht gesehen hatte (wie auch im Mais), sonst hätte ich die Hunde nicht losgemacht. Er war nicht sonderlich schockiert, sondern herrschte mich nur an, dass manche Leute einfach keine Tiere halten sollten, wenn sie sie nicht unter Kontrolle haben.
    Natürlich habe ich seinen Unmut verstanden, aber mehr als entschuldigen konnte ich mich nicht, und mehr als ihm zu erklären, dass der Eine noch mitten in der Erziehung steckt ging auch nicht... Trotzdem war es mir natürlich unendlich peinlich, ich habe Jack an die Leine gemacht und wir sind unseres Weges gegangen. In so einem Moment kommt einem Listi-Halter natürlich immer in den Sinn, was jetzt passiert, wenn die Person die Polizei ruft oder das OA verständigt...
    Mir ging es so dreckig und auch eine anderen Hundehalterin konnte mich nicht aufbauen, als sie mir erzählte (ihr Hund hört 1a!), dass ihr Hund immer zu einer Person abgehauen ist, die panische Angst vor Hunden hatte... ich kam nach Hause und war nur noch am Heulen, alle Fortschritte waren vergessen und dahin... ich habe Alex angerufen und gesagt, dass ich mit Jack nicht mehr rausgehen würde, wenn dann nur an der Leine und kurz an den Grünstreifen, ich konnte nicht mehr... Schleppleinentraining war für uns ja kein Thema, da Jack daran vollkommen abdrehte und wirklich nur noch kreiselte... also konnte ich Rückruf auch nur im Freilauf üben. Ich hatte immer geschaut, dass ja niemand irgendwo war und ihn IMMER, wirklich IMMER angeleint, wenn ich die Situation nicht überlicken konnte. Mir wurde damals klar, dass ich Situationen niemals immer und komplett überblicken konnte... und ich war einfach nur noch am Ende. Dazu kam natürlich noch die Tatsache, dass wir ohnehin immer blöd angeredet wurde, warum man mit so einer Kampfbestie umherlaufen muss, selbst wenn Jack sich benommen hat wie ein Engel... der Druck von außen war enorm und hat viel kaputt gemacht und viel Vertrauen in das Gute in Menschen und in deren Erziehung genommen.

    Alex ging daraufhin mit Jack am Abend spazieren. Da wir direkt an einem See wohnen (Naherholungsgebiet), wo natürlich im SOmmer die Hölle los ist. Hunde dürfen nur auf Wegen laufen, also auch nicht ans Wasser. Alex ist dorthin mit ihm. Warum weiß ich bis heute nicht, offensichtlich wollte er Jack gezielt einer Situation aussetzen, in der er auf ihn angewiesen war, in all seiner Unsicherheit.
    Er ging also los... blöde Blicke, böse Kommentare, wie immer alles dabei, Jack benahm sich wie ein Engel. Bei den beiden war das schon immer anders, denn obwohl auch das Arbeit war, akzeptierte Jack Alex als "Chef"... mich eher nicht, bis heute spiele ich, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, nur die zweite Geige, alleine dagegen kein Thema. Also ging Alex um den See, Jack war brav, dennoch natürlich ein potentiell böser Hund... wie er so dahindackelte, kamen die beiden auf eine Familie mit Kind im Rollstuhl zu. Der Junge war körperlich und geistig behindert, also wieder etwas komplett Neues für Jack. Der Junge schrie und machte unkontrollierte Bewegungen, seltsame Geräusche, die der Dicke nicht kannte. Die Eltern fragten Alex, ob ihr Sohn Jack streicheln könnte. Da Jack mit Menschen und insbesondere Kindern immer total toll umging (sofern das kontrolliert erfolgte), willigte er ein. Zudem war er äußerst gelassen, lediglich neugierig.
    Und dann passierte das Unglaubliche: Unser Hund, unser Jack, der sonst immer immer immer in jeder neuen Situation vollkommen überfordert war, ging ruhig auf den Jungen zu, unser Jack, der sonst jeden stürmisch begrüßt, dass es ihn fast aus den Latschen haut, dieser Hund legte ruhig und bedächtig seinen Kopf auf den Schoß des Jungen, der vollkommen außer sich vor Freude schrie und auf Jack wild einklopfte. Jack stand dort vollkommen unberührt und ließ ihn einfach gewähren (Alex war natürlich überaufmerksam). Als Alex mir das danach erzählte war ich fassungslos. Ich konnte nicht glauben, dass unser Ungeheuer, der sonst nichts ruhig und besonnen machen konnte im Umgang mit einem behinderten Kind eine solche Ruhe an den Tag legen konnte.
    Das baute mich dermaßen auf, dass ich neuen Mut schöpfte und wieder begann mit ihm zu arbeiten...

    [Fortsetzung folgt...]


    Hier ein paar Texte, die Alex und ich damals verfasst haben...

    Zitat

    Jack hat mich die letzten Wochen richtig fertig gemacht - alles angebellt, gezerrt, war nicht abzulenken... das Schlimmste daran: Dass ich an mir selbst merkte, wie ich immer unsicherer wurde, am Ende sogar bevor wir draußen waren - gestern war es dann soweit, als er angefangen hat alle Autos anzubellen war mir klar, dass ich für ihn keine Sicherheit mehr bin... es war ein langer Weg dorthin, aber stetig. Bedeutet: Ich muss an mir arbeiten und zwar richtig... ich denke, ich werde mir und Jack eine Einzelstunde bei unserem Trainer gönnen - draußen...
    Auslöser für alles war der Tag an dem Jack bellend auf einen fremden Mann zugerast ist und bellend um ihn rumsprang - das darf nicht passieren und auch wenn ich von Jack weiß, dass er nichts macht, aber wer soll das schon sonst wissen.
    Gestern war ich somit richtig fertig, die Erkenntnis war hart, aber einfach auch nötig.
    Heute hat mir ein Spaziergang, bei dem ich nicht dabei war, sehr viel Kraft gegeben... Alex war mit ihm draußen und hat ihn mit allem konfrontiert, was es bei uns so gibt... viele Menschen am See, Hunde, Kinderwägen, etc pp... er hat sich vorbildlich benommen... und dann die Geschichte, die mich zum Weinen gebracht hat: Auf einer Bank saß ein behinderter Junge, daneben seine Eltern. Der Junge muss wohl ziemlich laut gewesen sein und Geräusche gemacht haben, die Jack noch nie gehört hat. Jack lief im Fuß und die Mutter fragt, ob man den Hund streicheln könne. Nachdem Jack ja so ruhig war, wir wissen, dass er mit Kindern sehr gut umgehen kann und es einfach liebt, wenn jemand ihn streichelt, hat Alex ihn hingelassen. Jack hat seinen Kopf auf den Schoß des Jungen gelegt und hat ihn einfach nur ruhig angeschaut. Der Junge hat laut gelacht und versucht Jack so gut es ihm möglich war zu streicheln...Jack blieb ganz ruhig stehen - unser Jack, der sonst wie ein Wirbelwind um jeden fegt, der ihn begrüßt...
    Mir hat das unglaublich viel Kraft gegeben und ich werde jetzt Schritt für Schritt arbeiten - Alex hat diese Woche frei, ich werde mit ihm gehen, er soll uns und vor Allem mich beobachten...ich werde mit unserem Trainer rausgehen... ich werde zunächst Zeiten wählen, an denen wenig Leute unterwegs sind und dies langsam steigern. Gestern war ich richtig am Ende, aber heute habe ich wieder Kraft, mir kommt es richtig vor, als wäre das alles die letzten Tage nötig gewesen, damit Jack und ich einen richtigen Neuanfang machen können - und den werden wir haben! Ich freu mich schon darauf, wenn ich morgen Abend nach der Arbeit mit ihm rausgehe...
    mein kleiner Büffel - ich hab dich so lieb, du Kuschelmonster, wir zwei schaffen das alles noch... manchmal vergesse ich einfach deine Geschichte...das tut mir leid mein Süßer!

    Wir zwei beide schaffen das!

  • Ich bin total platt, vor allem das mit dem behinderten Jungen, daß hat mir echt ne Gänsehaut nach der anderen hochgejagt :gut:

  • Ich habe mir das gerade alles durchgelesen und finde, ihr solltet das in Buchform veröffentlichen. Als Mutmacher für andere "Kampfhundehalter"!

    Außerdem bin ich unglaublich beeindruckt von eurer Leistung und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mit meinem Großen, den ich ja gerne als "gut hörenden" Hund beschreibe, wohl noch seeeehr viel arbeiten muss, um dahin zu kommen, wo ihr mit Jack seid!

    Ihr habt meinen absoluten :respekt:

  • Zitat

    Ich habe mir das gerade alles durchgelesen und finde, ihr solltet das in Buchform veröffentlichen. Als Mutmacher für andere "Kampfhundehalter"!

    Außerdem bin ich unglaublich beeindruckt von eurer Leistung und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mit meinem Großen, den ich ja gerne als "gut hörenden" Hund beschreibe, wohl noch seeeehr viel arbeiten muss, um dahin zu kommen, wo ihr mit Jack seid!

    Ihr habt meinen absoluten :respekt:

    Warum El Rocko nur als Mutmacher für Sokahundehalter.... ? Macht auch Hundehaltern Mut, die einen "normalen" Problemhund haben.

    Danke für Dein Posting dasaennchen

  • Zitat

    Ich habe mir das gerade alles durchgelesen und finde, ihr solltet das in Buchform veröffentlichen. Als Mutmacher für andere "Kampfhundehalter"!

    Außerdem bin ich unglaublich beeindruckt von eurer Leistung und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mit meinem Großen, den ich ja gerne als "gut hörenden" Hund beschreibe, wohl noch seeeehr viel arbeiten muss, um dahin zu kommen, wo ihr mit Jack seid!

    Ihr habt meinen absoluten :respekt:

    Danke... meist hört Jack super, aber er ist und bleibt ein Bulli, der sich halt gern alles 10mal überlegt.. Er hat dann so Erfindungen wie "Halbplatz" oder "Halbkomm", wo du vor Lachen einfach nur abbrichst, weil er einfach vor lauter Faulheit keinen Bock hat, noch zwei Schritte weiter zu gehen "Bin doch schon in Lekkerlewerfweite Fraule".
    Vergessen darf man auch nicht, dass Jack immer noch mitten in der Ausbildung ist und es auch nach wie vor ab und an vorkommt, dass er meint, abdampfen zu müssen - mit dem Fortschritt, dass er sich daraus zurückrufen lässt (in ca. 99% der Fälle... der Rest ist Bulli). Also geht die Arbeit weiter, aber ohne Druck und Terminstress, einfach nur um der Arbeit Willen.
    Was uns allerdings auch klar wurde, war die Tatsache, dass Jack seine Unsicherheit niemals komplett ablegen wird - laut Gutachterin werden wir 60% davon wegbekommen, 40% werden immer bestehen bleiben - das hat zur Folge, dass es eben nie komplett relaxed und entspannt sein wird (auch wenn ich sagen muss, dass ich mich schon als ziemlich entspannt empfinde, alles eine Sache der Übung :lol: ). Aber das ist ok, da kommen wir wenigstens nie in die Versuchung, einfach nur dahin zu schlendern :roll:

    Ich schreib bald weiter, bin nur grad in der Arbeit und mein Mittag ist gleich rum... danke für all die lieben Worte, das freut uns total... ein Buch könnten wir wahrlich schreiben, ich glaub das will nur niemand drucken.. vielleicht wage ich mich ja bald mal daran, aber ohne Verlag... dann bekommt ihr die kostenlose Druckversion =)

  • Ich habe nun alles durchgelesen und muß sagen, daß ich an einigen Stellen wirklich Tränen in den Augen hatten.
    Tränen - weil ich einiges gut nachvollziehen kann,
    Tränen - weil ich das Gefühl mitten im Tiefpunkt zu sein, sehr gut kenne
    Tränen - weil es mich so freut, daß ein vermeintlich böser und hoffnungsloser Hund so tolle Menschen gefunden hat und vor allem,
    weil ihr mit dieser schwierigen Situation gelernt hat, umzugehen.
    Meinen tiefsten Respekt und alles Gute für die Zukunft :gut:

  • Mensch.....ich habs grad erst entdeckt......

    ich bin ja sooooo stolz auf euch und auf Jack....Wir haben ja noch nen Monat. Mach mir immer mehr Sorgen. Ich hoff so, dass die Kaja den WT besteht....

    Aber GLÜCKWUNSCH! Drück Jack von mir.....

  • Zitat

    Mensch.....ich habs grad erst entdeckt......

    ich bin ja sooooo stolz auf euch und auf Jack....Wir haben ja noch nen Monat. Mach mir immer mehr Sorgen. Ich hoff so, dass die Kaja den WT besteht....

    Aber GLÜCKWUNSCH! Drück Jack von mir.....

    Danke!! Ihr schafft das auch locker, sei nicht nervös. ist wirklich kein Hexenwerk, wenn deine Gutachterin die gleichen Anforderungen stellt, dann schafft Kaja das locker..

    btw, wir müssen uns jetzt mal treffen, Jack vergeht vor Sehnsucht!

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