Romantisierte Vorstellungen/Ideen???

  • Hi,
    Zwei Hunde aus der Nachbarschaft und vor allem die Erziehungsmethode ihrer Halter bzw. der Trainerin, haben mich wieder mal zur Nachdenklichkeit angeregt.
    Sie arbeiten nach B/H/T (Bindung, Harmonie, Technik).
    Auf der Website der Trainerin heißt es (sinngemäß):
    " Wir arbeiten ohne Stachelhalsband etc. aber auch ohne Leckerchen, Spielzeug etc.)"

    Ich muss sagen, die betreffenden Hunde hören ganz ordentlich, was mir definitiv fehlt ist die Freude an der Arbeit. Sie hören halt meistens, aber von Begeisterung und Freude an der Arbeit kann man nicht reden.
    Es wird auch bspw. mit der Leine geworfen wenn der Hund sich unerlaubt entfernt bzw. nicht sofort hereinkommt beim ranrufen.
    Das Leinewerfen als Unterbrechungssignal wenn die Spannung zwischen zwei Hunden steigt o.ä. ist mir schlüssig, beim hereinrufen kann ich den Sinn nicht erkennen. Es ist Druck und fördert doch bestimmt nicht unbedingt, dass der Hund gerne, schnell und freudig hereinkommt.
    Es wird auch nicht überschwänglich gelobt oder sonstiges, was nach Motivation aussieht.

    In meiner "Hundezeit" ist das für mich die "vierte Phase". Ganz am anfang wurde viel mit Leckerchen gearbeitet, dann wurde Spielzeug modern zum motivieren, das lief dann wieder aus, weil es viele "Balljunkies" verursachte, es ging zurück zu Leckerchen und schließlich jetzt, scheint es immer populärer zu werden mit gar nix zu motivieren, rein die Bindung zum Hundeführer soll es machen.
    Selbstverständlich auch diversen Mischungen und Kombinationen daraus.

    Mir stößt diese "reine Bindung" Sache irgendwie sauer auf. Erwartet sie doch, dass der Hund völlig selbstlos und aus lauter "Liebe" oder Hingabe oder was auch immer, etwas leistet.
    Ich halte das für völlig romantisiert, um ehrlich zu sein. Es gibt nichts und niemanden, der aus lauter Selbstlosigkeit und Ergebenheit was tut. Insbesondere der Hund als Raubtier, dessen naturgemäßes Ziel die Erringung der Beute ist- die es in diesem Fall nicht gibt.
    Natürlich, ich will auch nicht, dass mein Hund die Jackentasche mit den Leckerchen mehr fixiert als mich, oder das Spielzeug, ich mische auch, mal gibts was leckeres, mal wird gespielt und sehr oft nutze ich stimmliches Lob. Aber: etwas kommt immer, wir haben einfach immer einen gemeinsamen Erfolg wo ich den Hund und seine Leistung anerkenne.
    Ich erwarte nicht, dass er völlig selbstlos und vor lauter "Bindung" irgendwas für mich tut. Natürlich gibt es einen Unterschied, wenn wir Sachen machen, die selbstbelohnend sind (Suchspiele, Frisbee, hüten...) wobei ich da auch stimmlich unterstütze, bedarfsgerecht eben.

    Natürlich mag es in diesen zwei Fällen auch an der Trainerin liegen, aber Fakt bleibt, die Hunde arbeiten nicht mit der Freude, wie es meiner tut. Sie hören, weil ihnen Privilegien abgesprochen werden, wenn sie es nicht tun (so durfte der eine Hund beispw. wochenlang nur an der Leine gehen und nicht spielen) nicht weil sie etwas dazugewinnen können.
    Für mich ist das widernatürlich, der Zugewinn (die Beute) ist die Motivation zu handeln, nicht der Verlust von bereits vorhandenem...

    Ich finde das ist sehr romantisch gedacht, dass der Hund das alles vor lauter "Bindung" tut. Wie seht ihr das?

    lg Susanne

  • Das sehe ich ganz genau so! Der Mensch hat sich die Tiere eh schon untertan gemacht, da kann er sie wenigstens für gute Arbeit belohnen!

    Birgit Laser schreibt in ihrem Buch "Clickertraining" auf den Wunsch eines HH, dass der Hund doch bitte für ihn arbeiten solle:

    "Ach so, Sie meinen genauso, wie auch Sie ausschließlich für Ihren Arbeitgeber arbeiten, nicht etwa für das Geld?"

    Das fand ich sehr erhellend in dem Zusammenhang :D !

    immer Leckerli und Lob verteilend
    Wauzihund

  • ich finde die Vorstellung im sozialen Miteinander immer nur mit positiver Bestärkung zu arbeiten viel romantisierter. So läuft weder zwischenmenschliches noch zwischenhündisches Zusammenleben ab. Wieso also die Hemmung in Sachen Hundeerziehung auf klare Regeln und deren Durchsetzung auch wenn das für den Hund kurzzeitig mal Stress bedeutet zu verzichten? Wir tragen die Verantwortung und da ist es durchaus legitim dem Hund Verhaltensregeln vorzugeben die für ein problemloses Miteinander wichtig sind.

  • Zitat

    Wieso also die Hemmung in Sachen Hundeerziehung auf klare Regeln und deren Durchsetzung auch wenn das für den Hund kurzzeitig mal Stress bedeutet zu verzichten? Wir tragen die Verantwortung und da ist es durchaus legitim dem Hund Verhaltensregeln vorzugeben die für ein problemloses Miteinander wichtig sind.

    Das eine schließt ja das andere nicht aus.
    Nur, tucker setzt auf positive Bestärkung, die BHT-Technik sehr viel mehr auf negative Bestärkung.
    Natürlich gibt es bei uns auch Regeln. Und die werden durch Handeln (und ja, im Zweifel auch mal durch kurzzeitige Einschränkung der Freiheiten) durchgesetzt. Aber was ich an der BHT-Technik so widersinnig finde, ist nicht nur die fehlende Freude, sondern auch die fehlende Verknüpfung. Wenn ein Hund wegen Fehlverhaltens an die Leine muss, weiß er doch schon nach einer Viertelstunde nicht mehr, warum. Wochenlang ist deshalb in meinen Augen totaler Quatsch. Bringt nichts als Frust auf beiden Seiten.
    Also, auch ich setz da lieber auf eine Motivation durch Belohnung - wobei ich zugeben muss, dass es Fälle/Probleme gibt, die durch Belohnung des Wohl- und Ignorieren des Fehlverhaltens allein nicht gelöst werden können.
    Und positive Verstärkung setzt deutlich mehr Beobachtung und Beschäftigung mit dem Hund voraus als negative. Aber dafür hab ich meinen Hund ja auch, um mich mit ihm zu beschäftigen. :smile:
    LG
    Kirsten

  • Du hast doch nen Hund, Tucker, was mir in dem letzten Jahr aufgefallen ist: Wie komplex die Beziehung zwischen mir und dem Hund ist.
    Bei uns kann man das gar nicht isolieren. Missy handelt nicht nur durch Leckerlis aber auch nicht nur durch die Bindung zu mir, welche meiner Meinung nach auch eine Form der Bestätigung ist.

    Sicherheit, ein soziales Gefüge, Fressen, Spiel, Jagd, das sind doch nicht voneinander zu trennende Bereiche. Zumindest nicht, wenns um das Zusammenleben geht.

    Ich halte es für nicht erstrebenswert, den Gehorsam oder besser gesagt das funktionierende Zusammenleben AUSSCHLIESSLICH auf Leckerlis oder Spiel aufzubauen, andersherum sind Bestätigungen, die eben solche leicht beim Hund erreichbaren Triebe ansprechen, oft auch die einzige oder die effektivste Möglichkeit, "artübergreifend" zu vermitteln, was von Hund verlangt wird.

    Ausschließlich negativ zu bestärken und zu bestrafen, wie du beschrieben hast, find ich äußerst fragwürdig.

    Bei uns wurde der Gehorsam immer besser, da viele Dinge parallel geschehen... man lernt sich besser kennen, die Regeln werden deutlich, man versteht einander besser/ schneller, man vertraut einander besser, aber natürlich auch durch gemeinsame Erfolgserlebnisse, Bestätigung und Spiel...

    Ich würde nicht auf die Idee kommen, da zu trennen oder zu sagen "ich bestätige nichts, ich weise lediglich darauf hin, w enn etwas falsch ist"

    Andersherum würde ich nie sagen "ich bestätige ausschließlich positiv".

    :ka:

  • Zitat

    ich finde die Vorstellung im sozialen Miteinander immer nur mit positiver Bestärkung zu arbeiten viel romantisierter. So läuft weder zwischenmenschliches noch zwischenhündisches Zusammenleben ab. Wieso also die Hemmung in Sachen Hundeerziehung auf klare Regeln und deren Durchsetzung auch wenn das für den Hund kurzzeitig mal Stress bedeutet zu verzichten? Wir tragen die Verantwortung und da ist es durchaus legitim dem Hund Verhaltensregeln vorzugeben die für ein problemloses Miteinander wichtig sind.

    Es geht ja gar nicht darum, dass es keine Regeln gibt (glaube mir, mein Hund hört besser als die beiden anderen zusammen- nach ihm wurde aber niemals ne Leine geschmissen, oder sonstwas- und: der sieht dabei gut aus, der hat Spaß und hört nicht einfach nur, weil er es eben muss).
    Ich glaube, ich kann sagen, dass ich sehr pingelig bin, was die ausbildung betrifft und dass ich sehr, sehr viel von meinem Hund erwarte. Ich erwarte nur nicht, dass er all das aus reiner "Bindung" und Selbstlosigkeit tut. Ich erwarte nicht, dass der Hund sich selber aufgibt für mich. So ein Wesen gibt es nirgendwo, in keiner Spezies- es sei denn es ist schwer gestört.
    Unabhängig davon, dass es beim sozialen zusammenleben immer Reibungspunkte gibt, ist ja die eigentliche Anforderung bei dieser Methode, das man über diese Reibungspunkte nur mit Bindung hinwegkommen soll.
    Selbst in einer Beziehung zwischen Menschen, trägt mich allein die Liebe oder Bindung nicht zur Problemüberwindung- jedenfalls nicht so, dass nicht einer auf der Strecke bleibt. Das kann ja immer nur für einen befriedigend sein.
    Der Hund in der Natur geht aber z.B. jagen, weil er Erfolgsaussichten hat, nicht um dem Rudelführer dann aus lauter Ergebenheit die Mahlzeit zu servieren.
    Das Privilegien in direktem Zusammenhang beschnitten werden, weil z.B. der Hund mich nicht mehr ins Bett lassen will oder nicht geht, wenn ich ihn schicke, ist ja ein völlig anderer Schuh. Klar, dann ist das Bett erstmal gelaufen.
    Aber wenn alles passt- wieso soll man das dann nicht anerkennen? Deutlich anerkennen, so dass der Hund es mitkriegt. Wieso soll der Hund nicht in den Erfolg eingebunden werden?

    Aura:
    klar ist unsere Beziehung wesentlich vielschichtiger, aber DAS was diese Trainerin macht, gibt es bei uns nie. Entweder es läuft was schief, dann folgen daraus unmittelbare, eher kurzfristige Konsequenzen- Verknüpfung, oder es passt alles, dann folgen Lob und anerkennung, sei es durch Leckerchen, Spiel oder einfach stimmliches Lob... Aber es hängt direkt zusammen- in ALLEM. Ich ahnde nicht das schlechte (auf fragwürdige Weise) und ignoriere das Gute.

    lg Susanne

  • mir ist eine vernünftige Kommunikation mit Hund sehr wichtig. Hunde untereinander setzten ihre Regeln für ein reibungsloses Zusammenleben nur mit negativer Verstärkung durch, ohne dabei zu vergessen, dem anderen ein positives Feedback zu geben wenn er sich wieder an die Regel hält und der "Hausfrieden" wieder in Ordnung ist. Hunde verstehen dieses System darum ganz prima und haben damit null Probleme.
    Leine schmeißen muss dabei natürlich nicht sein ;)

  • Bitte ein bißchen vorsichtig beim Umgang mit Begriffen. ;)

    Ist positive Belohnung, negative Belohnung, positive Bestrafung oder negative Bestrafung gemeint, sollte man das vielleicht auch so ausdrücken, sonst kommen leicht Mißverständnisse auf.

    LG, d

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