Hund aggressiv gegen Partner

  • Ist denn hier wirklich keiner, der schon mal so ein oder ähnliches Problem lösen musste?

    Wenn ja, wie ist es in dem Fall gelaufen?

    Ich bin bestimmt kein Hundeexperte und verstand damals von Hundeerziehung gar nix, als ich mir in jugendlicher Selbstüberschätzung einen kernigen erwachsenen Pudelpointer aus dem Tierheim ins Haus holte, obwohl der Hund bereits wegen Schwererziehbarkeit aus mehreren Familien rausgeflogen war. Aber: ich hatte mich in das kraftvolle sehr schöne Tier (blitzende Augen, strahlend weisse Zähne, dunkles leicht wuscheliges Fell) verliebt, brauchte einen eindrucksvoll aussehenden Hund zum Schutz, aber nur als Attrappe sozusagen, und wusste durch die Auskunft des Tierheims, dass der Hund sehr gutmütig gegenüber allen Menschen, auch Kindern sei.

    Nun hatten wir zu dem Zeitpunkt jedoch bereits eine Katze.

    Und dieser Hund war zum Katzenkiller erzogen worden und hatte generell einen übermächtigen Jagdtrieb, verbunden mit absoluter Schmerzunempfindlichkeit.

    Heute noch find ich es unglaublich, dass ich diesen Hund haben durfte, vielleicht im Sinn von letzter Versuch oder so, weil die Vermittlung ja bisher mehrfach nicht geklappt hatte.

    Mit diesem professionellen Katzenmörder kam ich also nach Hause und traute mir zu, aus dem Hund einen lieben, zuverlässigen Mitbewohner für uns zu machen. Voll guten Willens, aber doch sehr blauäugig....

    Wir waren zu dritt im Haushalt, also meine beiden Kinder, damals 4 und 5 Jahre alt (aber sehr verständig) und ich, deren einzige Hundeerfahrung damals in der Haltung eines Dackelmischlings als Kind bestand.

    Das ist tatsächlich gutgegangen, es wurde eine entzückende Idylle, aber ganz bestimmt nicht wegen meiner überragenden Fähigkeiten und Methoden, sondern die Hündin hat mir alles beigebracht, weil sie so klar in ihrer Körpersprache war und nur darum für uns so gut zu lesen.

    Als ich sie nach Hause brachte, hatte ich mir überlegt, dass ich das sehr kräftige temperamentvolle Tier wohl erstmal sicher anbinden müsste, damit die Katze, die ich ja völlig überrumpele, sich den neuen Mitbewohner aus selbst gewähltem Abstand gefahrlos begucken kann.

    Da hatten beide tellergroße Augen, die Katze vor Schreck, der Hund vor schierer Mordlust, aber wirklich. Mit beiden freundlich gesprochen und so weit wie möglich beruhigt, die Katze Lisa verschwand dann lieber erstmal (Freigänger), das Hundemädchen Asta durfte sich frei im Haus bewegen.

    Asta war mindestens eine Woche schwer verstört, hatte keine Lust zu fressen oder rauszugehen, sah einfach völlig verunsichert aus, war gewohnt, rauszufliegen, wollte aber wohlgemut weiterhin furchtbar gern die Katze töten. Im Tierheim hatten sie mir aber so viel über den Hund erzählt, dass ich nicht den Mut verloren habe, sondern immer wieder dachte, ich versteh das Tier und sie wird uns auch verstehen und vertrauen lernen.

    Immer wieder und den ganzen Tag lang in kleinen Portionen hab ich dem Hund "erklärt", dass die Katze lieb ist, also keinesfalls verletzt werden darf, hab Asta gestreichelt, bis sie kurz den Mordblick verlor und die Katz gestreichelt, zusammen mit den Kindern, damit der Hund verstehen kann, dass wir alle zusammengehören.

    Langer Rede kurzer Sinn: Eine Woche sehr anstrengend, um Hund und Katz nicht aneinandergeraten zu lassen, dann hat Asta tatsächlich verstanden, den Mordblick verloren, beide haben einander ausführlich vorsichtig beschnuppert und letzten Endes wurde es wirklich wunderbar.

    Wenn ich nun einen Hund hätte, der meinen Partner nicht mag, würde ich mir als Ziel setzen, dass zumindest friedliche Koexistenz möglich sein muss. Der Hund bekäme zur Sicherheit einen Maulkorb und der Partner die Anweisung, den Hund soweit es nur geht zu ignorieren. Das sollte gefahrlos möglich sein.

    Aber ich würde immer wieder den Partner streicheln, loben, umarmen, und ebenso den Hund, wenn er friedlich ist.

    Vor meinem inneren Auge kann der Hund dann letztlich gar nicht anders, als irgendwann von selbst zu kommen und Kontakt zu wollen. Hunde sind doch hochsoziale Rudeltiere, und grundsätzlich bösartig ist der fragliche Hund doch nicht. Noch ein bisschen später kann dann auch der Maulkorb runter.

    Eine Ahnung vom friedlichen Paradies steckt auch in unseren liebevoll gehaltenen Haustieren, glaube ich.


    Ich wünsch euch alles alles Gute!

    Gebt nicht auf, aber gebt dem Hund Zeit.

  • Ich würde hier am Management ansetzen.

    Hund darf nur nach Aufforderung auf die Couch/ von der Decke. Einschränken, wenn si versucht dich zu steuern, machst du ja bereits.

    Ich würde bewusst darauf achte, dass dein Partner die entsprechenden Freiräume hat und sie dann auf ihrem Platz liegt. Aktive Kontaktaufnahme würde ich erstmal hinten an stellen. Eventuell kann dein Partner eine Schlüsselrolle, wie Futtervorbereitung und Fütterung übernehmen, je nachdem wie ihr das gestaltet.

    Ich nehme an, dass die Hündin einige Baustellen" hat, die sich mit gutem Management und Anleitung eindämmen lassen.

  • Ja hast du.

    Ich schreibe Dinge wie ich sie meine, meine ich was anderes, schreibe ich auch was anderes.

    Es ging explizit um die Zwangsanfass-Situation und diesen Hund.

    Ich hatte mit Mike hier ja so einen Hund sitzen der Knurren bzw. Beißen als Lösungstrategie gelernt hat weil sooft über Grenzen gegangen wurde und er gemerkt hat das es funktioniert und deswegen immer häufiger genutzt hat. Aber auch hier: ihn anzufassen wenn er eh schon gedroht hat -> absolut gefährlich und nicht zielführend.

  • Ich versuche das mal zu erklären ( hoffe das klingt nicht böse oder so ) warum es nicht helfen würde wenn da jemand mit eigenen Erfahrungen ankommen würde.

    Wir haben hier einmal Apfel ( Situation der TE ). Würde jemand damit kommen dass er ebenfalls einen Hund geholt hat und dieser ein Problem mit dem Partner hat, wäre das eine Birne. Irgendwie wirkt es ähnlich ( beides Baumobst, geschmacklich nicht sooo arg unterschiedlich), aber es sind trotzdem komplett unterschiedliche Hunde, unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Situationen.

    In deinem Fall ( Hund wollte Katze killen ) kamst du mit einer Erdbeere um die Ecke ( auch Obst, weil Problem mit Lebewesen das im Haus lebt, aber komplett andere Sache, Jagdobjekte mit Konfliktbehaftetem Menschen zu vergleichen, bzw Jagdtrieb mit Aggressionen ). Lässt sich alles nicht so recht vergleichen, oder ?

    Fakt is halt : Auch vermeintlich sehr sehr ähnliche Erfahrungen nützen da quasi nix, weil es einfach Dinge gibt die wir nicht wissen können und es alles trotzdem individuelle Geschehnisse sind. Das einzige was helfen würde wäre ein fachkundiger, passender Trainer vor Ort.

  • Richtig, der Ansatz des Trainings ist Desensibilisierung. Nach Rücksprache mit dem Trainer werden wir jetzt viel kleinschrittiger arbeiten. Er war gestern da und es lief wieder deutlich besser. Das heißt, wir arbeiten erst mal mit so geringem Reiz, dass Lucy noch nicht in die Gegenwehr geht, und steigern dieses Minimalpensum dann langsam. Mit dem Ziel, dass es dadurch nicht mehr eskaliert. Das könnte z. B. so aussehen:
    Woche 1: täglich 1x an- und ableinen
    Woche 2: täglich 2x an- und ableinen
    usw.

    Ausschließlich mit Geduld, Liebe und Abwarten Vertrauen aufzubauen, hat mein Partner ja 3 Monate lang versucht und die Aggression nahm zu statt ab. Dieser Weg führt meiner Meinung nach bei Lucy nicht zum Ziel. Ob der neue, kleinschrittige Weg zum Ziel führt, ist ebenfalls ungewiss. Aber er ist die einzige Option, die uns bleibt.

    Kurzfristiges Ziel (bis Mitte Januar) ist: Der Hund soll sich ohne mein Beisein an- und ableinen lassen (es geht nur um die Leine, das Geschirr anlegen schaffen wir bis dahin wahrscheinlich noch nicht) und mit meinem Freund eine kurze "Pinkelrunde" drehen können. Draußen an der Leine lässt sie sich von meinem Freund ganz gut führen, löst sich problemlos und hat weder den Vorwärts- noch den Rückwärtsgang drin.

    Mittelfristiges Ziel (bis Juli 2026) ist, dass Lucy ohne Gegenwehr alle normalen Alltagshandlungen durch meinen Freund zulässt: Geschirr anziehen, Pfoten abputzen, anfassen, kurz festhalten, auf die Decke schicken.

    Wer welche Rolle spielt, hatten wir vorab klar festgelegt: Es ist MEIN Hund, ich bin hauptverantwortlich. Mein Freund unterstützt mich als Backup, indem er gelegentlich die Betreuung des Hundes übernimmt, wenn ich verhindert bin. Ursprünglich sollten meine Eltern ein weiteres Backup sein, z. B. als Urlaubsbetreuung. Diesen Wunsch habe ich schon aufgegeben, denn auch gegen sie hat sie schon mehrfach geknurrt und das wäre mir echt zu gefährlich.

    Dass mein Partner und ich das mittelfristige Ziel (siehe oben) erreichen, ist für mich alternativlos, damit wir als 3er-Team zusammenleben können. Einen Hund +10 Jahre lang völlig alleingestellt zu versorgen und gleichzeitig immer mit einem Auge darauf achten zu müssen, dass Lucy den wichtigsten Menschen in meinem Leben nicht durch einen Biss verletzt, wäre für mich persönlich keine tragbare Variante des Zusammenlebens.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!