Hund aus Tierheim kommt nicht zur Ruhe

  • Auch in solchen Fällen warte ich nicht, sondern verlasse (für Sekunden!) die Wohnung - immer und immer wieder - und kehre aber auch sofort wieder zurück, bis das für den Hund völlig normal wird. Ich spreche hier wirklich von aus der Tür raus, wieder zur Tür rein, ohne überhaupt draussen zu verharren - eifach bis es kein Thema mehr ist, dass ich da durch die Tür gehe.


    Am Anfang ist es mir wurscht, was der Hund tut, bzw. ich verlasse den Raum erst gar nicht so lange, dass der Hund überhaupt ins Bellen oder Winseln kommt. Ich geh wirklich nur kurz weg und bin blitzartig wieder zurück - bei der Wohnungstür sogar deutlich kürzer als z.B. wenn ich ins Bad geh.

    Toller Beitrag Wandelroeschen , das wollte ich einfach nochmal unterschreiben, das haben wir auch gehandhabt :winking_face_with_tongue:


    Das Problem bei uns war tatsächlich hauptsächlich das Türen schließen und gar nicht das Hinterherrennen

  • Wandelroeschen, ich schließe mich Sora an: tolle Schilderung, vielen Dank! Genau so werde ich es ausprobieren!


    Du sagst, du schickst den Hund konsequent immer freundlich/neutral weg, wenn er dir hinterherläuft oder bringst ihn auf seinen Platz. Könntest du das evtl noch etwas ausführlicher beschreiben? Wie schickst du ihn weg, bzw wie weit weg soll er dann gehen? Reicht ein "Mindestabstand" zu dir, der eingehalten werden soll, oder soll er wirklich an eine bestimmten Stelle/seinen Platz gehen und dort bleiben? Ich glaube ich wäre den ganzen Tag nur damit beschäftigt, wenn ich ihn konsequent zurück auf einen bestimmten Platz bringen würde 🙈 Das ist ja dann im Prinzip auch Aufmerksamkeit, oder?

  • Wandelroeschen, ich schließe mich Sora an: tolle Schilderung, vielen Dank! Genau so werde ich es ausprobieren!


    Du sagst, du schickst den Hund konsequent immer freundlich/neutral weg, wenn er dir hinterherläuft oder bringst ihn auf seinen Platz. Könntest du das evtl noch etwas ausführlicher beschreiben? Wie schickst du ihn weg, bzw wie weit weg soll er dann gehen? Reicht ein "Mindestabstand" zu dir, der eingehalten werden soll, oder soll er wirklich an eine bestimmten Stelle/seinen Platz gehen und dort bleiben? Ich glaube ich wäre den ganzen Tag nur damit beschäftigt, wenn ich ihn konsequent zurück auf einen bestimmten Platz bringen würde 🙈 Das ist ja dann im Prinzip auch Aufmerksamkeit, oder?


    Danke für die Blumen Euch beiden!

    Da hast Du Dein Problem ja schon im Kern: der Hund fühlt sich furchtbar zuständig dafür, Dich permanent zu überwachen. Der kommt so gar nicht zur Ruhe, weil er im Prinzip dauernd damit beschäftigt ist, nicht zu verpassen, wenn etwas läuft. Er ist damit überfordert und diese unklare Rollenverteilung führt - wie Du ja selber siehst - bei allen Beteiligten zum Stress.

    Deine Aufgabe ist es jetzt, Deinem Hund beizubringen, dass das ständige Aufpassen weder sein Job noch erwünscht ist. Das hat auch ganz viel damit zu tun, ob und wie Du Dich als Führungsperson in Eurer Beziehung positionierst. Ich denke dabei weniger an ein 'Ich Chef, Du nix'-Bild (im Sinne der Dominanztheorie), sondern vergleiche die wünschenswerte Dynamik gern mit einer Eltern-Kind-Beziehung, in der auf die Bedürfnisse des Kindes eingegangen und darauf Rücksicht genommen wird, in der die Eltern aber klar die Erziehungs- und Führsorgeaufgaben übernehmen. Mithilfe von Regeln und Strukturen, aber auch einer relativ klaren Rollenverteilung kann ein Kind geborgen aufwachsen, sich in seiner Umwelt zurechtfinden, Sicherheit erfahren und Vertrauen lernen. Welche Regeln das genau sind, ist eigentlich gar nicht so wichtig, solange sie für alle jederzeit transparent sind, relativ konsequent gelten und niemandem schaden. Beim Hund - der ja ein essentiell menschliches Produkt ist - gestaltet sich das nicht unähnlich. Auch Wölfe leben in sehr komplex aufgestellten, familienähnlichen Verbänden.

    Konkret sieht das bei mir so aus, dass ich bereits den kleinsten Ansatz von Nachdackeln unterbinde und zwar von Anfang an. Ich halte es aus menschlicher Sicht zwar für verständlich, dass man den Hund sich erst ein paar Tage (oder noch viel schlimmer, einige Wochen) lang 'einleben' lassen will, aus hündischer Sicht ist es aber unlogisch und verwirrend, dass nach einer willkürlich festgelegten und für den Hund intransparenten 'Eingewöhnungszeit' plötzlich völlig neue Regeln gelten sollen. Aus erziehungstechnischer Sicht ist das dem Hund gegenüber sogar höchst unfair.

    Ich habe Dir gegenüber den grossen Vorteil, dass ich es jeweils mit Hunden zu tun habe, die mich noch nicht kennen, dadurch sowieso schon verunsichert sind und damit meist zunächst kleine Brötchen backen. Das heisst, wenn die mir nachlaufen wollen, reicht meistens ein klares Handzeichen und eine eindeutige Körpersprache, um sie davon abzuhalten. Das mache ich ihnen nach dem Motto 'so wenig Druck möglich, aber so viel Vehemenz wie nötig' klar: bei sehr sensiblen Exemplaren reicht auch schon ein feiner Blick in ihre Richtung. Mit ganz renitenten Exemplaren, die sich durch ausgeprägte Willensstärke und einen regelrechten Verfolgungswahn auszeichneten, hab ich das durchaus auch schon per Hausleine (weil die teilweise um sich beissen, wenn man körperlich wird oder sie am Halsband fassen möchte) 30 Minuten lang ausdiskutiert.

    Dabei bringe ich den Hund einfach wieder auf seinen ihm zugewiesenen Platz zurück, sobald er Anstalten macht, sich davon zu entfernen. Dabei etabliere ich auch das Kommando, was ich dazu benutzen möchte (bei mir häufig so etwas wie 'leg Dich hin' oder 'geh auf Deinen Platz'. Egal was passiert, ich bleibe freundlich, aber konsequent und werde auch nach dem 20igsten Mal nicht ärgerlich, wenn ich den Hund zurückbringen oder schicken muss. Es dauert eben so lange es dauert. Und wenn das den ganzen Tag ist, ich hab Zeit. Ich mache es dem Hund so einfach wie möglich, ab und zu gibt's einen Keks, wenn ich ihn zurückbringe, ab und zu werfe ich etwas Leckeres zum Platz hin, wenn er schön liegen bleibt und das Thema ist meist nach einem Tag in seinem Grundsätzen verstanden worden.

    Im Grunde genommen ist es mir vollkommen egal, was die Hunde tun, wenn ich weggehe, sie sollen mir einfach nicht folgen. Da es für den Hund aber einfacher ist ein 'tu genau das' anstatt ein 'tu das nicht' zu verstehen, definiere ich ganz klar, was ich vom Hund will und zwar: leg Dich einfach hin und entspann Dich. Das hilft auch mir selber, ein geistiges Bild der Idealsituation, wie ich sie haben will (und dann eben auch belohnen kann) vor Augen zu haben. Wichtig ist es, möglichst keine Hektik (= Stress) oder Frust (auf beiden Seiten!) aufkommen zu lassen. Es ist ganz essentiell, dass es dabei auch immer wieder Phasen gibt, in denen der Hund wirklich entspannen und ruhen und bei mir sein kann.

    Ich mach's den Hunden zu Anfang auch nicht allzu schwer und verlange im Prinzip einfach, dass sie sich auf ihren zugewiesenen Platz legen und da bleiben, während ich mich für ein paar Minuten an den Schreibtisch oder aufs Sofa setze und selber einer ruhigen, konzentrierten Tätigkeit nachgehe. Wenn die Situation sich ergibt, steh ich halt mal auf und geh kurz raus - ohne dass der Hund mir folgen darf - und komme wieder rein. Ich übe, dass ich mich frei im gesamten (Wohn-)raum bewege, ohne dass der Hund mir zu folgen braucht, denn ich komme ja eh gleich wieder.

    Dabei 'denke' ich aber möglichst gar nicht an den Hund, sondern tue einfach, was eben gerade so anfällt. Also möglichst Alltag wie ich ihn haben will von Tag 1 an.

    Die ganze 'Alleinbleibe'-Thematik ist aber eben sehr vielschichtig und es ist wirklich wichtig, alle der von mir aufgeführten Trainingsansätze parallel immer wieder zu üben. Gerade bei der 'Lauf-mir-nicht-Nach'-Thematik hilft es sehr, z.B. während einer kurzen Clicker-Einheit 'Geh auf Deinen Platz' als 'Trick' zu üben. Dabei kann ich auch gleich spielerisch etablieren, dass der Hund jedes Mal einen Keks erhält, wenn er brav auf seinem Platz bleibt, während ich ein paar Schritte weggehe.

    Das ist bei mir also wirklich so ein 'Rundum'-Paket, das aus ganz vielen Faktoren und Übungen besteht, die schlussendlich aber auf ein und dasselbe Ziel hinauslaufen. Genau das macht es auch so schwierig, jedes einzelne Element im Detail aufzudröseln.

  • Wow, danke, für die ausführliche Antwort!

    Eine Frage noch zum Verständnis: löst du das "am platz bleiben müssen" dann in irgendeiner Form wieder auf, und wie? Sonst würde der Hund ja entweder ewig dort bleiben müssen oder irgendwann einfach entscheiden, dass es nicht mehr gilt?


    Und schickst du den Hund jedes mal auf den selben Platz, oder entscheidest du je nach Situation, wo er sich hinlegen soll? Unser Haus ist recht weitläufig, bzw über mehrere Stockwerke, und ich bin mal hier mal da am wurschteln, oft auch am hin- und herrennen, zumindest beim Haushalt erledigen.


    Sollen deine Hunde immer auf den ihnen zugewiesenen Plätzen liegen, oder bewegen sie sich - sobald sie das nachdackel-verbot akzeptiert haben - dann frei in der Wohnung? Sorry für die vielen Nachfagen, aber manchmal steckt der Teufel ja im Detail...


    Mit meinem Exemplar habe ich auch schon die ein oder andere Diskussion geführt, wenn ich ihn an einem Platz halten will. Ich bringe ihn dann auch immer wieder hin und wenn er sich dann irgendwann hinlegt, meckert er oft noch ein bisschen rum (so ein knurriges jaulen) und/oder fängt dann an Blödsinn zu machen (Teppich ankauen, Körbchen ankauen :face_with_rolling_eyes: ). Er gehört auf jeden Fall zu den willensstärkeren Kandidaten, fürchte ich...

  • Eine Frage noch zum Verständnis: löst du das "am platz bleiben müssen" dann in irgendeiner Form wieder auf, und wie? Sonst würde der Hund ja entweder ewig dort bleiben müssen oder irgendwann einfach entscheiden, dass es nicht mehr gilt?

    Nein, weil ich auch kein Kommando dafür benutze, das der Hund nicht selbstständig wieder auflösen dürfte. Wenn der Hund gerne woanders döst (ich hab mehrere Exemplare, denen es in ihrem Körbchen schnell mal zu warm wird und die sich dann lieber auf die Fliesen legen) ist das für mich auch völlig ok, solange der Hund mich nicht verfolgt (dazu gehört übrigens auch, wenn er sich so positioniert, dass er mich jederzeit im Blick hat). Wie gesagt, sobald der Hund das Grundprinzip 'oh, es lohnt sich nicht und es ist nicht erlaubt, dieser Person auf Schritt und Tritt zu folgen' verstanden hat, ist es mir völlig schnuppe, wo die Viechers liegen - solange sie mir dabei nicht in die Quere kommen oder mich beobachten. Wenn die Verhältnisse erst einmal geregelt sind und ich meinen Hund jederzeit auch einfach mal aus der Laune heraus aus dem Zimmer schicken kann und der sich, ohne eine Sinnkrise zu schieben oder eine Diskussion anzufangen, irgendwo sonst im Haus verkrümelt, haben die (meisten) Hunde Narrenfreiheit. Ab und zu mal gibt es Exemplare, denen weise ich ganz konkret eigene Plätze zu und bestehe auch darauf (z.B. weil sie Ressourcen verteidigen, sich mit einem oder mehreren Mitbewohnern nicht vertragen oder mit so viel Freiheit einfach nicht umgehen können), aber das ist nicht die Regel.

    Bis das aber der Fall ist, bin ich sehr konsequent. Zu Beginn geht's bei diesem 'Spiel' sowieso einfach darum, wer den längeren Atem hat. Du denkst hier nämlich schon einige Schritte zu weit vor. Du bist im Moment bei Schritt 0 und möchtest jetzt schon über Schritt 5 diskutieren. Wenn Du es aber bis Schritt 5 geschafft hast, wirst Du selber wissen, was für Du akzeptabel findest und wieviel Rahmen Dein Hund braucht.

    Und schickst du den Hund jedes mal auf den selben Platz, oder entscheidest du je nach Situation, wo er sich hinlegen soll? Unser Haus ist recht weitläufig, bzw über mehrere Stockwerke, und ich bin mal hier mal da am wurschteln, oft auch am hin- und herrennen, zumindest beim Haushalt erledigen.

    Beste Trainingsvoraussetzungen! Ich bin ein relativ fauler Mensch und mach mir das Leben gern leicht. Am Anfang bin ich da sehr konsequent und schicke, bzw. bringe den Hund immer auf 'seinen' Platz. Ich mach mir einen Spass daraus, die Hunde aus jedem beliebigen Winkel des Hauses auf 'ihren' Platz schicken zu können (und belohne das auch grosszügig!). Später ist es mir ziemlich egal, wo die Hunde liegen, Hauptsache, sie sind aus dem Weg. Die, die damit umgehen können, dürfen natürlich auch gucken kommen, was ich so treibe, (das ist meistens der Fall, wenn ich etwas für sie Ungewöhnliches tue, ein neues Gerät benutze, den Koffer packe, etc. und sie die Geräuschkulisse noch nicht kennen). Auch Kontaktliegen oder sich in demselben Raum aufzuhalten, in dem ich z.B. am Schreibtisch arbeite sollte für das hochsoziale Tier, das der Hund nun einmal ist, auch häufig genug möglich sein. Aber ich will nicht dauerbespitzelt werden, weil das für Mensch und Hund Stress bedeutet.


    Mit meinem Exemplar habe ich auch schon die ein oder andere Diskussion geführt, wenn ich ihn an einem Platz halten will. Ich bringe ihn dann auch immer wieder hin und wenn er sich dann irgendwann hinlegt, meckert er oft noch ein bisschen rum (so ein knurriges jaulen) und/oder fängt dann an Blödsinn zu machen (Teppich ankauen, Körbchen ankauen :face_with_rolling_eyes: ). Er gehört auf jeden Fall zu den willensstärkeren Kandidaten, fürchte ich...

    Ja klar, der ist dann gefrustet und weiss ganz genau, wie er Deine Aufmerksamkeit kriegt. Ideal wäre, den Frust möglichst zu minimieren, wenn er aber eben schon gelernt hat, wie er Dich zu einer Reaktion auf sein Verhalten bringen kann, dann nutze zunächst wirklich ein Kindergitter oder einen Welpenauslauf (bei grösseren und meinungsstärkeren Exemplaren eben einen Indoor-Zwinger oder einen Hunderaum), wo Du weisst, dass er dort nichts anstellen kann. Manche Hunde akzeptieren es auch, wenn sie an einer Leine angebunden werden, aber weder das Einschliessen, noch das Anleinen ist eigentlich Zweck der Sache. Der Lerninhalt besteht für den Hund nämlich darin, zu verstehen, dass er Dir von der Pelle bleiben soll. Denk daran: im Tierheim hatte der Hund auch nicht 24 Stunden lang Menschen um sich herum und konnte da also wahrscheinlich problemlos 'alleine bleiben'...

    Der Kreis schliesst sich auch hier: hat der Hund erst einmal gelernt, sich an einem gefüllten Kong abzureagieren und sich damit zu beschäftigen, kann er nicht gleichzeitig an der Decke nagen und / oder jaulen - aber er muss es zuerst lernen dürfen, um sein Verhalten dann auch entsprechend zu ändern... Merkste was?

    So. Und jetzt fertig diskutiert und einfach machen.

  • Ich habe seit Anfang Dezember einen Tierheimhund und er kommt nun so langsam zur Ruhe.

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