Große Probleme mit Junghund

  • Hallo, Smila, hier nur ganz kurz meine Gedanken zu deinem Post... ich habe auch drei Hunde aus dem Tierschutz, alle drei mit komplett unterschiedlichem, vorher nicht bekanntem oder vorhersehbarem Verhalten. Dass euer Hund nicht sozialverträglich ist, kann so viele Ursachen haben; vllt wurde er häufiger selber angegriffen und verletzt, und verhält sich jetzt nach frei dem Motto " Angriff ist die beste Verteidigung". Meine Sofortmassnahmen wären: raus aus der Hundeschule, ich würde mit einem Trainer im Einzelunterricht arbeiten. Es finden sich bestimmt genügend Hunde in der Nachbarschaft, die ihr zu Trainingszwecken hinzuziehen könnt.


    Spaziergänge in hundearmen Gebieten planen, damit der permanente Stress, unter dem ja auch du stehst, reduziert wird. Ablenkung in brenzligen Situationen mit Super- Leckerchen hat bei einem meiner Hunde wunderbar geklappt. Maulkorb würde ich auch in Erwägung ziehen, um jedes Risiko einer Beisserei auszuschliessen.


    Abgeben: es wird extrem schwierig, für so einen auffälligen Hund ein neues Zuhause zu finden! Grundsätzlich stimme ich dir zu, eine ruhigere, reizärmere Umgebung wäre möglicherweise vorteilhaft, aber auch kein Garant für eine Verhaltensänderung. Ich glaube, so schnell würde ich den Hund nicht aufgeben, da er, wie du ja geschildert hast, prima mit eurem Ersthund auskommt und im Haus unproblematisch ist. Ansonsten ist das notwendig, was für den Umgang mit jedem Tierschutzhund gilt: Geduld, Geduld, Geduld....


    Viel Glück!

  • Was für eine miese Situation!


    Das tut mir erstmal total leid für euch, denn ihr habt euch ja wirklich Gedanken gemacht und alles bestmöglich geplant.


    Das, wonach es für mich klingt, ist ein Hund, der zwar Unsicherheiten aufgrund mangelnder Sozialisation hat, aber nachdem du beschreibst, wie cool er im Haus und auch mit eurem Hund ist, glaube ich nicht, dass das "nicht reversibel" ist. Im Gegenteil.


    Das Problem wird sein, einen wirklich fähigen Trainer zu finden - denn allein euch mit dem Hund in einer Gruppenstunde mitmachen zu lassen ist ein Zeichen völliger Inkompetenz von Trainerseite.


    Das, was er braucht ist zum einen eine wirklich professionelle Gegenkonditionierug, Stressabbauhilfen - aber ebenso klare Führung. Er ist gestresst, überfordert und hat gelernt, mit seinem agressiven Verhalten das zu bekommen, was er eigentlich will: Raum und Ruhe von all den Stressoren. Und da seine Strategie für ihn funktioniert, ändert er sie sicher nicht. Bei Menschen ist seine Strategie dann eher die Flight statt der Fight - auch hier bringt ihm das seinen "gewünschten Erfolg" - für ihn subjektiv.


    Der Hund braucht zusammen mit euch professionelle Hilfe, dann würde ich - wenn ihr da bereit zu seid - gar nicht die Finte ins Korn werfen. Aber die Trainer, die euch da bisher beraten haben - um die würde ich einen weiten Bogen machen.


    Und: Einen Maulkorb würde ich jetzt zwei Tage lang mehrmals am Tag positiv belegen (shapen, Futter daraus nehmen etc) und dann wäre der an und würde einfach nicht mehr ausgezogen. Dann ist er daran so schnell gewöhnt wie an alles andere- das ist - wenn er gut sitzt - nichts anderes als wie bei Menschen, die zum ersten Mal eine Brille tragen vom Gefühl her. Er ist auch keine Strafe - er braucht das nicht mit seinem Verhalten zu verbinden - es ist ein dringend notwendiger Schutz. Denn oft kippt Flight zu Fight... und dann beißt er auch Menschen - wenn das passiert bevor ihr ihm mit guter Trainer Anleitung helfen konntet. Und dann wird es noch schwieriger für ihn.

  • Wenn du von einem heftigen Biss schreibst, geht man von einem heftigen Biss aus ;)

    Ja, wenn man sowas vorher noch nie gesehen hatte, dann war das für mich durchaus hefitg :D


    Nein alles gut, ich kann das ja auch verstehen und würde ja auch nicht wollen, dass mein Hund in eine solche Situation mit einem anderen Hund gerät und dann gebissen wird!

    Ich finde es gut dass ihr mittlerweile den Maulkorb besitzt und im Idealfall auch nutzt?


    Ja wird natürlich genutzt.


    Und nun eine grundsätzliche Frage:


    Wollt ihr ihn eigentlich behalten und versuchen mit ihm daran zu arbeiten, oder wollt ihr ihn aufs Land vermitteln?


    Beides ist keine Schande, aber man sollte sich in einer ruhigen Stunde sozusagen eine Liste machen was gut und was schlecht läuft und dann die Bilanz zu ziehen ob man sich zutraut das zu schaffen.


    Gute Frage, daher habe ich mich ja angemeldet und wollte mal Input von Außenstehenden.


    Grundsätzlich sind wir eigentlich der Auffassung, dass wir die Verpflichtung eingegangen sind. Allerdings sind wir wirklich an unseren Grenzen und das geben wir auch ganz offen zu. Wenn man noch nie einen problematischen Hund in diesem Ausmaß hatte, dann zehrt das doch schon ganz schön.


    Dazu kommt, dass wir ja auch für das Wohl des Hundes entscheiden möchten, und er ist jetzt knapp ein Jahr alt.. Da kommen bei mir auch solche Gedanken, wie das der Hund sein ganzes Leben noch vor sich hat und ihm das "anzutun" jetzt sein Leben lang unentspannt in der Stadt ständig im Stress mit fremden Menschen und Hunden zu sein, die wir eben aufgrund der Stadt auch nicht umgehen können, leben zu müssen.


    Vielleicht hätte er in einer ruhigen, reizärmeren Umgebung bei einer Person mit genügend Erfahrung in den Bereichen eine bessere Chance auf ein normales Hundeleben, auch wenn das sehr schade wäre.


    Das mit der Liste werden wir auf jeden Fall heute Abend machen!

  • Hey,


    als jemand mit auch so einem Modell von Hund (unsicher, Angst-aggressiv, Panik vor Menschen, unsozialisiert etc.) kann ich eure Situation nachvollziehen. Ich bin auch aus den Wolken gefallen. Und verliere allein Kalorien durch das Management beim Gassigehen.


    Allerdings habt ihr ja jetzt gemerkt funktioniert nicht so wie mit anderen Hunden. Habt ihr schon über einen Trainer für Angst/Deprivations Hunde nachgedacht? Ihr könnt auch so einen Hund trainieren, Gegenkonditionieren etc. Noch dazu habt ihr einen souveränen Althund als Unterstützung.


    Höllisch viel Arbeit, aber mit der richtigen Anleitung machbar.

    Wenn ihr aus eurem Das-Wollten-Wir-Nicht-So-Schock raus seid, könntet ihr dem Hund gute Herrchen/Frauchen werden. Mit richtigem Trainingsansatz und Geduld. Das kann euch dann auch wieder positiver stimmen..

  • Hallo,


    angeblich ist sowas ja nicht vorgefallen. Haben mehrmals nachgefragt und haben von verschiedenen Helfern der Orga immer wieder gesagt bekommen, dass nie was vorgefallen wäre und er sich immer prima mit den anderen Hunden dort verstanden hätte.


    Einzelunterricht ist geplant, kann allerdings erst im Neuen Jahr stattfinden.


    Reizarme Umgebung ist in der Stadt SEHR SCHWIERIG - auch wenn wir ein Auto haben, und mobil sind müssten wir immer mindestens 40 Minuten fahren, bis es wirklich kaum noch reizärmer geht, da die Wälder rund um die Stadt gerade bei schönem Wetter auch immer geflutet sind von Spaziergängern und Radfahrern - das ist ja das Problem - die Stadt.

  • In der Theorie mag ein neuer Platz die bessere Lösung sein. In der Praxis kann es schwer werden.

    Nun sind Baustellen bekannt und auch der ruhiger wohnende Interessent wird sich nicht unbedingt um "so einen" Hund reißen. Zumal mal schlecht sagen kann, dass sein Verhalten dann wirklich einfach weg wär. Kann sein. Muss nicht.

    Im Grunde denk ich (und hab deshalb selbst "so einen" Hund), dass außer dran arbeiten versuchen wenig bleibt. Klar kann man parallel mal schauen, ob es Interessenten gibt, aber selbst bis es welche gäbe, wär der Hund bei Euch. Und das kann ewig dauern. Muss auch nicht, aber die Sofortlösung Neuvermittlung ist häufig gar keine Sofortlösung, weil man sofort niemanden hat.

    Zu akzeptieren, dass es jetzt mal so ist, wie es ist, kann schwer sein für einen selbst, aber ohne aktives Angehen, mit dem "Notanker Weitervermittlung" im Hinterkopf gelingen sinvolle Strategien womöglich weniger, als mit dem vollen Bewusstsein, dass man sich irgendwie arrangieren muss.

  • @pinkelpinscher


    Ja, das wissen wir natürlich und haben das auch im Hinterkopf.


    Wir arbeiten jeden Tag daran - und hätten wir leichtfertig aufgegeben, dann hätten wir schon nach 3 Wochen gesagt, dass es nicht geht. Bisher war es immer so, dass mein Partner und ich uns gegenseitig motiviert haben, positiv zu bleiben, mit dem Grundgedanke, dass wir das schon schaffen.

    Aber nun nach 3 Monaten sind wir beide ausgelaugt, es tritt einfach keine Besserung ein, das Verhalten zu anderen Hunden wird immer schlimmer, und die Panik gegenüber Menschen verbessert sich auch nicht, obwohl er in der Zeit bei uns durchweg positive Erfahrungen machen durfte mit Menschen.


    Unsere Trainerin hatte zu Beginn auch die "Angst" geäußert, dass es entweder nach 1-2 Monaten komplett weg ist, weil er Selbstvertrauen gewinnt und ankommt und durch das Training positiv beeinflusst wird - oder dass er mehr Selbstvertrauen gewinnt und es dann noch schlimmer wird.


    Wir sind uns einfach unsicher, wann der Zeitpunkt da ist, an dem man sich eingestehen muss - es geht nicht mehr - für Menschen und Hund, vor allem mit der sehr wahrscheinlichen Aussicht darauf, dass er sich in der Stadt niemals wohlfühlen wird, niemals entspannt sein wird, weil es einfach nicht möglich ist, den Reizen (Hunden und Menschen) zu entkommen.

  • Da du dich sehr auf das Argument Stadt versteifst.


    Ich wohne ziemlich ländlich und mir begegnen an Regentagen schon mindestens 5 Hunde mit Haltern. Für einen Hund der Panik hat ist auch das viel. Vor allem gibt es auf dem Land andere potentielle Probleme: Angst vor Traktoren, Angst vor Weidetieren, unverträgliche Hunde da viele mit Unverträglichkeit gerade in genau diese Gegend spazieren gehen. Gebündelte Kinder deren Spielplatz meist in der Nähe vom Gassiweg ist.


    Klingt auf den ersten Blick nicht nach viel, aber einen Hund wie deinen kann das schon sehr stressen.


    Mit einer neuen Umgebung sind nicht alle Probleme weg.


    Vll gibt dir heute Abend die Liste ja ein bisschen den Überblick, ob du es für machbar hälst.

  • Hummel


    Vielen lieben Dank für deine ausführliche Antwort und Einschätzung!


    Wir möchten ihn ja eigentlich auch nicht abgeben und es uns so einfach machen und den Hund im Stich lassen, aber es ist wirklich verdammt schwer und Kraftraubend, wenn man einfach null Fortschritt sieht.


    Uns fällt die Entscheidung ja auch gerade deshalb so schwer, weil er sich mit uns und unserer Hündin in der Wohnung so gut versteht.


    Kennst du denn Trainer, die du empfehlen kannst (Raum Trier)?

  • Ich wohne ja auch mitten in der Großstadt.

    Ich könnte mir vorstellen ihr macht zuviel mit dem Junghund. Der kam vielleicht noch nicht mal vom Cortisol runter.


    Macht ihr dasselbe Pensum wie mit dem Ersthund?


    3 Monate waren hier nix. Da hab ich erstmal kapiert, dem Hund mal komplette Bummeltage (Tage mit 3x10min Gassi zu gönnen), da wurde erstmal Platz im Kopf gemacht.

    Quasi meine Wünsche an den Hund begraben und lernen welches Tempo er braucht. (Bei nem Hundeschulenbesuch müsst ich meine danach eine Woche in den Urlaub schicken)


    Angst ist auch nix was sich auflösen kann. Die ist für immer. Man kann aber durch Gegenkonditionierung einen Film drüber legen. Das Selbstvertrauen kommt auch erst durch langsames lernen von positiven Situationen.

    So schnell geht das nicht.


    Gönnt euch doch einen guten Spaziergang mit dem Althund. Reduziert ein wenig mit dem Junghund, damit der runterkommt und wartet auf das Einzeltraining.

    Hab versucht nachzulesen (oder ich bin blind), aber Schönfüttern, marken etc. macht ihr das?


    Innerlich habt ihr euch im Moment anscheinend schon entschieden. Aber denkt nochmal nach, wenn ihr durchgeatmet habt.

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