Gutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von Qualzüchtungen)
Zitat3.5.1 Inzucht - Linienzucht
Inzucht ist Verpaarung verwandter Tiere. Verpaart man Vollgeschwister, Eltern mit ihren Nachkommen oder Halbgeschwister, so spricht man von Inzestzucht. Inzucht und Inzestzucht führen in der Praxis zum Verlust genetischer Vielfalt und zur Inzuchtdepression. Häufig kommen in ihrem Gefolge sehr rasch auch deletäre Gene zur Auswirkung. Es treten Erbkrankheiten und Anomalien auf, die in der Regel zu Schmerzen, Leiden oder Schäden führen. Inzestzucht ist bereits ein Verstoß gegen § 11b, wenn sie zur „genetischen Reinigung“, wie es in der populären Zuchtliteratur heißt, empfohlen wird, es sei denn, dies würde im Rahmen eines genehmigten Tierversuchs durchgeführt.
Weniger rasch erfolgen solche Schädigungen bei der Linienzucht, d. h. der Verpaarung von entfernteren Verwandten. Linienzucht wird allgemein bevorzugt, um einen bestimmten Typ zu festigen. Man erhält so einen Stamm verwandter Tiere, eine Linie, deren Angehörige einen bestimmten charakteristischen Typ aufweisen. Auf diese Weise versucht man, dem idealen Standardtyp der Rasse möglichst rasch nahe zu kommen. Weil sich diese Linienzucht aber häufig auf nur wenige oder gar nur eine Linie verengt, führt diese zum Verlust der biologischen Wertigkeit der so erzüchteten Tiere; denn wegen der Fixierung bestimmter Allele wird der Verlust der komplementären und u. U. sehr wichtigen anderen Allele in Kauf genommen. Ob dieses Vorgehen in der Heimtierzucht aus der heutigen Sicht ethisch noch zu verantworten ist, ist zumindest fraglich. Etwas mehr züchterische Geduld ist anzuraten.