Für die Leseratten - Der Bücherthread - Teil 2

  • Ich hatte mir ja die beiden neuen Bücher von Cormac McCarthy "der Passagier" und "Stella Maris" bestellt, ohne zu wissen, was mich da erwartet. Aus irgendeinem Grund habe ich mit dem zweiten Buch angefangen, also "Stella Maris". Nachdem ich das durch hatte, habe ich gleich mit "Der Passagier" begonnen und habe davon jetzt nur weniger als 100 Seiten vor mir, hab das "Projekt" also bald beendet. Und ich bin fast versucht, danach gleich noch mal beide Bücher zu lesen. Sie gehören auf jeden Fall zusammen, aber man kann sie sicher auch einzeln lesen.

    Spannend ist weniger die Geschichte an sich, von der ich nicht mal weiß, ob man sie als solche überhaupt bezeichnen kann. Was hier einfach hervorsticht, sind die sprachlichen Bilder, die reichhaltigen Themen (weit in den wissenschaftlichen Bereich hinein), die Dialoge (die zu identifizieren nicht immer leicht ist, weil McCarthy keine Anführungszeichen verwendet) und einfach die Fülle an Gedanken, Bildern und Rätseln. Überhaupt sind die Bücher ein Rätsel für mich, nicht so richtig greifbar, über manche chronologische Gegebenheit stolpere ich und finde die Lösung nicht.

    Fazit... Ich komme nicht so recht dahinter, aber vielleicht ist auch genau das die Intention hinter den beiden Büchern: Haben wir überhaupt eine Chance, dahinterzukommen, was all das - das Leben, die Welt, in der wir uns bewegen wie Passagiere - eigentlich soll und welche Bedeutung jeder einzelne hat? Diese Bücher liest man nicht einfach mal so weg. Sie verlangen einem einiges ab, aber man wird dafür belohnt mit derart wuchtigen sprachlichen Bildern und Formulierungen, dass man nur staunen kann.

    Ich kann, das Gefühl habe ich schon länger, nicht sagen, was ein gutes oder ein schlechtes Buch ist. Ich weiß nur, dass es Bücher und Autoren gibt, die mich (im positivsten Sinn) reizen, über die ich länger nachdenken muss und bei denen ich das dringende Bedürfnis habe, einen zweiten Anlauf zu machen, wenn es doch nur nicht so viele andere Bücher geben würde, die in der knappen Zeit, die ich dafür zur Verfügung habe, gelesen werden wollen... Ich mag das, für mich ist das pures Lesevergnügen, auch wenn - den Anspruch habe ich gar nicht mehr - ich nicht immer auf Anhieb verstehe, was ich da gerade gelesen habe und was das von mir will.

    Eine Literaturkritikerin ist an mir jedenfalls nicht verloren gegangen...

  • Mich auch. Muss ich mir auf jeden Fall merken, die beiden Bücher, "Die Straße" von McCarthy war ja auch sehr interessant und einprägsam...


    So, ich hab meine aktuelle Fanfiction-Lektüre beendet und bin irgendwie ganz betrübt darüber. Es war eine Multichapter-Story zu "Rizzoli & Isles" im Bereich Romance/Slow Burn mit ganz viel Einblick in die Charaktere der beiden Protagonistinnen, es war einfach so stimmig, man merkt, dass die Autorin sich richtig viel Mühe gemacht und da ihr ganzes Herzblut reingesteckt hat. Das Setting war total canon-compliant bis auf die Liebesbeziehung der Protagonistinnen, und es erfordert schon eine riesige Portion Talent und Sitzfleisch, was die Autorin da auch eingearbeitrt hat zB über Fälle, die das Mordezernat zu lösen versucht. Sogar die Nebencharakere waren total glaubhaft und "in character".


    Wen's interessiert, auch wenn es natürlich keiner "klassische" Literaturdefinition entspricht, das Fic heißt "Ocean Nora" und ich habs auf dem guten alten fanfiction.net gelesen.

    Falla hier noch jemand Fanfics liest, was ist dafür eure liebste Plattform? Ich glaube ja, dass AO3 wirklich enorm ist,werde damit aber nicht so recht warm...

  • Ich bin gerade auch seit längerer Zeit wieder in Fanfiction eingestiegen, in erster Linie wegen meiner derzeitigen Lieblings-Anime-Serie "Yuri on Ice". (Mit 12 Folgen einfach viel zu kurz! Ich brauche mehr!!! ) :roll:

    Früher war ich viel bei LotR unterwegs und bei Harry Potter.

    Inzwischen finde ich mich bei Archive of Our Own so einigermaßen zurecht. Das hat aber eine Weile gedauert. So ganz werde ich mit dem Suchsystem noch nicht warm.

    Das Problem ist halt immer, unverändert wie in alten Zeiten, die wenigen Perlen aus dem großen Heuhaufen herauszufinden. Es gibt sie, und die Suche nach ihnen lohnt sich. Es gibt so tolle Autorinnen, daß ich immer wieder staune! Aber sie sind halt selten und man muß sich durch viel schlechtes und durchschnittliches Zeug wühlen.

    Aber egal wie brilliant eine Fanfiction ist: ohne Kenntnis des Orginals macht die Lektüre keinen Sinn. Deshalb kann ich deinem Lesetip leider nicht folgen, weil ich die Orginalserie nicht kenne.

    Ansonsten ist das, was du beschreibst, das, was auch ich mir von einer guten Fanfiction erhoffe: gute Charakterisierung und auch orginelle eigene Ideen der Autorin. Egal ob erzählerische Lücken des Orginals gefüllt werden oder ob es sich um ein AU handelt.

    Fanfiction.net war mir früher immer ein bißchen zu unhandlich, aber ich muß da doch noch mal genauer hinschauen. Kleinere moderierte Archive wie Henneth Annun sind ja längst Geschichte. Da war mal der Anspruch, die Massen von Schrott draußen zu halten, aber seither ist doch viel Wasser den Anduin runtergeflossen.

  • Das Problem ist halt immer, unverändert wie in alten Zeiten, die wenigen Perlen aus dem großen Heuhaufen herauszufinden. Es gibt sie, und die Suche nach ihnen lohnt sich. Es gibt so tolle Autorinnen, daß ich immer wieder staune! Aber sie sind halt selten und man muß sich durch viel schlechtes und durchschnittliches Zeug wühlen.

    Jup, auf jeden Fall. Und da tue ich mir bei AO3 irgendwie noch viel schwerer als bei dem Filtersystem von fanfiction.net, da bin ich mittlerweile recht gut drin, Inhalte zu finden, die zu mir passen.

    Allerdings bin ich jetzt z.B. auf einer Facebook-Seite speziell für Rizzoli&Isles Fanfiction im Bereich Femslash und da habe ich auch die Empfehlung für "Ocean Nora" her. Auch eine zweite richtig tolle Fanfiction wurde mir dort schon empfohlen, die ich ebenfalls bereits verschlungen habe.

    Auch tumblr nutze ich ganz gerne für Fanfic-Empfehlungen. So wurde ich schon auf einige Autorinnen und Werke aufmerksam, die ich ansonsten wohl nie gefunden hätte.

    Aber egal wie brilliant eine Fanfiction ist: ohne Kenntnis des Orginals macht die Lektüre keinen Sinn. Deshalb kann ich deinem Lesetip leider nicht folgen, weil ich die Orginalserie nicht kenne.

    Gebe dir zu 90% recht, Ausnahmen bestätigen vermutlich die Regel. Auf 'nem sozialen Netzwerk hat neulich eine Fanfiction-Autorin geschrieben, sie hat tatsächlich die Originalserie, für die sie schon geschrieben hat, nie gesehen, und die hat aber scheinbar echt gute Stories dazu abgeliefert^^ Ansonsten kenne ich auch ein paar Fälle von Autorinnen, die halt nur bis zu einem gewissen Punkt der Serie geguckt haben z.B. Das ist ja aber auch nicht unbedingt hinderlich. Ich lese jetzt z.B. Rizzoli & Isles Fanfiction und bin gerade mal bei Staffel 2 von 7 :tropf: Die Serie ist jetzt nicht soo wahnsinnig komplex, dass man da unbedingt alles gesehen haben muss, um sich an der Fanfiction zu erfreuen, finde ich. Für die beiden Protas bekommt man schon nach wenigen Folgen genug Gespür =)

  • Da mache ich Unterschiede je nach Länge und Art der Veröffentlichung des Orginals. Zwei Extrembeispiele:

    Die Harry Potter Bücher kamen ja in Abständen von Jahren raus und natürlich wurden Unmengen von Fanfics geschrieben, bevor der letzte Band erschien. Auch sehr viel Gutes!

    Viele Schreiberinnen haben Plots und Charaktere in interessante Richtungen entwickelt, die natürlich ganz anders verlaufen als der offizielle Weitergang der Geschichte.

    Die umfangreichen Bücher boten ja von Anfang an schon genügend Stoff dafür, besonders als mit Sirius Black und Remus Lupin die Generation der Erwachsenen und deren Geschichte stärker ins Bild rückte.

    Dagegen erschien Yuri on Ice in 12 kurzen Folgen von je 23 Minuten wöchentlich von Herbst bis Dezember 2016. Insgesamt ohne Vor- und Abspann sind das lediglich um die 4 Stunden Inhalt. Eine sehr dicht erzählte zusammenhängende Geschichte. Die muß man dann meiner Meinung schon vollständig gesehen haben, bevor man was dazu schreibt, was sich für andere zu lesen lohnt. Besonders weil die legendäre Episode 10 eine Wendung bringt, die ein völlig neues Licht auf die vorhergegangenen 9 Folgen wirft. Daher vermeide ich hier peinlichst alle begeisterten Schnellschüsse, die vor dem Ende der Serie entstanden.


    Ich lese jetzt z.B. Rizzoli & Isles Fanfiction und bin gerade mal bei Staffel 2 von 7 :tropf: Die Serie ist jetzt nicht soo wahnsinnig komplex, dass man da unbedingt alles gesehen haben muss, um sich an der Fanfiction zu erfreuen, finde ich. Für die beiden Protas bekommt man schon nach wenigen Folgen genug Gespür =)

    Das kann ich mir auch gut vorstellen! Bei Serien wie Akte X mit jeweils in sich abgeschlossenen Folgen muß man nicht alle Staffeln und jede einzelne Folge gesehen haben, um die Charaktere und Themen zu kennen und etwas Intelligentes dazu zu schreiben.

  • Da scheint ein komplettes Storyuniversum bisher völlig an mir vorbeigegangen zu sein. Vor diesem Thread habe ich von Fanfiction noch rein gar nichts gehört, s sei denn, Pastiches (wie es sie z. B. zu Sherlock Holmes massig gibt) in Buchform würden auch dazu zählen?

  • Man könnte Pastiches rein thematisch schon dazu zählen. Jemand liebt ein Buch, einen Film, eine Serie, ein Videospiel und schreibt eine eigene Geschichte dazu.

    Ein wichtiger Unterschied: Fanfiction in Buchform von Verlagen gedruckt wäre in den allermeisten Fällen eine Copyrightverletzung. Obwohl es ein unsäglicher Titel namens "Stolz und Vorurteil und Zombies" vor einigen Jahren in den offiziellen Buchmarkt geschafft hat. Dieses Buch sowie die Holmes Pastiches verdanken ihre Existenz dem Umstand, daß Autorenrechte nach einigen Jahrzehnten auslaufen.

    Normalerweise findet man Fanfiction daher im Internet. Die schreibenden Fans verdienen also kein Geld damit. Die größten Archive sind die oben erwähnten: Fanfiction.net. und Archive of our own.

    Jede und jeder darf dort eigene Werke veröffentlichen. Daher ist die Qualität des Gebotenen extrem unterschiedlich. Begeisterung ist leider keine Garantie für Schreibenkönnen. Oder für halbwegs guten Geschmack. Platt gesagt: 90% sind Müll. Unter den verbleibenden 10% finden sich aber einige Werke die so unterhaltsam, spannend, bewegend und brilliant sind, daß sie sich auch vor den besten "normalen" Büchern nicht verstecken müssen.

    Die Kunst ist es daher, diese herauszufinden. Wenn es zu einem Thema nur wenige Fanfics gibt, kann man die ja noch von Hand sortieren; bei sehr beliebten Fandoms wie Harry Potter mit vielen Tausenden von Beiträgen wird es unübersichtlich. Dafür steigt rein statistisch die Wahrscheinlichkeit, daß auch Lesenswertes dabei ist.

    Soweit erstmal als Überblick.

  • Und damit das Thema Fanfiction nicht ganz so trocken bleibt, hier eine kleine Perle des Genres. Karl May meets JRR Tolkien!

    (Es handelt sich also um ein "Crossover" in dem zwei verschiedene Bücher/Film/Animewelten aufeinandertreffen.)

    In "Jenseits von Arda" besuchen Kara ben Nemsi und sein treuer Gefährte Hadschi Halef Omar das Land der Beni Rohirrim und stoßen dabei auf einige vertraute Gestalten aus dem Herrn der Ringe. Das Ganze wird in Karl Mays typischem Schreibstil beschrieben, den der Autor dieser Parodie hervorragend beherrscht.

    Kann unser Held Kara ben Nemsi einen Ork zum Christentum bekehren? Wird er den Weitspähwettstreit gegen Legolas gewinnen? Wird er Gelegenheit haben, einen Balrog mit dem Bärentöter zu erlegen? (und sei es nur den bekanntlich etwas kleineren kurdischen Balrog...)

    https://www.fanfiction.net/s/1080888/1/Ka…s-J-R-R-Tolkien

    Wer die Bücher von Karl May noch gelesen und nicht nur die Filme angeschaut hat, wird an diesem Werk in sieben Kapiteln Spaß haben.

    Am besten natürlich am rauchenden Lagerfeuer zu lesen!

  • Zuletzt gelesen: "Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert" von Caroline Criado-Perez


    Ich würde dieses Buch gerne all jenen Menschen in die Hand drücken, die behaupten, wir seien schon im Zeitalter des Postfeminismus und der Geschlechtergleichstellung angekommen. Ebenso gerne all jenen, die die das Thema der Frauenrechte gleich mal runterspielen und dann vielleicht auch noch über angeblich unwichtige "Randphänomene", die in Wahrheit gut die Hälfte der Weltbevölkerung betreffen, ihre Stammtischparolen loslassen.

    Ja, es tut mir leid - ich bin wütend. Das Buch ist eines, das wütend macht. Criado-Perez hat akribisch und sorgfältig recherchiert und das Ergebnis ist ein eindrückliches, flüssig zu lesendes Plädoyer für Veränderung.

    Die Autorin, welche auch als Aktivistin tätig ist, zeigt auf, wie sehr Frauen immer noch in allen Lebensbereichen benachteiligt, nicht bedacht, ja mitunter einfach vergessen werden. Besonders tragisch ist das in der Medizin, wo es z.B. meistens schwerer fällt, für frauenspezifische Problematiken Forschungs- und Förderungsgelder zu erhalten, ein gutes Beispiel dafür ist die Endometriose, die zahlreiche Frauen weltweit betrifft und mit teils quälenden, täglichen Schmerzen verbunden ist - und die sich auf den gesamten Körper negativ auswirken und verheerende gesundheitliche Folgen haben kann. Frauen sollen sich nicht so anstellen und einfach Schmerzmittel einwerfen? Tja, leichter gesagt als getan, denn Criado-Perez hat sich auch mit dem Thema der Medikamente befasst und kann überzeugende Studienergebnisse für die traurige Tatsache liefern, dass Medikamente bei Frauen öfter als bei Männern unerwünschte Nebenwirkungen haben - oder schlicht nicht wirken, was unter Umständen lebensgefährlich sein kann. Eine Frau hat einen Herzinfarkt? Tja, da deren Symptome gerne mal als "atypisch" klassifiziert werden, ist ihr Risiko, mit unerkanntem Herzinfarkt heimgeschickt zu werden, deutlich höher als bei Männern - auf medizinische Versorgung warten mussten sie in dem Fall in der Ambulanz ohnehin schon länger als die Männer, wofür es ebenfalls handfeste Daten gibt.

    Ob Entwicklungshilfe, die an den tatsächlichen Bedürfnissen und Lebensbedingungen der Frauen vorbeigeht, ob an männlichen Körpern ausgerichtete Crash-Test-Dummys für Autos, ob schlechtere Bezahlung und Abwertung der intellektuellen Kapazitäten, ob unbezahlte und oftmals zermürbende, psychisch und körperlich extrem belastende Care-Arbeit - Frauen sind nach wie vor in allen Lebensbereichen diejenigen, die es schwerer haben. Man kann dieses Buch eigentlich fast nur häppchenweise lesen, zu fassungslos machen die hier auf den Tisch gebrachten Fakten.

    Klare Leseempfehlung meinerseits.

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