Sammi aus dem Tierheim

  • Hallo liebe Mithundefreunde,

    Ich umreiße einmal kurz die Situation. Sowohl ich als auch meine Freundin sind mit Hunden aufgewachsen. Für uns stand schon beim gemeinsamen Umzug fest, dass früher oder später auch bei uns ein Hund einziehen wird. Nachdem wir uns nun ein Jahr lang gut eingelebt haben, kam dieses Thema wieder auf.

    Seit zwei Wochen gehen wir nun im örtlichen Tierheim mit Sammi spazieren. Sammi ist ein junger Mischling aus Spanien. Er ist etwa ein Jahr alt und an und für sich topfit und kerngesund. Nun kommt das Problem. Wir vermuten mal, dass er in seiner kurzen Lebenszeit irgendwann in Spanien ins Tierheim kam und dann nach Deutschland verfrachtet wurde. Schätzungsweise kam er dann erst mal zu einer unfähigen Familie. Die haben ihn abgegeben, weil er Angst hatte (Toller Grund). So nun saß Sammi im Tierheim, wo er mit Gassigängern gehen musste, die nach fünf Minuten wieder zurückkamen weil der Hund ja so furchtbar ängstlich ist.

    Dementsprechend wurden wir beim ersten Spaziergang auch vorgewarnt. Wir bekamen also diesen wunderschönen Hund an die Hand, der sich zunächst wirklich sehr ängstlich zeigte. Vor allem vor Männern fürchtet er sich. Anstatt wie die meisten Gassigänger das ja so machen, dem Hund zuzureden und ihn zu bemitleiden haben wir ihn genommen und sind einfach losgegangen. Siehe da, der Hund wurde in seiner Angst nicht verstärkt oder bestätigt und geht mit. Nach etwa 20 Minuten (wir haben ihn fast komplett ignoriert) fängt er langsam an seine Angst abzulegen. Gegen Ende des Spazierganges war er komplett entspannt. Erst als wir uns wieder dem Tierheim näherten ging es wieder etwas los.

    Seit zwei Wochen gehen wir nun mindestens 3-4 mal die Woche mit ihm Gassi. Vor uns hat er gar keine Angst mehr, lässt sich jedoch nicht anfassen, was wir aber auch nicht versuchen um keine fehlreaktion hervorzurufen. Nun haben wir zwei Knackpunkte festgestellt: Angst vor Menschen und Angst vor größeren Autos (speziell LKW).

    Unsere weitere Vorgehensweise wäre nun, den Hund weiterhin zu bestärken, wenn er keine Angst zeigt und ihn zu ignorieren, wenn er Angst zeigt. Anfang September würden wir ihn bei uns aufnehmen, wenn alles glattgeht. Dann beginnt der richtige Vertrauensaufbau und die desensibilisierung gegenüber seinen Angstfaktoren. Ich denke, wir müssen diesem Hund, der einen großen Teil seiner Prägephase im Tierheim verbracht hat, wirklich viel zeigen.

    Zu Beginn ist er noch bei jedem Flugzeug oder Auto durchgedreht und hat sich kleingemacht und abgelegt. Nun interessieren ihn Flugzeuge garnicht mehr und bei Autos nur die großen. Wir denken, dass er wirklich sehr lernfähig ist.

    Soviel zur Geschichte

    Hat nun irgendwer hilfreiche Tipps oder Ratschläge/Erfahrungen für uns? Speziell zum Thema Vertrauen aufbauen wenn der Hund noch im Tierheim ist? Denn wir denken, umso besser er uns jetzt schon kennen lernt, umso einfacher wird es, wenn er bei uns ist.

    Wurde ja doch recht viel Text :-D Ich hoffe irgendwer macht sich die Mühe und liest ihn.

    Gruß
    Euer Cheffkoch =)

  • meine hündin aus dem auslandstierschutz war auch am anfang so. allerdings durften wir sie berühren, andere menschen nicht.
    ich habe sie jetzt über 2 jahre und sie hat zu mir vertrauen gefasst. das war aber ein langer und schwieriger weg und so mancher hätte das nicht durchgehalten. ich hab sie nie zu was gezwungen, bin allerdings auf ihre ängste nicht eingegangen. leider ist es sehr schwierig, so einen hund mal abzuleinen. das ist für mich schon ein problem. es sollte ein großer, eingezäunter garten vorhanden sein, damit der hund sich auch mal frei bewegen kann ohne leine. unterschätze das nicht. denn meine hündin hat soviel energie aufgebaut, da sie sich nie richtig auspowern konnte. da taten sich dann wieder neue probleme auf. jetzt gehe ich auf den hundeplatz, aber nur, weil die menschen dort viel verständnis für unser problem haben. auch bleibt sie nicht alleine zu hause, sie hat sofort verlustangst und heult wie ein wolf stundenlang, wenn es sein muss. ich kann allerdings das haus verlassen, da mein collie bei ihr ist und dann ist es für sie ok.
    was du brauchst ist geduld und du darfst nicht schnell wütend werden, denn nur mit ruhe ist was mit solchen hunden anzufangen. auch wird er nie so ein einfacher hund werden, wo man spazieren schlendert und um sich herum alles vergisst.
    habe noch einen hund vom züchter, das ist ein unterschied wie tag und nacht. mit meinem collie zu leben ist freude pur ohne ärger und stress, ich liebe meine hündin auch, aber einfach wird es mit ihr nie sein.
    wenn ich sie mal in eine hundepension geben muss, kommt er collie freudig auf mich zu , ohne schaden genommen zu haben. sie hat danach immer fieber! so ist das längere wegfahren ohne hund sehr schwer möglich.
    ich für mich habe entschieden, nur noch einen hund vom züchter, mit allen 3 vorgängern aus guter zucht, hatte ich nie ein problem. nie mehr ein hund aus dem tierschutz für mich! ich habe die probleme voll unterschätzt und jetzt muss ich noch sehr lang mit den konsequenzen leben, denn eine abgabe kommt bei mir nicht in frage, da so ein hund zum wanderpokal wird und das hat er auch nicht verdient.

  • Zitat

    ich empfehle vorher die Lektüre dieser beiden Bücher, vor allem dem ersten Buch. Danach ist hoffentlich klar, dass das Ignorieren von Angst veraltetes und falsches Denken ist!

    Würde ich nicht unterschreiben. Kommt auf die Angst und die Situation und wie der Hund sich verhält / was er für ein Wesen hat. Je nach Rasse(-Mix) kann der Hund durchaus eher der Typ sein, der durch Ignorieren des Gassigängers (und später Frauchen) lernt, dass die Situation nichts Schlimmes an sich hat. Regt sich Frauchen nicht auf, brauch´ ich mich auch nicht aufzuregen. Bei Sammi schient es so zu sein.

    Bei meinem jetzigen Hund hat das allerdings nicht funktioniert, also habe ich ihr jedesmal, wenn ein LKW vorbeifuhr, oder wir einem Mann begegneten (das waren ihre beiden Angst-Auslöser) beruhigend die Hand auf den Rücken gelegt und mit ganz tiefer Stimme gemurmelt "Alles ok". Hatte das irgendwo mal gelesen. Das hat sofort Besserung gebracht.

    Ist halt immer unterschiedlich. Sammi kommt scheinbar in sehr gute Hände, da wird man ihm wohl mit Liebe und Sorgfalt begegnen und er wird schnell lernen, dass Frauchen und Herrchen vertrauenswürdig sind und er sich ihnen anschließen und dann auch schwierige Situationen meistern kann.

  • Erstmal Danke für die schnellen Kommentare :-D

    Natürlich ist Angst ignorieren kein Allheilmittel. Dennoch gehört es zum natürlichen Verhalten in einem Rudel mit dazu. In gewissen Situationen lässt sich ein Hund am besten beruhigen, indem man ihm zeigt dass ja eigentlich gar nix falsch ist. Wie SandraundNick schon bemerkt haben kommt das immer ganz auf den Hund drauf an.

    Wie gesagt liegt für uns die Vermutung nahe, dass Sammi vermutlich nicht allzuviele Erfahrungen gemacht hat und sich daher eher fürchtet, als panische Angst zu haben. Er kennt vieles scheinbar einfach nicht. Je mehr er uns vertraut und je mehr wir ihm zeigen, umso besser wird es werden. Wobei es ein kleines problem gibt, ist die positive bestärkung. Wie gesagt er lässt sich nicht berühren, also auch nicht streicheln. An Leckeris hat er auch kein Interesse, vielleicht einfach auch aus noch fehlendem Vertrauen. Daher können wir ihn nur verbal bestärken. Mit anderen Methoden könnte man vielleicht bessere Ergebnisse erzielen. Wir wollen ihn jedoch auf uns zukommen lassen.

  • Hallo Cheffkoch,

    find ich toll, dass Sammi bald bei Euch ein tolles neues Zuhause hat. Mach Dir nicht zu viele Gedanken, es liest sich so, als würden Deine Freundin und Du das schon machen.

    Mit was für Leckerchen hast Du es denn bisher probiert? Unser Welpe reagiert auf Hundeleckerchen unterwegs überhaupt nicht. Aber neulich hat er sogar an einer Ampel Sitz gemacht, obwohl gerade ein Bus vorbeibretterte. Ich sag nur Wunderwaffe: Gouda-Häppchen (oder auch Fleischwurststücke), dafür tut unser Hund alles.

  • Ich freue mich für euch, dass ihr bald "Nachwuchs" haben werdet.
    Melli ist auch aus Spanien und wir haben schon sehr viel mit ihr geschafft. Sie hatte auch viele Ängste, aber die haben wir entweder weggeclickert oder sie sind mit der Zeit einfach verschwunden.
    Sie hat aber noch das Problem, dass sie, wenn sie vor etwas Angst hat, wie ein Häuflein Elend zittert und ich habe jetzt von einem Tiertrainer erfahren, dass es ihre Masche ist und sie aber nicht wirklich Angst hat.
    An den Augen und an ihrem Verhalten, wenn sie aus der Situation raus ist, konnte er es feststellen.
    Also, nicht alles ist wirkliche Angst, sondern eben ein Muster, das sie so gelernt haben und mit dem sie bisher gut gefahren sind. Vor allen Dingen kommen sie wahrscheinlich auch nicht selbst aus diesem Muster raus, sondern mit Geduld und Vertrauen, geht es, hoffentlich, vorüber.

  • Bisher mit verschiedenen die wir noch von anderen Spaziergängen (Gehen schon länger regelmäßig im tierheim gassi) haben. Vielleicht sollten wir es ja wirklich mal mit wurststückchen versuchen. Ich werde mal die Tierheimarbeiter fragen wie die zu sowas stehen. Danke für den Tip :-D

  • Zum Thema Leckerli: ein Hund, der im Streß ist, nimmt keine Leckerli. Ich denke, deswegen nimmt Deiner auch noch keine, weil er Euch halt einfach noch net so gut kennt oder die Umgebung unbekannt ist etc. Ich denke, das gibt sich mit der Zeit. Bis dahin würde ich mit ruhigem, leisem Lob arbeiten, und mit der Ermutigung und Sicherheit, die Ihr ihm gebt in "komischen" Situationen, die ist ja schon Bestätigung genug.

    Auch, wenn der Hund was Schweres bewältigt hat (z.B. auf einen unbekannten "komischen" Gegenstand zugehen), ist die beste Bestätigung eh die, daß der Gegenstand ihm dann tatsächlich nichts tut, und er entspannt weitergehen kann. Und wenn dann natürlich noch von Euch ein ruhiges "suuuper hast Du das gemacht" kommt oder so, ist alles perfekt.

    Zusätzlich gibt diese Situation, die Ihr dann ja gemeinsam "bewältigt" habt, entsprechend Selbstvertrauen, und sorgt für Bindung zu euch durch das gemeinsame Erleben.

    Insofern denke ich nicht, daß es momentan unbedingt Leckerli braucht, darum würde ich mir nicht wirklich Gedanken machen - man kann allerdings welche, die Hundi daheim sehr gerne nimmt (Wurststückchen o.ä.) nach draußen mitnehmen, einfach als Streßindikator. Wenn er nach der Weile doch anfängt, die Leckerli zu nehmen, wißt Ihr, der Streßlevel ist so weit gesunken, daß er in der Lage ist, draußen zu fressen, und daß Ihr daher auf dem richtigen Weg seid ;-)

    Wegen der Angst vor Autos: setzt Euch doch mal an einer Stelle auf eine Bank, von der aus man den Verkehr relativ sicher überblicken kann, und wo auch nicht allzuviel an Fahrzeugen los ist. Laßt dem Hund einfach mal Zeit, das Ganze zu boeobachten, setzt ihn zwischen Eure Füße o.ä., wo er eben Sicherheit empfindet, und schaut, was er tut. Guckt er nur, dann laßt ihm Zeit, sich daran zu gewöhnen (ein Zeichen, daß er entspannt, wäre z.B., wenn er sich hinlegt oder nicht mehr hechelt vor Streß. Wenn es so weit ist, könnt Ihr ganz ruhig wieder heimgehen - der Hund hat genug erlebt für heute, und er hat gelernt, sich selbst zu beruhigen, weil ihm im Verkehr nicht passiert ist. Das öfter mal machen, dann Abstand zur Straße verringern. Halt im Tempo des Hunes vorgehen, wie ers eben verkraftet und verarbeiten kann). Ist er aber so hibbelig, daß er dauernd aufsteht und versucht, in Richtung "weg von der Straße" zu gehn, ist der Abstand vermutlich noch zu groß, dann würde ich mir eine andere Stelle suchen - nichts erzwingen.

    Das mit dem Nicht-Anfassen macht ihr super, ich denke, das würde ich auch so beibehalten. Laßt ihn einfach von sich auskommen - er wird euch schon zeigen, wenn er genug vertraut, um berührt zu werden.

    Zum Thema Angst vor Menschen: vorläufig würde ich ihn beschützen, und verhindern, daß andere Menschen ihn irgendwie einengen, bedrängen oder gar berühren. Evtl. daher auch wo gassi gehen, wo nicht allzu viele Leute rumlaufen, zumindest anfangs, bis er mal das Vertrauen gefaßt hat, daß Ihr ihn vor Fremden beschützen werdet. Und dann erst anfangen, ab und an "zufällig" etwas näher an den Leuten vorbeizugehen, das kann man auch mit Freunden planen, daß die Euch entgegenkommen, und dann auf etwas Abstand deutlich sichtbar für den Hund etwas (Leckerli) "verlieren". Damit er sieht, die tun nix, sind sogar nett. Ob er das dann nimmt, ist was Anderes, aber erkennen tut er sicher trotzdem, daß das was Gutes ist, was die fallenlassen *gg Du kannst ihn auch dort hinschicken, adß er dem Menschen quasi "hinterherschnuppert" und dabei das Leckerchen findet. Vielleicht nimmt ers zu diesem Zeitpunkt ja sogar schon, wenn er Euch schon vertrauen kann.

    Viel Spaß mit Eurem künftigen Mitbewohner ;-)

  • Zitat

    Zum Thema Leckerli: ein Hund, der im Streß ist, nimmt keine Leckerli. Ich denke, deswegen nimmt Deiner auch noch keine, weil er Euch halt einfach noch net so gut kennt oder die Umgebung unbekannt ist etc. Ich denke, das gibt sich mit der Zeit.

    Jein. Das stimmt natürlich, dass bei Stress/viel Ablenkung etc. der Hund kein Leckerchen nimmt. Aber unsere Hundetrainerin arbeitet auch viel mit Lecker. Also Lecker z.B. in die geschlossene Hand und dem Hund über die Nase halten, "Sitz" und dann warten, bis er sich setzt und dann loben und das Lecker geben. Und bei unserem Lecker, das er zuhause liebt - getrocknete Entenbrust - , hat Devlin überall hingeguckt und hingeschnuppert, aber nicht auf meine Hand. Die anderen Leute, die schon öfter da waren, gaben mir dann von ihrem Käse und ihrer Fleischwurst ab und siehe da, er ist meiner Hand sogar über die A-Wand gefolgt etc. Wenn man mit Leckerchen arbeiten will beim Training, ist es schon auch wichtig, was man da nimmt. Und was zuhause toll ist, kann unterwegs völlig uninteressant sein. Unterwegs muss es schon das Megaoberlecker schlechthin sein.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!