ADHS bei Hunden - Parallelen zwischen Kind und Hund?

  • Ich denke, es ist eine Mischung aus beidem. Die von dir sehr gut erkannten und ausgeführten sozialen und gesellschaftlichen Einflüsse, der enorm hohe Druck schon in den frühen Kindheitphasen UND dazu noch vererbte "Anfälligkeiten", die dazu führen, mit diesen ganzen Eindrücken und Anforderungen nicht zurecht zu kommen.


    Zu ADHS gehört ja nicht nur "Zappelphilipp" sondern, wie schon erwähnt, auch oft zwischenmenschliche Probleme (sich und andere nicht einschätzen können, grenzen nicht erkennen, auch Tendenzen zu emotionalen Ausbrüchen).


    Die Frage nach dem wie und warum ist wohl eine Rechnung mit unheimlich vielen Variablen die miteinander interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Wie bei fast allen psychischen Störungen, egal ob sie erblich oder umweltbedingt sind.


    Viele Menschen sind nunmal der Meinung, ein gesundheitliches Problem sei nur was blutet und auf Röntgen oder CT sichtbar ist - was man anfassen kann. Deshalb werden psychische Probleme wie ADHS so gerne nicht ernst gekommen und als Unsinn unter den Teppich gekehrt.



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  • Bettybuh


    Ich bin zwar etwas jünger, aber: ich glaube, das gab es früher auch.


    Aber es wurde auf uns Kinder weniger Fokus gelegt, jetzt mal dahingestellt, ob das gut war oder nicht.
    Ich bin nämlich nicht so der Freund von früher war alles besser.... es war einiges besser und einiges auch schlechter.


    Man machte sich nicht so viel Gedanken, wenn ein Kind "durch das Raster fiel". Also wird es diese Fälle einfach ohne dazugehörige Diagnose gegeben haben. Noten gab es in der ersten Klasse, wer hintendran hing, ja irgendwo Pech gehabt. Hibbelige Kinder, so nannte man das damals halt, gab es bei uns genug. Es gab mehr körperliche Züchtigung, bei mir zuhause nicht, aber in so manchem Haushalt doch. Unbestritten ist dieser Weg, Disziplin durch Angst zu erzwingen, heutzutage als falsch erkannt.
    Hast es nicht gepackt, warst in irgendeiner Form außerhalb der Norm: in den wenigsten Fällen wurde da stark nach Ursachen gesucht, oder gar Fachkräfte befragt, wozu hatten wir denn schließlich die Sonderschule.


    In einigem gebe ich Dir aber tatsächlich Recht: wir haben uns sehr viel mehr bewegt, waren viel mehr draußen als die Durchschnittskinder heute und wuchsen reizärmer auf. Das hatte sicherlich positive Effekte. Es gab mehr berufliche Perspektiven für alle Arten von Begabung, man brauchte sich nicht so extrem zu sorgen, viele mit einem Volksschul/Hauptschulabschluss haben beachtliche berufliche Laufbahnen hingelegt, die ihnen heutzutage nicht in dem Maße offen stünden.


    PS.: Die Mütter fast aller meiner Freunde haben gearbeitet. Sei es in der eigenen Landwirtschaft (viel Arbeit!), sei es als Angestellte. Meine Mutter übrigens auch. Ich glaube, das Arbeitszeitmodell ist da nicht ursächlich.

  • Bettybuh Ich denke da gibt es eine Menge möglicher Ursachen. Beispielsweise gibt es immer mehr Hinweise das Umwelteinflüsse, bestimmte Stoffe welche z.B: in der Nahrung aufgenommen werden, Ursachen für ADHS oder auch Autismus sein könnten. Es gibt keine klaren und eindeutigen Ursachen.


    Ich denke auch das es früher mehr praktische Tätigkeiten gab, welche die Energie der Kinder und Jugendlichen mit ADHS früher besser ausführen konnten bzw. sich dadurch besser auspowern konnten und dann entspannter waren. Heute geht es ja nur noch um "schneller, höher, weiter". Im Kapitalismus muss nicht passendes eben passend gemacht werden. Sorry, ist meine ganz persönliche Sicht der Dinge. Das geht von Menschen bis zu den Hunden. Es ist kein Platz für Kinder welche doppelt so lange benötigen um das gleiche zu lernen. Man kann sie Gott sei Dank in Sonderschulen abschieben. Und es ist auch kein Platz für Hunde welche nicht wie eine Maschine funktionieren. Gott sei Dank gibt es Hundeflüsterer, Trainer, Bachblüten und vieles mehr. Alles muss eben perfekt optimiert werden. Menschen, Kinder, Hunde und Maschinen.


    In diesem Sinne wollen wir hoffen das die Zukunft lauter gleichförmige Menschen und Hunde erzeugt. Die Gentechnik ist auf dem besten Wege dazu.

  • Ich glaube, die Verknüpfung zwischen "auffälligen" Kindern und "auffälligen" Hunden liegt genau hier: bei den immer strengeren gesellschaftlichen Regeln, den krassen Ausschluss-Kriterien und den immer größeren Massen an Aussenreizen!


    Von den Hunden wird, wie von den Kindern, immer mehr erwartet. die Welpen werden schon mit 8 Wochen mit so vielen Reizen bombardiert, es wird täglich stundenlang irgendwas geübt, dazu bitte noch 3x pro Woche Welpenstunde wobei die Kleinen schon nach 10-15 Minuten geistig erschöpft sind und Erholung brauchen. Dazu die etlichen Beschäftigungsnotwendigkeiten, 2000 Spielzeuge inkl natürlich geistiger Förderung.
    Die andere Seite der Medaille: die Leute, die gar nichts machen, die Hunde machen lassen wie sie möchten, Regeln und Konsequenzen nicht ernst vermitteln und die Umwelteinflüsse unkommentiert und ungefiltert auf das (junge) Tier einprasseln lassen, so dass er sich selbst die Grenzen und Verhaltensweisen absteckt.


    Früher waren die Hunde nicht so eng mit ins Leben eingewoben, viele Hunde müssen heute mit auf die Arbeit was ja nicht verwerflich aber eben auch eine gewisse Form von Stress bedeutet, oder bleiben lang allein zuhause oder in Fremdbetreuung, was dem normalen Verhalten ja auch oft widerspricht. Zudem bei jedem Spaziergang viele andere Hunde und Menschen und dazu die modernen Stadt- und Alltagsreize.


    Wer aus dem gewünschten Muster fällt (Kinder = ruhig, zielorientiert, am besten hochintelligent und immer flott im lernen; Hunde = ruhig! mit jedem und allem verträglich und 20 Kommandos) - wird sozial sanktioniert und aussortiert. Und letztlich fällt es auf die Eltern oder Halter zurück, die natürlich absolut selbst schuld sind (Achtung Ironie!).
    Die Erklärung, dass es nunmal unterschiede in den Charakteren und bestimmte Dispositionen gibt, würde den meisten anderen Menschen ein Maß an Denkvermögen und Toleranz abverlangen, zu dem heute kaum noch jemand fähig ist.



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  • Ich kenne mich nicht mit den Details von ADS und ADHS aus, aber ich find es erschreckend, wie schnell man bei Kindern darauf aufmerksam gemacht wird, die - ja etwas hibbeliger und unkonzentrierter erscheinen.
    Mein Sohn ist ein Wimmelarsch und ja er hat teilweise Probleme bei der Sache zu bleiben. Das war bei mir nicht anders. Was mich interessiert hat, da war ich dabei, was nicht, ja da hatte ich auch so meine Mühe bei der Sache zu bleiben.
    Mein Sohn war weder im Kindergartn auffällig noch hat er - jetzt 4. Klasse - Probleme in der Schule.
    Aber es hat mich fürchterlich erschreckt, dass mein Kinderarzt, nach einer U (ich glaube die U9 vor der Einschulung) meinte, man solle das Beobachten, könne ADS/ADHS sein und hat mir 'ne Broschüre in die Hand gedrückt. Und als ich das dann in der 1. Klasse der Klassenleiterin erzählt habe, war die dann auch auf dem Trip ADHS und es wurde nochmal im Kindergarten nachgefragt etc.
    In der 2. Klasse hat sie sich dann mehr oder weniger dafür entschuldigt und war ganz begeistert, wie mein Sohn sich so entwickelt hat - Ganz ehrlich, ich hab nix anderes erwartet, ich kenne mein Kind schließlich am Besten. Aber ich gehöre auch zu der Sorte Mensch, die sich nicht so leicht verunsichern lassen.



    Unser jetztiger Hund erinnert mich oft an meinen Sohn, hibbelig, impulsiv, ungeduldig, stehen sich dadurch teilweise selber im Weg, Tollpatschig aber auf der anderen Seite, dass Herz am rechten Fleck!


  • :gut:

  • @ nextdog: Ich kann deine Gedanken nachvollziehen und muss in manchen Punkten auch zustimmen. Das Problem ist, dass ADHS zu einer "Modediagnose" geworden ist. Zeigt sich ein Kind verhaltensoriginell ;-) macht man es sich in manchen Fällen doch recht einfach, es hat halt ADHS. Oft folgt dann eine Ritalineinnahme um die Kinder (auch in der Schule) händelbar zu machen, andere Faktoren (wie Umgang zu Hause, Strukturen) werden oft nicht verändert.
    Schlichtweg auch deshalb, da viele Elternhäuser dies heutzutage nicht mehr leisten können (wollen).


    Ich weiß nicht welchen Schwerpunkt deine Schule hat, da sich deine Beobachtungen aber vermutlich auf das berufliche Umfeld beziehen, muss auch der familiäre Hintergrund beachtet werden. Ich denke, Kinder mit intaktem, strukturiertem Elternhaus sind trotz derselben Diagnose deutlich weniger auffällig als bspw. Kinder aus bildungsfernen Familien. --> ich möchte hier niemandem zu nahe treten, ich gebe lediglich meine derzeitigen Beobachtungen wieder, diese sind subjektiv und beruhen auf bisherigen, beruflichen Erfahrungen, sind also nicht allgemeingültig.


    Bzgl. Hunden: ich hab auch so nen Hibbel daheim, sehr stressanfällig und trotz intensiver Übung immer noch sehr impulsiv. Durch das richtige Management, extrem viel Ruhe und bedachtes Handeln konnten wir viel bewirken sind aber immer noch am Trainieren. Ein aufgeregtes Umfeld, unklare Regeln und Strukutren, fehlende Rituale sind Gift für ihn. Vermutlich in gewissem Maße mit manchen Kindern vergleichbar ;-)

  • Was mir noch auffällt so als Parallele:


    Bei Kindern wird zu schnell diese doch recht umfassende Diagnose gestellt und mit Medikamenten eingegriffen, ohne - wie Takinna schon schrieb - auf das Umfeld einzugehen. Zu einer "Behandlung" bei ADHS gehört eigentlich zwingend auch eine psychologische Betreuung, gezielte Übungen (individuell angepasst!) und auch die Einweisung und Intervention an den Eltern und die Analyse der gesamten Umstände!


    Genauso wie beim Hund sofort auf "hyperaktiv" oder "höchst auffällig" plädiert wird, dann kommen Hilfsmittel (Schleppleine, Futterbeutel, Wasserspritze, gewisse Halsbänder...) zum Einsatz, wobei die meisten "Trainer" dann garnicht an den HALTERN arbeiten sondern nur das falsche Verhalten irgendwie kaschieren statt es wirklich zu lösen. Es wird oft nicht gefragt "wie sieht der Alltag aus, was machen Sie alles, was löst Stress aus?" Sondern nur "wieviel gehen sie Gassi?" Ohne zu schauen, was an Reizen und Stressoren dabei auftritt!



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  • Zitat

    Ich kenne mich nicht mit den Details von ADS und ADHS aus, aber ich find es erschreckend, wie schnell man bei Kindern darauf aufmerksam gemacht wird, die - ja etwas hibbeliger und unkonzentrierter erscheinen.
    Mein Sohn ist ein Wimmelarsch und ja er hat teilweise Probleme bei der Sache zu bleiben. Das war bei mir nicht anders. Was mich interessiert hat, da war ich dabei, was nicht, ja da hatte ich auch so meine Mühe bei der Sache zu bleiben.


    Ja, das entwickelt definitiv ein gewisses Eigenleben. Eine ganze Zeit habe ich mit jemandem ehrenamtlich (im Kindergarten) zusammengearbeitet, dessen Kind an ADHS leidet.
    Du kannst Dir gar nicht vorstellen, es wurde alles nur noch durch diese Brille gesehen - fast jedes dritte Kind wurde von ihr mit dieser Privatdiagnose (wohlgemerkt: eines informierten Laien) versehen und sie suchte das Gespräch mit den Eltern....

  • Manche Eltern suchen geradezu eine Schublade für ihr Kind, um auf Schnaudels Erfahrung zurück zu kommen.
    Manchmal habe ich den Eindruck Kinder müssen irgendwie einsortierbar sein, was dann eine gewisse Befriedigung seitens der Eltern verursacht.
    Die für mich schlüssigste Erklärung für ADHS und Co. habe ich in einer mehr als 20 Jahren alten Schrift einer Apothekerin über die Behandlung ihres betroffenes Sohnes gelesen.
    Aus ihrer Erfahrung heraus waren die Nahrungszusatzstoffe wie Farbstoffe, Aromen, Konservierungsstoffe, künstliche Vitamine, gehärtete Fette... dafür verantwortlich.
    Die Frau wurde damals furchtbar angegriffen und verhöhnt, bekam aber die eigenen Schwierigkeiten mit dem Sohn gut unter Kontrolle über die Auswahl der Lebensmittel.


    Zusätze in der Nahrung haben eher zu-als abgenommen, Erwartungen an die Kinder sind gestiegen, eine erbliche Disposition ist inzwischen nachgewiesen. Ich denke, es sind verschiedene Faktoren verantwortlich für den Ausbruch der Verhaltensauffälligkeit.
    Die Zeit, die nicht mehr nicht gegeben wird sich zu entwickeln mag auch eine Rolle spielen und die Normierung.


    Das passt auch auf unsere Hunde:
    Qualität der Nahrung, Pressen in ein Schema, Anpassung an eine feindliche Umwelt.


    Von A. Einstein habe ich gelesen, dass er bis zum Alter von 8 Jahren oder mehr überhaupt nicht gesprochen hat.
    Später meinte er über sich selbst, er wäre niemals fähig gewesen die Relativitätstheorie zu entwickeln hätte er sich bereits im frühen Alter über Sprachäußerungen einer Korrektur seiner Gedanken unterzogen.


    LG, Friederike

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