Traumatisierte Hunde aufnehmen :/

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    Ich frage mich nur ob das noch sinnvoll ist so einen Hund hierher zu holen.
    Wenige Leute haben diese Zeit, die Motivation und das richtige Verantwortungsbewusstsein. Ob so ein Hund in der Freiheit nicht glücklicher gewesen wäre?! (Aus Hundesicht, aus Menschensicht natürlich nicht)

    Gerade im Fall von Rumänien lautet die Frage wohl eher, ob der Hund nicht tot glücklicher wäre - was dann eine Glaubensfrage ist.

  • Nein, ich würde es nicht tun. Weil ich es mir nicht zutraue. Und weil ich es falsch finde.


    Mein Problem an der Sache ist v.a. die Gefährdung anderer. Selbst in der ländlichsten Gegend ist Deutschland ein dicht besiedeltes Land. Selbst da, wo wenige Leute wohnen, gibt es Wanderer, oder Schafe auf der Weide oder was auch immer. Und wie groß die Hundedichte heutzutage ist, wissen wir alle zu Genüge!

    Da hinein einen traumatisierten, angstaggressiven Hund zu setzen, finde ich ab einer gewissen Größe des Hundes schlicht verantwortungslos.
    Was Regula schrieb, ist so ein Beispiel - bei allem Respekt davor! Aber das hätte auch gewaltig schief gehen können. Und aus einem weiteren Hund einen Problemhund machen können, weil er nach der Attacke Angst vor anderen Hunden hat.

    Viele ehemalige Strassenhunde - schon ohne Trauma - kommen mit den vielen Einschränkungen des Lebens hier, geschlossene Wohnung, Leine, eingeschränkte Kommunikation mit Artgenossen etc - nicht gut klar.
    Natürlich kommen diese Hunde aus Städten - aber dort konnten sie immer wegrennen, wenn ihnen etwas Angst gemacht hat. Hier - an der Leine des liebenden neuen Frauchens - müssen sie sich mit allem auseinandersetzen. Das führt natürlich zu Panik. Und das nicht selten zu aggressivem Verhalten und damit zur Gefahr für andere. Und das DARF einfach nicht sein. (über eingeschleppte Krankheiten jetzt mal gar nicht zu reden - und leider kenne ich da einige Beispiele, wo die Papiere über Untersuchungen, Impfungen etc Fake waren und die neuen Besitzer obendrein auf horrenden Kosten sitzen blieben).

    Jeder macht ein Riesending draus, was ein Welpe alles uuunbedingt bis zur 16. Woche kennen muss. Als Welpenbesitzer bekommt man den Eindruck, wer Welpi nicht durch alle Strassenbahnen und Eiscafes dieser Welt geschleift hat bevor er 4 Monate alt ist, hat alles verpasst. Gleichzeitig soll man aber glauben, dass man jeden Strassenhund "resozialisieren" kann (wieso eigentlich "re"? - von "wieder" kann kann keine Rede sein, es wird die erste "Zivilisationserfahrung" des Hunde sein!), solange man nur genug Ahnung hat. Und ein guter, toller, heldenhafter und selbstloser Mensch ist (und hier liegt der hase im pfeffer für mich, darum gehts).

    Ich finde es den Hunden gegenüber - gerade wenn sie schon viel durchmachen mussten - unfassbar rücksichtslos und egoistisch, sie auch noch langen Transporten und mehrfachen Ortswechseln auszusetzen. Nach so einer Tortur wäre sogar mein gepamperter Haushund vermutlich völlig fertig!

    Warum tut man dem Hund, sich selbst und seiner Umwelt das an? ich werde es nie verstehen.

    Ich finde nicht, dass man nur vor der eigenen Haustür Gutes tun sollte - aber wenn man rumänischen Hunden helfen will, dann sollte man nach Rumänien fahren und vor Ort handeln, oder gute Orgas mit Tierheimen und Kastraprogrammen dort finanziell unterstützen.

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    Gleichzeitig soll man aber glauben, dass man jeden Strassenhund "resozialisieren" kann (wieso eigentlich "re"? - von "wieder" kann kann keine Rede sein, es wird die erste "Zivilisationserfahrung" des Hunde sein!), solange man nur genug Ahnung hat. Und ein guter, toller, heldenhafter und selbstloser Mensch ist (und hier liegt der hase im pfeffer für mich, darum gehts).

    Und genau da irrst du meiner Ansicht nach in mehreren Punkten.

    1. kann man einen Hund, der nur Schlechtes erfahren hat, durchaus in jedem Alter resozialisieren - wenn das Individuum Hund dafür aufnahmefähig ist. Diese Fähigkeit jedem Hund, der älter als vier Monate ist, abzusprechen, finde ich ein wenig kurzsichtig. Meine Extremangsthündin war ca. acht oder neun, als ich anfing, mit ihr zu arbeiten. Sie kam von der Straße, wurde über eine Organisation, die unser deutsches Tierheim z.T. mitfinanziert hat, zu uns gebracht. Okay, darüber kann man streiten, aber wenn man die finanzielle Unterstützung braucht, nimmt man auch in wenigen ausgewählten Fällen die Auslandshunde auf. Die Hündin hatte Angst vor allem und jedem und kannte kein Geschirr, keine Leine, keine Kooperation mit Menschen. Ich habe 15 lange Monate im Tierheim mit ihr gearbeitet und sie im Anschluss an diese Zeit adoptiert. Sie hatte bei mir ein tolles Leben, lief ohne Leine, hatte nur noch vor ganz wenigen Sachen Angst (ranstürmende Tutnixe, die ich ihr durch Blocken vom Hals halten konnte, Feuerwerk und große Männer mit Vollbart - alles Dinge, vor denen ein gut sozialisierter "deutscher" Hund auch Angst haben kann) und begleitete mich problemlos in meinem Alltag. Und obwohl sie als angstaggressiv zu uns kam, hat sie niemals, seit sie in meiner Obhut war, irgendjemanden oder einen Hund gebissen. Trotz großer Hundedichte, trotz voller Bahnen, in denen wir fuhren.

    2. gibt es auch innerhalb Deutschlands genug traumatisierte Hunde, so dass du nicht sagen kannst, es seien nur die Straßenhunde, die dieses Problem haben.

    Beispiele gefällig? Gerne. Ein Hütehundmix, der einen Großteil seiner Jugend auf dem Dachboden verbrachte, bis er von Amts wegen dort rausgeholt wurde. Angstaggressiv, wenn man falsche Bewegungen machte, die erste Zeit stark ressourcenverteidigend.

    Eine Schäferhundmix-Hündin, gerade zwei Jahre alt, die den Großteil ihres Lebens in einem dunklen Verschlag verbracht hat, bevor sie zu uns kam. Sie war völlig reizüberflutet, als wir unseren ersten Spaziergang machten, und auch heute, bei ihren neuen Besitzern, hat sie die Tendenz zur Angst.

    Ein Dackelmix, der fünf Jahre lang bei einer sehr wohlmeinenden, liebenden Familie lebte, die allerdings nie mit ihm raus ging. Der Hund kannte nur sein Haus, seinen Garten, mit viel Glück seine Straße, immer an der Flexileine, und seine Familie. Fremde Menschen? Fehlanzeige. Dann wurde er lästig, kam zu uns und wollte jeden beißen, der in seine Nähe kam - aus absoluter Panik. denn er kannte ja nichts außerhalb seines Gartenzauns.

    Das sind nur drei Beispiele, die ich in meiner Tierschutzarbeit schon gesehen habe, von Hunden, die genau hier in Deutschland mit schlechtem Start ins Tierheim kamen. Und es gibt mit Sicherheit noch viel schlimmere, die wir in unserem ländlichen Tierheim nicht gesehen haben. Gequälte, misshandelte, geschlagene, scharf gemachte Hunde. Man liest von ihnen in der Zeitung. Was macht man mit denen, wenn sie aufgrund der Behandlung durch den Menschen nach vorn gehen, weil sie keine andere Möglichkeit sehen? Einschläfern? Oder vielleicht doch von jemandem, der Ahnung hat, resozialisieren lassen?

    3. Ich arbeite mit solchen Hunden, wenn sie bei uns auf dem Tierhof landen. Und ich bekomme kein Geld dafür. Warum ich das tue? Sicherlich nicht, weil ich ein "toller, heldenhafter und selbstloser Mensch" sein will. Ich mache das, weil es mir Spaß macht. Weil ich diese Arbeit gern tue und den Hunden die Chance auf einen Neuanfang geben mag. Weil es mir viel gibt, und zwar ganz bestimmt nicht die Anerkennung irgendwelcher Menschen, die mich nicht kennen - die wissen davon nämlich nichts. Ich mache es, weil ich mich für jeden Hund, der durch das, was er mit mir lernt, vermittelt werden kann, riesig freut, auch wenn ich ihm hinterherweine und er mir fehlt, wenn er weg ist. Weil ich selbst dabei sehr viel gelernt habe, über Hunde und auch über mich. Gutmenschentum ist mir fremd, und ich gehe einfach mal davon aus, dass es den meisten Menschen, die sich bewusst (sie WISSEN, worauf sie sich einlassen, wägen ab und entscheiden sich dennoch für den traumatisierten Hund - dennoch, nicht WEGEN des Traumas) für einen solchen Hund entscheiden, ebenso geht. Die Ausnahmen, die einfach mal nen Hund aus der Tötung haben wollen, weil es gerade chic ist, treffe ich persönlich jedenfalls selten.

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    Genau, die Glaubensfrage

    Selbst traumatisierte Menschen würden da denke ich, unterschiedlich drüber denken, denn es kommt auf das Individuum an.

    Äh, ich meinte jetzt eher, ob man an ein Leben nach dem Tod glaubt und an welche Form des Lebens danach.
    Das ist ja shcon essentiell für so ne Aussage.

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    3. Ich arbeite mit solchen Hunden, wenn sie bei uns auf dem Tierhof landen. Und ich bekomme kein Geld dafür. Warum ich das tue? Sicherlich nicht, weil ich ein "toller, heldenhafter und selbstloser Mensch" sein will. Ich mache das, weil es mir Spaß macht. Weil ich diese Arbeit gern tue und den Hunden die Chance auf einen Neuanfang geben mag. Weil es mir viel gibt, und zwar ganz bestimmt nicht die Anerkennung irgendwelcher Menschen, die mich nicht kennen - die wissen davon nämlich nichts. Ich mache es, weil ich mich für jeden Hund, der durch das, was er mit mir lernt, vermittelt werden kann, riesig freut, auch wenn ich ihm hinterherweine und er mir fehlt, wenn er weg ist. Weil ich selbst dabei sehr viel gelernt habe, über Hunde und auch über mich. Gutmenschentum ist mir fremd, und ich gehe einfach mal davon aus, dass es den meisten Menschen, die sich bewusst (sie WISSEN, worauf sie sich einlassen, wägen ab und entscheiden sich dennoch für den traumatisierten Hund - dennoch, nicht WEGEN des Traumas) für einen solchen Hund entscheiden, ebenso geht. Die Ausnahmen, die einfach mal nen Hund aus der Tötung haben wollen, weil es gerade chic ist, treffe ich persönlich jedenfalls selten.

    :gut:

    Auch Mitleid zu haben, bedeutet nicht, dass man Anerkennung vom anderen Mensch haben will als besonders guter Mensch.

  • Ich nehme ab und an solche Hunde auf, trainiere mit ihnen und vermittle sie dann weiter.
    Wenn ich die Kapazitäten und Möglichkeiten hätte, wären es noch mehr. So aber muss Hund, der zu mir kommt, ein paar Kriterien erfüllen, z.B. mit einem Leben in einer Wohnung am Stadtrand klarkommen können, meine Nachbarn am Leben lassen und beim Anblick eines fahrenden Autos nicht gleich tot umfallen. Viele Hunde (insbesondere Angstkandidaten aus dem Ausland) fallen da schon raus.
    Am Schlimmsten ist es, wenn man weiß, dass man nun entweder diesen Hund zu sich nimmt oder er eben die Spritze bekommt, weil keiner mehr die Nerven oder die Lust hat, sich mit ihm auseinanderzusetzen.
    Und dann ist es aber so ein Hund, der hier einfach nicht reinpasst, mit dem es hier so gut wie unmöglich wäre, überhaupt zu arbeiten, man KANN ihn also einfach nicht aufnehmen, und wenn mans täte, würde es dem Hund nicht helfen... Das passiert mir öfter, als es mir lieb ist und das ist schrecklich.
    Das Vermitteln solcher Hunde ist auch kein Zuckerschlecken, man reißt sich nicht gerade darum, "so einen" aufzunehmen. Es ist ja auch nicht mit ein paar Wochen oder Monaten Training bei mir getan.
    Ich kann einen guten Grundstein legen, aber die Leute müssen entsprechend weiterarbeiten und dazu müssen sie auch bereit sein, sonst war mein ganzes Training schnell für die Katz. Es bleiben immer irgendwie "anstrengende" Hunde, werden keine "Nebenherläufer". Es ist schwer, gute Interessenten zu finden.
    Ach ja... Irgendwann habe ich meinen Resthof mit großem Grundstück und dann dürfen alle kommen und notfalls bleiben! :ops:

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